BORKNAGAR: Interview mit Øystein G. Brun

31.10.2006 | 15:40

Im wahrsten Sinne des Wortes "back to the roots" bewegen sich BORKNAGAR auf ihrem neuen Album "Origin". Mastermind Øystein G. Brun erklärt im Gespräch, warum ein Akustik-Album eine Rückbesinnung auf alte Tage darstellt, was ihn mit Andreas Hedlund alias Vintersorg verbindet, und macht wie üblich zum Thema "Tour" keine klaren Aussagen.

Elke:
Die personelle Situation von BORKNAGAR ist seit dem letzten Album "Epic" konstant geblieben bzw. hat sich sogar verbessert, denn Erik Tiwas aka Tyr spielt auf "Origin" wieder Bass. Fungiert er nur als Gast-Musiker, oder ist er zurück als vollwertiges Mitglied?

Øystein:
Grundsätzlich ist er nur als Gast dabei. Nach "Epic" haben wir beschlossen, als Quartett weiterzumachen, weil wir uns untereinander gut verstehen und zu viert perfekt harmonieren - das wollen wir nicht einfach über den Haufen werfen. Doch wir werden sehen, was die Zukunft bringt. Tyr ist natürlich ein guter Freund von uns und ein toller Bassist.

Elke:
Zumindest ist in der Zwischenzeit niemand abgesprungen, was für die derzeitige Besetzung spricht.

Øystein:
Das stimmt (lacht). Eigentlich besteht die Band bereits seit "Empiricism" im wesentlichen aus uns vieren. Und selbst wenn Jens (Gitarre) und Tyr auf dem letzten Album nicht mit dabei waren, blieben sie uns auf die eine oder andere Weise immer noch verbunden. Jens hat uns live gelegentlich ausgeholfen. Wir sind jetzt seit 2001 in der Besetzung zusammen, und ich denke, sie sieht ziemlich stabil aus.

Elke:
In einem Interview zu "Epic" sagtest du mir, dass ihr auch an einem Akustik-Album arbeiten würdet. Steht ein "normales" BORKNAGAR-Album bereits in den Startlöchern?

Øystein:
Ich habe sogar bereits zwei oder drei weitere Alben fertig (lacht). Ich schreibe ständig neue Songs. Das nächste Album wird sich auf jeden Fall wieder auf den Metal-Aspekt der Band konzentrieren.

Elke:
In besagtem Interview sagtest du auch, dass ihr zunächst ein "normales" BORKNAGAR-Album herausbringen wolltet und vielleicht zusätzlich ein akustisches. Warum habt ihr die Reihenfolge geändert?

Øystein:
Gute Frage. Der Gedanke eines Akustik-Albums stand eigentlich schon seit "Empiricism" im Raum. Wir erreichten schließlich den Punkt, wo wir uns sagten, wir tun es entweder jetzt oder nie. Die Idee war noch relativ frisch, das Material war vorhanden, also war der Zeitpunkt einfach günstig. Es stand nie in Frage, dass wir ein solches Album machen, sondern vielmehr, wann das sein würde, denn wir wollten damit warten, bis wir das Gefühl hatten, dass wir bereit dazu sind. Ein Akustik-Album ist eine Herausforderung, denn man geht anders an die Musik heran, und wenn man akustische Instrumente verwendet, fallen Fehler auch mehr auf. Man muss also sehr viel genauer arbeiten.

Elke:
Worauf bezieht sich der Titel "Origin"? Geht es in der Hauptsache darum, die Stücke "ursprünglich" zu halten, oder spiegelt sich das Thema auch in den Texten wieder?

