AMORAL: Interview mit Juhana Karlsson

30.09.2007 | 21:41

Der mit dem Reptil tanzt

Vor geraumer Zeit galten die finnischen Flitzefinger von AMORAL und ihr angefrickelter Death Metal noch als echter Geheimtipp. Nach ausgiebigen Touren mit FINNTROLL und NAGLFAR treten die Jungs nun mehr und mehr ins Rampenlicht. Ein Umstand, den Schlagzeuger Juhana Karlsson vor allem auf die Gradlinigkeit des neuen Albums "Reptile Ride" zurückführt. Und den gleichzeitigen Abschied von ungestümen Frickeleien.

Wirft man einen Blick auf das neue Cover – die quiekende Band bei einem turbulenten Düsenjägerflug – wird einem schnell bewusst, dass die Band sich und ihr Schaffen nicht allzu ernst nimmt. Dem stimmt auch Juhana zu: "Wir waren gelangweilt von dieser ganzen Death-Metal-Szenerie und der Ernsthaftigkeit, die sie umgibt. Heutzutage verfolgen wir eher einen Rock'n'Roll-Spirit mit einer ironischen Attitüde." Was man dem neuen Album nicht nur anhört, sondern mit etwas Aufklärung auch hinter dem Albumtitel vermuten kann, dem "Ritt auf dem Reptil": "Der Titel hat nicht wirklich eine tiefere Bedeutung", verrät der 24-Jährige grinsend, "außer, dass es um guten Sex geht. Wir wollten bloß einen Titel, der einprägsam und schrill klingt. Und auch etwas humorvoll." Das passt auch gut zum Werdegang der Bandmitlieder: "Außerhalb der Band haben wir Tagesjobs, studieren und genießen natürlich das Leben. Wir sind einfach eine Rasselbande, die Spaß hat und Musik macht. Wir spielen nun schon eine ganze Weile zusammen, ich habe Ben 1997 getroffen, als wir mit gemeinsamem Jammen anfingen. "

Heraus kam 2004 mit "Wound Creations" ein Debüt und zwei Jahre später mit "Decrowning" ein zweites Album, auf dem die vier Finnen sich kräftig im Fingerverknoten übten. Inzwischen sind die ungestümen Frickeleien der Anfangstage eingängigen Melodien gewichen. Dem typischen skandinavischem Sound oder speziell jenem der schwedischen Nachbarn sieht sich das Quartett allerdings nicht verpflichtet. "Unsere Musik ist nun gradliniger als auf unserem ersten Album", kommentiert Juhana sogleich, "aber immer noch weit von 'typisch' entfernt. Es gibt so viele kleine Details und einige auffällige Riffs, so dass es definitiv nach AMORAL klingt und nach niemand anderem." Was sicherlich auch am breit gefächerten Musikgeschmack der Bandmitlieder liegen wird. So zählt Mr. Karlsson selbst neben EMPEROR und NILE auch Bands aus dem HipHop-, Elektro- oder gar Jazz-/Funk-Genre zu seinen Lieblingen. "Wir können wirklich überall her Einflüsse nehmen, und wir hören definitiv viele verschiedene Musikrichtungen. Ich denke, es ist gesund, die Sache dynamisch zu halten und nicht an einem Ding fest zu kleben und immer wieder zu wiederholen."

"Viele Leute halten es für das beste Metal-Album 2007."

So geht das neuen 'Hang Me High' etwa auf den Einfluss einer befreundeten Metalcore-Band zurück. 'Few And Far Between' ist hingegen eine Nummer, die auch leicht aus der Feder von HYPOCRISY-Mastermind Peter Tägtgren hätte stammen können. Oder? "Es ist tatsächlich unser langsamster Song bis jetzt und sehr einfach in der Struktur", stimmt der Trommler zu. "Wir wollten ein Gegengewicht zu all dem technischen Zeug machen, das sonst in unserer Musik vorkommt. Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Song von Peter Tägtgren beeinflusst war. Aber ich weiß, dass Silver (Gitarrist - Anm. d. Verf.) seine Musik sehr mag. Es kann also möglich sein." Einer Ähnlichkeit vom rockigen und gitarrenlastigen 'Mute' mit CHILDREN OF BODOM will der finnische Landsmann nach einem ersten Lachen aber nicht uneingeschränkt zustimmen: "Hmm, okay, ein Riff klingt vielleicht schon etwas nach COB, aber insgesamt kommt in dem Song doch eine etwas andere Atmosphäre rüber. Wir haben viel gute Resonanz auf den Song bekommen, er scheint die Leute wirklich aufzuheitern."

