GIRLS UNDER GLASS: Interview mit Volker Zacharias

01.01.1970 | 01:00

GIRLS UNDER GLASS sind seit über 15 Jahren im Musikgeschäft tätig. Nun veröffentlichen sie Ende September 2001 ihr mittlerweile zehntes Album "Minddiver". Ich habe vorab schon einmal in die neue Scheibe reingehört und hatte die Gelegenheit, mit Sänger und Texter Volker Zacharias alias "Zaphor" eine halbe Stunde lang am Telefon über dieses Werk zu plaudern.

Freya:
Am 24.09.2001 kommt euer neues Album "Minddiver" in die Plattenläden. Was dürfen die Hörer von diesem Werk erwarten?

Volker:
Ich glaube, unsere Fans wissen so langsam, dass wir mit jedem Album etwas ziemlich anderes machen. Es gelingt uns aber jedes Mal wieder, wie GIRLS UNDER GLASS zu klingen, auch, wenn wir sehr unterschiedliche Musik in den letzten 15 Jahren gemacht haben. Die rein experimentellen Phasen, wie wir sie zwischen '94 und Ende der 90er hatten, sind mit Sicherheit vorbei. Mit "Equilibrium" haben wir uns ja schon auf unsere roots zurückbesonnen und ich würde mal sagen, dass wir von diesem Standpunkt aus einfach den Sound weiterentwickelt haben und etwas elektronischer geworden sind. Das ist allerdings auch keine riesengroße Überraschung, weil GUG sich eigentlich schon immer als Elektronik-Band mit Gitarren definiert hat und nicht als Gothic-Band. Von daher würde ich sagen, dass das neue Album "Minddiver" noch etwas GUG-typischer ist als die "Equilibrium". Sie ist auf jeden Fall tanzbarer, ebenso melodiös, hat auch eine ziemliche Intensität und obwohl sie poppig ist, finde ich sie sehr tiefgängig, was in diesem Fall vor allem durch die Texte kommt. Also, ich finde, es ist ein sehr gutes Album und ich denke mal, dass es vielen GUG-Fans gefallen wird. Zumal Leute, die sich mehr in der Clubszene umtun und mit GUG noch keine Berührung hatten, im Moment ja den Titel "Frozen" um die Ohren geknallt bekommen. Das läuft wohl sehr gut und ich denke mal, da sind noch zwei bis drei andere Songs bei, die ein ähnliches Clubpotential haben. Von daher kann ich mir vorstellen, dass wir mit diesem Album mal ganz andere Leute erreichen. Ich denke, wem das "Equilibrium"-Album gut gefallen hat, wird wahrscheinlich das neue Album auch mögen, er soll sich aber darauf einstellen, dass es deutlich elektronischer ist und wir rhythmusmäßig mehr zur Sache gehen. Es ist beatlastiger und nicht ganz so melancholisch und episch wie das letzte Album.

Freya:
Der Titel "Minddiver" hört sich für mich eher nach ruhigen Songs zum "zu sich selbst finden" an. Warum habt ihr diesen Titel für dieses doch recht abwechslungsreiche Album gewählt?

Volker:
Ich finde, "Minddiver" ist ein bisschen metaphorisch gemeint. Für uns und speziell mich als Texter heißt es in dem Fall, dass ich mich in verschiedene Rollen hinein versetzt habe, um aus verschiedenen Blickwinkeln ein und dieselben Themen und Themenumfelder zu bearbeiten. Es geht ja thematisch sehr viel um das Thema Liebe und Leidenschaft in all seinen Facetten - sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Weiterhin gibt es Themen wie Einsamkeit, bei dem ich Liebe als Symbolik untersuche. Ich habe das von verschiedenen Standpunkten aus betrachtet und habe mich an dieses Thema herangewagt und textlich erarbeitet und das ist für mich diese Form von "minddiving".

Freya:
Wie bereits erwähnt, covert ihr den MADONNA Song "Frozen". Wie seid ihr auf den Song gekommen?

Volker:
Als ich den vor zwei oder drei Jahren das erste Mal gehört habe, hat es mich schlichtweg umgehauen. Ich finde auch immer noch, dass das der beste Popsong der 90er ist. Ich war noch nie der große MADONNA-Fan, aber dieser Song hat mich wirklich schwer beeindruckt, weil er letztlich all das beinhaltet, was ich an Musik richtig gut finde. Er hat eine supergeniale Melodie, er ist sehr intensiv und modern produziert. Er ist zwar total mainstreamig-poppig, aber trotzdem nicht kitschig und klischeehaft. Ich wollte mich ehrlich gesagt mal an eine ganz aktuelle Nummer heranwagen, weil das natürlich noch eine Ecke schwieriger ist und man sich in dem Moment dem unmittelbaren Vergleich stellen muss. Es war eigentlich als Experiment gesehen, dass wir uns an diesen Song heranwagen und als das Ding dann fertig war und wir erkannt haben, dass es uns wirklich sehr gut gelungen ist, die Version umzusetzen, haben wir uns auch gesagt, dass es aufs Album rauf muss.

