DEAD SOUL TRIBE: Interview mit Devon Graves

12.12.2007 | 15:11

Devon Graves, Sänger, Gitarrist und Bandleader von DEADSOUL TRIBE muss man wohl nicht weiter vorstellen. Seit zwei Dekaden verzaubert er unsere Sinne mit seiner Stimme, seinen hintergründigen Texten und seinen einschmeichelnden Melodien. Zuerst als Sänger der Legende PSYCHOTIC WALTZ, seit einigen Jahren mit seiner aktuellen Band. Da das letzte Album "A Lullaby For Devil" ein absolutes Sahnehäubchen geworden ist, stand ein Interview natürlich außer Frage. Dass dabei auch ab und an Fragen nach seiner alten Band eingestreut werden mussten, stand ebenso vorher fest. Er trug es mit Fassung und so könnt ihr im Nachfolgenden einige interessante Fakten erfahren.


Holger:
Bevor wir zum aktuellen Album kommen, lass uns doch mal die Zeit seit dem Vorgänger Revue passieren. Ihr seid mit SIEGES EVEN auf Tour gewesen. Wurden eure Erwartungen erfüllt und hast du dich an die Jungs erinnert, die euch bei eurem zweiten Deutschland-Gig im Cult in Werl damals supporten durften?

Devon:
Die Tour war klasse. Ich habe es genossen mit SIEGES EVEN eine Bühne teilen zu können und sie kennen zu lernen. Meine Erwartungen wurden angenehm erfüllt, da alle Auftritte für uns sehr gut liefen und wir sehr positive Resonanzen vom Publikum bekommen haben. Ich erinnere mich an das besagte PSYCHOTIC WALTZ-Konzert, aber leider nicht mehr an die Jungs. Immerhin hatte ich den Namen SIEGES EVEN noch im Kopf.

Holger:
Es gab beim letzten Album Stimmen, die meinten, du würdest beginnen, dich ein wenig zu wiederholen. Wenn du auf das letzte Werk mit etwas Abstand zurückblickst, kannst du diese Kritik heute verstehen?

Devon:
Ich kann dies aus der Perspektive einer außen stehenden Person nachvollziehen. Persönlich denke ich, dass ich meinen "Tribal Metal" über drei Alben hinweg ansehnlich präsentiert habe. So machen das Bands, die einen eigenen Stil haben. Ich würde nicht sagen, sie wiederholen sich, sondern eher, dass sie halt einen eigenen, speziellen Stil kreieren. Ich glaube nicht, dass ich mich jemals wiederholt habe. Jeder Song hat seine eigene Melodie, seinen eigenen Rhythmus und seine eigene Aussage. Für mich sind sie alle eigenständig. Vielleicht haben sie alle einen ähnlichen Ursprung, aber ich würde ja auch von BLACK SABBATH nicht erwartet haben, dass sie aufhören würden, langsame Riffs zu schreiben. Es fühlt sich allerdings erfrischend an, nun mit etwas anderem fort zu fahren. Wenn die Leute meine alten Alben zu ähnlich fanden, sollten sie "A Lullaby For The Devil" zu schätzen wissen.

Holger:
Eleganter Übergang zum neuen Epos. Ich habe gelesen, dass es einen Plan gab, "Lullaby" als Doppel-CD zu veröffentlichen?

Devon:
Ich habe festgestellt, dass es aus geschäftlicher Seite unklug gewesen wäre, dies zu machen. Wenn man sieht wie viele Bands und Künstler ihre Deals aufgrund der ganzen Downloads verlieren, ist es sehr riskant, ein Album zu veröffentlichen, das noch mehr kosten würde. Damit sollte ich warten bis sich meine Karriere besser entwickelt hat. Vielleicht ja schon beim nächsten Mal. ;-)

Holger:
Da darf man ja schon gespannt sein. Beim letzten Mal hattest du außerdem davon gesprochen, eventuell eine DVD beizulegen, auf der man die Entstehungsgeschichte des Albums dokumentiert sehen könnte. Was ist aus dieser Idee geworden?

Devon:
Auf dem kompletten Album gibt es eine Multi-Media-Part. Da kann man mich sehen, wie ich ein paar Songs in Akustik-Versionen performe. Eine komplette DVD wird es erst geben, wenn ich genügend Erfahrung mit Filmen gesammelt habe. Ich denke, dass dies der nächste große Schritt für die Band sein könnte.

Holger:
Pläne über Pläne. So sehr ich diese Idee auch mag, glaubst du nicht, dass dich das beim Arbeiten stören würde, wenn die ganze Zeit eine Kamera mitläuft?

Devon:
Das ist kein Problem für mich. Aber meistens werde ich ja eh hinter der Kamera stehen (lacht). Ich möchte gerne Filme drehen. Nicht nur Konzerte filmen, sondern richtige Movies. Ich schreibe bereits an zwei verschiedenen Drehbüchern.

Holger:
Lass uns jetzt aber endlich mal über das Album reden. Ich weiß, du magst nicht über solche Dinge reden, aber der Albumtitel ist schon recht schräg. Daher die Frage nach einer Geschichte hinter diesem Titel?

