Gruppentherapie PAGAN ALTAR - "The Room Of Shadows"

24.08.2017 | 22:02

Majestätischer Abgesang einer Legende oder doch eher gewöhnungsbedüftige Nischenmusik? Angesichts des finalen PAGAN ALTAR-Albums "The Room Of Shadows" scheint erstere Erkenntnis innnerhalb der Redaktion ganz klar zu überwiegen, denn immerhin konnte die Scheibe locker das Treppchen in unserem August-Soundcheck erklimmen. Doch nicht alle Kollegen sind restlos begeistert und auch die Ausrufung der Briten als absolutes Gegenteil von Mainstream-Plastik sorgt für einige Diskussionen.

Auch ohne eine starke persönliche Prägung durch PAGAN ALTAR kann ich mit der unverkennbaren Musik der Briten viel anfangen. Bei aller Artverwandschaft zu vielen Spielarten des Rock und Metal kenne ich keine Band, die auch nur ansatzweise wie PAGAN ALTAR klingt. Das liegt ganz sicher auch auf "The Room Of Shadows" am einzigartigen Gesang von Terry Jones, den wir glücklicherweise noch einmal auf Albumlänge hören dürfen. Das ist einfach Kauz-Metal pur, den man wahrscheinlich entweder lieben oder hassen muss. Dabei würde mir nicht im Traum einfallen, was man an so famosen Songs wie 'The Portrait Of Dorian Gray' oder 'Dance Of The Vampires' nicht mögen könnte. Das folkig-doomige Fundament mit den feinen Twin-Gitarren hier und da geht runter wie Öl, die Songs haben allesamt Ohrwurmcharakter und nicht nur beim ersten Durchgang des Albums hatte ich akute Anfälle von Entenpelle. Ihr sucht das Gegenteil von Kommerz-Metal und Mainstream-Plastik? Hier ist es.

Note: 9,0/10
[Nils Macher]

 

Raphael ist in seiner Rezension restlos begeistert, Nils bekommt beim Hören von "The Room Of Shadows" Gänsehaut, da werde ich irgendwie das Gefühl nicht los, dass ich wohl der Miesepeter in dieser Gruppentherapie sein werden. Vorweg sei dabei gesagt, dass mich die technische Performance der Musiker auf ganzer Linie überzeugt. Gleichzeitig haben die Engländer mit ihrem vollkommen eigenständigen Mix aus Doom und der New Wave Of British Heavy Metal wirklich einen Sound kreiert, den ich so noch von keiner anderen Band gehört habe. Diese schleppenden Riffs, die feinen Gitarren-Harmonien und dazu das gekonnte Spiel mit der Dynamik der Songs, das ist wirklich ganz großes Kino, wenn da bloß nicht der Gesang wäre. Ich will damit keinesfalls über den vor zwei Jahren verstorbenen Fronter Terry Jones herziehen, doch in meinen Ohren klingt seine Stimme irgendwie immer so, als hätte Ozzy Osbourne einen schlechten Tag erwischt. Klar hat sein Organ mit seinem ganz speziellen Klang einen extrem hohen Wiedererkennungswert, trotzdem stört mich sein Vortrag größtenteils und verhagelt mir damit das Hörvergnügen bei eigentlich starken Tracks wie 'The Portrait Of Dorian Gray' oder 'Dance Of The Vampires'. Das letzte Opus von PAGAN ALTAR bleibt damit wie der restliche Backkatalog eine wirklich kauzige Angelegenheit, für dich ich ganz offensichtlich einfach kein offenes Ohr habe. Solide sieben Punkte hat unter dem Strich trotzdem die famose Arbeit an den Instrumenten verdient, für mehr reicht es allerdings nicht.

Note: 7,0/10
[Tobias Dahs]

 

Tobias scheint nicht Teil der Zielgruppe zu sein, wenn es um den neuesten (und wohl letzten) PAGAN ALTAR-Output "The Room Of Shadows" geht. Ich dagegen gehöre fraglos dazu. Jede PAGAN ALTAR-Scheibe steht im Regal und rotiert häufiger, auch wenn ich nie ganz den Heiligenstatus verstanden habe, denn die Band bei manchen Fans besitzt. Was sofort klar ist: Den charismatischen Gesang von Terry Jones werde ich wirklich von Herzen vermissen. Das war schon großes Kino, und ich liebe seine nasale Betonung. Dazu das wunderbar-warme Gitarrenspiel, die nahezu perfekte Produktion (auf dem Niveau von DARK FOREST oder WYTCH HAZEL), ein wahrlich wundersames Artwork und ein paar echte Hits wie 'The Portrait Of Dorian Gray'... diese Scheibe ist aus dem Stand für mich noch nicht unbedingt ein Meisterwerk, aber fraglos eines der Echt-Metal-Highlights 2017. Wer zwischen Doom Metal, NWoBHM, Folk Rock, BLUE ÖYSTER CULT und JETHRO TULL wildert, kann eigentlich kaum daneben liegen. So verabschieden wir uns von einer großen Metal-Band. Das war noch mal ein feiner Ausstand!

