FIDDLER´S GREEN: Interview mit Peter, Stefan, Frank

01.01.1970 | 01:00

Ob mit oder ohne neuem Album im Gepäck - FIDDLER'S GREEN ziehen eigentlich ohne Pause durch die Lande, um die Konzerthallen und Festivalplätze Deutschlands mit ihrem "Irish Independent Speed Folk" zum Beben zu bringen. Am 23.03.2002 gastierten sie in Erfurt und nahmen sich vor ihrem Auftritt Zeit für ein sehr unterhaltsames Interview. Eigentlich hatte Bassist Reiner zum Gespräch geladen - da er sich aber um das weibliche Backstage-Publikum kümmern musste und obendrein auch noch mit einem Gipsbein gestraft war, erbarmten sich Sänger und Gitarrist Peter und Akkordeon- und Trommelspieler Stefan meiner. Später gesellte sich dann noch der durch Fieber sichtlich angeschlagene Drummer Frank zu uns, um mit seinen Kollegen unter Anderem über perverse Bühnengebaren, Krankheiten und wilde Prügeleien zu berichten.


Freya:
Im Februar ist euer neues Album "Folk Raider" erschienen. Was bedeutet der Titel?

Peter:
Gute Frage. Also, "to raide" heißt auf deutsch überfallen und wir plündern ja so ziemlich alle Irish Traditionals, Jigs and Reels, aber nicht nur das, sondern auch alles, was uns gefällt und stopfen das alles zusammen zu unserem eigenen Musikmix. Deswegen haben wir gedacht, dass der Titel ganz gut passt. Er beschreibt eben ein bisschen unser musikalisches Konzept.

Freya:
Wo bekommt ihr die Inspirationen für eure Texte her? Haltet ihr euch nur an traditionelle Vorgaben oder textet ihr selbst?

Stefan:
Wir plündern natürlich.

Peter:
Ja, erstens durch plündern. Da findet man viel, was einen auch wirklich inspirieren kann, aber - man höre und staune - es kann auch mal ein Gedicht dabei sein, das einen vielleicht zu einem Lied inspiriert. Es gibt die unterschiedlichsten Inspirationsquellen. Manchmal denkt man sich gar nichts bestimmtes, wie jetzt zum Beispiel beim Interview, und es fällt einem auf
einmal ein Lied ein.

Stefan:
Ja, wie zum Beispiel jetzt grade.

Peter:
Ja, genau, wie zum Beispiel jetzt grade - deshalb müssen wir jetzt hier abbrechen. Ich muss das kurz festhalten (lacht).

Freya:
Okay tschüss, haha. Für euer neues Album habt ihr den Song "Tangerine" zusammen mit SUBWAY TO SALLY-Frontman Eric aufgenommen. Wie kam es zu dem Kontakt und wie verliefen die Aufnahmen?

Peter:
In Leipzig auf dem Wave-Gotik-Treffen habe ich mich mit Eric das erste Mal so richtig unterhalten. Wir haben uns ja schon lange gekannt und da haben wir uns das erste Mal so richtig über zwei Stunden unterhalten. Da haben wir festgestellt, dass wir uns total gut verstehen. Ich hatte da auch ein Lied, bei dem ich mir gedacht habe, dass die Stimme vom Eric ganz gut dazu passen würde und dann haben wir das eben gemacht. Eric hatte da auch keine Berührungsängste - das war cool.

Freya:
Es war also eine schöne Zusammenarbeit?

Peter:
Ja, es gab nur ein Problem. Das lag aber daran, dass wir das Ganze am 11. September aufgenommen haben. Wir waren gerade fertig mit dem Recorden - da kam ein Freund von mir rein und meinte: "Habt ihr schon gehört? Macht mal bitte den Fernseher an." Zum Glück waren wir da schon fertig, weil das war dann unglaublich.

Freya:
Ja, allerdings. Von dem Image einer reinen Folkband (Anm. d. Red.: in diesem Moment bricht allgemeines Gelächter aus, da ich "Image einer reinen Folkband" aus Versehen in perfektem Ami- Slang ausgesprochen habe) seid ihr ja ziemlich abgekommen. War das eine bewusste Entscheidung oder hat sich das mit der Zeit so ergeben?

Peter:
(Anm. d. Red. nun ebenfalls in Kaugummi-Ami-Sprache) Haha, reine Folkband.

Stefan:
Very bewusst (lacht).

Peter:
Also weißt du, eigentlich sind wir schon lange in dem Business und selbst bei die erste CD sind wir von dem Konzept einer reinen Folkband schon abgekommen. Da war auch Ska, Reggae und Rock mit drauf. Insofern haben wir eigentlich nichts verändert. Nur ein bisschen brutaler ist es vielleicht; auch mal richtig mit Gitarren. Und wenn der Eric schon singt, dann
muss es schon brettern, weißt du. Aber sonst vom Konzept ist eigentlich alles gleich.