Øystein:
Beides, doch vor allem hat es mit unserer Vergangenheit zu tun. Als ich 1994 anfing, Musik für BORKNAGAR zu schreiben, habe ich auf der Akustik-Gitarre ein wenig mit merkwürdigen Akkorden herumexperimentiert, um dadurch eine gewisse Atmosphäre zu erschaffen. Der Ursprung der Band liegt also in der akustischen Musik. Viele Leute denken, dass wir als Black-Metal-Band anfingen, weil wir 1996 ein Black-Metal-Album herausbrachten. Das ist zwar Teil unserer Geschichte, aber der Grundstein unserer Musik war akustisch. Und bereits auf dem ersten Album gab es akustische Songs und Elemente.

Elke:
Gibt es trotzdem Leute, die sich wundern, warum ihr jetzt ein reines Akustik-Album herausbringt?

Øystein:
Eigentlich nicht. Die Reaktionen von unserem Label, der Presse und den Fans sind sehr positiv.

Elke:
Der ursprüngliche Plan - um nochmals auf des bereits erwähnte Interview zurückzukommen - war, ungefähr 50 Prozent altes und neues Material für das Akustik-Album zu verwenden. Tatsächlich hat aber nur ein neu aufbereiteter alter Song, 'Oceans Rise', Verwendung gefunden. Warum?

Øystein:
Der Ausgangspunkt damals im Jahr 2001 war sogar, ein komplettes Album mit akustischen Versionen von älteren Stücken aufzunehmen. Die Idee hat sich dann verselbständigt, als ich vor zwei Jahren anfing, neues, von vornherein akustisches Material zu schreiben. Wir fanden es schließlich interessanter, überwiegend neue Songs zu verwenden, eben auch vor dem Hintergrund unserer Geschichte.

Elke:
Angesichts der nicht gerade umfangreichen Spielzeit von einer guten halben Stunde hätten aber noch ein, zwei weitere ältere Stücke durchaus draufgepasst.

Øystein:
Vielleicht. Aber wir wollten das Album auch nicht zu lange machen. Ein Akustik-Album birgt immer eine gewisse Gefahr, denn es ist nur ein schmaler Grad zwischen einem langweiligen und einem guten Album. Unser Ziel war daher, die Hörer auf keinen Fall zu langweilen, denn gerade in einer stilistisch derart limitierten Musik verliert man schnell das Interesse. Möglicherweise ist "Origin" darüber ein wenig zu kurz ausgefallen (lacht).

Elke:
Wie du bereits angedeutet hast, komponierst du deine Musik immer zunächst mit der akustischen Gitarre. Geht man trotzdem anders an die Stücke heran, wenn man weiß, dass sie genau so bleiben werden?

Øystein:
Schon. Wenn ich ein Metal-basiertes Album schreibe, nehme ich zunächst die grundlegenden Riffs und Akkorde mit der Akustik-Gitarre in meinem Studio auf und lege dann die E-Gitarre oder Harmonien drüber. Der Ansatz war bei diesem Album gleich, nur dass statt der E-Gitarre weitere akustische Instrumente hinzukamen. Es war also einerseits die vertraute Arbeitsweise, andererseits muss man seine Denkweise ein wenig verändern. Ein Akustik-Album ist eine Herausforderung, denn auf einem Metal-Album kann man verschiedene Stimmungen durch Blastbeats, verzerrte Gitarren oder Grunz-Gesang erzeugen. Hier mussten wir die Instrumente etwas anders als gewohnt einsetzen, um trotzdem die gleiche Energie in das Album zu bringen.

Elke:
Du hast bereits erwähnt, dass du schon viele Stücke für das nächste, Metal-basierte Album fertig hast. Kam es vor, dass du ein Lied zunächst für das akustische Album vorgesehen hattest und dann merktest, dass es eigentlich eine härtere Ausrichtung vertragen würde oder umgekehrt?

