DUSKFALL, THE: Interview mit Mikael

24.08.2005 | 18:10

Schweden sprechen verdammt gut englisch, da merkt man selber in so manchem Interview immer wieder, dass man trotz Englisch-Leistungskurs an seine Grenzen stößt. Mikael Sandorf von THE DUSKFALL hat aber bislang den Vogel abgeschossen, und das in zweifacher Hinsicht. Einerseits beherrscht er seine erste Fremdsprache derart perfekt, dass man sich als Gesprächspartner gerne vornehm zurückhält, andererseits nuschelt der Mann sich dabei seinen Text so heftig in den Bart, dass man manchmal nur Bruchstücke versteht. Die spinnen, die Schweden... naja, vielleicht!
Kommt die Rede jedoch auf das neue Album, wird Mikael energischer und ist auch sehr optimistisch. "Wir alle in der Band sind sehr von der Platte überzeugt und haben große Hoffnungen." Auf der anderen Seite betont der Gitarrist aber auch, dass THE DUSKFALL die Musik prinzipiell nur für sich selber machen. "Trotzdem sind wir aber glücklich, wenn andere die Songs ebenfalls mögen!"
Die Reaktionen auf das neue Album geben Mikael Recht. "Bislang habe ich trotz der Tatsache, dass gerade Urlaubszeit ist, schon einige Reviews gelesen, die allesamt gut ausgefallen sind. Auch die Reaktionen meiner bisherigen Interviewpartner waren äußerst positiv, wobei ich mich am meisten darüber gefreut habe, dass man uns bestätigt hat, dass wir uns seit "Source" weiterentwickelt und uns nicht wiederholt haben." Nun, darüber kann man geteilter Meinung sein, auch wenn ich Mikael in dem Punkt zustimme, dass THE DUSKFALL ganz und gar nicht wie eine typische Göteborg-Combo, geschweige denn wie IN FLAMES, klingen.
Über die Reaktionen zum letzten Album ist man im Hause THE DUSKFALL allerdings nicht überrascht. "Das Material klang deswegen so frisch, weil die Songs für den Vorgänger "Frailty" lange Zeit auf einen Release warten mussten. Als wir das Album dann endlich aufgenommen hatten und uns von diesen Songs befreien konnten, war es uns möglich, uns endlich wieder ausschließlich auf das Komponieren neuer Stücke zu konzentrieren. Außerdem lag eine ziemlich große Zeitspanne zwischen den Songwriting-Perioden, und weil wir viele neue Ideen hatten und die Songs stark waren, betrachten wir die Kritiken als den verdienten Lohn!"
Andererseits hatte man aber auch keine zu großen Erwartungen, daher war der überraschende Erfolg ein wirklich netter Bonus. "Wir betrachteten "Frailty" und "Source" eigentlich nur als einen bestimmten Abschnitt in unserer Karriere, der uns nach vorne bringen sollte. Auf dem damaligen Label Black Lotus Records waren unsere Möglichkeiten sehr stark eingeschränkt, und wir waren schon froh, dass wir die Alben mit einer guten Produktion auf den Markt bringen konnten. Unser Ziel war es indes aber, schnellstmöglich bei einem größeren Label zu landen. Deswegen sind wir jetzt umso mehr erfreut, dass uns bereits mit "Source" dieser wichtige Schritt gelungen ist, eben weil wir es in diesem Tempo jetzt nicht erwartet hätten."
Natürlich waren anfangs auch Zweifel vorhanden, denn bei Nuclear Blast, dem neuen Label, handelt es sich ja nicht einfach mal um irgendeine Firma, und die Gefahr, bei diesem Unternehmen unterzugehen, hat man vorher zu Genüge diskutiert: "Uns ist schon klar, dass wir bei Nuclear Blast nur eine ziemlich kleine Nummer sind, aber das ist weitaus mehr als uns Black Lotus und unser ganz altes Label Invasion Records je geben konnten. Selbst wenn wir in ihrer Prioritätsliste an letzter Stelle stehen, bekommen wir aber immer noch genügend Promotion und die Möglichkeit, uns in Interviews in den größten Magazinen zu präsentieren. Das war vorher in dieser Form nicht der Fall, und die Tatsache, dass die gesamte Maschinerie bei Nuclear Blast so exzellent läuft, hat letztendlich die wenigen Zweifel ausgeräumt. Sie machen wirklich einen sehr guten Job!"
Neue Fans profitieren jetzt aber auch von diesem Labelwechsel: "Black Lotus schuldeten uns noch Geld, und deswegen haben sie uns im Austausch die Rechte für die ersten beiden Alben zurückgegeben. Beide werden demnächst im Package bei Nuclear Blast neu aufgelegt werden." Na sauber, das wurde ja auch mal Zeit, zumindest bezogen auf "Frailty"!

