BURGWÄCHTER, TILL: Interview mit Till Burgwächter

01.01.1970 | 01:00

Knapp zwei Jahre nach seinem Erstlingswerk "JGTHM - Juhr Gait Tu Hewi Mettäl", das großes Interesse hervorrief, meldet sich Till Burgwächter nun mit "Schmerztöter" zurück. Das war für mich natürlich Grund genug, mal bei ihm nachzuhaken, und bereitwillig stand er mir auch Rede und Antwort...

Martin:
Hallo Till, wie geht's dir denn so?

Till:
Danke, gut. Das neue Buch ist raus, die Grippe hab ich (fast) überstanden und in meinem Arbeitszimmer zieht es dank neuer Fenster nicht mehr.

Martin:
Sicherlich kennen noch nicht alle den Namen "Till Burgwächter". Erzähl' doch mal in ein paar Worten, mit wem wir es hier zu tun haben?

Till:
Männlich, weiß, mit Hang zum Übergewicht, gerade noch 27 Jahre alt und in der Nähe von Braunschweig zu Hause. Ich arbeite seit zwei Jahren als freier Journalist und Autor, mein Studium habe ich natürlich vorher ordnungsgemäß geschmissen. Oder es mich, je nachdem.

Martin:
Seit ein paar Tagen ist nun dein zweites Buch, "Schmerztöter", im Handel. Was hat dich denn überhaupt dazu bewogen, den Heavy Metal von der satirischen Seite anzugehen?

Till:
Ich schrieb schon vor und während meiner Studienzeit Kurzgeschichten und Glossen, merkte aber schnell, dass einzelne Texte einen nicht voranbringen. Zwar veröffentlichte ich einiges in Anthologien, machte ein paar Lesungen und gewann auch zwei Nachwuchspreise, aber so etwas bekommt die Masse ja nicht mit. Also entschloss ich mich, ein Buch in Angriff zu nehmen, und das sollte möglichst in einem Umfeld spielen, in dem ich mich ein bisschen auskenne. Da ich seit ca. 1988 Metal-Fan bin, lag es einfach nahe.

Martin:
Mit "JGTHM" ("Juhr Gait Tu Hewi Mettäl" - d. Verf.) hast du ja ziemliches Neuland betreten. Wie hat denn die Metal-Szene auf dieses Buch reagiert?

Till:
Pauschal würde ich sagen großartig. Die meisten haben verstanden, was Sinn und Zweck der Sache ist, nämlich einfach mal die ganzen Klischees der Szene aufgreifen und sich ein bisschen darüber lustig machen, ohne den Heavy Metal als solchen in den Dreck zu ziehen. Es gab sogar eine Band, die sich bei mir beschwerte, dass sie nicht in "JGTHM" auftauchte. Die hab ich jetzt natürlich in "Schmerztöter" verarztet. Gerüchten zufolge soll es aber ebenso Bands geben, die mit meiner Darstellung ihrer Kunst, vorsichtig ausgedrückt, nicht so zufrieden sind. Aber auf Einzelschicksale kann natürlich keine Rücksicht genommen werden. Was die Metal-Fans angeht - es kamen zwei oder drei Mails mit Beschwerden, von wegen "Du beleidigst meine Religion", aber bestimmt hundert mit positivem Inhalt. Es ist halt einfacher, sich über Volksmusik oder Hip-Hop zu belustigen, als über sich selbst zu lachen. Dass diese Bereitschaft in der Szene vorhanden ist, habe ich mir gedacht und ich bin bestätigt worden.

Martin:
Hast du auch schon erste Reaktionen zu deinem neuen Buch bekommen? Und wenn ja - wie sehen diese aus?

Till:
Nein, das ist noch zu früh. Das Buch ist ja gerade ein paar Tage alt und von der Druckerei direkt an die Presse / Händler gegangen. Es wäre natürlich klasse, wenn es ähnliche Reaktionen wie "JGTHM" erzielen könnte. Ich bin aber realistisch. Der Überraschungseffekt ist nicht mehr gegeben und viele Rezensionen können gar nicht mehr gesteigert werden. Wichtig ist, dass jetzt möglichst viele Leute mitbekommen, dass es die beiden Bücher überhaupt gibt.

Martin:
Wie erfolgreich war eigentlich "JGTHM"? Und welche Erwartungen hast du an "Schmerztöter"?

Till:
In absoluten Zahlen kann ich das gar nicht sagen, denn das Rock Hard hat seine (extrem positive) Kritik ja erst vor zwei Monaten abgedruckt, und das wird sich noch definitiv auf den Verkauf auswirken. Unter den gegebenen Umständen war es ein großer Erfolg, allein die Kritiken und Reaktionen der Leser waren überwältigend. Allerdings hätten es netto ruhig ein paar verkaufte Exemplare mehr sein können. Das Hauptproblem war der kleine Uzzi Verlag, der keinerlei Vertrieb hat und somit ist es etwas schwieriger, das Buch zu bekommen. "JGTHM" liegt fast nirgendwo aus, die Leute müssen über Amazon oder den Verlag direkt bestellen, sogenannte Spontankäufe gab es nur bei den Lesungen. Dort habe ich insgesamt gut 100 Bücher verkauft, die Nachfrage war also da. Von "Schmerztöter" erwarte ich mir etwas mehr, denn der Iron Pages Verlag ist bekannter, hat in der Szenen einen guten Namen und Verbindungen zu allen wichtigen Mailorder-Katalogen und Händlern. Da ging bei Uzzi auch nichts. Trotzdem müssen die Leute wieder selbst aktiv werden, denn auch Iron Pages ist zu klein, um die eigenen Produkte in großen Buchhandelsketten zu platzieren. Ich hoffe, der Stamm der "JGTHM"-Leser bleibt erhalten und es kommen noch ein paar dazu. Zehntausend oder so. :-)

