DARK SUNS: Interview mit Maik und Torsten

26.02.2012 | 01:44

Zwei der dunklen Sonnen geben zu Protokoll, was es rund um das neue Album "Orange" so alles zu erzählen gibt.

Für Liebhaber progressiver, eigenständiger und gleichzeitig überraschender Musik sind DARK SUNS mehr als nur ein Geheimtipp. Die Leipziger Band hat sich auf ihrem vierten Rundling mal wieder neu erfunden, dabei ungewollt eine ähnliche Wandlung hin zum Prog Rock der Siebziger wie OPETH und PAIN OF SALVATION durchlaufen, seit dem letzten Album drei neue Mitglieder in der Band begrüßen dürfen und ihre neue Scheibe schlicht nach einer Farbe benannt. POWERMETAL.de ließ sich das alles von den beiden Guitarmen Maik Knappe und Torsten "Torte" Wenzel im persönlichen Gespräch etwas näher erläutern.

Die liebe Stildiskussion

DARK SUNS haben sich mal wieder als Chamäleon erwiesen und eine sehr deutliche stilistische Entwicklung vollzogen. Es hat den Anschein, als habe man mit dem Metalkrach nun mehr oder weniger abgeschlossen, was ja an sich nichts Schlechtes sein muss, doch so deutlich wollen die Zwei es nicht formulieren. Ein Album sei eben ein Produkt der Eindrücke, die man so sammelt und der persönlichen Vorlieben. Die stilistischen Veränderungen fanden dabei eher als schleichender Prozess statt. Maik zieht den Vergleich, dass man als Newcomer halt mehr herum probiert, sich entwickelt und versucht irgendwo anzukommen - mit einer gewissen geistigen Reife fließt es dann eher aus einem heraus, anstatt eine bewusste Orientierung vorzunehmen. Und es ist jetzt eben nicht mehr so wie mit 18, 19 Jahren, wo noch eine Menge geistige und musikalische Entwicklung stattfindet und man viel Neues kennenlernt, was man alles irgendwie einbauen möchte. Zudem veröffentlichen DARK SUNS ja auch nicht aller 12 Monate ein Album, sondern es liegen jeweils etwa drei Jahre zwischen ihren Platten - ein Zeitraum, in dem auch in den Leben der Protagonisten eine Menge passiert. Zur Ehrenrettung stellt Maik abschließend aber schon fest, dass der Metalfaktor zwar über die Jahre kontinuierlich abgenommen habe, er es aber auch richtig derb mag. Und nennt exemplarisch MESHUGGAH und DILLINGER ESCAPE PLAN (die eigentlich Free Jazz seien, auch wenn es niemand so nennt). Und bei Torsten ist es der Death Metal, wo er herkommt und wo er auch gerne mal zu einem Bier ein altes Album auflegt.
Einen interessanten Punkt bringt Maik ins Spiel: Außerdem brauche es seine Zeit (und das Ablegen einer gewissen Engstirnigkeit), um die verschiedenen Facetten, die auch der Metalbereich bietet, kennenzulernen und zu entdecken. Irgendwann spielt es dann keine Rolle mehr, welcher Bereich es ist, sondern nur noch, ob es wertvoll ist und im Kopf bleibt. Eine Erfahrung, die wohl jeder nachvollziehen und teilen kann.

