AWFUL NOISE: Interview mit Peter Ziesch

01.01.1970 | 01:00

AWFUL NOISE sind ein Unikum. Nicht unbedingt musikalisch, da spielen sie "nur" richtig guten Alternative Metal. Doch in ihren Texten bewegt sich die junge Band zwischen Englisch und Sorbisch. Dies macht auch ihre erste Mini-Scheibe "Reincarnation" zu etwas ganz Besonderem. Sänger Peter stand per Mail Rede und Antwort.

Henri:
Wie steht's zur Zeit im AWFUL NOISE-Lager?

Peter:
Wir schreiben neue Songs und kümmern uns um CD-Promotion und -Verkauf. Ab Mai sind wir wieder live zugange (Tschechien, Polen). Wahrscheinlich spielen wir im Herbst eine kleine Tour in Deutschland.

Henri:
Bitte gib am Anfang erst einmal einen kurzen Abriss über die Geschichte von AWFUL NOISE.

Peter:
Von unserer Erstbesetzung (1995) sind nur noch André und ich dabei, Ronald kam ein Jahr später und Tino kam 2001 dazu. 2000 haben wir unsere erste EP "Mojahara" veröffentlicht. Von da an ging es erst so richtig los. Konzerte in Deutschland, Presse, TV und Radio-Interviews usw. 2001/02 gab es eine Pause, als ich in Madrid studiert habe. Nach meiner Rückkehr gingen wir das erste Mal in Spanien auf Tour. Es folgten Gigs in Polen, Luxemburg und Holland. Der zweite große Schritt nach vorn kam mit "Reincarnation" (2003): viele erfreulich Plattenreviews, weltweiter Vertrieb und ein höherer Bekanntheitsgrad. Als Nächstes steht natürlich unser Debütalbum auf dem Plan. Diese Besetzung gibt es seit Sommer 2002:

Peter Ziesch (voc, git, vi)
Tino Dernehl (voc, git, perc)
André Kober (bg)
Ronald Reisener (dr)

Henri:
Wie würdet ihr in zwei - drei Sätzen eure Musik beschreiben?

Peter:
Melodischer Alternative Metal im Spannungsfeld zwischen TOOL, DEFTONES, ALICE IN CHAINS und SOAD mit Texten in Englisch und Sorbisch.

Henri:
Viele Leser wissen vielleicht nicht, was sorbisch überhaupt ist - wie würdest du das Sorbische erklären? Was fällt die zur Geschichte der Sorben ein? Welche Traditionen gibt es?

Peter:
Die Sorben sind das kleinste slawische Volk, es ist eine nationale Minderheit in Deutschland. Sie besaßen niemals einen eigenen Staat, wobei es nach beiden Weltkriegen Bestrebungen dahingehend gab. Das Territorium erstreckt sich in etwa vom Spreewald (Niedersorben) im Norden bis nach Bautzen (Obersorben) im Süden. Während Niedersorbisch sprachlich eher dem Polnischen nahesteht, ähnelt Obersorbisch (also unsere Sprache) mehr dem Tschechischen. Wieviele Sorben es noch gibt, weiß niemand genau, denn Sorbe ist jeder, der sich dazu bekennt. Das macht eine Zählung unmöglich, unsere Schätzung liegt bei nur noch 30 000 bis 40 000. Es ist schon wenig, wenn man bedenkt, dass sich das Siedlungsgebiet unserer Vorfahren einmal bis an die Ostsee erstreckt hat. Übrig geblieben sind da nur noch viele Ortsnamen sorbischen Ursprungs: z.B. Chemnitz, Rostock oder Leipzig.

Henri:
Wie seid ihr auf die Idee gekommen, sorbische Texte in eurer Musik aufzunehmen?

Peter:
Am Anfang (ca. 1996/97) waren es vor allem Texte, die an die sorbische Jugend gerichtet waren (Erhalt der Sprache usw.). Da fanden wir es natürlich passend, in unserer Muttersprache zu singen. Wir haben dabei gemerkt, dass Metal bzw. Rockmusik durchaus auch in dieser Sprache funktioniert. Somit folgten später weitere sorbische Songs. Die meisten unserer Songs sind und bleiben jedoch in Englisch.

Henri:
Worum geht es in den Texten genau?

Peter:
Die Texte spiegeln das wider, was uns widerfährt und bewegt. Das können sehr persönliche Themen sein oder auch öffentliche Themen, zu denen wir Stellung beziehen. Das Spektrum reicht also von Liebe bis Bürgerkrieg. Ein wichtiger Aspekt in einigen unserer, vor allem sorbischen, Texte ist der Kampf um den Erhalt der sorbischen Sprache und Kultur. Die Texte sind unser Medium um Kritik zu üben, aufzurütteln und vor allem Mut zu machen.

Henri:
Und warum gerade Metal?