Zum Album selber hatte Mikael eine ganze Menge zu sagen, besonders zur Thematik des Titels. "Jetzt wo wir die ganzen Rahmenbedingungen geändert haben, wollten wir uns auch von den Ein-Wort-Titeln entfernen. Kai schreibt bei uns die Texte. Er ist zwar Schwede, aber in Finnland aufgewachsen. Man erzählt sich ja immer sehr viel über die angebliche depressive Ader der finnischen Menschen, doch es ist tatsächlich wahr, auch wenn es jetzt nicht auf jede einzelne Person zutrifft. Auf jeden Fall ist Kai diesbezüglich sensibler geworden und das spiegelt sich auch im Titel der CD wieder. Es geht darum, dass man beinahe jeden Tag eine tiefe Schuld mit sich trägt, weil man ständig andere Leute verletzt, sei es, dass man Geheimnise ausplaudert, gemeine Sachen sagt usw. Manchmal greift man dabei sogar enge Verwandte und Freunde an, ohne sich Gedanken darüber zu machen. Es gibt Leute, die damit nicht umgehen können und - damit wären wir wieder in Finnland – infolge dessen versuchen sie, sich umzubringen oder schotten sich ganz ab, während die anderen noch größere Schuld mit sich tragen."
Doch das soll nicht das einzige Thema des neuen Albums bleiben, wie Mikael mir versichert: "Politik, Religion und diese "Geld regiert die Welt"-Attitüde spielen auch eine große Rolle in Kais Texten, aber insgesamt gibt der Albumtitel den Inhalt der einzelnen Nummern schon sehr gut wieder. Ich möchte jetzt hier nicht predigen, aber es passiert nun mal eine ganze Menge Scheiße in dieser Welt, sei es in Form von Alkoholmissbrauch, Drogen, Vergewaltigungen und all solche Sachen, und dieses negative Bild zieht sich quasi wie ein roter Faden durch unsere Texte."
Rein musikalisch vertritt Mikael den Standpunkt, dass "Lifetime Supply Of Guilt" sich enorm von "Source" unterscheidet. "Ich kann nicht verstehen, wenn man behauptet, das Album sei kalkuliert. Es ist eine vollkommen unterschiedliche Produktion, insgesamt etwas düsterer, und auch wenn wir vom Stil her natürlich nicht so viel geändert haben, so haben wir uns ganz bestimmt nicht kopiert. Insgesamt sind wir sogar noch ein ganzes Stück heftiger geworden, so dass manche Leute sich fragen werden, wo denn jetzt die Melodien geblieben sind, und alleine deswegen sollte man schnell feststellen, dass da doch gravierende Unterschiede bestehen. Wir sind ja nicht nur von AT THE GATES und solchen Bands beeinflusst, sondern hören auch Sachen wie KREATOR und DESTRUCTION oder Florida-Death-Metal-Combos wie MORBID ANGEL und DEICIDE. Auch das findet man in den neuen Songs unterschwellig wieder. Es war einfach an der Zeit ein aggressives, aber auch ein abwechslungsreiches Album zu machen, und das haben wir mit "Lifetime Supply Of Guilt" nun auch getan. Das macht die Sache auch für die Live-Situation attraktiver, denn wir haben jetzt von groovigen Midtempo-Stücken bis hin zu schnellen Melo-Thrashern alles dabei und können diesbezüglich variieren."
Moderne Elemente bleiben aber weiterhin außen vor. "Ich mag die neuen Sachen von IN FLAMES auch sehr gerne, aber wir stehen in der Bands dann doch mehr auf die alten Sachen von AT THE GATES. Außerdem wollen wir keine Clean Vocals einbauen und bevorzugen daher hohe Screams und aggressive Growls. Alles andere würde auch nicht zu unserem Stil passen." Trotz aller Befürchtungen sind THE DUSKFALL also ihren Wurzeln treu geblieben. "Oh, viele Fans haben genau das Gegenteil befürchtet. Wir haben viele Mails bekommen, wo Fans uns fragten, ob wir nun auch mit diesen modernen Elementen arbeiten, aber das kam eigentlich nie in Frage. Wir machen die Musik, die uns selber auch Spaß macht, und es gibt genügend andere gute Gruppen, die den moderneren Stoff so gut drauf haben, da brauchen wir das nicht auch noch zu machen, zumal es auch nicht ehrlich wäre."
