CHASM, THE: Interview mit Daniel

01.01.1970 | 01:00

THE CHASM aus Chicago sind Musiker mit Leib und Seele. Sie sind mexikanische Übersiedler, die in den Staaten größere Chancen für ihr Band sahen und Tag für Tag und Stunde um Stunde am Erfolg der Band arbeiten. Der äußerst frickelige Todesmix aus den alten DEATH, diversen NILE-Versatzstücken und nordischen Black-Metal-Melodien bringt tatsächlich das Kunststück fertig, trotz aller Virtuosität und Progressivität eingängig zu ängstigen und technische Zungenschnalzer dennoch im Sekundentakt im Großhirn des Zuhörers zu parken. Nicht der einzige Grund sich einmal mit Gitarrist Daniel kurzzuschließen.

Alex:
Zunächst mal ein fettes Servus nach Amerika! Daniel, es passiert nicht allzu oft, dass ich einen Interviewpartner aus dieser Gegend habe. Was geht zur Zeit metaltechnisch bei euch ab? Dominiert die Soul- und Popmusik oder lässt der Metalunderground die Schwarte krachen?

Daniel:
Nun ja, erst mal danke für die Zeit, die du dir für uns nimmst. Wir sind ja eigentlich Mexikaner, leben aber seit geraumer Zeit, genauer gesagt seit sieben Jahren, in Chicago. Der mexikanische Underground ist verdammt groß und viele Kids sind dort mit dem Metal verbandelt. In den frühen Neunzigern sah es zwar noch ein wenig besser aus, aber in Sachen Power- und Gothic Metal scheint Mexiko ein guter Markt zu sein.

Alex:
Bis zu meinem " The Spell Of Retribution"-Review kannte ich THE CHASM überhaupt nicht und ich bin sehr überrascht und begeistert von den technischen und spielerischen Fähigkeiten der Bandmitglieder. Die Progressivität der Tracks erreicht ja fast schon MORBID ANGEL oder DEATH-Format. Doch jenseits der ganzen Death-Metal-Vibes atmet eure Mucke eine nicht kleine Dosis norwegischen Black Metal. Woher die Einflüsse?

Daniel:
Wow, danke für das Kompliment. Ich denke auch, dass wir in der THE CHASM-Ära immer besser wurden und mittlerweile unseren technischen Höhepunkt erreicht haben. Das liegt sicherlich daran, dass wir nun schon ganze elf Jahre zusammen und quasi blind aufeinander eingespielt sind. Die neue Scheibe ist bereits unser siebenter Release und wir verknüpfen tatsächlich viele Elemente der mächtigen DEATH mit alten MORBID ANGEL und der großartigen norwegischen Düsterszene. Dennoch denke ich, dass wir nicht zu sehr in das aktuelle Szenegeschehen involviert sind, da unsere Riffs dieselben sind wie vor einigen Jahren.

Alex:
Findest du? Ich persönlich finde viele Arrangements, die auch von SARTYRICONs Mastermind Satyr stammen könnten. Und gerade die Mischung aus stupidem Purismus und technischer Qualität macht THE CHASM so interessant. Wie entstehen eure Songs? Kreativer Fluss im Proberaum oder Death-Metal-Baukasten am PC?

Daniel:
Nun, wie gesagt klingen wir heute wie vor einigen Jahren. Vielleicht noch etwas düsterer und intensiver. Ich habe SATYRICONs Karriere seit "Nemesis Devina" nicht mehr verfolgt und kann diese Vergleich weder bekräftigen, noch negieren. Schreiben tun wir auf die altmodische Art. Riffeinfälle, Vorstellung, Ideensammlung, Tests und Auswertung der Resultate. Wenn es um kreative Prozesse geht, versuchen wir die Computer rauszuhalten.

Alex:
Eure Musik ist zwar sehr catchy und auch leichtverdaulich. Jedoch ist euer Gesang sehr gewöhnungsbedürftig. Unterlegt mit jeder Menge Reverb und Delay erinnert er eher an Quorthon von BATHORY. Gewollt?