Die Entstehungsgeschichte der Orangenen

Die Platte ist zunächst einmal so entstanden, dass Niko, Maik und Torsten sich einfach ohne Computer ein komplettes Wochenende in den Proberaum gehockt und ihre Ideen mitgeschnitten haben. Dabei ist relativ schnell klar geworden, wohin die Reise geht. Von den beiden Neuzugängen war Jacob (Bass, auch bei MUD MAHAKA aktiv) nur beim Einspielen da und hat da aber auch arrangiert und variiert, während Ekky (Piano und Orgel, auch bei FACTORY OF ART) seine Parts komplett selber geschrieben hat – d.h. es wurde lediglich die ungefähre Struktur der Songs vorgegeben. Das Lob der Beiden für ihre zwei Mitmusiker fällt euphorisch aus, es sei ein sensationelles Arbeiten mit den beiden im Studio gewesen (und man hätte nur mit den Klavierspuren von Ekky sogar ein komplettes Album herausbringen können).
DARK SUNS haben es bei "Orange" im Gegensatz zu früher auch geschafft, den Punkt zu finden, an dem weiteres Herumarrangieren und –variieren nicht mehr lohnt. So sei nicht wieder solch eine riesige Sammlung von Riffs und fertigen Songstrukturen entstanden wie bei den beiden vorherigen Platten – da man dieses Mal viel eher Schluss gemacht hat und nicht wie beispielsweise bei "Grave Human Genuine" noch nächtelang am Rechner gesessen und die Songs überarbeitet hat. Allerdings hatte man kurz vor dem Studiobeginn noch mal zwei Refrains komplett umgeworfen - und dabei eine gute Entscheidung getroffen, handelte es sich dabei doch auch um das großartige Finale 'Antipole'.
'Toy' war überraschenderweise einer der ältesten Songs, der von einer der ersten Aufnahmen zum neuen Album stammt und es dennoch auf die Platte geschafft hat (also der einzige, den es schon länger gab). Dabei schlummerte dessen Potenzial wohl eine Weile eher unbemerkt vor sich hin, obwohl er sich perfekt ins Album einfügt. Auch klanglich sei es ein riesiger Schritt gewesen, da man das erste Mal in einer Live-Situation (ohne Clicktrack) aufnahm und das Ganze ist dadurch viel dynamischer, weicher und weniger statisch geworden sei.

Orange? Whadda ya mean...

Musik mit einer Farbe zu assoziieren - diese Empfindung war schon länger bei den Bandmitgliedern präsent und daraus ist letztendlich auch der Titel entstanden. Auch bei "Existence" (bläulich/grünlich) und "Grave Human Genuine" (schwarz/finster)  gab es so etwas schon, dass alle im Grunde während des gesamten Entstehungsprozesses irgendwie eine Farbe im Kopf hatte, da schlug es sich allerdings "nur" im Artwork nieder. Das Gefühl beim Hören der Musik tendierte dieses Mal in Richtung Orange, eine sehr leidenschaftliche Farbe, nicht ganz so aggressiv wie ein knalliges Rot, aber sehr energiereich und warm. In anderen Kulturkreisen steht es für Ruhe und Ausgeglichenheit. Musikalisch äußert sich das so, dass ein Akkord fast meditativ erst zur Ruhe kommt, bevor es weiter geht. Torsten betont, dass jegliche Attribute, die er (und auch Bekannte) mit orange verknüpfen, auch wunderbar zu dem Album passen, daher sei der Titel nur logisch gewesen.

Lyrisches

Die Songtexte stammen komplett aus Nikos Feder, wobei er sich noch während des Schreibens Feedback von den anderen Bandmitgliedern einholt und ihnen die Gedanken hinter den Texten erklärt. Bruder Maik betont seine besondere Begabung für kleine Metaphern, allerdings braucht er seine Zeit für die Texte, das Ganze geht ihm gar nicht so leicht von der Hand. Persönliche Themen liegen zu Grunde, diese sind noch mehr verpackt, als bei "Existence" und "Grave Human Genuine", als die Aussagen eindeutiger waren. Torsten vergleicht es mit einem Dali-Bild, bei dem man ebenfalls erst einmal dahinter steigen muss. Maik gefällt in dem Zusammenhang am meisten, dass sein Bruder nicht mehr so viele selten benutzte oder weitgehend unbekannte englische Begriffe verwendet, sondern viel mehr Umgangssprache und einfache Wortwahl, mit denen die sprachlichen Bilder erzeugt werden. Die Texte sind dabei niemals negativ und nicht so ausschweifend, sondern mehr auf den Punkt und selbst-reflektorisch, was ihnen sehr zu Gute kommt.