Trotz manchen Ähnlichkeiten mit anderen skandinavischem Vertretern besitz "Reptile Ride" aber genug Selbstständigkeit, um mit eigener Durchschlagskraft die Metalfans zu überzeugen. "Die Reaktionen waren größtenteils einfach gut! Die Reviews waren sehr positiv, bisher nur ein paar mit wenigen Punkten. Viele Leute halten es für das beste Metal-Album 2007, was für uns natürlich sehr rührend ist." Vor allem, wenn man den Gradwechsel bei AMORAL bedenkt. "Wir wussten wirklich nicht, was wir erwarten sollen, da es sich von unserem ersten Album sehr stark unterscheidet. Bisher scheinen die Leute unseren neuen Kurs zu mögen, was natürlich sehr nett ist!" Und auch einen größeren Bekanntheitsgrad mit sich bringt. Doch AMORAL bleiben auf dem Teppich. "Weltweit ist AMORAL eine nicht so bekannte Band, aber wir bekommen mehr und mehr Aufmerksamkeit. In Finnland kennt uns fast jeder in der Metal-Szene. Wenn du uns allerdings mit Mainstream-Bands vergleichst, sind wir immer noch eine kleine Band. Dennoch ist das ganze Ding mit der Zeit definitiv größer geworden für uns alle. Schön zu sehen, dass wir es zu etwas bringen!"

"Online-Magazine werden noch wichtiger werden." Juhana spricht uns aus dem Herzen.

Speziell in ihrer Heimat dürften AMORALs Chancen steigen. Bei einem Blick in die finnischen Charts könnte man fast meinen, jeder Zweite in Finnland trage ein Metalkutte. "Das ist eine große Übertreibung", widerspricht Juhana, stimmt aber zu, dass es viele Metalbands in die Top Ten der finnischen Album-Charts schaffen. "Metal scheint eine beliebte Musikform in Finnland zu sein, und Metalheads scheinen eifrige Album-Sammler zu sein. Es ist durchaus nett, Metalbands in den Top Ten zu sehen, aber das meiste Zeug ist immer noch irgendwas anderes." Also auch in Finnland kein großer Unterschied zum Rest Europas, was die vier ebenso auf ihren Touren festgestellt haben. "Nach ein paar Shows in einem Land denken wir 'hmmm, so reagieren die Leute hier', aber der nächste Gig bricht dann völlig mit unseren Erwartungen. Es geht also weniger um die Länder, sondern mehr um das Gefühl in dieser Nacht, um den Ort, wie viele Leute da sind usw. Das bestimmt den Ausgang des Gigs. In Europa ist es sehr ähnlich überall. Aber als wir vergangenes Jahr in Japan aufgetreten sind, war das ein völliger Unterschied von allem anderen. In einer guten Weise, haha."

Wenn es um Musik geht, können die ansonsten eher zurückhaltenden Japaner doch mal richtig enthusiastisch werden. Und widersprechen so dem Klischeebild vom fernöstlichen Computer-Junkie. In gesunder Weise wird aber auch in unseren Breitengraden das Internet immer wichtiger, was nicht nur uns bei POWERMETAL.de freut, sondern auch Juhana so sieht: "Ich denke, Online-Magazine werden immer beliebter. Speziell jüngere Leute benutzen gern und viel das Internet, also lesen viele Metalheads auch Reviews und Interviews von verschiedenen Online-Magazinen. Ich denke also, dass sie definitiv wichtig sind und es in Zukunft wahrscheinlich noch mehr werden." Und wer im Netz auf AMORALs Homepage klickt, entdeckt schnell die Daten für die Europa-Tour mit NORTHER. "Wir können es kaum abwarten", freut sich Juhana. "Kommt einfach, checkt uns an und habt ein paar Biere mit uns!" Also aufgepasst, Ladies: AMORAL lassen ihre Reptilien von der Leine! ;-)

Redakteur:
Carsten Praeg

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