Stefan:
Krachen und scheppern muss es! (Anm. d. Red.: amüsiert sich immer noch köstlich über meinen Versprecher) Aber gut, es ist schon alles verfeinert worden.

Freya:
Wer eure Musik so richtig genießen will, sollte meiner Meinung nach auf jeden Fall eines eurer Konzerte besuchen - wer die CD hört, kann kaum erahnen, was bei euren Gigs abgeht. Wird es mal wieder ein Live- Album geben?



Peter und Stefan:
Nö!

Peter:
Nein, da ist eigentlich im Moment nichts geplant, weil wir immer noch versuchen, den idealen Super- Folksong zu schreiben und dann werden wir uns auflösen (grinst). Aber das haben wir ja immer noch nicht geschafft - deswegen müssen wir auch noch weitermachen.

Freya:
Habt ihr schon einen Song, der an den perfekten Folksong rankommt?

Stefan:
Naja, einen 98%igen, den haben wir. Der 100%ige... naja. Der höchste erreicht 98,3%.

Freya:
Und, welcher ist das?

Stefan:
Das weiß der Frank.

Frank:
"Girls Along The Road".

Stefan:
Genau, unsere neue Single zum Beispiel, das ist ein 98,3%iger Folksong.

Peter:
Eigenlob! Eigenurin!

Stefan:
Der Frank hat das gesagt - nicht ich!

Peter:
Jaja, schieb das auch noch dem Frank zu - das ist ja unglaublich!

Freya:
Ihr seid fast ununterbrochen auf Tour. Gibt's da noch Zeit für ein Privatleben?

Peter, Frank, Stefan:
Nö, was ist Privatleben?

Stefan:
Wir sind entweder unterwegs oder wir proben oder wir machen Gott weiß was.

Frank:
Eben, und Privatleben macht nur Probleme - das ist ganz gut so.

Stefan:
Genau, wir sind eine große Familie unterwegs.

Freya:
Geht ihr euch auf den langen Touren nicht manchmal auf die Nerven?

Peter:
Nie.

Frank:
Naja, es kommt manchmal zu Schlägereien, wie man am Reiner sehen kann (grinst).

Peter:
Genau. Reiner hat eine mit sieben Stichen genähte Platzwunde, weil der Frank voll brutal mit der Faust zugeschlagen hat, ohne Vorwarnung. Aber zu Recht, weil der Reiner war wirklich blöd vorher. Ich wollte auch schon zuschlagen, aber Frank war halt schneller (lacht).

Stefan:
Deswegen ist der Frank auch heute krank - als Strafe (grinst).

Peter:
Frank hat Fieber und hat jetzt schon fünfzehn Aspirin gefressen.

Freya:
Oh, dann wird das heute Abend ja eine gute Show werden. Ist es so einfach so eine doch ganz große Truppe über all die Jahre zusammenzuhalten?

Peter:
Wir haben je diverse Leute verbraucht, verschlissen und hinausgeschmissen.

Stefan:
Eigentlich nur Schlagzeuger und Geiger - die sind bei uns besonders gefährdet. Der Rest ja seit zehn Jahren fest dabei. Aber der Frank ist jetzt schon wieder krank - da sieht man schon so leichte Schlagzeugbröckelerscheinungen (grinst). Er ist schon seelisch ganz fertig und deshalb ist er auch heute krank.

Freya:
Ihr tretet ja heute Abend hier in Erfurt auf, wie wird euer Programm aussehen?

Peter:
Das wissen wir selber noch nicht, weil zwei Leute eben heute im Fieberwahn spielen. Gestern haben wir schon die lustigsten Überraschungen erlebt. Es werden Lieder neu gespielt, rückwärts gespielt, Teile werden durcheinander geworfen.

Stefan:
Oder es werden Sachen langsamer gespielt, weil Frank krank ist.

Peter:
Ja, oder schneller, weil das Timing eben vollkommen im Fieberwahn ertrinkt. Wir sind selber gespannt.

Freya:
Werdet ihr dieses Jahr wieder beim WGT auftreten?

Stefan:
Ausnahmsweise dieses Jahr mal nicht, aber vielleicht im nächsten.

Freya:
Warum?

Peter:
Weil der Schlagzeuger krank ist.

Frank:
Ja, hier fängt das Mobbing an (lacht).

Stefan:
Ja, die wollten keine Band mit krankem Schlagzeuger. Siehste Frank - da hastes. So ein Scheiß.

