Gruppentherapie PRIMORDIAL - "Exile Amongst The Ruins"

25.04.2018 | 13:13

Hohe Qualität - das war und ist der Anspruch von PRIMORDIAL, unserem Soundcheck-Sieger aus dem März. Mit "Exile Amongst The Ruins" hauen uns die Iren ein starkes Stück Musik um die Ohren, das nicht nur redaktionsintern einschlägt wie eine Bombe. Lest selbst, was wir zum neunten PRIMORDIAL-Mammut zu berichten haben. Denn nicht nur Kollege Päbst ist voll des Lobes.

PRIMORDIAL ist zurück, mit "Exile Amongst The Ruins" kommen die Iren relativ schnell wieder mit einem Album um die Ecke. Ich finde fünf Alben in 13 Jahren (seitdem kenne ich die Band) jedenfalls ganz gut vom Veröffentlichungsabstand. Das neue Werk reiht sich wieder recht nahtlos an die allesamt starken Vorgänger an, erreicht aber nicht ganz die Qualität der Alben zwischen 2005-2011. Das liegt, wie schon beim Vorgänger, letztlich daran, dass die ganz großen, emotionalen Hymnen fehlen - ein neues 'Coffin Ships' ist nicht in Sicht. Trotzdem ist das natürlich Meckern auf ultrahohem Niveau. PRIMORDIAL ist weiterhin die beste Pagan-Metal-Band der Welt (wobei CRUACHAN immer wieder am Thron kratzen konnte), es gibt wieder eine überragende Produktion, den großartigen Gesang von Alan Averill (sein schwaches zweites DREAD SOVEREIGN-Album kann man so schneller wieder vergessen) und Riffs, die BATHORY-inspiriert sind, aber nie nach einem Klon klingen. Insgesamt eine gute, aber leider keine sehr gute Scheibe. Mein Highlight bisher heißt 'To Hell Or The Hangman', ein Song, der mit wunderschönen Gitarrenklängen und Chören mitreißt.

Note: 8,0/10
[Jonathan Walzer]

 

PRIMORDIAL-Alben erscheinen immer dann, wenn man sie jahreszeitlich bedingt am meisten zu würdigen weiß und sie am effektivsten wirken. Das war bereits bei "Redemption At The Puritan's Hand" so, "Where Greater Men Have Fallen" war ein Paradebeispiel dieser These und auch das neue Album der Iren weiß heuer vollends zu gefallen. Auch wenn mir persönlich der 2014er Vorgänger einen Hauch besser gefallen hat, setzt PRIMORDIAL auf das bewährte Mittel der unheimlich dichten Atmosphäre und heimst mit diesem bockstarken Album vollkommen zurecht die Goldmedaille in diesem Monat ein. Was ist es, das diese Band so faszinierend, deren Musik so fesselnd macht? Ist es diese melancholische Macht, die Songs wie 'Where Lie The Gods' oder 'Sunken Lungs' umhüllt? Diese packenden Refrains, die einen das Blut in den Adern gefrieren lassen? Oder schlicht und ergreifend mit 'Nail Their Tongues' und 'To Hell Or The Hangman' künftige Klassiker der Unsterblichkeit? Oder doch die Summe aus allem? So mag wohl jedes ach so typische und dennoch überragende Bandtrademark einen gewissen Teil dazu beitragen, dass "Exile Amongst The Ruins" in diesem kalten, nebligen und ungemütlichen März derart glänzen kann.

Note: 9,0/10
[Marcel Rapp]

 

Über die Veröffentlichungsquote mag ich mich an dieser Stelle nicht auslassen, die Band muss selbst wissen, in welchen Abständen sie uns ihre Melancholiebolzen um die Ohren haut. Auch ob und wann ein PRIMORDIAL-Album effektiv wirkt, vermag ich nicht zu sagen. Fakt ist in meinen Augen aber, dass es sich bei "Exile Amongst The Ruins" um das abwechslungsreichste, spannendste und also wertigste Werk der Nordwesteuropäer handelt, das mir je unterkam. Damit rangiert es qualitätstechnisch mindestens auf Augenhöhe mit "The Gathering Wilderness" und kassiert dessen Nachfolger locker ein. Ich fand die Band in ihren schwächeren Momenten immer etwas sperrig, aber davon ist hier nur noch ganz wenig zu spüren. Dafür überrascht beispielsweise 'To Hell Or The Hangman' auf eine Art und Weise, die ich dem Quintett nicht mehr zugetraut hätte. Allgemein bleiben die Melodien besser im Ohr, die Riffs sind griffiger, die ruhigen Passagen ergreifender. Dennoch: Das Niveau von Perlen wie 'Nail Their Tongues' kann nicht durchgängig gehalten werden, 'Sunken Lungs' zum Beispiel finde ich eher etwas ermüdend. Und auch das Finale hat - neben sehr gelungenen Teilen - so seine Längen. Alles in allem, wie Jonathan bereits sagt, ein gutes Album, das aber meiner Meinung nach zumindest an der "Sehrguthaftigkeit" kratzt.

