DREAM THEATER: Interview mit James LaBrie

02.09.2011 | 19:55

DREAM THEATER veröffentlichen in Kürze "A Dramatic Turn Of Events", das erste Studioalbum ohne Schlagzeuger und Bandmotor Mike Portnoy. Wir sprachen mit Sänger James LaBrie über die neue Harmonie in der Band, das neue Album und natürlich auch über Mike & Mike.

James, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum neuen Album "A Dramatic Turn Of Events", aber auch herzlichen Glückwunsch zum tollen Gig auf dem "Night Of The Prog"-Festival auf der Loreley. Ich hatte den Eindruck, dass vor allem Du auf der Bühne so viel Spaß hattest wie seit wenigstens zehn Jahren nicht mehr.

Ja, da hast du absolut Recht. Es ist einfach so, dass ich jetzt sein darf, wer ich bin und das ist nun mal der Frontmann, der Sänger und die Stimme der Band. Das fühlt sich auch ganz natürlich an und jeder in der Band unterstützt mich sehr dabei und wir alle fühlen uns gut damit. Wir sind jetzt viel mehr eine Einheit als zuvor und ich denke, dass man uns das auch ansieht.

Absolut. Du bist auch echt glücklich, keine unnötigen Percussion-Parts in den Instrumentalparts der Songs mehr übernehmen zu müssen, oder?

Haha, oh ja. Ich sehe überhaupt keinen Sinn darin bei einem fünfminütigen Instrumentalpart auf der Bühne zu bleiben und die Fans von den eigentlichen Protagonisten abzulenken. In einer Band wie DREAM THEATER gibt es nun mal diese Instrumentalparts und dann sollen auch die im Fokus stehen, die da spielen. Und das sind nun einmal John, John, Jordan & Mike. Überhaupt kann ich dir gar nicht sagen, wie viel Spaß wir wieder auf der Bühne haben. Und so hätte es schon eine ganze Weile sein sollen.

Sehr beeindruckend bei der Show waren auch die minutenlangen Standing Ovations, die es für Mike Mangini gab, nachdem du ihn vorgestellt hast. Was habt ihr vorher geglaubt, wie die Fans den neuen Mike aufnehmen würden?

Bevor die Tour jetzt losging, waren wir schon etwas unsicher, wie unsere Fans reagieren würden. Aber seit der ersten Show in Rom war es dann jeden Abend das gleiche Ergebnis. Unsere Fans haben Mike sehr herzlich aufgenommen und ihm großen Applaus gespendet. Ich denke, wir haben das auf der Bühne auch gut gelöst. Wenn ich Mike vorgestellt habe, waren schon drei Viertel des Sets inklusive seines unglaublichen Schlagzeugsolos gespielt. Die Leute haben also gesehen, was für ein brillanter Schlagzeuger er ist, dass er die alten und die neuen Songs spielen kann und dass diese Kombination wirklich funktioniert. Mike war auch total überwältigt von den Reaktionen und wir alle haben eine einfach gute Zeit auf der Bühne.

Und das hat man sogar gespürt, wenn man euch bereits ein Dutzend Mal live gesehen hat und in einer der hinteren Reihen stand. Selbst John Myung hat sich ja für seine Verhältnisse viel bewegt.

Es ist einfach ein sehr befreiendes Gefühl für jeden in der Band, sich nicht mehr an die Vorgaben und die Visionen eines anderen halten zu müssen, sondern einfach zu sein, wie wir sind. Das wirkt einfach sehr viel natürlicher und das spricht für sich selbst mit einer sehr lauten Stimme.

Auch wenn die Fans erst geschockt waren von der Meldung, dass Mike Portnoy ausgestiegen ist, war es letztendlich eine gute Sache für die Band DREAM THEATER?

Ich kann natürilich nur für mich sprechen, aber ja, ich denke, dass es sehr gut war für DREAM THEATER. Ohne diese Veränderung hätten wir nicht dieses Album aufgenommen, könnten uns live nicht so präsentieren, wie wir es gerade tun, würden uns sicher nicht so verbunden als Band fühlen.


"A Dramatic Turn Of Events" beweist jetzt auch deutlich, dass DREAM THEATER auch ohne Mike Portnoy hervorragend funktioniert.

