FEAR MY THOUGHTS: Interview mit Mathias von Ockl

28.07.2005 | 18:20

Eine Band, die sich mit einem beeindruckenden Album von vorschnellen Trend-Vorwürfen freischwimmt und jetzt in der ersten Liga des Melodic Death mitmischt, das sind FEAR MY THOUGHTS. Eigentlich spricht das Werk für sich selbst, aber einige letzte Fragen konnte mir Sänger Mathias von Ockl dann doch noch beantworten. So erläuterte er, wo er seine Band stilistisch sieht und plauderte ein wenig über die Hintergründe des neuen Bandsounds.

Kilian:
Hallo und erst mal meinen Glückwunsch zur tollen neuen Platte. Wie sind denn die Reaktionen von Presse und Fans bislang?

Mathias von Ockl:
Hallo und vielen Dank. Bisher habe ich nur eineinhalb schlechte Kritiken gelesen. Ansonsten sind alle ziemlich beeindruckt und finden unser Machwerk grandios. (Sogar das halbe Review war so schlecht nicht, ich konnte nur an der Punktzahl erkennen, dass es nicht so gut war...)

Kilian:
Ihr wart zwar auch schon beim Vorgänger sehr stark Metal-orientiert, doch "Hell Sweet Hell" hat ja fast gar keine musikalischen Hardcore-Elemente mehr. Wie kam es zu dieser Entwicklung, wolltet ihr bewusst der Metalcore-Schublade entfliehen oder hat sich das einfach so ergeben?

Mathias von Ockl:
Um ehrlich zu sein, haben wir uns nie auch nur annähernd in diese Schublade begeben wollen. Ich denke, dass das einfach so kam: Wir machen Metal, haben kurze Haare und kommen aus der Hardcore-Ecke (was zumindest den Band-Werdegang beschreibt, bei Patrick, Markus und mir war der Metal lange vor dem Hardcore da, aber egal...) Soviel zu diesem Exkurs (war mir einfach wichtig, das mal gesagt zu haben)...
Ein Faktor, der sicher dazu beiträgt, dass wir mittlerweile auch mehr als Metal angesehen werden, ist, dass wir uns technisch auch etwas weiter entwickelt haben. Last but not least haben wir auch mit unserem neuen Schlagzeuger Norman einen sehr fähigen neuen Mann am Start. Zu guter Letzt: es macht mir/uns auch schlichtweg mehr Spaß Metal als Metalcore zu spielen...

Kilian:
Aber auch ansonsten habt ihr enorm viele neue Elemente in euren Sound einfließen lassen, beispielsweise die Keyboards. Werdet ihr die in Zukunft auch live einsetzen oder war das ein einmaliges Experiment? Meiner Meinung nach harmonieren sie nämlich perfekt mit den Songs und verleihen ihnen mehr Tiefe.

Mathias von Ockl:
Das von dir angesprochene war auch genau unsere Intention. Wir wollten auf keinen Fall ein CHILDREN OF BODOM-Keyboard, sondern eines, das nicht zu sehr ins Gewicht fällt, wenn es live nicht vorhanden ist. Zwar gibt es die Überlegung von uns, das Fehlen des Keyboards mit einem Harddiscgerät wett zu machen, jedoch sind wir noch nicht so weit fortgeschritten, was die Umsetzung anbelangt. Auch hatten wir durchaus über einen "Tastenmann" aus Fleisch und Blut nachgedacht. Problematisch ist nur, dass wir jemanden suchen, der nicht nur hinter unserer Musik steht, sondern der auch menschlich zu uns passt. Ich finde, dass es nichts Schlimmeres gibt, als Menschen nur wegen ihrer Fähigkeit in der Band zu haben... Wenn keine Gemeinsamkeiten da sind, wird das spätestens auf einer Tour zur Qual.

Kilian:
Kommen wir mal zum Inhalt des Albums. Gibt es ein übergreifendes Konzept, welches das Album zusammenhält oder worum geht es in den Texten? Und was meint ihr mit dem titelgebenden Wortspiel, leben wir alle in einer Art Hölle?

Mathias von Ockl:
Das ist eigentlich ein Bereich, über den ich sehr ungern schreibe. Nicht etwa, weil es mir peinlich ist, meine Texte oder gewisse Ideen zu erläutern. Vielmehr finde ich, dass es die eigene Auseinandersetzung mit den Texten und deren Interpretation verhindert, wenn man das Ergebnis bereits vorgesetzt bekommt. Für mich ist es immer spannend zu lesen, was andere so in meinen Texten lesen (na gut, manchmal ist es auch echt sehr lustig...).
Na gut, es hat schon etwas von einem Konzept. Jeglicher Text beschreibt auf seine Art eine gewisse Hölle, in die man sich (zumeist) selbst begibt... mehr kann und möchte ich nicht sagen.
Der Titel selber entstand eigentlich nach einem der gefürchteten "Wir suchen einen Namen für unsere neue Platte"-Marathon. Bei uns ist das irgendwie immer das Gleiche: Wir fangen mit ernstgemeinten Vorschlägen an. Die werden aber irgendwie immer abgelehnt, weswegen das Ganze dann immer schnell in eine nicht mehr ganz so ernste Angelegenheit umschlägt... Da wir aber eine Deadline hatten, waren wir gezwungen, einen Namen zu finden. Deswegen haben wir uns dann für den Titel entschieden. Zudem ist der Titel nicht zu wichtig für uns. Es muss nicht unbedingt die Weltfriedensformel darin stecken. Unser Anspruch ist, dass man sich den Titel gut merken kann und dass er interpretierbar ist...