Martin:
Erzähl' doch mal in ein paar Worten, worum es in deinem neuesten Werk "Schmerztöter" geht? Wo liegen die wesentlichen Unterschiede zu "JGTHM"?

Till:
"JGTHM" ist ja ein Pseudo-Lexikon mit Kapiteln wie "Die wichtigen Bands", "Die Stile", usw. Da ich weiß, dass wir Metal-Fans nichts so sehr hassen wie Veränderung, habe ich ein paar Rubriken beibehalten, es tauchen z.B. "Bands für Feinschmecker" auf, und zum Ende des Buches wird es auch wieder einen Test geben. Ansonsten besteht "Schmerztöter" aus einzelnen, für sich stehenden Glossen, in denen solche Dinge wie "The Osbournes" auf MTV, die Gedankenwelt eines Joey DeMaio oder eine Gerichtsverhandlung mit dem Metal-Gott näher beleuchtet werden. "Schmerztöter" ist außerdem durch ein Lektorat gegangen (was bei "JGTHM" ja derbe in die Hose ging) und sollte deshalb besser zu lesen sein. Als ich anfing "JGTHM" zu schreiben, war ich 24 Jahre alt. Ich hoffe, die Texte in "Schmerztöter" sind etwas reifer, manch allzu platter Scherz fiel unter den Tisch. Aber keine Angst, es sind noch genug Plattheiten drin. Auf die Übersetzung englischer Bandnamen habe ich diesmal komplett verzichtet, das war aus heutiger Sicht nämlich ultraplatt.

Martin:
Hat der Titel "Schmerztöter" einen tieferen Sinn, oder ist er lediglich als JUDAS PRIEST-Anspielung zu verstehen?

Till:
Natürlich wäre die Interpretation denkbar, dass lachende Menschen ihren Schmerz vergessen und das Buch ein "Schmerztöter" ist. Hey, das hat ja sogar was Philosophisches. Im echten Leben war es aber leider so, dass ich die Idee zum Cover hatte und sich der Titel quasi zwangsläufig ergab.

Martin:
Wie ist denn das grundsätzliche Vorgehen bei deinen Glossen? Nimmst du dir beispielsweise ein bestimmtes Thema vor, oder schreibst du einfach spontane Ideen auf?

Till:
Völlig unterschiedlich. Manchmal komme ich auf ein Thema, manchmal habe ich eine Zeile im Kopf und baue alles andere drum herum, manchmal bringen mich andere auf Ideen. Besonders ergiebig sind alkoholhaltige Runden mit Freunden. Da wird ja immer viel dummes Zeug geredet, und manchmal schreibe ich mir dann schnell was auf. Meist nur ein Satz oder ein Wort. Wenn ich tags drauf wieder nüchtern bin und mir das immer noch gefällt, arbeite ich es aus. Manchmal ist es auch gut, wenn dir irgendwer ein Thema vorgibt und du dich mit Sachen auseinandersetzen musst, die dich sonst nicht interessieren. Eine befreundete Autorin hat mich kürzlich gefragt, ob ich eine Glosse für ihre Bauchtanz(!)-Anthologie schreiben würde. Da sitze ich gerade dran. Oder ein anderes Beispiel: Vor zwei Wochen war ich für eine Halloween-Lesung gebucht, und da wollte ich natürlich einen Text über dieses Fest parat haben. Also entstand ein Text mit dem Titel "Ich hasse Kürbisse". Die Möglichkeiten sind da vielfältig.

Martin:
Das Cover-Artwork stammt von Jan Oidium, der für POWERMETAL.de ja auch kein Unbekannter ist. Wie kam denn die Zusammenarbeit mit ihm zustande?

Till:
Ich beobachtete Jans Arbeiten schon länger, ohne dass er etwas davon wusste (Internet ist eine tolle Sache, hehe). Als ich in Berlin war, um mit Iron Pages über das Buch zu sprechen, erwähnte ich Jans Namen, da sein Stil meiner Meinung nach gut zu meiner Cover-Idee passte. Zufällig war der Hauszeichner von Iron Pages gerade ausgebucht und so nahm ich mit Jan Kontakt auf.

Martin:
Zu "JGTHM" hast du bekanntlich die ganze Republik abgeklappert, um das Buch bekannt zu machen. Wie siehst du diese Tournee im Nachhinein? Hat sie sich für dich wirklich gelohnt, oder war das im Endeffekt nur "just for fun"?