Die Vergangenheit ist also immer wieder präsent, das gilt auch für die Vorgänger-Band GATES OF ISHTAR. Mikael erklärt, was mit der Band seinerzeit passiert ist. "Es hat einige persönliche, vorwiegend aber musikalische Probleme gegeben. Anfangs war das alles nur ein kleines Hobby und wir unterschrieben völlig naiv einen schlecht dotierten Plattenvertrag. Der Erfolg wollte sich dementsprechend auch nie einstellen, obwohl wir anscheinend viele Fans hatten. Irgendwann war dann einfach das Feeling nicht mehr das selbe. Wenn man in den Proberaum geht und die eine Hälfte will sich in diese Richtung entwickeln und die andere Hälfte in jene, dann kann man kaum noch Kompromisse machen. Das letzte Album war dann fast schon ein Solowerk, so dass es keinen Sinn mehr gemacht hätte. Ich würde ja auch nicht haben wollen, dass AT THE GATES wieder neu belebt werden, jedoch nur noch Tompa an den Vocals übrig wäre. Ich mochte diese Band, aber wir sind am Ende einfach nicht mehr einer Meinung gewesen." Dennoch ist das Kapitel GATES OF ISHTAR noch nicht ganz abgeschlossen: "Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir ab und zu noch einmal ein paar Songs von GATES OF ISHTAR live spielen werden, denn die Musik finde ich nach wie vor gut. Das Problem waren ja nur die ganzen zwischenmenschlichen Sachen. Statt einer Coverversion könnte man deshalb ja auch immer wieder mal einen Song von der alten Band ausgraben."
Wann die Band allerdings live zu sehen sein wird, ist noch fraglich. "Ich würde sehr gerne mit CHILDREN OF BODOM auf Tour gehen. Sie sind wirklich cool und eine superbe Live-Band, das habe ich vor kurzem beim Metal Camp erleben dürfen. Aber das ist alles nur Wunschdenken. In den letzten Wochen hat es einige Gespräche gegeben, was eine Tour anbelangt, aber es war noch nichts Konkretes. Vermutlich werden wir Anfang 2006 etwas auf die Beine stellen." Andererseits räumt er aber auch ein, dass man live noch einiges dazulernen muss. "Vor ein paar Wochen haben wir bei vier Konzerten in Österreich gespielt und sind dabei teilweise im Vorprogramm von SLAYER aufgetreten. Dort haben wir gemerkt, dass wir zwar ein starkes Line-Up haben, in Sachen Performance aber auch noch sehr an uns arbeiten müssen. Sobald wir aber aufeinander eingespielt sind, werden wir alles daran setzen, eine verdammt gute Show zu spielen!" Bis dahin wird man allerdings auch nicht untätig sein. "Es ist schon seltsam. Damals hat es immer eine ganze Weile gedauert, bis ich wieder an neuen Songs arbeiten konnte, doch jetzt habe ich plötzlich haufenweise Ideen, und daran werde ich dann auch sehr bald arbeiten. Zwischendurch spielen wir aber auch ein paar Festivalshows, zum Beispiel beim Up From The Ground-Festival. Und wenn alles gut läuft, werden wir in ein paar Wochen dann auch für ein Konzert nach Toronto rüber fliegen." Als ich dann zum Ende den Namen HYPOCRISY noch in die Runde schmeiße, wird Mikael richtig euphorisch. "Ein Kumpel von unserem Management kennt Peter von HYPOCRISY sehr gut. Sie reden fast wöchentlich miteinander und checken verschiedene Möglichkeiten. Das wäre echt geil, wenn da was klappen würde."
Die letzte Worte überlasse ich ebenfalls dem sympathischen und sehr ruhigen Gitarristen: "Wir möchten uns bei all denen bedanken, die uns schon so lange unterstützen, trotz all der Querelen, die wir bislang durchgemacht haben. Und deshalb haben wir für unser neues Album auch wirklich das Beste gegeben, und wir würden uns freuen, wenn ihr mal reinhört."

Redakteur:
Björn Backes

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