Freya:
Ihr habt im letzten Jahr, wie gesagt, auf dem Wave- Gotik- Treffen gespielt und seid sehr gut
angekommen. Was glaubt ihr, warum ihr gerade in dieser Szene, die ja nicht unbedingt für fröhliche Musik bekannt ist, so gut ankommt?

Stefan:
Naja, die Leute wollen auch mal lachen. Aber eigentlich können wir uns das wirklich nicht erklären (grinst).

Frank:
Wir hatten auch echt ein bisschen Angst davor, in Leipzig zu spielen. Aber als dann alle Hände oben waren - das war schon klasse.

Peter:
Obwohl auf der neuen CD die letzten drei, vier Lieder - die sind eigentlich ernst. Also wir singen ja nicht nur die "Haha, wir lachen uns alle auf Dauer tot" - Lieder. Ab und zu muss es ja auch mal traurig sein, damit man mal wieder lustig werden kann.

Stefan:
Genau, genauso wie es rauf und runter gehen muss. Wenn einer nur Speed und Gott weiß was spielt, dann ist es einfach nur schnell und dann wird's langweilig. Es muss auch mal langsam werden, damit es wieder schnell werden kann.

Freya:
Beim WGT habt ihr vor dem Auftritt ein Schaf am Bühnenrand postiert. Was hat es denn damit auf sich?

Stefan:
Schau es dir heute an, dann weißt du, was Sache ist. Es fehlt ein Ohr, es fehlt der Arsch.

Peter:
Moment moment! Ich möchte mich hier vollkommen von dem Schaf distanzieren. Das ist Stefans perverses Bühnengebaren. Er braucht immer was, was er malträtieren kann.

Stefan:
Ja, ich brauche dieses Schaf. Ich kann nicht ohne.

Freya:
Auf eurer Homepage stellt ihr viele Infos und Specials für eure Fans zur Verfügung. Unter anderem kann man in interaktiven Charts über Lieblingssongs oder kommende Auftrittsorte abstimmen. Ist euch der direkte Kontakt zu euren Fans und deren Meinung wichtig?

Stefan:
Na logisch. Sonst würden wir das ja nicht machen. Internet ist immer wichtig und für uns ist das ein wirklich großer und wichtiger Aspekt. Je mehr die Leute über das Internet Spaß haben und uns kennen lernen - umso besser. Es ist eine schöne Ergänzung zum Rest.

Frank:
Aber auch nach dem Konzert kann man ja auch noch zum Merchandise-Stand gehen, wo wir uns persönlich zur Verfügung stellen.

Peter:
Genau. Und für Bands wie uns gibt es kein Radio und kein Fernsehen, deswegen ist Internet umso wichtiger.

Stefan:
Das kennt ihr ja im Endeffekt auch. Es ist eine Nische, in der wir uns musikalisch befinden und diese Nische muss eben entsprechen die Medien nutzen, die für diese Nische günstig sind. Das Internet ist natürlich ideal für so was.

Freya:
Da kann ich dann euch ja gleich mal fragen, was ihr von Onlinemagazinen haltet.

Stefan:
Viel. Sehr viel.

Peter:
Ja, finde ich auch. Ich surfe oft da rum und schau mir das an.

Stefan:
Ihr kennt vielleicht Walls of Fire. Da haben wir einen guten Draht zu - zu euch jetzt ja vielleicht auch (grinst).

Freya:
Naja, manchmal ist es schon deprimierend, wenn man von gewissen Tourmanagern vorgeworfen bekommt, dass wir nur kostenlos auf Konzerte gehen wollen. Spätestens wenn ich mir dann Nächte für irgendwelche mittelmäßigen Blackmetalbands um die Ohren hauen muss, finde ich solche Äußerungen nicht mehr so aufbauend.

Stefan:
Wir wissen das zu schätzen.

Peter:
Jetzt hör mal auf mit dem Geschleime. Das ist ja widerlich.

Freya:
Nein nein. Nur weiter. Sehr sympathisch. Auf eurer neusten CD findet man neben 14 Songs auch noch einen genialen Multimediatrack, auf dem man unter Anderem verfolgen kann, wie das Album entstanden ist. Wie seid ihr auf die Idee zu dem Track gekommen?

Peter:
Den findest du also genial. Den hat Stefan gemacht.

Stefan:
Hör auf mit dem Geschleime (grinst). Wir sind eben eines Morgens aufgewacht - wir waren auf Tour - da hatte ich eine Vision.

Peter:
Du siehst ja, was hier rumsteht (Anm. d. Red.: deutet auf diverse Apple Laptops).

Stefan:
Ich war mit Peter in einem Zimmer, er hatte seinen Mac dabei und da war es um mich geschehen. Ich wollte auch mal mit dem Ding spielen und das ist dabei herausgekommen.

Peter:
Hat er auch gut gemacht.

Freya:
Ja, wirklich klasse. Ich hab Stunden davor verbracht.

