DARK AGE: Interview mit Martin Reichert

01.01.1970 | 01:00

Am 26. April ist es endlich so weit. Dann wird der sehnsüchtig erwartete Nachfolger des Drittwerks "The Silent Republic" der Hamburger DARK AGE auf die Hörerschaft losgelassen. Dass das Quintett schon seit einiger Zeit für qualitativ hochwertigen Dark Metal steht, dürfte sich zumindest hierzulande schon rumgesprochen haben. Der einzige kurzhaarige Vertreter der Band, Martin Reichert, stellte sich meinen Fragen.


Stephan:
Glaubst du, dass die neue Scheibe eure bisher beste ist und in welcher Hinsicht übertrifft "Dark Age" eure bisherigen Werke?

Martin Reichert:
Selbstverständlich denke ich, dass "Dark Age" unser stärkstes Werk ist! Wir haben hier alle unsere Stärken vereint und kommen präziser auf den Punkt. Die Songs klingen viel mehr aus einem Guss und drücken genau das aus, was wir mit DARK AGE aussagen wollen: Härte, Melancholie und Hass auf die abgefuckte Welt!

Stephan:
Es ist etwas ungewöhnlich, dass das vierte Album selbstbetitelt daherkommt, zumeist ist das ja eher bei Debütscheiben üblich. Was soll dieser Titel symbolisieren, steht er für eine Art Neuanfang, ähnlich wie es damals bei HYPOCRISY der Fall war?

Martin:
Es ist nicht wirklich ein Neuanfang. Die Selbstbetitelung soll veranschaulichen, dass in dem Album 113% DARK AGE stecken. Wir haben die Produktion nicht aus den Händen gegeben, sondern sie Eike (Freese, Gesang + Gitarre - d. Red.) machen lassen. Ein fremder Produzent, und sei er noch so begabt, ist nicht in der Lage genau den Sound hinzubekommen, den wir haben wollen. Da Eike selber an den Stücken mit schreibt und ein wirklich begabter Produzent ist, weiß er ganz genau, wie DARK AGE zu klingen hat.

Stephan:
Wie kam es zustande, dass ihr gleich vier Gastmusiker (u.a. Johan Edlund von TIAMAT) im Studio begrüßen durftet und haben die nochmal frischen Wind reingebracht?

Martin:
Wir hatten ein wenig Zeit für Experimente und entschlossen uns mal etwas Neues auszuprobieren. Wir hatten einfach Bock drauf und über unsere Promotion-Firma Sure Shot kam der Kontakt mit Johan zustande. Das lief sehr unkompliziert, da er sofort zusagte, obwohl er uns nicht kannte.
Die anderen Gastsänger (Nachtgarm von NEGATOR, Florian von ECLIPSIS und Kannixxx von TORMENT) schätzen wir sehr, da sie coole Stimmen haben. Alex von SERPENT SOUL hatte bei unser DARK AGE-Competition gewonnen, bei der wir einen Gesangspart für das Album vergeben haben. Zufällig ist er auch noch Sänger, passte also ganz gut.

Stephan:
Mit 'My Own Darkness' habt ihr erstmals eine richtige Ballade am Start. Ist das auch Ausdruck dessen, dass ihr mehr Wert auf Vielseitigkeit legt, wie man der neuen Scheibe ja zweifellos anhören kann?

Martin:
Klar. Eike hatte schon lange mal die Idee so ein Stück zu machen. Als er mit dem Song und der Gesangslinie ankam, willigten wir sofort ein. Das Stück bildet die ideale Ruhe vor dem Vernichtungssturm von 'Neurosis 404'. Inzwischen haben wir festgestellt, dass der Song entweder gehasst oder geliebt wird. Die Reaktionen sind sehr unterschiedlich, was ja auch gut so ist.

Stephan:
Auch dieses Album beinhaltet wieder eine schon fast obligatorische Coverversion - diesmal 'Suicide Solution' von OZZY. Warum habt ihr diesen Track ausgewählt, gab es da noch andere Gründe, außer dass der Songtitel gut zur "Suicide Crew" passt? Werdet ihr dieses Spielchen auch auf euren weiteren Alben beibehalten?

Martin:
In erster Linie suchen wir den Song natürlich nach der Qualität und nicht nach dem Titel aus, sonst wäre jetzt eigentlich in der "Bell"-Tradition der vorigen Alben (Man coverte bisher 'For Whom The Bell Tolls' von METALLICA und 'Hells Bells' von AC/DC. - Anm. d. Red.) 'Jingle Bells' dran gewesen. :-)
OZZY war mal an der Reihe gewürdigt zu werden und der Song rockt einfach. Natürlich haben wir auch auf den Titel geschielt, also lag genau dieser Titel sehr nahe! Mal sehen, wie es weitergeht, Coversongs machen wir recht gerne, zumal man auch live damit ordentlich abgehen kann. Vielleicht probieren wir mal was von GUNS N ROSES, no one knows...