Das liegt einfach daran, dass die Hauptsongwriter immer John Petrucci & Jordan Rudess waren. Sie waren schon immer die, die Riffs, die Akkorde und die Songstrukturen eingebracht haben. Das hat sich nicht geändert und so ist das eine Signatur, die man einfach auch wiedererkennt. John Myung hat sich diesmal zudem wieder sehr viel mehr eingebracht als in der Vergangenheit und das gleiche gilt auch für mich. Wir hatten diesmal einfach alle die Freiheit, Ideen einzubringen und haben viel mehr miteinander kommuniziert. Es war einfach eine insgesamt sehr viel ruhigere, entspanntere und angenehmere Zusammenarbeit.

Ich finde, man hört dem Album auch an, dass es ein Bandalbum ist. Der Eindruck, der in den letzten Jahren entstanden war, war aber, dass Mike Portnoy einen sehr großen Einfluss auf das Songwriting hatte. Davon ist auf "A Dramatic Turn Of Events" eigentlich nicht viel zu hören.


Wir haben von Anfang an gesagt, dass die Musik für sich sprechen wird und genau das passiert gerade. Mit der Zeit wird jeder erkennen, wie stark die jetzige Band ist und wir alle hoffen, dass wir in dieser Formation jetzt für viele Jahre weitermachen können, bis wir irgendwann sagen, dass Schluß ist. Letztendlich geht es doch nur darum gute Musik und gute Shows abzuliefern. Wir haben jetzt ein starkes Album im Gepäck und haben für die kommende Headlinertour, die Anfang 2012 nach Europa kommt, schon viele Ideen für unsere Shows. Darauf basiert schließlich die Beziehung zu den Fans.

Habt ihr 'On The Back Of Angels' zuerst veröffentlicht, weil das ein sehr klassischer DREAM THEATER-Song ist?

In erster Linie haben wir ihn genommen, weil es ein starker Track ist. Uns war aber auch bewusst, dass er die Skepsis, die sicher viele Fans hatten, bei Seite legen wird. Das Tolle daran ist ja, dass das meiner Meinung nach nicht der beste Song ist. 'Bridges In The Sky', 'Outcry' oder auch 'Breaking All Illusions' schätze ich noch stärker ein. Und wenn unsere Fans den 9. September kaum erwarten können, kannst du dir vorstellen wie wir uns fühlen. Wir wollen, dass unsere Fans das Album endlich von Anfang bis Ende hören können und können es kaum erwarten. Ich bin sicher, dass dann jede Skepsis und jeder Zweifel ausgelöscht sein wird. Das wird ein guter Tag.

Ich kann mir gerade auch keinen Grund vorstellen, warum Fans das Album nicht mögen könnten. Gerade auch, weil die Hooks wie in 'Outcry' oder 'Bridges In The Sky' wieder viel stärker geworden sind als zuletzt.

Ich bin froh, dass dir das auffällt, denn wir wollten wieder Vocallines schreiben, die sehr catchy sind und an die man sich erinnern kann. Das hatte eine hohe Priorität für uns. Uns war einfach klar, dass wir wieder mit stärkeren Gesangsmelodien aufwaten müssen, bei all den komplexen Sachen, die da sonst in den Songs passieren. Daher habe ich mir viel Zeit gelassen, um die Gesangsmelodien zu schreiben. Ganz am Ende habe ich dann noch mal mit John Petrucci und Jordan zusammengesessen und wir haben einige kleine Dinge angepasst, aber das war auch ganz easy.

Ich finde, man merkt deutlich, dass du bei den Vocallines jetzt wieder mehr Einfluss hattest. Mich erinnern sie ein bisschen an "Elements Of Persuasion" (Soloalbum von JLB - PK).