Till:
Es hat sich in jeglicher Hinsicht gelohnt. Die zwölf Dates wurden von knapp 600 Leuten besucht, ich habe noch zu vielen Veranstaltern und Besuchern Kontakt und das Buch ist deutlich bekannter geworden. Natürlich hat es tierisch Spaß gemacht, es war ja auch ein Pionierprojekt. Aber unter dem Strich ist es mehr Arbeit als alles andere. Ich habe knapp 100 Clubs angerufen und angemailt, bis am Ende die zwölf Termine standen. Und was die finanzielle Seite angeht - es muss für mich immer etwas rauskommen, ansonsten kann ich mir das als Selbständiger nämlich nicht erlauben.

Martin:
Wird es auch zu "Schmerztöter" wieder Live-Auftritte von dir geben?

Till:
Aber sicher doch. Ich habe vor ca. vier Wochen begonnen, die "Schmerztöter"-Lesereise 2004 zu planen und war anfangs euphorisiert. Ich dachte, hey, das läuft ja wie geschmiert, haben die Presseberichte also doch was genützt. Leider kam die Ernüchterung recht schnell. Viele zeigen sich interessiert und dann verläuft es im Sande. Momentan stehen folgende fünf Termine fest:

27.02. Bad Wünnenberg, Musikcafe Bei Wilms
18.03. Ludwigsburg, Rockfabrik
19.03. Aalen, Rock It
20.03. Tübingen, Bierkeller
07.05. Gifhorn, Sandmühle

Weitere Termine sind in Arbeit, regelmäßig aktualisiert unter http://www.adam-und-till.de/till
Ich hoffe, dass ich insgesamt auf 15 Lesungen kommen werde, das wäre für mich ein Erfolg.

Martin:
Welche weiteren Pläne hast du für die Zukunft? Ist bereits ein drittes Buch angedacht?

Till:
Natürlich. Es gibt eine Idee für eine weitere Metal-Veröffentlichung, aber die wird noch etwas warten müssen. Wie erwähnt, schreibe ich ja auch Glossen zu Themen außerhalb der Musik, und da hat sich mittlerweile so viel Material angesammelt, dass es für zwei Bücher reicht. Ich habe meine Lieblingstexte schon nach Kapiteln geordnet und zum Teil überarbeitet. Anfang nächsten Jahres versuche ich, einen größeren Verlag zu finden, was nicht einfach wird. Wenn ich denen erzähle, dass ich schon zwei Satire-Bücher auf dem Markt habe, finden die das vielleicht interessant. Fällt der Begriff Heavy Metal, gehen die Klappen runter, das seh ich schon kommen. Mal schauen, wie ich das lösen kann.

Martin:
Welche Musik hörst du denn privat? Und was waren für dich bislang die besten Scheiben 2003?

Till:
Ich höre nur Metal, und zwar ausschließlich die Stile, die unter den Heavy-Metal-Begriff der Achtziger fallen. Also alles von AOR bis Death / Black Metal, wobei der Schwerpunkt auf traditionellem Heavy Metal und Thrash liegt. Ja, ich bin ein intolerantes Arschloch.
Meine Lieblingsplatten sind: RAGE – "Soundchaser", SLOUGH FEG – "Traveller", DOOMSWORD – "Let Battle Commence", CAGE – "Darker Than Black" und IRON MAIDEN – "Dance Of Death" (nach zigfachen Umdrehungen). Im soften Bereich hat mich THUNDER – "Shooting At The Sun" begeistert, im Knüppelfach MACABRE – "Murder Metal" und MARDUK – "World Funeral".

Martin:
Welche Rolle spielt das Internet in deinem Leben, und wie denkst du über Online-Magazine (wie POWERMETAL.de)?

Till:
Beruflich unverzichtbar. Keine Ahnung, wie Journalisten früher ohne Netz gearbeitet haben. Namen, Daten, alles frei und schnell verfügbar. Natürlich hilft mir das Netz auch bei der Recherche für die Bücher. Privat nutze ich es ebenfalls häufig, mit vielen Kumpels tausche ich mich täglich per E-Mail aus. Mein morgendliches Ritual sieht so aus, dass ich Kaffee aufsetze und dann erstmal eine Runde durch die Gegend surfe. Ich habe feste Punkte, die ich abklappere, und da gehört POWERMETAL.de (neben Vampster, Sound Base, Spiegel Online und anderen) dazu (sehr löblich – d. Verf.). Könnte ja sein, dass über Nacht Rob Halford bei JUDAS PRIEST ausgestiegen ist, oder so. Trotzdem kaufe ich mir viele Print-Magazine, denn lange Texte lese ich selten am Bildschirm. Das Schmökern, also das vorsätzlich gemütliche Lesen, wird meiner Meinung nach niemals durch Computer ersetzt werden. Da können sich IBM, Microsoft und Konsorten auf den Kopf stellen.

Martin:
Gibt es ansonsten noch etwas, das du gerne loswerden möchtest?

Till:
Zehn Kilo und meinen Husten.

Redakteur:
Martin Schaich

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