Stephan:
Drehen sich eure Texte um ähnliche Themen und könnt ihr euch vorstellen irgendwann mal ein richtiges Konzeptalbum zu machen oder messt ihr den Lyrics gar keine so große Bedeutung bei?

Martin:
Die Texte sind uns sehr wichtig. Jeder sollte sich seine eigenen Gedanken über die Lyrics machen, deshalb will ich nicht zu viel verraten. Im Allgemeinen geht es aber um Verzweiflung gegenüber der misslichen Welt, seelische Abgründe und Einsamkeit. So spontan fällt mir nichts ein, worüber man ein Konzeptalbum machen könnte. So in der Art von SUMMONING (Tolkien) oder BOLT THROWER (Krieg) würde es bei uns aber nicht funktionieren, da Eike sich gerne über verschiedene Themen auskotzt!

Stephan:
Gibt es etwas, das ihr gegenüber dem Vorgänger unbedingt verbessern wolltet und ist euch das gelungen?

Martin:
Wie bereits oben erwähnt, haben wir es geschafft unsere Stärken zu bündeln und die Songs mehr auf den Punkt zu bringen. Außerdem haben wir den cleanen Gesang ausgebaut, wobei Eike sich unserer Meinung nach wirklich übertroffen hat. Zudem ist die Produktion sehr druckvoll geworden, was wir uns auch gewünscht hatten. Die Produktion von Andi Classen bei "The Silent Republic" war schon mächtig, aber "Dark Age" hat uns umgeblasen.

Stephan:
Verbindest du mit eurem Werk irgendeine Erwartungshaltung und habt ihr euch nach dem erfolgreichen Vorgänger selbst irgendwie unter Druck gesetzt bzw. von außen unter Druck gesetzt gefühlt?

Martin:
Einem gewissen Druck ist man immer ausgesetzt. Man möchte sich schon selber übertreffen, sonst könnte man es auch gleich sein lassen Songs zu schreiben. Ein direktes Ziel haben wir uns nicht gesetzt, aber wir rechnen schon mit höheren Platzierungen in den Zeitschriften und besseren Punkte-Wertungen. Von Außen kam eher kein Druck, da wurden wir nicht beeinflusst. Wir bekamen zwar öfter mal zu hören: "Wie wollt ihr das noch toppen?", aber wir waren sicher, dass wir es schaffen und die meisten Kritiken bisher geben uns sehr recht, dass wir es geschafft haben.

Stephan:
Ihr seid offenbar von der ganz schnellen Sorte, denn ihr habt fast jedes Jahr eine neue Scheibe herausgebracht (innerhalb von sechs Jahren vier CDs und eine EP – Anm. d. Red.). Geht euch das Songschreiben so leicht von der Hand oder habt ihr zu wenig Auftrittsmöglichkeiten oder was ist der Grund dafür?

Martin:
??? Grosses Fragezeichen. :-)
Unser letztes Album ist schon zwei Jahre her und "Insurrection" davor erschien auch zwei Jahre vorher. Wir haben also eher einen Zwei-Jahres-Takt. Auf der EP im letzten Jahr waren ja keine neuen Songs. Wir sind eher langsame Songwriter, was aber daran liegt, dass ein Song wirklich perfekt sein muss, bevor er auf einem Album landet. Man kann auch mal drei Monate an einem Song arbeiten und tritt ihn dann in die Tonne. Das ist schade, wegen der Arbeit, die man investiert hat, aber bei uns geht's nach dem Motto "No Fillers, just Killers".

Stephan:
Wie war denn euer Auftritt auf dem Rock Station Festival in der Türkei - wie waren die türkischen Fans und wie seid ihr aufgenommen wurden?

Martin:
Türkei war der Killer! Es waren über 2000 Leute da und wir haben am Samstag als Headliner gespielt. Das Festival ging von Freitag bis Sonntag. Nachdem wir schon den ganzen Tag in Ankara und der Konzerthalle um Fotos und Autogramme gebeten worden sind, haben wir dann gut zwei Stunden gespielt, weil die immer mehr Zugaben haben wollten und ziemlich laut immer "DARK AGE, DARK AGE" gerufen haben. Beim Abklatschen nach der Show sind uns allen die Schweißbänder von den Armen gerissen worden (!) und André, Torsten und ich haben dann nach Aufforderung der Zuschauer Stagediving gemacht, bzw. wir sind ins Publikum gezogen worden...
Nach dem Konzert mussten wir am T-Shirt-Stand über eine halbe Stunde Autogramme geben. Echt verrückt. Bei der Party hinterher in einer Bar ging's noch sehr wild zu, viel Raki und Bier... :-)
So um 5.30 Uhr waren wir wieder im Hotel und ich habe dann mit Torsten und André noch bis 7 Uhr weitergefeiert, weil ich dann los musste zum Flughafen. Vier von uns mussten schon um 10 Uhr fliegen, während die anderen erst um 16 Uhr geflogen sind. Ich habe also gar nicht geschlafen, im Flieger nur 1,5 Stunden, dafür ging's mir aber echt gut... :-)

Stephan:
Was hat dich an der türkischen Metalszene besonders beindruckt?