Das liegt daran, dass ich den Gesang so aufgenommen habe wie bei meinen Soloalben, aber auch wie von "Images & Words" bis zu "A Change Of Seasons" bei DREAM THEATER. Ich habe den Gesang in Kanada aufgenommen, nur mit dem Engineer im Studio. Ich brauche niemanden, der mir erzählt, was ich zu tun habe, ich weiß ganz genau, was ich tue und was ich kann. Ganz am Ende kam John Petrucci noch einmal ins Studio und wir haben über ein paar Kleinigkeiten gesprochen. Aber auch das lief wieder ganz cool. Wie auf den ersten drei Scheiben, die ich für DREAM THEATER eingesungen habe, hört man jetzt wieder die Gesangslinien, die ich mir vorgestellt habe.


Den Titel "A Dramatic Turn Of Events" deuten viele Fans natürlich als eine Reaktion auf Mikes Ausscheiden. Ist das tatsächlich der Hintergrund?

Wir wussten natürlich, dass viele Fans dies denken würden, aber damit hat es wirklich nichts zu tun. In den Texten geht es viel um die weltpolitischen Veränderungen, die wir gerade sehen, wie beispielsweise im Norden Afrikas, wo die Menschen ihr Recht auf Demokratie einfordern und langjährige Herrscher stürzen. Das sind die dramatischen Änderungen, die wir gerade erleben und auf die sich der Albumtitel bezieht.

Auch das sehr farbenfrohe, helle Cover hat bereits einige Fans zu abenteuerlichen Vergleichen mit "Black Clouds & Silver Linings" und daraus folgenden Interpretationen veranlasst. Und das Ergebnis war natürlich, dass auch dies mit Mikes Abschied zu tun hat.


Ja, natürlich hat alles mit Mike zu tun. Nein, um ganz ehrlich zu sein, Peter: der Arbeitstitel für das Album war lange "Bridges In The Sky" und das ist auch der Titel, den wir Hugh Syme gegeben haben, um das Cover zu gestalten. Noch bevor wir das Ergebnis sahen, haben wir uns aber entschlossen das Album "A Dramatic Turn Of Events" zu nennen. Dennoch haben wir das Artwork dann gelassen, schon auch für Hugh Syme, der eine hervorragende Arbeit abgeliefert hat. Außerdem finde ich, dass es durchaus immer noch passt und das Album gut darstellt. Es ist aber toll, dass sich die Fans da draußen so viele Gedanken machen und auch eigene Interpretationen finden. Das zeigt einmal mehr, dass es die richtige Entscheidung war. Wir lieben das Artwork einfach.

Lass uns noch einmal kurz über Mike Mangini sprechen. Er war ja der erste Kandidat, der bei euren Auditions vorgespielt hat. Wann habt ihr letztendlich entschieden, dass es Mike sein würde. Schon nach dieser Audition oder doch erst später?

Entschieden haben wir es erst, als wir alle sieben Kandidaten gesehen haben. Aber ich denke, schon während Mike vorgespielt hat, haben wir gespürt, dass er es sein könnte. Wir haben uns in der Band nur angesehen und gelacht, weil es einfach unglaublich war, wie er gespielt hat. Und auch die Chemie zwischen uns hat sofort gepasst. Als wir dann alle Kandidaten gesehen hatten, haben wir immer noch nur von Mike gesprochen und da war uns dann relativ schnell klar, dass er es sein würde.

Ihr habt auf der Festivaltour jetzt jeden Abend die gleiche Setlist gespielt. Was ja für euch sehr unüblich ist. Werdet ihr auf eurer Headlinertour wieder mehr wechseln?


Nicht mehr so sehr wie in der Vergangenheit. Ständig die Setlist so stark zu verändern, hatte Vor- und Nachteile. Für die Fans, die viele Shows auf einer Tour sehen, war das natürlich spannend. Aber auf der anderen Seite waren wir auch nie so eingespielt wie wir es hätten sein können. Von daher haben wir uns hingesetzt und Listen gemacht mit A-Songs, B-Songs, C-Songs usw., die jeder von uns in der Setlist haben wollte und haben so dann versucht einen sehr starken und ausgewogenen Set zu bauen. Das ist etwas, was wir in der Zukunft dann auch so handhaben werden. Es wird zwar immer noch einige kleine Änderungen geben, aber es wird nicht mehr so sein, dass wir am nächsten Tag nur noch drei oder vier Songs vom Vortag spielen, wie wir es auf einigen Tourneen gemacht haben.

Redakteur:
Peter Kubaschk

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