ANOMALIE: Ein Gespräch mit Marrok

23.12.2015 | 14:34

In Finnland geht die Sonne bereits gegen Nachmittag unter und passend zu der schleichenden Dunkelheit und der bitteren Kälte helfen eine Tasse Tee und Post-Black-Metal. Bereits das Debütalbum "Between The Light" hatte es mir sehr angetan und im Zuge der neuen Scheibe "Refugium" hatte ich die Ehre Bandchef Marrok einige Fragen zu stellen.

Zuallererst herzlichen Glückwunsch zur neuen Scheibe! Wie fühlt es sich an in nur so kurzer Zeit bereits das zweite Album auf dem Markt zu haben? War die Aufregung genauso stark wie beim Debüt?

Danke! Es ist immer ein sehr spezielles Gefühl, wenn man ein neues Album auf den Markt bringt, da so eine Veröffentlichung ja mehr oder weniger für die Ewigkeit ist und man ab diesem Zeitpunkt jederzeit von Hörern auf der ganzen Welt, unter anderem aufgrund der auf diesem Werk abgelieferten Leistung, gemessen wird - speziell wenn es sich um ein quasi Solo-Projekt wie ANOMALIE handelt. Der Abstand zwischen der ersten Platte und "Refugium" ist für mich in einem völlig normalen Rahmen. Es sind ja immerhin fast zwei Jahre seit dem Debüt vergangen, da darf man sich nicht rein von der Jahreszahl täuschen lassen.

Als ich mir "Refugium" das erste Mal angehört habe, ist mir gleich das Intro bei 'In Fear Of Tomorrow' aufgefallen. Ich freue mich immer, wenn man mit Instrumentalstücken ein Album einleitet. Das gibt meiner Meinung nach einen schönen Rahmen. Gibt es einen Grund für diesen neuen Schritt oder entstand es im Laufe des Schreibprozesses?

Im Fall von 'In Fear of Tomorrow' war es der erste Track, den ich für dieses Album geschrieben habe und da mir selbst der Einstieg für ein Album ziemlich wichtig ist, war für mich schnell klar, dass der Song auch auf dem Album seinen Platz ganz am Beginn der Reise finden wird. Ich mag es in den meisten Fällen nicht so, wenn Alben aus dem Nichts voll los legen, da mir das meistens den Eindruck vermittelt, man hätte die Songs quasi wahllos aneinander gereiht ohne Rücksicht auf ein stimmiges Gesamtbild. Allein stehende Intro-Tracks sind allerdings mindestens genauso scheiße und nerven mich spätestens beim zweiten oder dritten Durchlauf als Hörer in der Regel sehr, daher versuche ich bei ANOMALIE Songs an den Anfang zu setzen, die den gewünschten Spannungsbogen ordentlich aufbauen, was für meinen Geschmack mit 'In Fear of Tomorrow' gut gelungen ist.

Wie bereits erwähnt ist die Veröffentlichung von "Between The Light" noch gar nicht so lange her. Wann hast du mit der Arbeit zum Album angefangen?

Wie gesagt finde ich den Zeitraum zwischen Januar 2014 und November 2015 nicht besonders außergewöhnlich. "Between The Light" wurde bereits Mai oder Juni 2013 fertig aufgenommen. Die meisten Songs stammen sogar noch aus den Jahren davor, somit hatte ich gut zwei Jahre Zeit für "Refugium". Der Release-Rhtyhmus läuft immer ziemlich versetzt mit dem Schreibprozess, da das Artwork bisher immer erst nach den Aufnahmen in Angriff genommen wurde und so etwas natürlich auch seine Zeit dauert. Erst dann ist alles für das Presswerk fertig, ordentliche Promotion vorab über das Label und dessen Partner verschiebt die Veröffentlichung dann jedoch nochmals nach hinten und so bin ich, wie auch jetzt, schon längst kreativ mit dem nächsten Album beschäftigt, während der Vorgänger gerade erst veröffentlicht wird. Für mich ist "Refugium" schon wieder seit acht Monaten musikalisch abgeschlossen und da mich die Zeit im Studio jedes Mal ziemlich motiviert und inspiriert, entstehen meistens recht bald nach dem Abschluss eines Albums eine Handvoll neuer Songs und so läuft das alles in einem für mich völlig natürlichen Rhythmus ab.

Könnte man also bereits mit einem neuen ANOMALIE-Album nächstes Jahr rechnen oder wirst du dir bei der nächsten Scheibe mehr Zeit lassen?

Es sieht sehr danach aus, dass ich die nächste Platte bereits in ein paar Monaten fertig habe. Ins Studio will ich allerdings nicht vor Herbst 2016 um die Pre-Production, die ich immer vorab zu Hause aufnehme, eine Zeit lang wirken zu lassen, da ich gern mit etwas Abstand noch Details verändere und in der Zwischenzeit bleibt auch Zeit für meine zwei Session-Musiker das neue Zeug ordentlich vorzubereiten. Nach dem Recording werden wieder ein paar Monate vergehen, bis alles bereit ist für die nächste Veröffentlichung. Daher wird das dritte Album wohl sehr sicher erst 2017 erscheinen. Stress wäre hier fehl am Platz.

Oftmals gibt es musikalisch einen großen Schritt zwischen der ersten und zweiten Scheibe. Hast du das Gefühl dich weiterentwickelt zu haben? Gab es Ideen, die jetzt bei "Refugium" erst umgesetzt werden konnten?