Kilian:
Das abschließende '...Trying To Feel' hinterlässt einen sehr depressiven Eindruck, was auch am verzweifelt klingenden Gesang liegt und bricht so ein wenig mit dem Rest des Albums. Was wolltet ihr mit diesem ungewöhnlichen Schluss erreichen?

Mathias von Ockl:
Zum einen hatten wir bisher auf jedem Album (außer "The Great Collapse") ein Instrumentalstück. Diesen Brauch wollten wir wieder aufnehmen. Zum anderen wollten wir aber auch einen bewussten Gegenpunkt zu dem ganzen "Geholze" setzen, der den Hörer wieder sanft in die Welt nach dem Hören der Platte geleitet (man weiß ja, wie schnell das seine Kreise zieht, wenn mal wieder jemand, aus welchem Grund auch immer Amok läuft und man nach dem Amoklauf dann unsere CD in seiner Stereo findet. Das Lied ist also so eine Art Versicherung für uns...)
Darüber hinaus wollten wir auch noch eine kleine ISIS-Komponente einflechten, und Patrick und Markus wollten einfach mächtig posen und zeigen, was sie so drauf haben (das darf ich eigentlich nicht schreiben, weil ich sonst wieder mit einer zusammengerollten Zeitung gezüchtigt werde...)

Kilian:
Eure Einflüsse sind offensichtlich sehr zahlreich und nicht auf die üblichen Melodic-Death-Metal-Bands zu beschränken. Zudem seid ihr auch technisch anspruchsvoller als viele Genre-Konkurrenten. Welche Bands hört ihr privat und welche würdet ihr ganz offen als Vorbilder bezeichnen?

Mathias von Ockl:
Ich würde sagen, dass sich unsere musikalischen Vorlieben auch nicht nur auf Metal beschränken. Vielmehr wird bei uns eigentlich alles gehört (ausgenommen Reggae, Ska, Techno, Volksmusik (zumindest mal die deutsche) und dergleichen Verbrechen wider der Menschlichkeit). Aus diesem ganzen Sammelsurium setzt sich dann die Inspiration zusammen. Um noch einige Bands zu nennen: IRON MAIDEN, NEUROSIS, EDGE OF SANITY, RADIOHEAD, GODSPEED YOU BLACK EMPEROR, BEATLES, DUSKFALL, HYPOCRISY, ISIS...

Kilian:
Das Cover ist mehr als gelungen und sehr stimmungsvoll. Wer ist dafür verantwortlich und was ist die Idee dahinter?

Mathias von Ockl:
Verantwortlich ist, wie auch für das letzte Album, ein sehr fähiger Mann, der auf den Namen Peter Hoffmann hört und bei Glashaus Design arbeitet. Wir wollten eigentlich zuerst etwas mit Vögeln bzw. Raben machen. Allerdings scheiterte das dann an der Namengebung. Peter sagte uns, dass er vor habe etwas mit einer Vogelmaske zu machen (er bastelt sehr gerne und hängt sich auch sonst sehr in seine Arbeit rein).
So gesehen gibt es also keine richtige Idee dahinter. Wenn man dann aber den Titel mit dem Bild zusammen nimmt, lässt es sich wieder auf viele Arten interpretieren. Für uns ist es aber auch hier in erster Linie wichtig, dass der ästhetische Anspruch stimmt, dass es kein 0815-Cover ist und dass man sich das Bild gut merken kann, bzw. dass es heraus sticht...

Kilian:
Ihr tretet ja mittlerweile live bei den unterschiedlichsten Gelegenheiten auf, so wart ihr Support für STRAPPING YOUNG LAD, aber ihr tourt auch immer noch viel mit Metalcore-Bands wie CALIBAN, MAROON usw. Spürt ihr einen Unterschied bei den Publikumsreaktionen und was sagt ihr als Band "zwischen den Lagern" zu der aktuellen Diskussion über das Verhalten von Hardcore- und Metalfans bei Konzerten, die ja nach dem tödlichen Unfall eines Fans beim Pressure Fest leider ziemlich giftig wurde?