Freya:
MADONNA ist ja nun ein Megastar. War es da einfach, eine Freigabe für den Titel zu bekommen?

Volker:
Eigentlich sollte der Song ja schon auf der "Equilibrium" erscheinen, wir haben aber damals von dem Originalverlag eine Absage bekommen, weil die das als Coverversion nicht akzeptiert haben, da ihrer Meinung nach der Originaltrack so stark bearbeitet wurde, dass man ihn eigentlich nicht mehr erkennen würde und nicht mehr im Sinne der Künstlerin wäre. Wir haben es über die letzten zwei Jahre immer wieder versucht und als jetzt das neue MADONNA-Album abgeschlossen war, hat der Verlag dann auch sein okay gegeben. Damals war der Song natürlich noch wesentlich aktueller und ich habe eigentlich fast gedacht, dass der schon dermaßen an Aktualität verloren hat, dass er in den Clubs nicht mehr angenommen wird, aber zum Glück habe ich mich da getäuscht.

Freya:
Eure Version von "Frozen" ist in den Alternative Charts weit nach oben geschossen. Seid ihr nicht ein bisschen enttäuscht, dass das kein Song geschafft hat, den ihr selbst komponiert habt?

Volker:
Das haben wir mit dem neuen Album noch gar nicht ausprobiert. Ich glaube schon, dass da einige Songs sind, die auf jeden Fall Potential haben, sich in den Top 10 der DAC zu tummeln. Grade das "Equilibrium"-Album, das als eines unserer Besten gilt, enthält nicht einen Song, der in irgendeiner Weise tanzbar, groovig oder schnell ist. Das ist auch nicht unbedingt unsere Stärke, wir legen viel mehr Wert auf Atmosphäre und Melodien und haben dieses Mal aber eher versucht, diese Atmosphäre und Melodien zusammen mit härteren und schnelleren Grooves zu verbinden. Bei schnellen Songs muss man stark darauf achten, dass du nicht in Beliebigkeit abdriftest und ich denke, dass uns das auch gut gelungen ist, weil wir gute Texte haben und die Melodien auch nicht kitschig sind.

Freya:
Der Titeltrack wird in der mitgelieferten Presseinfo als "der perfekte Song" angepriesen. Siehst du das auch so?

Volker:
Leider haben wir die Presseinfo nicht geschrieben. Ich persönlich finde zwar, dass das ein guter Popsong ist, aber wenn mich jemand fragt, was ein typischer GUG-Song ist und welcher Song eine Vorstellung gibt, was wir für Sound machen, würde ich diesen Song sicherlich nicht wählen, weil er einer der GUG-untypischsten Songs ist. Da ist fast jeder andere Track auf dem Album eher stellvertretend für das, wofür GUG steht. "Minddiver" ist schon so ein Grenzfall. Da haben wir wirklich mal die Grenzen zum Pop ausgelotet und trotzdem versucht, die Kurve zu kriegen, dass man noch GUG erkennen kann. Das ist aber zugegebenermaßen vielen Leuten schwer gefallen.

Freya:
Ihr wollt also ein bisschen von der düsteren Wave-Gothic-Szene weg?

Volker:
Nö, wir waren ja noch nie unmittelbar drin. Wir selber kommen ja ursprünglich aus der Wave- und der Elektronikszene und sind nun damals in den 80ern sehr in die Gothic-Szene gedrängt worden, weil es da noch keine Vergleiche gab. Es gab ja noch nicht mal LOVE LIKE BLOOD zu dem Zeitpunkt, als wir losgelegt haben. Die Leute haben uns auch immer fälschlicherweise mit SISTERS OF MERCY und FIELDS OF THE NEPHILIM verglichen. Wobei ich schon den Vergleich zwischen FIELDS und SISTERS an den Haaren herbeigezogen finde, da die Musik sehr unterschiedlich ist. SISTERS war für mich auch immer mehr eine Elektronik-Band mit Gitarren und FIELDS war eine richtige Gothic-Rock-Band. Die Vergleiche machen einfach im nachhinein nicht so viel Sinn. Wir wurden einfach als Gothic-Band definiert und waren natürlich auch persönlich Teil der Szene, sind aber jeder für uns viel mehr in der Elektronik-Szene verhaftet. Wir haben uns nie als Goth-Rock-Band definiert, sondern als Elektronik-Band, die das Ganze mit Gitarren anreichert.
Ich finde es sehr schwer, GUG zu kategorisieren oder zu definieren. Das kann man zwar in Worte fassen, aber spätestens, wenn das Folgealbum erscheint, ist dieser Begriff überhaupt nicht mehr passend und somit hinfällig.