Vom Trio zum Sextett

Wie bereits erwähnt, kamen nach "Grave Human Genuine" Ekky und Jacob an Bord, mittlerweile gibt es aber noch einen weiteren Zugang. Auf der "Orange"-Releaseshow saß das erste Mal ein neuer Schlagzeuger hinter der Schießbude, wodurch Niko jetzt vorne auf der Bühne steht und sich komplett dem Gesang widmen kann, was insofern nicht nur erfreulich (die Suche war bereits vor etlichen Jahren bereits ein Thema, um Niko von der Doppelbelastung bei den Konzerten zu befreien), sondern auch notwendig ist, weil das neue Material sowohl durch die gesangliche Intensität als auch das körperlich anstrengende Powerdrumming Niko noch mehr abverlangt. Das hätte live zu viel Verlust bedeutet, während man nun beim Drumming sogar noch ein Quäntchen mehr Vibe herausholen konnte.
Die Gig-Wahrscheinlichkeit sinkt damit allerdings leider noch mal ein bisschen, da der neue Trommler ein Berufsmusiker ist und u.a. mit Konzerten seine Kohle verdient. Wobei ein wichtiger DARK SUNS-Gig für ihn vermutlich doch Vorrang vor einer "Covermucke" hätte. Wie Maik sagt: "Wahnsinnig cooler Typ, einfach ein Vollblut-Drummer, der alles spielen kann und wahnsinnig Bock drauf hat."

"Retro-Trends" und die Frage: Was macht eigentlich...

Auffällig aus Kritikersicht ist natürlich die ähnliche Entwicklung hin zu Retro-Rock im allgemeinen bei OPETH und PAIN OF SALVATION, die ja auch früher bereits gern als Vergleichsbands für den DARK SUNS-Stil herangezogen wurden. Grundsätzlich finden sie es gut, dass auch OPETH und PAIN OF SALVATION in diese Richtung gingen, Torsten findet insbesondere "Heritage" ein cooles Album. Natürlich war diese parallele Entwicklung ein großer Zufall, weil man sich nicht bewusst war, dass die Bands diese Richtung einschlagen würden und auch bei DARK SUNS selbst vorher gar nicht klar war, dass sie jetzt auch einen Retro-Sound fahren würden. Bei "Heritage" waren sie bereits im Studio, als die Platte rauskam, und realisierten: Das neue OPETH-Album ebenfalls mit Hammondorgel - das haute natürlich erstmal aus den Socken.
Als wir uns in der Ursachenforschung vertiefen, sind sich beide einig, dass es wahrscheinlich ein Trend (auch wenn Maik den Begriff in diesem Zusammenhang eigentlich vermeiden will) ist und es viele Bands momentan anstreben, wieder zu den Ursprüngen zurück zu gehen. Torsten glaubt, dass Amy Winehouse und Co. als kommerzielle Acts der ursächliche, unbewusste Anstoß waren, sich wieder auf alte Werte zu besinnen, die alten Scheiben rauszuholen, LED ZEPPELIN zu hören etc.
Wobei sie ihre beiden alten Helden durchaus kritisch betrachten. Maik hat mit PAIN OF SALVATION schon seit "Be" (2004) abgeschlossen, weil er findet, auch wenn er den Sound mag, dass es arschlangweilig und kalkuliert klingt. Auch Torsten hört, dass Daniel Gildenlöw bewusst in diese Richtung gehen wollte und findet, ihm fehle schlicht der Spirit und es klinge nicht echt. Gegenbeispiel für eine ehrliche Scheibe ist für die Band z.B. die letzte GRAVEYARD ("Hisingen Blues"), die Typen sind wirklich so - da ist man sich einig. Zu Recht, wie ich finde, und werfe da gleich noch CRYSTAL CARAVAN in den Raum, die sich in Leipzig mal vor 10 Nasen den Arsch abgespielt haben und die zumindest Torsten auch kennt und gut findet.

Gigtechnisch steht bei DARK SUNS momentan nicht viel auf dem Programm, doch sollte sich das hoffentlich bald ändern, denn "Orange" verdient es einfach, auf der Bühne einem breiten Publikum vorgestellt zu werden. Und spannend wird natürlich auch die Frage sein, wie sich die Leipziger in Zukunft musikalisch weiter entwickeln werden, denn kreativen Stillstand gibt es bei dieser Band ganz sicher nicht.

Redakteur:
Stephan Voigtländer

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