Devon:
Ich glaube, ich mag es nicht, dazu etwas zu sagen. Ich möchte die Leute lieber selber entscheiden lassen, warum sie denken, dass es so heißt. (lacht)

Holger:
Wenn man deine Einflüsse kennt, drängt sich die Frage nach Ian Anderson als Vorlage für den Teufel auf dem Cover auf.

Devon:
Jeder sagt das. Komisch. Es hat nichts mit ihm zu tun. Es symbolisiert die Verteufelung von Musik und Kunst.

Holger:
Möchtest du, dass der Teufel einschläft oder möchtest du lieber, dass er wie ein Baby behandelt wird, da er sich ja offensichtlich so verhält, wenn man die unsinnigen Zerstörungsakte betrachtet?

Devon:
Ich glaube nicht an den Teufel. Ich denke, dass alles Gute und alles Schlechte in unseren Herzen entsteht. Jeder trifft seine eigenen Entscheidungen.

Holger:
Es ist euch gelungen, ein Album zu basteln, bei welchem man gleich beim ersten Anhören fasziniert von der Vielfalt des Materials ist. Man möchte es sofort erneut anhören, da so viel auf einmal passiert. Und das Schöne daran ist, dass (zumindest mir) das Werk nach und nach immer besser gefällt. Eine Sache steht aber über allem, wenn man "Lullaby For The Devil" zum ersten Mal hört: Der fantastische Sound des Albums überfällt den Hörer förmlich. Es scheint, als wenn dein Equipment immer besser werden würde.

Devon:
Hey, vielen Dank für das Kompliment. Ich habe einiges gelernt was Mixing angeht und ich habe auch das Studio massiv aufgerüstet, bin aber jetzt an einem Punkt angekommen, an dem ich es kaum noch weiter verbessern kann. Allerdings denke ich, dass ich noch sehr viel zu lernen habe.

Holger:
Ich war doch etwas irritiert zu lesen, dass das neue Material noch moderner als die anderen Werke klingen sollte. Wolltest du deine Fans schockieren oder willst du tatsächlich andere Hörer auf diese Weise anlocken?

Devon:
Ich würde es natürlich toll finden, wenn mehr Leute meine Musik toll finden würden. In erster Linie schreibe ich aber für mich. Wenn ich selbst nicht zufrieden bin, wie kann ich dann von anderen erwarten, dass sie meine Songs mögen?

Holger:
Nun stell mal nicht dein Licht unter den Scheffel. Wenden wir uns mal deiner Vergangenheit zu. Du bist dir sicher im klaren, dass du mit deinem veränderten Sound einige alte PSYCHOTIC-WALTZ-Fans verloren hast?

Devon:
Darüber denke ich nicht nach. Sie haben jedes Recht dazu, DEADSOUL TRIBE nicht zu mögen, aber ich kann nicht hier sitzen und mir Gedanken darüber machen, wie ich jeden einzelnen alten Fan zufrieden stellen kann. Ich kann nur versuchen, mich selbst zufrieden zu stellen und dann hoffen, dass ich mit dem Material viele Leute erreichen kann. Wenn sie es nicht mögen, haben sie noch all die anderen tollen Bands, die sie mögen können, inklusive PSYCHOTIC WALTZ.

Holger:
Denkst du überhaupt in solchen Kategorien und was andere Leute eventuell "erwarten" könnten?

Devon:
Manchmal geschieht so etwas natürlich, aber meist bemühe ich mich das zu vermeiden.

Holger:
Ein Aspekt variiert auf dem aktuellen Album sehr deutlich von seinen Vorgängern: Dein Gesang klingt 2007 weitaus aggressiver an einigen Stellen. Wo ist der einschmeichelnde Buddy geblieben?

Devon:
Ich versuche alles, nur um möglichst viel Abwechslung in unsere Stücke zu bekommen. Klar, ich habe mein Spektrum etwas erweitert, aber ich habe ja auch früher nicht ausschließlich diesen beruhigenden Tonfall drauf gehabt. Ich habe immer versucht Spannungen zu erzeugen. Dieses Mal bin ich nur noch weiter in die aggressive Richtung vorgedrungen und habe wohl Dimensionen meiner Stimme kennen gelernt, von denen ich vorher gar nicht wusste, dass sie existierten.

Holger:
Aber auch hier wird es wieder Stimmen geben, denen diese Aggressionsausbrüche und "Schreie" nicht zusagen werden.

Devon:
Ich denke nicht, dass das irgendwer außer meiner Großmutter so sehen wird. Ich glaube, Menschen mögen die aggressiven Dinge. Für mich kommt es auf die richtige Ausgewogenheit an. Zuerst der Schrei, dann das Flüstern.

Holger:
Hast du diesen Stil auch deinen früheren Bands angeboten?

Devon:
Ich frage doch nicht nach einer Erlaubnis, wenn ich mich musikalisch ausdrücken möchte. Aber diese Sache ist selbst für mich neu.

Holger:
Nachdem wir jetzt die neuen lauten Seiten an dir ausgiebig diskutiert haben, sei aber auch gesagt, dass die melodischen und ruhigen Momente auf "Lullaby For Devil" noch beruhigender klingen als sonst. Schaffst du diese Extreme, um dich, die Band oder die Fans zu testen?

