Gruppentherapie VINTERSORG - "Till fjälls: Del II"

26.07.2017 | 13:53

Ein zweiter Teil zu einem erfolgreichen Album, das geht nicht unbedingt immer gut. Doch davon ließ sich der Schwede VINTERSORG nicht abhalten und kredenzt seinen Fans dieser Tage mit "Till fjälls: Del II" einen Nachfolger zum Karriere-Meilenstein "Till fjälls" aus dem Jahr 1998. Ganz offensichtlich scheint das Unterfangen auch geglückt zu sein, immerhin erreichte die Scheibe mit dem 2. Platz unser Soundcheck-Treppchen im Juni. Doch nicht alle Kollegen innerhalb der Redaktion sind so begeistert wie die Soundchecker, lest selbst:

In der Regel halte ich mich demütig zurück, wenn grimm'ge Wikinger die Albumbebilderung erobert haben, es sich kaltblaue Schwertmägde auf Knochenbergen anderer Barbaren bequem gemacht haben oder der skandinavische Wald per Stillleben abfotografiert worden ist. Aber wenn hier so viele Kollegen vom neuen Glanzling von VINTERSORG so begeistert sind, so setze auch ich mich mal dem nordischen Gemetzel aus. Meine Klischees schlittern mit hinein ins derbe Eis-Metal-Meer. Schnell wird mir bestätigt, dass ich mit traditionellen Instrumenten wie Lauten richtig liege. Melodien schrauben sich mehrstimmig in die windigen Höhen. Da hinten tobt und keift der böllernde Berserker, vorn der Schlachtenherr, der in schwedischsprachiger Klarstimme die Geschicke lenkt. Soweit passt das ja in mein Bild. Was ich gelungen finde, ist die Mischung auf den beiden Teilen des Albums, ausnehmend auch die Instrumentierung aus dem klassischen Bereich. Nein, auch nach weiterem Behör kann ich keine große Langeweile oder Genervtheit meinerseits, geschweige denn Monotonie feststellen. Da ist schon gut was los im Winterwald. Aber auch bei diesem Genremonster es ist wie zumeist bei meinem Konsum von Viking Metal... heißt das so? Trotz Ausuferung, grundsolider Nordaggressivität und feinen Melodiebögen bin ich persönlich irgendwann bald gesättigt... wahrscheinlich, offensichtlich habe ich mit der Folklore so ein Grundproblem.

Note: 5,5/10
[Mathias Freiesleben]

 

VINTERSORG sind mir ja meist zu aufgeblasen, zu bombastisch und irgendwie zu sehr Plastik. Das gilt zwar noch nicht für den Bandklassiker, der nun einen Nachfolger bekommt und auf dem mich eine klanggewordene Naivität und Begeisterung gepaart mit hörbarer instrumentaler Klasse immer wieder zu begeistern vermag, doch meine Skepsis war entsprechend groß, als ich erfuhr, dass die Band nun versucht, diese Magie erneut einzufangen. Was in den meisten Fällen als kreative Bankrotterklärung zu hören ist, funktioniert hier aber insgesamt sehr gut. Die Melodien packen, die Instrumentierung und Orchestrierung wurden angenehm entschlackt und so gibt es hier eine gelungene Mischung aus der Atmosphäre des Klassikers, angereichert und verfeinert durch die musikalischen, technischen und kompositorischen Erfahrungen der letzten Dekaden. Tradition und Gegenwart werden gekonnt verbunden und VINTERSORG legt ein Referenzwerk zwischen Folk und Viking Metal vor, an dem sich die Kollegen in Zukunft messen lassen müssen.

Note: 8,0/10
[Raphael Päbst]

 

Seit vielen Jahren tritt Mister VINTERSORG wieder und wieder den Beweis an, dass Folk/Viking Metal nicht zwangsläufig rumpelig, unbeholfen und unmusikalisch klingen muss. Zwar ziehe ich seine Arbeiten mit BORKNAGAR im Zweifel vor, aber auch unter eigenem Namen hat der in Ehren ergraute kreative Kopf viel Hörenswertes hervor gebracht. Leider wird auf der aktuellen VINTERSORG-Platte manchmal zu viel geschunkelt und Methorn geleert. Trotzdem komponiert er immer noch spannender und facettenreicher als alle Genre-Kollegen, so auch auf "Till Fjälls: Del II". Der Opener 'Jökelväktaren' zum Beispiel gehört mit zum Besten, was ich aus dieser Ecke je gehört habe. Songs wie 'Vinterstorm' oder 'Köldens Borg' sind zwar kitschig, aber mit Stil und Klasse. Noch besser war nur der progressivere, weitestgehend Methorn-befreite VINTERSORG; mein Lieblingsalbum des Meisters ist immer noch "Visions From The Spiral Generator". Auf dem vorliegenden Back-to-Roots-Werk würde ich mir manchmal ein bisschen mehr Uptempo und Schwarzwurzeltee, wie bei "Allt Mellan Himmel Och Jord", wünschen. Dass ausgerechnet ich das schreibe, ist schon seltsam genug. Whatever, das einfache Fazit ist und bleibt: Wenn Folk Metal, dann VINTERSORG!

Note: 7,5/10
[Martin van der Laan]

 

Die Beigeisterung meiner Kollegen hält sich ja ganz offensichtlich in Grenzen, was ich so überhaupt nicht verstehen kann. Klar kann man die Idee, knapp zwanzig Jahre nach dem erfolgreichen und bärenstarken "Till fjälls" eine Fortsetzung herauszubringen, durchaus kritisch sehen, immerhin waren solche Unterfangen selten von großem Erfolg gekrönt. Man denke hier beispielsweise nur an die "Operation: Mindcrime II", das nicht mehr als ein müder Abklatsch des QUEENSRYCHE-Meisterwerks war. Im Gegensatz zu den Prog-Kollegen aus Seattle gelingt es Mastermind VINTERSORG allerdings auf "Till fjälls: Del II" sehr wohl, an die Glanztaten des Zweitling anzuknüpfen und stellenweise schafft es der Schwede sogar, die starken Tracks des ersten Teils noch einmal zu übertrumpfen wie etwa beim famosen 'Lavin' oder dem heimlichen Folk-Metal-Hit 'Vinterstorm'. Einzig die ungewohnten schwedischen Texte stören mich auch bei diesem VINTERSORG-Release erneut, denn ich verstehe schon gerne, was mir die Lyrics eigentlich vermitteln wollen. Übersieht man diesen Punkt allerdings großmütig, dann liefert die Platte jede Menge Melodien, in denen man sich für Stunden vor dem heimischen CD-Player verlieren kann. Unter dem Strich hat damit ähnlich wie bei meinem Kollegen Martin auch bei mir Vintersorgs Arbeit mit BORKNAGAR noch knapp die Nase vorn, doch dank dieser bärenstarken Scheibe ist der Vorsprung deutlich zusammengeschrumpft.

Note: 9,0/10
[Tobias Dahs]

Redakteur:
Tobias Dahs

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