Note: 8,5/10
[Jakob Schnapp]

 

Jawoll, das isses! PRIMORDIAL lief bei mir seit jeher unter der Kategorie "Zwei, drei Songs: wow - alles andere: okay, bis 'gähn'!" Mir war das Songwriting der Iren, egal ob in der frühen Phase oder auf den letzten zwei Alben, stets zu monoton. Dass mich Mr. Averill und seine Kumpanen dann doch noch dermaßen packen würden, hätte ich den Iren tatsächlich nicht zugetraut. Die 9,5 Punkte sind möglicherweise auch einem Überraschungsmoment geschuldet. Jedoch nutzt sich "Exile Amongst The Ruins" auch nach dem 20. Durchlauf nicht ab, dazu ist das Songwriting einfach zu vielschichtig und die emotionale Bandbreite größer als je zuvor in der Vergangenheit. Und dazu zähle ich auch Bandklassiker wie 'The Coffin Ships' und dergleichen. Für mich immer okay, mehr aber nicht.
Kollege Jonathan vermisst die emotionalen Hymnen, ich finde davon auf Album Nummer neun zuhauf. Sei es der Opener 'Nail Their Tongues' mit dem herrlich groovenden Strophenriff und dem ganz großartigen Kehrvers. In 'To Hell Or The Hangman' verarbeitet das Quintett endlich auch seine Vorliebe für die guten alten Goth- und Post-Punk-Heroen der 1970er und 1980er Jahre. Oder eben mein persönliches Albumhighlight: 'Stolen Years'. Was PRIMORDIAL da an soundtechnischer Raffinesse auffährt, ist grandios. Die Gitarren wechseln in dem Song zwischen verschiedenen Zerrgraden und erzeugen damit eine Dynamik, der man sich als Hörer einfach nicht entziehen kann. Die wunderschönen Melodien im weiteren Verlauf des Titels machen ihn zu einer Perle sondersgleichen. Übrigens erinnert PRIMORDIAL auf dem neuen Album hier und da an SÓLSTAFIR, nur dass die Iren mittlerweile um Welten bessere Songs schreiben und wesentlich glaubwürdiger rüberkommen als ihre isländischen Brüder im Geiste. Tatsächlich sehe ich es wie Kollege Jakob, dass PRIMORDIAL gegen Ende mit 'Sunken Lungs' ein klein wenig die Luft ausgeht, mit dem Rausschmeißer 'Last Call' aber nochmal die Kurve kriegt. Da sich das restliche Material aber im dunkelgrünen Bereich einpendelt, bleibt unter dem Strich die hochverdiente 9,5!

Note: 9,5/10
[Haris Durakovic]

 

So, ich nutze die Kollektivbeschau hier auch gleich mal dafür, mich der nächsten gefeierten Größe der Metalszene anzunähern. PRIMORDIAL hat bisher für mich immer den Ruf oder Ruch, Black Metal zu sein, so eine gewisse Austauschbarkeit setzt das meinige Unwissen da voraus. Dann mal etwas mehr Zeit genommen und das Hintergründige der Iren durchforstet. Durchaus interessante und bewegte Bandgeschichte. Da mich die erzählten Hintergründe in der Bewertung der Musik aber eher beiläufig interessieren, Konzentration auf die Musik. Besser noch: auf die Wirkung. Epischer, weitläufiger Ansatz, aha, als PRIMORDIAL-Neuling schon mal interessant. Dass hier versierte Mucker mitwirken, ist allen anzumerken, auch die Variabilität des Sängers ist beeindruckend. Auch, dass sich die Band nicht hetzen oder nötigen lässt, Hits oder besondere Spielereien, Aktualisierungen oder Ähnliches einbauen zu müssen. Der entspannte Beat des zweiten Stückes ist faszinierend in seiner Vehemenz, in der die anderen Mitwirker ihre Parts einstreuen, fast wie eine Bandprobe wirkt das. Die schwarzmetallenen Fragmente weisen auf eben solch eine Vergangenheit hin und sind geschickt mit eingebaut, fast wie im Vorbeigehen. Recht bald bemerke ich die Forderung des Albums, mir mehr Zeit dafür zu nehmen, ich habe es so langsam angenommen. Und gut, es wächst und wächst. Noch höre ich zu. Es kann aber auch sein, dass ich in sorglosen Momenten das Ganze als belanglose Nebenbeiplätscherei laufen lasse. Aber sie wächst. Merke ich. Da ist insofern auch beschlossen, das Album nicht irgendwo abzulegen, sondern immer wieder in Blickweite und Hörweite zu haben. Da werde ich in ganz unterschiedlichen Stimmungslagen immer mal wieder hineinlunschen. Vor allem 'Stolen Years' ist in meinen Ohren großes Seelenkino, vor allem wegen der Zurücknahme und Reduktion, die man sich als Musiker des Metiers erst mal trauen muss.

Note: (noch) 7,0/10
[Mathias Freiesleben]

Redakteur:
Marcel Rapp

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