CLUTCH: Interview mit Jean-Paul Gaster

18.03.2013 | 13:27

Stoner Rock ist doof!

Der neue Rundling von CLUTCH heißt nicht umsonst "Earth Rocker". Es fällt sofort auf, dass der Vierer härter als zuletzt zu Werke geht und das Album gradliniger und erdiger ausfällt. Verspielt und ausschweifend ist nicht mehr, es gibt mehr "Hau-drauf", dafür aber weniger Groove. Natürlich ist Drummer Jean-Paul Gaster der selben Ansicht, handelt es sich doch um einen bewusst eingeschlagenen Weg. "Der Ansatz war, eine fokussierte und kraftvolle Rock 'n' Roll-Platte zu machen." Sie sollte durchgängig viel Energie haben. Das ist gelungen, wenn selbst Leute, die CLUTCH immer in die Stoner-Ecke gestellt haben und ihnen aus diesem Grunde wenig Beachtung schenkten, plötzlich euphorisch jubilieren und feststellen, dass sie mit dem energetischen Power Rock der Amis sehr gut zurecht kommen (respektabler achter Platz in unserem März-Soundcheck im Vergleich zu Platz 14 für die Vorgängerscheibe).

À propos Stoner Rock: Ich konnte mir die etwas ketzerische Frage nicht verkneifen, ob sie speziell in den Massenmedien in ihrem Heimatland inzwischen ein Thema sind oder immer noch in die Stoner-Rock-Nische (ab-)gestellt werden (in der es lediglich KYUSS, QOTSA und MONSTER MAGNET zu ein wenig Ansehen außerhalb des eigenen Genres gebracht haben). Die Antwort bricht regelrecht aus Jean-Paul heraus: "Stoner Rock is a stupid term to describe music." Da habt ihr's - es ist doch alles nur Rock 'n' Roll. Und fügt hinzu: "Wir wollen keine mediale Beachtung, wenn wir eh nur pauschal in diesen Topf geworfen werden."

Und wenn wir einmal bei einem Thema sind, wo erfrischenderweise von den üblichen Standardantworten ein bisschen abgewichen wird, kann man gleich die Retro-Rock-Diskussion anschließen. Die Frage nach einem möglichen Trend zurück zu ursprünglicher Musik wurde schon häufig gestellt, aber bei CLUTCH hat sie volle Berechtigung, sind sie doch eine Band, die schon immer Elemente aus traditionellem Rock 'n' Roll und Blues in ihren eigenen Stil integriert hat. "Es ist nichts 'retro' daran, sich mit der Geschichte und  Herkunft von Musik zu beschäftigen. Je mehr wir darüber wissen, umso mehr werden wir in die Lage versetzt, unsere eigene Ausdrucksform zu finden." Dies bezeichnet er als ihr wichtigstes Ziel. Die Aussage macht Sinn, solange man etwas zu sagen hat und nicht in bloßes Kopieren abdriftet. CLUTCH haben es sich jedoch schon immer mit einem eigenen Stil bequem gemacht und über viele Jahre bewiesen, dass sie eine gewisse treibende Kraft in ihrem Bereich sind. Und sie sind eine der wenigen Bands, die in all den Jahren mit konstantem Line-up über die Runden kamen, was Jean-Paul ganz simpel damit erklärt, dass "jedes Bandmitglied die gleiche Geisteshaltung" habe.

Wenn man sich dann doch mal neu fokussieren müsse, dann kommen ebenfalls ältere Semester – ALLMAN BROTHERS, JOHN COLTRANE (ein in den 50er und 60er Jahren aktiver Jazz-Saxophonist), BLACK SABBATH – ins Spiel, deren Musik Jean-Paul dabei helfe, den Kopf wieder darauf gerichtet zu bekommen, worum es eigentlich geht. Gern hören sie auch immer noch die Musik, mit der sie aufgewachsen sind, wie BAD BRAINS, CREAM, PROFESSOR LONGHAIR und THE METERS, das ganze klassische Rock 'n' Roll-Zeug eben. Als wichtigen Impuls in Bezug auf das neue Album nennt Drummer Jean-Paul Shuffle Beats, die einen wesentlichen Einfluss auf das Songwriting hatten, da er vor den Aufnahmen viel solche Musik hörte. Nachhaltigen Eindruck hinterließen dabei Earl Palmer, Johnny Vidacovich, Bernard Purdie und John Bonham (LED ZEPPELIN) – Leute also, die sich mit Ausnahme von Bonham einen Namen als begehrte Sessiondrummer und vielseitige Musiker in den Bereichen Rock, Jazz, Rhythm 'n' Blues oder Soul machten und mit vielen berühmten Musikern zusammenarbeiteten.

Der Vergleich mit dem Vorgänger "Strange Cousins From The West" muss auch zur Sprache kommen, da sich wie eingangs erwähnt einiges geändert hat. Jean-Paul betont, dass jedes Album seine eigene Identität habe. "Strange Cousins" sei nuanciert und organisch, "Earth Rocker" schnell und "in your face". Sie hätten festgestellt, dass es eine Lücke gegeben habe, die durch eine gradlinige Rock 'n' Roll-Platte zu füllen war und fügt an: "Wir wollten diese Platte mehr als alles andere und sie vor allem für uns selbst machen."

Kürzlich waren CLUTCH zu Besuch in Deutschland, spielten insgesamt fünf Konzerte und fühlten sich offenbar sehr wohl. "Die Deutschen genießen Rock 'n' Roll und Bier und sich zu amüsieren. Wir sind da ganz ähnlich drauf." Nun geht es erst einmal auf große US-Tour, aber auch exotischere Regionen wie Indien, Mexiko und Alaska würde die Band gern mal live beackern. Es gibt also auch für CLUTCH noch den ein oder anderen weißen Fleck auf dem Globus. In Deutschland treten die "Earth Rocker" im Juni beim Rock am Ring / Rock im Park das nächste Mal in Erscheinung, flankiert von ein paar Clubgigs in Potsdam, Heidelberg und Bremen sowie dem Auftritt auf dem Vainstream Rockfest in Münster. Und live ist der Vierer aus Maryland immer ein Erlebnis, also: Hingehen!

Redakteur:
Stephan Voigtländer

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