Freya:
Ihr seid jetzt schon seit über 15 Jahren im Musikgeschäft. Wie schafft ihr es, immer noch neue Ideen zu finden?

Volker:
Unser Anspruch ist, dass wir uns mit jedem Album neu definieren wollen. Es ist für uns immer der Anreiz, dass wir nie Erwartungshaltungen anderer Leute entsprechen und uns damit immer den Rücken freihalten, auch neue Sachen ausprobieren zu können. Auch wenn wir uns mal entscheiden, back to the roots zu gehen, um eine extrem klassische düstere Scheibe zu machen. So was entscheiden wir dann aber aus dem Bauch heraus und nach Stimmungslage.

Freya:
Habt ihr noch nie ans Aufhören gedacht?

Volker:
Doch, aber nie alle zusammen. Das waren immer nur einzelne Mitglieder. Zum Beispiel nach dem "Firewalker"-Album war Hauke, der ja auch Gründungsmitglied ist, für ein Jahr weg und Axel und ich wollten die Band nicht offiziell auflösen, weil wir dachten, wir könnten es zumindest mal zu zweit probieren. Wir kennen natürlich viele Bands, da ist es kein Problem eine Liveband mit neuem Keyboarder zusammenzustellen, aber Hauke ist natürlich auch ein maßgeblicher Impulsgeber. In dem Moment, wo Hauke das entschieden hat, fehlte ihm einfach der Hunger, aber der kam zum Glück nach einem Jahr. Dann kam Hauke von sich aus und meinte, dass er unbedingt wieder Mucke machen müsse und ein GUG-Album aufnehmen wolle. Den Ausstieg hätte er sich eigentlich schenken können, weil wir es immer so gehandhabt haben, dass wir manchmal ein Jahr komplett auseinander gehen. Wir klucken nicht ständig zusammen und kontakten mal über lange Strecken nicht miteinander, so dass jeder einzelne innerhalb der Band sich auch persönlich für sich alleine weiterentwickeln kann.

Freya:
Ihr habt schon mit namhaften Bands und Sängern zusammengearbeitet. Wird es so was in Zukunft wieder geben?

Volker:
Also geplant ist da nichts. So was machen wir meistens spontan. Wir haben ja jetzt grade das Album aufgenommen. Es wäre jetzt noch zu früh, an weitere Kollaborationen zu denken. Wir werden aber einiges von dem Albummaterial an befreundete Bands schicken und einige Remixes in Auftrag geben.

Freya:
Ist schon eine Tour zum Album geplant?

Volker:
Ja, wir haben festgestellt, dass wir in den letzten zehn Jahren genau zweimal getourt haben und auf vier Open Airs waren. Das ist eigentlich gar nichts, aber das war uns nie so bewusst. Wir sind also superheiß aufs Touren und werden Mitte Februar loslegen.

Freya:
Hast du noch ein paar letzte Worte, die du unseren Lesern mit auf den Weg geben möchtest?

Volker:
Nö, außer, dass ich mich natürlich freuen würde, wenn sich viele Fans unsere Konzerte reinziehen, weil GUG eine der wenigen Bands ist, die sich seit langer Zeit halten, aber doch so selten live zu sehen sind, dass man schon sagen kann, dass das ein ziemlich spezieller Anlass ist. Was wir auch noch versprechen können ist, dass wir unser eigenes Sideproject TRAUMA als Vorgruppe mitnehmen werden. Die Leute können sich also auf einen atmosphärischen Abend einstellen.

Freya:
Stehen denn schon Tourdaten fest?

Volker:
Ich weiß nur, dass es Mitte Februar stattfinden wird und wir ca. zehn Dates machen werden.

Freya:
Aber die werden dann ja sicherlich auf eurer Homepage veröffentlicht werden.

Volker:
Auf jeden Fall. Und wer sich für aktuelle GUG-Geschichten interessiert - wir verlosen öfter Sachen, wie Scheiben mit Autogrammen, und werden da Livematerial als mp3-Files ablegen, die nirgendwo anders erhältlich sind. GUG-Fans sind auf jeden Fall mit regelmäßigem Besuch auf unserer Homepage bestens beraten, zumal wir die Informationen, die wir zur Band und zu den Tourdates haben, dort als erstes veröffentlichen werden.

Freya:
Das soll’s von mir gewesen sein. Vielen Dank für das ausführliche Gespräch.


Gothicparadise.de - Freya

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