Øystein:
Nein, eigentlich nicht. Musik komponieren hat für mich immer auch einen mentalen Aspekt. Ich setze mich nicht einfach hin und klimpere auf meiner Gitarre herum, sondern versuche zunächst, im Geiste eine Vision für einen Song zu entwickeln, bis ich eine grundlegende Idee habe, wie dieser Song werden soll. Es mag merkwürdig klingen, aber wenn ich Musik schreibe oder sogar höre, sehe ich Umrisse oder verschiedene Farben - es ist schwer zu erklären. Aber es ist Teil des Prozesses, dass ich im Grunde immer bereits weiß, worauf ich beim Komponieren hinaus will, und dazu die passenden Riffs und Melodien schreibe.

Elke:
Durch die Streich- und Blasinstrumente hat "Origin" auch eine klassische Note. Waren diese Instrumente schwierig zu arrangieren?

Øystein:
Nicht unbedingt, denn wir haben bereits in der Vergangenheit solche Arrangements verwendet. Der einzige Unterschied war, dass sie dieses Mal mehr im Vordergrund standen. Die Herausforderung lag also eher im technischen Bereich, denn die Instrumente mussten viel sorgfältiger aufgenommen werden. Wie ich schon sagte: Auf einem Metal-Album kann man kleine Fehler unter verzerrten Gitarren oder Grunzgesang verstecken. Hier jedoch bekommt man genau das, was man hört.

Elke:
Wurden diese Instrumente von klassisch ausgebildeten Musikern eingespielt?

Øystein:
Zum Teil. Der Cellist Thomas Nilsson hat glaube ich eine klassische Ausbildung genossen. Die Violinistin Sareeta hat unter anderem auch auf dem letzten SOLEFALD-Album gespielt, ist also mit der Metal-Szene verbunden. Und der Flötist Steinar Ofsdal ist eine Ikone der norwegischen Folk-Szene.

Elke:
Bist du immer noch der Hauptkomponist der Band?

Øystein:
Ich komponiere und arrangiere zunächst das Grundgerüst der Songs, und die anderen tragen dann noch das eine oder andere Detail dazu bei. Es ist so, als würde ich eine Skizze liefern, die die anderen dann mit Farbe füllen.

Elke:
"Origin" enthält sehr viel Hintergrund-Gesang. Wurde dieser ebenfalls von Andreas Hedlund eingesungen oder gab es noch einen weiteren Sänger?

Øystein:
Die meisten Sachen stammen von Andreas, aber bei 'White' und einem oder zwei weiteren Stücken hat Lars, unser Keyboarder, einige Background-Passagen übernommen.

Elke:
Habt ihr schon darüber nachgedacht, ob und wie ihr die "Origin"-Werke live umsetzen könnt?

Øystein:
Wir haben bereits vage darüber gesprochen, eine einmalige Akustik-Show mit sämtlichen Gastmusikern zu machen - das wäre bestimmt wundervoll. Wir werden sehen, ob sich das realisieren lässt.

Elke:
GREEN CARNATION haben kürzlich ihre Akustik-CD vor einer wunderschönen Landschaft live aufgeführt und für eine DVD mitgeschnitten. Wäre das nicht auch etwas für euch?

Øystein:
Das wäre sicher eine schöne Sache, aber wir haben zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine konkreten Pläne diesbezüglich.

Elke:
Du gibst nie ein klares "nein", wenn man dich auf eine Tour anspricht, aber die letzte ist doch schon einige Jahre her. Sind BORKNAGAR klammheimlich zu einer reinen Studio-Band geworden?

Øystein:
Wir lehnen es nicht grundsätzlich ab, live zu spielen, aber gleichzeitig waren wir aus den unterschiedlichsten Gründen nie eine exzessive Tour-Band. Wir haben alle Familien und Kinder, da reist man nicht so einfach quer durch Europa. Keine Ahnung, ob sich das eines Tages ändern wird. Vielleicht haben wir irgendwann wieder Bock darauf.

Elke:
Wann war eigentlich die letzte richtige Tour - vor vier oder fünf Jahren?