Bei "Refugium" fing ich komplett bei null an, somit befinden sich hier keine älteren Ideen in den Songs und das ist auch der große Schritt, der diesmal passiert ist. Das erste Album wurde erst über längere Zeit und zufällig passende Umstände zu einer offiziellen Veröffentlichung. Ich begann am Anfang einfach nur eine Hand voll Songs und Ideen für mich unter diesem Projektnamen zu sammeln um diese Tracks früher oder später mal für mich aufnehmen zu können. Als ich dann nach über zwei Jahren die Chance ergriff meinen Plan in die Realität umzusetzen, sprach mich kurz darauf Sven von Art of Propaganda Records an, ob ich das Zeug nicht bei ihm als richtiges Album veröffentlichen will, worauf dann ein paar Monate später "Between The Light" erschien. Danach schrieb ich mit "Refugium" das erste Mal konkret ein Solo-Album am Stück, was man denke ich auch hört, da die Songs alle aus einer Schaffensperiode stammen und nicht über Jahre zusammen gewürfelt wurden. Stillstand gibt es für mich im Leben generell nicht, so wird auch das nächste Album nicht wie die Veröffentlichungen davor klingen. Ich halte nicht viel von Bands, die "ihr Ding gefunden haben" und sich danach ständig nur wiederholen! Klar birgt Veränderung immer das Risiko manche Hörer zu vergraulen, aber in erster Linie muss ich mich selbst zufrieden stellen, man kann es ja sowieso nicht allen recht machen.

Du spielst ja noch bei SELBSTENTLEIBUNG und HARAKIRI FOR THE SKY, die beide musikalisch auch in die Richtung von ANOMALIE gehen. Hat das einen Effekt auf deine eigene Musik? Kann daraus Inspiration gewonnen werden oder ist es auch mit Tücken verbunden?

Wenn man in mehreren Bands aktiv ist, beeinflusst man sich sicherlich unterbewusst teilweise gegenseitig, allerdings gehe ich völlig anders ans Songwriting heran als zum Beispiel Matthias bei HARAKIRI FOR THE SKY und so sehe ich auch nur sehr bedingt Überschneidungen bei beiden Bands. Es gibt keinen HARAKIRI FOR THE SKY-Song, der für mich auch ein ANOMALIE-Song sein könnte oder umgekehrt, auch wenn eine gewisse Verwandtschaft nicht abzustreiten ist, da wir beide in vielen musikalischen Punkten einen ähnlichen Geschmack haben.
Die Songs von SELBSTENTLEIBUNG stammen seit dem zweiten Album zum Großteil aus meiner Feder, passieren allerdings völlig abgegrenzt von den ANOMALIE-Sessions. Da ich den kreativen Part bei SELBSTENTLEIBUNG erst nach meinem Einstieg in die Band übernommen habe und schon vorher ein gewisses Grundbild der Band existierte, habe ich hier eine wesentlich konkretere stilistische Marschroute festgelegt, wodurch der Grundcharakter der Band über die Jahre ohne radikalen Bruch weiterentwickelt wurde. Die andern Jungs bei SELBSTENTLEIBUNG haben im Vergleich zu ANOMALIE auch viel Mitspracherecht, wodurch am Ende ein für mich deutlich anderer Stil entsteht, der mit ANOMALIE wieder nur bedingt vergleichbar ist und das ist auch gut so, sonst könnte ich ja gleich alles unter einem Dach vereinen.

Häufig spielen deine Bands gemeinsame Shows bzw. Tourneen. Ist es schwierig für dich mehrere Sets am gleichen Abend zu spielen?

Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mich mal über zu viel Zeit auf der Bühne beschwert hätte, da hab ich überhaupt kein Problem damit. Trotzdem versuche ich mit der Kombination mehrerer Bands aus unserem persönlichen Umfeld nicht zu übertreiben, niemand will ständig die selben Bands zusammen sehen, daher werden wir das in Zukunft bald noch mehr trennen als bisher, auch wenn es natürlich auch danach noch ab und an gemeinsame Shows geben wird, wenn auch nur noch seltener.

Gerade zu kälteren Jahreszeiten liefern Bands wie ANOMALIE für mich den perfekten Soundtrack, um die Dunkelheit und die dazugehörige Schwermut zu kompensieren. Welche Bands laufen bei dir gerade?

Im Zuge der Interview-Phase zur neuen Veröffentlichung taucht diese Frage immer wieder mal auf und es wäre jedes Mal wieder einfach zu viel einen kompletten Überblick zu liefern, also hab ich mich entschieden diese Frage immer mit den zehn zuletzt gehörten Bands aus meinem CD-Stapel zu beantworten! Der heutige Stand ist somit: YEAR OF THE GOAT, GHOST BRIGADE, AGRYPNIE, SOAP & SKIN, LED ZEPPELIN, WOLFHEART, KATATONIA, ANGANTYR, THE OCEAN und JUDAS PRIEST.

Wie sieht die Zukunft von ANOMALIE aus? Gibt es schon Termine für 2016?

In den nächsten Monaten liegt der Fokus definitiv auf Liveshows, um das neue Material ordentlich zu präsentieren. Über den Jahreswechsel geht es dazu erstmalig auf Tour durch Deutschland, Holland, Österreich und die Schweiz. Im Januar und Februar folgen dann noch zwei Wochenenden u.a. in Italien. Weitere Clubshows sind bald spruchreif und im Sommer geht es unter anderem aufs Kaltenbach Open Air gefolgt vom Autumn Souls of Sofia in Bulgarien! Wie schon erwähnt, plane ich bereits den nächsten Studioaufenthalt im Herbst 2016. Es tut sich also mehr denn je und ein gelegentlicher Blick auf unsere Seite schadet in nächster Zeit sicherlich nicht!

Ich bedanke mich herzlich für deine Zeit! Die berühmten letzten Worte gehören dir!

Ich habe zu danken! Hoffentlich bis zum nächsten Mal.


Mehr zu ANOMALIE:

Rezension zu "Between The Light"

Rezension zu "Refugium"

Redakteur:
Hang Mai Le

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