Martin:
Der Enthusiasmus. Die Leute dort sind viel euphorischer als das deutsche Publikum, was einem Musiker auf und neben der Bühne natürlich wie Öl runter geht. Ansonsten sind die Leute da sehr freundlich und dankbar. Wir haben uns hinterher mit vielen Leuten unterhalten. Einige sind extra aus Istanbul angereist um sich einmal im Jahr dieses Festival zu geben.

Stephan:
Habt ihr schon im Ausland größere Erfolge verbuchen können, sowohl in Bezug auf Plattenverkäufe als auch auf größere Liveshows wie eben das Rock Station Festival?

Martin:
Bisher fehlt der Erfolg im Ausland noch, aber evtl. wird sich das mit "Dark Age" ändern, da wir ja auch auf Europa-Tour gehen und im Herbst sind einige Auftritte in Frankreich angedacht. Die Verkäufe im Ausland sind auch noch nicht so glänzend, in Japan läuft's ganz gut. Mal sehen, was noch kommt.

Stephan:
Auch wenn ihr mit Remedy Records sehr zufrieden seid, habt ihr schon mal darüber nachgedacht zu einer größeren Plattenfirma zu wechseln, die einfach bessere Möglichkeiten zur Vermarktung eurer Platten hat?

Martin:
Klar denkt man darüber nach, aber wir fühlen uns wohl bei Remedy und im Moment gibt es für uns keinen Grund das Label zu wechseln, zumal wir bei Remedy auch als Künstler unterstützt werden und nicht ein Produkt von vielen sind.

Stephan:
Was hebt euch deiner Meinung nach von anderen Acts des Dark Metal bzw. Melodic Death ab?

Martin:
Das ist immer eine gemeine Frage. Ich würde uns ganz dick Eigenständigkeit auf die Fahne schreiben, da wir versuchen selbstbewusst unseren eigenen Weg zu gehen, fernab von allen möglichen Düster-Klischees.

Stephan:
Ihr habt euch in Deutschland schon einen ziemlich guten Namen machen können, aber was fehlt euch deiner Meinung nach noch um in der ersten Liga ganz oben mitzuspielen?

Martin:
Musikalisch denke ich sind wir mit dem neuen Album in die erste Liga aufgestiegen. Uns fehlen einzig allein noch die Gigs um überall vertreten zu sein. Ich hoffe, das wird sich in diesem Jahr erledigen, indem wir neben der Tour und Einzel-Gigs noch ein paar Festivals mitnehmen.

Stephan:
Habt ihr schon ein paar Ideen für das nächste Album gesammelt und in welche Richtung könnte das gehen?

Martin:
Wir haben noch keinerlei Ideen, erstmal werden wir uns den Arsch abspielen, bevor es wieder ans Songwriting geht.

Stephan:
Was war die Zielstellung der letztjährigen EP "Remonstrations", auf der ihr ein paar alte Demo-Tracks neu aufgelegt habt? Sind diese Nummern überhaupt noch repräsentativ für DARK AGE anno 2004?

Martin:
Natürlich sind sie das nicht. Wir haben ja die alten Songs nur nochmal neu aufgenommen, ohne die Noten und den Aufbau der Songs zu ändern. Das war halt nur als Fan-Geschenk gedacht, für Leute, die unsere Demo-Sachen noch nicht kannten.

Stephan:
Was sind deine Top-5-Alben des vergangenen Jahres?

Martin:
Versuchen wir's mal:
- MACHINE HEAD - "Through The Ashes Of Empires"
- MARYLIN MANSON - "The Golden Age Of Grotesque"
- SATYRICON - "Volcano"
- METALLICA - "St.Anger"
- KORN - "Take A Look In The Mirror"

Stephan:
Mit welchem Musiker würdest du gern mal ein Bierchen trinken gehen und warum?

Martin:
Ich muss zwei nennen:
Mit James Hetfield und Robb Flynn, weil ich beide sehr für ihre musiklische Begabung bewundere und für sehr sympathische Typen (jedenfalls auf der Bühne) halte.

Stephan:
Hast du noch irgendwelche abschließenden Worte auf dem Herzen?

Martin:
Danke für's Interview, checkt "Dark Age" an, we got love for you all!!!

Redakteur:
Stephan Voigtländer

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