Devon:
Wohl am ehesten, um mich selbst zu testen. Ich habe versucht meine musikalischen Grenzen auszuloten und ich denke, dass das neue Album sehr schön meinen momentanen Stand widerspiegelt.

Holger:
Dafür klingt die Musik aber noch düsterer als auf den Vorgängern.

Devon:
Das höre ich doch bei jedem neuen Album. (lacht)

Holger:
Dann durfte ich das ja auch wieder fragen. Verweilen wir bei der Musik. Der Opener 'Psychosphere' ist wohl einer der experimentellsten Nummern. Steht er deshalb gleich am Anfang des Albums, um den Hörer sofort auf die Tragweite des Geschehens vorzubereiten?

Devon:
Das gesamte Album steht für Experimente, da war es die Idee von InsideOut diesen Song als Opener zu platzieren und ich stehe voll hinter dieser Entscheidung.

Holger:
'Goodbye To City Life' auf der anderen Seite klingt zwar "typisch", hat aber so viele Überraschungen und Stimmungsschwankungen, dass man sofort von der Nummer gefesselt ist. Magst du uns etwas mehr zu dem Song erzählen?

Devon:
Was soll ich sagen? Ich habe versucht einen epischen Song zu schreiben und muss sagen, dass ich mit dem Ergebnis ziemlich zufrieden bin.

Holger:
Nicht immer so bescheiden, dieser Song ist völlig fantastisch. Aber zurück zum Geschehen. Wie auch auf deinen anderen Werken, gibt es dieses Mal gesprochene Samples aus Filmen. Erinnerst du dich, aus welchen Filmen sie dieses Mal stammen?

Devon:
Da muss ich wirklich überlegen. Der gesprochene Intro-Part von 'Goodbye To City Life' stammt aus "Rainbow Bridge" und einige andere Passagen habe ich einer Dokumentation über Bob Dylan entnommen. Ich finde es einfach toll, wenn solche Texte innerhalb der Musik Statements setzen, die immer noch gültig sind. Manche sind heute sogar gültiger als zum damaligen Zeitpunkt. Erschreckend.

Holger:
Wie wahr. Wenden wir unser Augenmerk aber einem ganz anderen Song zu, namentlich 'Fear'. Für mich wäre das fast eine Radio taugliche Hit-Single, wenn man die Orgel-Passage in der Mitte weglassen würde.

Devon:
Da ich mich außerhalb der normalen Musik-Industrie und deren Schemata bewege, werde ich wohl nie im Radio gespielt werden. Für mich ist Radiomusik automatisch mit Popmusik gleichzusetzen und solche spielen wir nicht. Aber wenn wirklich nur der Orgelpart stören sollte, würde ich nichts dagegen haben, diesen bei einer editierten Version wegzulassen. Ich glaube nicht, dass das irgendeinen Unterschied machen würde. Ich bin kein Teil der Popwelt, was immer ich auch tue.

Holger:
Auf der anderen Seite, wäre dies auch der ideale Song für eine Metal Disco.

Devon:
Metal Disco ist ein Widerspruch in sich. ;-)

Holger:
Wenn du meinst. ;-) Lenken wir unser Interesse also auf einen Song, der in eine gänzlich andere Kerbe schlägt. Das Instrumental, in dem die Flöte endlich ihre verdiente Solistenrolle bekommt. Wie bist du auf diese grandiose Idee gekommen?

Devon:
Ich wünschte mir ein Flötesolo für die Konzerte und träumte dann von diesem Song. Ich habe ihn komplett im Kopf gehabt und ihn dann einfach mal aufgenommen. Schön, wenn er dir gefällt.

Holger:
Unglaublich. Wenn ich die Steigerung zum Vorgänger betrachte, kann man sagen, dass deine musikalische Reise jetzt erst so richtig losgegangen ist?

Devon:
Nein, die hat bereits vor über 20 Jahren gestartet und setzt sich immer weiter fort. Aktuell fühlt es sich allerdings in der Tat wie ein Neubeginn an, aber ich hoffe, dass wir uns auf dem nächsten Album noch einmal neu definieren können. Ich habe den Eindruck, dass das Festhalten an einer Stilistik sehr viel mit Limitation zu tun hat. Häufig wird einem sogar vorgeworfen, es wären einem die Ideen ausgegangen. Davor möchte ich gefeit sein.

Holger:
Und wo siehst du DEADSOUL TRIBE in zehn Jahren?

Devon:
Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir in zehn Jahren noch zusammen sein werden. Ich werde wahrscheinlich andere Dinge ausprobieren. Im Moment denke ich darüber nach, Filme zu machen. Am liebsten einen über die Band. Außerdem möchte ich noch ganz andere musikalische Dinge versuchen ... vor allem in so ferner Zukunft.

Holger:
Vielen Dank für deine Zeit. Möchtest du noch etwas ergänzen?

Devon:
Machst du Witze??? Das Ding war laaaaaaang genug. ;-)

Redakteur:
Holger Andrae

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