Stefan:
Ja, das sind viele vercomputerte Nächte. Und da gibt es ja noch viele versteckte Sachen.

Freya:
Ihr habt den Ausflug zu einem externen Management beendet und veröffentlicht nun wieder alles in Eigenregie und unter eigenem Label. Wie kam es zu dieser Entscheidung und war's die richtige?

Stefan:
Boah, selbst ist der FIDDLER.

Peter:
Oh, also bitte keine Fragen zu Plattenfirmen, weil das ist ein bodenloses und endloses Thema. Das nervt total. Wenn man alles selber macht, dann weiß man wenigstens, was zu tun ist und kann das auch ganz schnell ändern. Aber nicht diese weit entfernten Plattenfirmen, denen man sagen muss: "Bitte schickt uns mal CDs, die wir am Stand beim Konzert verkaufen können." Und du wartest und wartest.

Stefan:
Ja, und ein halbes Jahr später kommt vielleicht mal was. Oder die verschicken Promo CDs an Radios und Onlinemagazine, die einfach nur ein Silberling sind, ohne das auch nur irgendwas draufsteht. Das wird dann einfach so ohne gar nichts verschickt. Also ich könnte jetzt ganz viel über die nette Plattenindustrie verbrauchen, aber das ist die gar nicht wert.

Freya:
Dann will ich auch langsam mal zum Ende kommen. Erzählt mir noch schnell, was ihr privat für Musik hört.



Peter:
Oh Gott, ich muss mich jetzt vollkommen outen. Was mir wirklich gut gefällt, ist das neue Lied von XAVIER NAIDOO, auch wenn das Lied schwachsinnig ist.

Stefan:
Hmm, kenn ich gar nicht. Mein favorite Lied? Hmm.

Frank:
Also mein Album des Jahres wird SYSTEM OF A DOWN sein. Das ist einfach genial. Es ist Musik, wo man wirklich irgendwie bei jedem Zuhören immer wieder etwas neues entdeckt. Auf so was stehe ich - wenn Musik nicht nur plumpe Unterhaltung ist, sondern man immer wieder etwas entdecken kann.

Peter:
Ich warte immer noch auf ein neues Album von PETER GABRIEL. Das ist mein letztes Idol. Aber ich glaube, der hat vor neun Jahren die letzte CD veröffentlicht. Er macht natürlich immer noch andere Sachen, aber auf eine neues Album warte ich.

Stefan:
Das sollte ja schon vor drei Jahren rauskommen. Wir warten alle sehnlichst drauf. Wir wissen schon, dass sie "Up" heißen wird. Ich glaube, PETER GABRIEL vereint uns alle. Wir haben sehr unterschiedliche Musikgeschmäcker, aber auf den stehen wir alle.

Freya:
Die immer so beliebte letzte Frage: Hast du noch ein paar weise Worte für unsere Leser?

Peter:
Ja, Frank ist krank und deswegen die Mahnung an die Gesundheit. Nee, vielleicht auch, dass man immer an dem, was man will, dranbleiben muss. Das ist auch unsere Quintessenz. Nicht aufgeben!

Stefan:
Never give up!

Peter:
Und an sich selber glauben.

Frank:
Genau, stets an sich glauben. Auch wenn es immer nie funktioniert. Harald Schmidt hat mal gesagt: Er ist immer wieder durch die Hintertür reingekommen nachdem er vorne rausgeschmissen wurde und so muss man das machen.

Stefan:
Wenn du weißt, es ist das Richtige für dich, dann musst du es machen. So machen wir das immer noch.

Freya:
Inwiefern?

Peter:
Naja, bei einer CD weiß man ja nie, ob man überhaupt noch welche verkauft. Man fängt quasi immer wieder bei Null an, hat ein leeres Blatt vor sich, keine Songs - es fängt ganz von vorne an und man weiß nie genau, was rauskommt. Da sind immer diese selbstkritischen Zweifel: Taugts noch? Wird's besser? Entwickelt man sich fort? Oder lässt man's lieber. Das ist aber
auch das schöne an dem "Beruf".

Stefan:
Das Schlimmste ist immer, sich auf den vermeintlichen Lorbeeren auszuruhen und zu denken: Ja das ist jetzt alles gut. Es ist immer wieder eine Herausforderung - alles ist wichtig.

Freya:
Gut, nun bedanke ich mich aber wirklich für das unterhaltsame Interview. Vielen Dank und viel Spaß heute Abend.

Peter:
Wir haben zu danken.

(Anm. d. Red.: In diesem Moment kommt Geiger Tobi in die Garderobe.

Tobi:
Och, das Interview ist schon gelaufen?

Stefan:
Tja, zu spät... alles vorbei.



Gothicparadise.de - Freya

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