Daniel:
Ich probierte und probiere immer noch bei jeder Aufnahmen, dieses "alte" Feeling in meinen Gesang zu bringen, was unter anderem mit dem Einsatz all dieser Effekte erreicht werden kann. Sie kreieren eine bestimmte Atmosphäre und sie sind etwas, das ich schon seit frühen KREATOR- oder DISMEMBER-Demos mag. Aber ich persönlich sehe unsere Musik nicht als einfach zu konsumieren, sorry.

Alex:
Wer hat und wo wurde "The Spell Of Retribution" produziert? Was habt ihr alles während den Recordingsessions erlebt?

Daniel:
Die Scheibe wurde im Soto Studio in Palatine, IL, aufgenommen. Das liegt etwa eine Autostunde von Chicago entfernt. Den finalen Mix erstellten wir dann in meinem privaten Studio, dem Lux Inframundis. Im Frühling 2003 begannen wir mit dem Komponieren. Ich kann nur sagen, dass der komplette Entstehungsprozess von "The Spell Of Retribution" mit Problemen gespickt war, die uns ständig daran hinderten das Album fertigzustellen. Eine höhere Macht legte wahrscheinlich einen Fluch auf uns, den wir erst nach langen Bemühungen brechen konnten.

Alex:
Gibt es in Mexiko einen Absatzmarkt für Bands wie eben THE CHASM?

Daniel:
Auf jeden Fall! Mexiko hat viel Background im Heavy Metal, aber auch massiv im Hardcore.

Alex:
Mit Wicked Way habt ihr ein kompetentes Sublabel von Earache im Rücken. Wie gestaltet sich die Arbeit mit eurem Brötchengeber?

Daniel:
Alles läuft momentan bestens. Sie treten uns absolut fair gegenüber. Sie unterstützten uns bei allen Entscheidungen, die wir zwecks Vollendung der neuen Scheibe zu treffen hatten. Sie glauben an uns. Die Labeleinstellung ist sehr professionell und wir können bereits sehen, wohin unser Name in letzter Zeit getragen wurde. In Regionen, in denen wir vor Wicked Way unbekannt oder höchstens ein Tipp waren. Ein gutes Beispiel ist sicherlich dieses Interview, oder?

Alex:
Sicherlich! Ich finde "The Spell Of Retribution" im Gesamtkontext sehr monumental und apokalyptisch. Erzähl mir etwas über die lyrische Konzeption.

Daniel:
Die Scheibe ist ein Konzeptalbum und handelt vornehmlich von der spirituellen Suche des Individuums nach seinen Wurzeln, nach seinen persönlichen Erfolgen. Es handelt von dem Konstrukt und dem Manifest einer Macht, die eine Bestrafung derer ermöglicht, die sich der Korruption hingeben. Entfernt fließen Metaphern des fernen aztekischen Reichs ein. Die Aura der Lyrics ist dabei wie die Musik sehr obskur und manchmal auch chaotisch, mit viel Gefühl und Atmosphäre.

Alex:
Wie bereits erwähnt habt ihr ja als Band schon ganze elf Jahre auf dem Buckel. Ihr seid ja auch als Musiker verdammt versiert an euren Hölzern. Welchen Weg habt ihr als Individuen in euren musikalischen Laufbahnen bis heute bestritten?

Daniel:
Tja, THE CHASM gibt es seit diesen elf Jahren, aber als Musiker sind wir alle schon weit länger tätig. Wir waren alle Teile anderer mexikanischer Bands und haben zahlreiche Demos veröffentlicht. Dennoch wurde alles erst ernst, als THE CHASM gegründet wurde. Wir waren immer dem musikalischen Weg der Achtziger und frühen Neunziger verbunden und mit dem Fluss der Zeit waren auch wir in der Lage, diese Einflüsse mit unserer eigenen Inspiration zu verknüpfen. Wir erschufen unseren eigenen Stil und haben seither ein Demo, eine EP und sechs Alben auf den Markt geschmissen. Ich kann definitiv sagen, dass ich dieses manchmal doch recht beschissene Leben in den Heavy Metal investiert habe und immer noch investiere. Wir sind zugleich Fans und Schöpfer dieser Musik und dieses Lebensstils und beides ist zugleich unser erster Antrieb und Support. Wir alle haben nebenher bescheuerte Jobs und wir halten uns Tag für Tag mehr oder weniger über Wasser. Aber alles kommt in ein Gleichgewicht, wenn wir unserer Bestimmung nachkommen können, in den Proberaum marschieren und THE CHASM-Musik aus den Boxen pfeffern.