Note: 9,0/10
[Jonathan Walzer]

 

Auch ich komme nicht umhin, hier ausschließlich positive Worte über den unerwarteten Schwanengesang von PAGAN ALTAR zu verfassen. Dabei bin ich erst vor wenigen Jahren über die Band gestolpert, obwohl sie ja bereits in den Zeiten meiner musikalischen Sozialisation aktiv war. Es wäre also hanebüchener Unsinn von einer Jugendliebe zu schwafeln. Als ich vor etwa 10 Jahren "Mythical & Magical" entdeckte, war ich sofort verzaubert. Ein Zauber, der bis heute anhält und von daher geht mein Herz auf, wenn ich Terry Jones singen höre. Diese einzigartige, leicht nasale Stimme geht zentimetertief unter die Haut und hinterlässt dort Kerben, die nicht schnell verheilen. Dazu gibt die gewohnt exzellente Mixtur aus WISHBONE ASH, (alten) MANILLA ROAD und NWoBHM. Für Nichteingeweihte heißt das: Unendlich schöne Gitarrenharmonien und mitreißende Riffs flechten eine Hängematte aus Noten, in der man sich wohlig hin und her schaukeln lässt. Das ist Musik zum Abtauchen, zum Augenschließen und Genießen. Da muss ich auch gar keine Songs hervor heben, denn "The Room Of Shadows" ist ein Gesamtkunstwerk und da wir nach den jetzt bald ausklingenden wärmeren Herbsttagen bald wieder bunte Bäume sehen werden, ist dies der perfekte Soundtrack dazu. Ein ganz bitteres Manko hat das Album allerdings doch: Die letzten 90 Sekunden namens 'After Forever' als letztes Vermächtnis von Terry sorgen immer für Melancholie. Ergreifend.

Note: 9,5/10
[Holger Andrae]

 

Ich stolpere zunächst ganz heftig über Nils' Schlusssatz und wundere mich einmal mehr, weshalb man denn immer wieder diese Spitzen gegen den Mainstream setzen muss. Wohl um den Leser final von der Qualität der Musik zu überzeugen? Doch was spricht man da überhaupt an? Des Lesers Moralempfinden? Dabei besteht im Rock- und Metal-Business doch gerade ein gute Symbiose aus Kommerz und Underground, viele Bands kommen von unten hoch, ähnlich verhält es sich mit Labels und Festivals. Wo waren Wacken und Nuclear Blast vor 20 Jahren?

Ganz ähnlich könnte es theoretisch auch für PAGAN ALTAR laufen, denn die Musik stufe ich nach noch gar nicht so vielen Spins schon als wenig anti-kommerziell ein. Mich erinnert das Gehörte sogar immer mal wieder an GHOST, also oberflächlich eher unspektakulär, aber mit den Zeit massive, gespenstische Widerhaken setzend. Ohne dass man es merkt, fängt man sich mit der Zeit garstige kleine Ohrwürmer ein. Mit einer guten Promo und einem Image-Konzept sähe ich - vor allem in der derzeitigen Musiklandschaft - keine Hindernisse für Erfolg vor großem Publikum, doch die besonderen Umstände, die dies bei PAGAN ALTAR wohl verhindern, wurden ja anderswo schon angesprochen. Auch diskutiert wurde die "famose Arbeit an den Instrumenten". Nun, mehr als solides Werk fällt mir hier nicht ins Ohr, vor allem im Gesangsbereich gibt es sicher etliche (technisch) bessere. Doch höre ich PAGAN ALTAR nicht so sehr als Instrumenten-Magier-Band, sondern hier ist - wie bei GHOST - eher die Stimmung und das Gesamtbild der Star. Und dabei passt der Gesang wieder hervorragend ins Bild. Da mir manche Melodien bisweilen etwas redundant und/oder von woanders aufgewärmt vorkommen (die Gitarren-Melodie von 'The Portrait Of Dorian Gray' gab es schon in hundertfacher Ausführung so oder so ähnlich), ergibt sich keine so hohe Note wie bei einigen anderen Kollegen. Ein feines Teil, das ich wie die Vorgänger auch in der Sammlung haben will, ist diese Langrille aber schon.

Note: 8,0/10
[Thomas Becker]

Redakteur:
Tobias Dahs

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