Mathias von Ockl:
Mir ist es zwar egal vor welchen Leuten wir auftreten, da es für mich nur wichtig ist, dass wir und das was wir machen akzeptiert wird. Beim Hardcore-Publikum muss ich jedoch sagen, dass ich sie recht häufig als zu verhalten empfinde. Zudem bin ich auch kein wirklich großer Fan des Tanzstils. Ich freue mich zwar, wenn getanzt wird und man uns damit Wertschätzung entgegen bringt. Jedoch finde ich das Ausmaß, welches das Tanzen mittlerweile angenommen hat, mehr als nur bedenklich. Nach dem Pressure kam zwar raus, dass der Fan "nur" an einem Herzfehler und nicht an einem Tritt gestorben ist, doch hoffe ich trotzdem, dass sich etwas ändern wird.
Bei Metal-Konzerten geht zwar auch mächtig die Post ab, aber irgendwie wirkt das Ganze noch harmloser und spontaner. Zudem scheinen die Metalheads nicht immer so besorgt zu sein, dass ihr Outfit oder sonst was Schaden nehmen könnte. Sie genießen einfach die Musik. Versteht mich aber bitte nicht falsch. Ich finde es gut, dass wir beide Lager ansprechen. Mir fallen nur beim Hardcore-Volk einige Dinge auf, die mich etwas nerven... (hängt sicher auch damit zusammen, dass ich schon länger in dieser Szene unterwegs bin)

Kilian:
Produziert wurde das Album in Dänemark von Jacob Hansen, der einen exzellenten Job gemacht hat und euch einen sehr druckvollen Sound gezaubert hat. Wie kam es zum Kontakt und wie zufrieden seid ihr mit der Produktion?

Mathias von Ockl:
Ursprünglich wollten wie ins ANTFARM-Studio. Das war dann aber glücklicherweise zu teuer. So wurden wir auf Jacob aufmerksam. Was soll ich anderes sagen, als dass wir mehr als nur zufrieden sind? Es war super mit ihm zusammen zu arbeiten, da er zum einen genau wusste, was wir wollten und er zum anderen so entspannt, ruhig und witzig ist. Durch seine Art hat er uns ziemlich viel von unserer Anspannung genommen. Zudem hat er uns auch unterstützt, wenn wir an ein, zwei Stellen nicht mehr so ganz wussten, wie wir weitermachen sollen.

Kilian:
Mit diesem Album und der entsprechenden Unterstützung durch Lifeforce Records habt ihr die Chance, eure Popularität vor allem im Metalbereich zu steigern. Wie sehen denn eure Pläne aus: Touren, bis der Arzt kommt oder relativ schnell wieder ins Studio und an neuen Songs basteln?

Mathias von Ockl:
Wir würden gerne so viel spielen wie nur irgend möglich. Bis jetzt fehlt uns jedoch die richtige Band mit der wir auf Tour gehen könnten. Für uns bedeutet das, Wochenendkonzerte zu spielen. Die neuen Lieder werden nebenher geschrieben. Im Moment ist es jedoch noch zweitrangig. Im Vordergrund steht auf alle Fälle soviel spielen wie irgend möglich ist...

Kilian:
Abschließend noch einmal zur Metalcore-Szene. Was haltet ihr als "Insider" denn vom grassierenden Boom? Auf einmal scheint ja aus jeder Ecke eine neue Band zu kommen, die dann auch sofort verpflichtet wird, wohingegen ältere Bands wie ihr noch jahrelang im Underground spielen mussten, bis größere Labels aufmerksam wurden. Seid ihr froh über die aktuelle Entwicklung oder eher skeptisch?

Mathias von Ockl:
Wir kommen zwar ursprünglich aus der Hardcore-Szene, sehen uns aber als alles andere als eine Metalcore-Band (ich persönlich kann diese Musikbezeichnung auch echt mal gar nicht leiden...) Zu deiner Frage: Es ist ja irgendwie völlig normal/menschlich, das, was Erfolg hat oder diesen verspricht, zu kopieren. Auch will ich sicher nicht abstreiten, dass die bekannten Bands einigen Einfluss haben. Leider ist es aber so, dass das Aufkommen von vielen Bands den Blick auf die wenigen wirklich guten trübt. Auch finde ich es persönlich sehr anstrengend, an ein Konzert zu gehen, bei dem ich weiß, dass sich nahezu alle Bands ähneln
werden... Ich denke, dass sich zeigen wird, wer sich gefestigt hat, wenn der Trend mal nicht mehr so stark ist. Bands, die wirklich Substanz haben, werden sich dann weiterhin behaupten können, während der Rest halt wieder verschwindet. Mal sehen...

Kilian:
Okay, das war's fürs Erste. Vielen Dank für die Zeit und viel Erfolg weiterhin. Die letzten Worte gehören euch!

Mathias von Ockl:
Vielen Dank für euer Interesse. Ich hoffe, dass wir uns mal live sehen. Bis dahin könnt ihr euch ja an unserem Merchandising gütlich tun und euch glücklich und uns reich kaufen!!!

Redakteur:
Kilian Fried

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