Alex:
Wie gestaltet sich ein THE CHASM-Gig?

Daniel:
Totale Zerstörung, massives Headbangig und viel Gefühl. Wir sind bis ins letzte mit unserer Musik verschmolzen und wenn wir auf die Bretter marschieren ist es scheißegal, ob vor uns vierzig oder vierhundert Leute stehen. Es ist für uns das Gleiche und vor diesen Seelen zu spielen, erfreut uns tief in unseren Herzen. Wir lieben und forcieren die Intensität unserer Stücke und wir lieben die Reaktion der Fans, die sich dieser musikalischen Attacke hingeben.

Alex:
Ist eine Gastspielreise in Deutschland geplant?

Daniel:
Ich war einmal 1987 in Deutschland und es war ein geiles Erlebnis, da ich damals auch mit meiner alten Band auf euren Brettern stand. Es ist großartig in einem Land zu spielen, das solch eine historische Bedeutung für diese Art von Musik hat. Deutschland ist nun mal die Wiege des teutonischen-, des Thrash- und Heavy Metal. Wir hoffen natürlich, dass die Reaktionen aus Deutschland positiv ausfallen. Dann werden wir sicherlich eine Chance bekommen, uns in good old Germany zu profilieren. Vielleicht nächstes Jahr. Es würde uns sehr stolz machen. Mal sehen...

Alex:
Was habt ihr für die nächste Zeit geplant? Gleich eine Scheibe hinterher oder erst mal Energie tanken?

Daniel:
Nun, zunächst mal warten wir den November-Release ab, dann werden wir so viel live spielen, wie es geht. Vielleicht ergattern wir im nächsten Jahr eine US-Tour und mit etwas Support bekommen wir auch eine Europatour auf die Kette. Wenn allerdings livetechnisch nichts passiert, werden wir uns sofort an neues Material wagen.

Alex:
Was sind eure Ziele mit THE CHASM und was ist dein persönliches Lebensziel?

Daniel:
Musikalisch gesehen natürlich immer in der Lage zu sein, mein eigenes kreatives Potential umsetzen und verwirklichen zu können. Ansonsten möchte ich mich jederzeit wirklich lebendig fühlen, meinem Weg jederzeit folgen und erreichen, was immer ich brauche, um mich gut zu fühlen und meine Existenz zu versüßen. Als Band haben wir schon viel erreicht. Aus Mexiko überzusiedeln, war zum Beispiel alles andere als leicht. Wir haben diesen Schritt gewagt, weil wir in den USA größere Chancen für THE CHASM sahen. Schritt für Schritt haben wir uns eine Base erarbeitet und auch heute noch können wir aus tiefstem Herzen oder dunkelster Seele lärmen. Wir glauben immer noch zu einhundert Prozent an uns und an das, was wir machen. Diesen Level zu halten ist unser oberstes Ziel, eine Europatour unser nächstes. Das ist es, was wir mit THE CHASM noch nie erreicht haben und das ist es, was wir mit aller Macht anstreben. Natürlich ist Inspiration auch eine Gabe, die irgendwann mal verloren gehen kann. So ist der Lohn unserer Arbeit vielleicht, dass uns diese Gabe ewig erhalten bleibt. Sollte sie irgendwann abhanden kommen, ist das der exakte Zeitpunkt, an dem wir THE CHASM zu Grabe tragen.

Alex:
Daniel, vielen Dank für dieses Interview. Einen lärmenden Exil-Mexikaner durfte ich bislang noch nicht löchern. Hast du noch irgendwelche Gedanken, die unseren Leser nicht entgehen sollten?

Daniel:
Erst einmal vielen Dank zurück, für die Zeit und den Support, den wir aus Deutschland erfahren. Ich bin glücklich, dass dir "The Spell Of Retribution" gefällt und wir hoffen, dass dies stellvertretend für alle deutschen Metaller steht, haha. Unzählige deutsche Bands haben uns inspiriert und wir wollen unbedingt eine Deutschland-Tour. Wie auch immer, wer Interesse an dunklem und tödlichem Heavy Metal hat, sollte sich unsere neue Scheibe reinziehen. Utter death!

Redakteur:
Alex Straka

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