Peter:
Unser Stil hat sich mit unseren Hörgewohnheiten weiterentwickelt. War es am Anfang hauptsächlich Crossover und Grunge, so kam mit der Zeit der Metal dazu. Ein großen Einfluss auf unser Schaffen haben sicherlich TOOL, DEFTONES und SOAD, aber auch einige Thrash- und Death-Kapellen.

Henri:
Was liegt euch so an der sorbischen Kultur?

Peter:
Sehr viel. Wir haben zwar nichts, oder fast nichts, mit Folklore zu tun, es geht uns mehr um die sorbische Jugendkultur. Da gibt es eine bemerkenswerte Anzahl an Metalfreaks! Die Sprache muss auch im modernen Kontext bestehen können. Dazu tragen wir bei.

Henri:
Wie verarbeitet ihr noch eure sorbische Herkunft in der Musik?

Peter:
Unsere sorbische Herkunft zeigt sich wie gesagt am deutlichsten in der Verwendung der sorbischen Sprache in den Texten. Ob es nun typische sorbische musikalische Elemente in unserer Musik gibt, ist schwer zu sagen. Es gibt viele sorbische Volkslieder mit einer sehr melancholischen Stimmung, häufig in den Kirchentonarten. Sicherlich hat dieser Background auch unbewusst Einfluss auf unser Songwriting, denn fröhliche, durartige Songs wirst du bei AWFUL NOISE nicht finden.

Henri:
Wie nehmen traditionell eingestellte Sorben eure Musik auf? Gibt es da ein Spannungsfeld?

Peter:
Nein, eigentlich nicht. Die Musik ist natürlich Geschmacksache und spricht nicht Jeden gleich an. Wegen der Texte ist mir auch noch keine Kritik zu Ohren gekommen. Wir erfahren vielmehr Unterstützung vom sorbischen Volk.

Henri:
Wie waren sonst bisher die Reaktionen auf "Reincarnation"?

Peter:
Die meisten Reaktionen waren äußerst positiv, einige kleinere Webzines reagierten sogar ein bisschen euphorisch. Auffallend ist das ehrliche Interesse am sorbischen Kontext. Das freut uns natürlich sehr, denn auch solche Publicity ist wichtig für den Fortbestand unserer Sprache. Ignoranz entsteht ja allzu oft durch Unwissenheit.

Henri:
Wann kann man mit der nächsten Scheibe rechnen? Gibt es schon einen Namen? Wann beginnen die Aufnahmen? In welche Richtung entwickelt sich das Songmaterial in Vergleich zu "Reincarnation"?

Peter:
Wir haben schon die Absicht nun endlich unser Debütalbum aufzunehmen, doch es gibt noch keine konkreten Pläne bezüglich des Zeitpunktes. Wir versuchen zur Zeit unsere EP "Reincarnation" ordentlich zu promoten, auch international. Sie soll den Grundstein für unser Album schaffen, da wollen wir auch nichts übereilen. Natürlich arbeiten wir in den Proben schon fleißig an neuen Songs!

Henri:
Welche Liveauftritte sind in nächster Zeit geplant?

Peter:
In Deutschland bis jetzt fest:

10.07. Bautzen / RODNOST OpenAir (www.rodnost.de)
11.07. Nebelschütz / OpenAir
30.10. Cottbus / Gladhouse

Und weitere Termine sind in Planung.

Henri:
Mit welcher Band würdet ihr am Liebsten einmal auf Tour gehen?

Peter:
Natürlich TOOL!

Henri:
Du hast dein eigenes Label Mojahara Management gegründet. Wie viel Arbeit steckt darin ein eigenes Label zu gründen? Können sich dort auch andere Bands melden?

Peter:
Das Label kostet schon sehr viel Zeit und Nerven, aber es macht trotzdem Spaß. Es ist schon ziemlich mühselig am Anfang, aber nach der Aufbauphase geht dann vieles schneller und leichter. Zur Zeit baue ich gerade die Vertriebs- und Promotionstruktur aus. Wenn alles steht, werden auch andere Bands gesignt. Ich stehe schon im Kontakt zu zwei Bands aus Spanien. Wer eine Band hat, die in die Schublade Alternative Rock / Metal passt, kann mir natürlich gern ein Demo zusenden.

Henri:
Deine drei Lieblingsplatten der letzten Zeit?

Peter:
A PERFECT CIRCLE - "Thirteenth Step"
MORGANA VS. MORGANA - "Hipnotermia"
SOILWORK - "Natural Born Chaos" (zwar schon etwas älter, aber trotzdem noch fett :-))

Weiterhin bin ich gespannt auf das neue Material von IN FLAMES, DISILLUSION sowie COILBOX und JIHAD (beide aus Spanien).

Henri:
Any last words?

Peter:
Vielen Dank! Unsere CD kann man immer noch für 9,00 EUR (inkl. P&V) unter
info@awfulnoise.de bestellen.

Redakteur:
Henri Kramer

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