Øystein:
So um den Dreh - ich kann mich ehrlich gesagt kaum noch daran erinnern. Ich glaube, zuletzt haben wir 2002 oder so eine kleine Tour in Norwegen gemacht.

Elke:
Andreas war schon immer gleichzeitig in verschiedene Projekte involviert. Die letzte CD mit seiner Stimme trug den Projektnamen CRONIAN und lief auch unter deiner Beteiligung. Besteht da nicht die Gefahr, dass die Leute seiner ein wenig überdrüssig werden, weil sie ungefähr jedes Jahr eine Andreas-Hedlund-CD bekommen, mit einem anderen Logo, aber der gleichen Stimme?

Øystein:
Vielleicht (lacht), keine Ahnung. Sein großer Vorteil ist meiner Meinung nach, dass er ein sehr vielseitiger Sänger ist, so dass man seine Stimme nicht so schnell über hat. Ich finde auch, dass er auf CRONIAN einen tollen Job machte. Wir sind seit Jahren gute Freunde und liegen ziemlich auf einer Wellenlänge - er liebt es einfach, genau wie ich, Musik zu machen. Ob die Fans das mögen oder nicht und wir mehr oder weniger CDs verkaufen, ist mir ehrlich gesagt ziemlich egal.

Elke:
BORKNAGAR sind stilistisch gesehen ja nicht besonders eingeschränkt. Warum hattet ihr beiden trotzdem noch den Drang, gemeinsam ein weiteres Projekt wie CRONIAN zu machen?

Øystein:
Seit ich Andreas kenne, haben wir darüber gesprochen, gemeinsam ein Projekt zu machen, denn wir haben musikalisch gesehen so viele Gemeinsamkeiten. Ich war schon immer ein Fan von klassischer, orchestraler Musik oder Film-Soundtracks und wollte schon lange etwas in der Richtung aufnehmen. Das hätte jedoch nicht zum Konzept von BORKNAGAR gepasst, weshalb wir es unter einem anderen Namen veröffentlichten. Für mich sind BORKNAGAR und CRONIAN wie Ying und Yang. Auf der einen Seite ist dieses sehr organische, warme und soundorientierte "Origin"-Album, während CRONIAN auf der anderen Seite eher digital, kalt und effektorientiert ist. Für mich als Musiker war das sehr interessant, sich zwischen solch unterschiedlichen Musikstilen zu bewegen.

Elke:
In früheren Interviews hattest du einmal von einem Projekt mit Andreas unter dem Namen ION gesprochen. Ist das noch etwas anderes, oder wurde daraus schließlich CRONIAN?

Øystein:
Letzteres. Die Musik, die Texte, ja die ganze Herangehensweise hatten sich im Laufe der Entstehung des Albums derart verändert, dass der Begriff ION nicht mehr gepasst hätte. Wir haben den Namen aber schon vor einer ganzen Weile geändert.

Elke:
Ein Kollege von mir sagte zum "Origin"-Album, dass es ihn in einer gewissen Weise an Andreas' früheres Projekt OTYG erinnere und "Origin" daher eine Art Brücke zu seiner musikalischen Vergangenheit schlagen und gleichzeitig eurer beiden musikalischen Wege miteinander verknüpfen würde.

Øystein:
Darüber habe ich selbst noch nicht nachgedacht, zumal noch niemand OTYG in diesem Zusammenhang erwähnte. Ich denke, Andreas und ich sind musikalisch gesehen so etwas wie Brüder, wir haben ähnliche Vorstellungen. Aber "Origin" ist für mich ein 100%iges BORKNAGAR-Album und ich denke nicht, dass es viel mit OTYG gemeinsam hat. Sicher steht auf "Origin" der "Folk-Aspekt" etwas mehr im Vordergrund, wobei der Ursprung von BORKNAGAR wie eingangs erwähnt im akustischen Bereich lag und das Album sich darauf zurückbesinnt.

Redakteur:
Elke Huber

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