Gruppentherapie: AVANTASIA - Moonglow

20.04.2019 | 13:16

Tobias Sammets AVANTASIA ist seit Jahren eine Hausnummer im melodischen Metal-Geschäft. Unumstritten die internationale Klasse immer neuer Gastbeiträge; kritische Stimmen stellten nach den beiden Metal-Opern Anfang des Jahrtausends jedoch immer mal wieder den Belang folgender Releases in Frage. Dennoch schaffen es die Alben immer wieder auf hohe Chart-Positionierungen und im Einzel-Review hat Tommy Schmelz der neuesten Scheibe "Moonglow" eine solide 9,5 verpasst. Was hält der Rest unserer Redaktion vom aktuellen Album des Musikprojektes?

Ich war ja schon sehr gespannt auf das neue AVANTASIA-Werk. Es war schließlich abzuwarten, wie sich Tobias Sammet mit seinem Projekt nach "Ghostlights" und dem Auftritt beim deutschen ESC-Vorentscheid mit 'Mystery Of A Blood Red Rose' entwickeln würde. Würde er den bisherigen Weg weitergehen oder würde er die damals entstandene Aufmerksamkeit nutzen wollen und sich musikalisch der breiten Masse annähern? Nun, Fans dürfen beruhigt sein (bzw. sind es vermutlich schon, denn das Album ist ja bereits veröffentlicht), denn AVANTASIA bleibt sich treu und liefert auf "Moonglow" Metal der Extraklasse. Was Tobias Sammet hier wieder geschaffen hat, sucht wirklich seines Gleichen. Kompositorisch liefert die Scheibe extrem viel Abwechslung. Diese Abwechslung ist in einem Punkt jedoch auch mein persönliches Problem mit dem Projekt AVANTASIA. Getreu dem Motto "Zu viele Köche verderben den Brei" sorgen die diversen unterschiedlichen Sänger für zu viel Abwechslung. Nehmen wir als Beispiel 'Book Of Shallows': Hier geben sich Tobi Sammet, Jorn Lande, Hansi Kürsch und Ronnie Atkins schon das Mikrofon gegenseitig in die Hand und werden dann auch noch von KREATOR-Frontmann Mille Petrozza unterstützt. In einem einzelnen Song funktioniert das auch für mich wirklich super (vor allem Milles Part sorgt für krasse Abwechslung!), aber auf Dauer finde ich diesen Sänger-Overkill anstrengend. Mir ist bewusst, dass gerade das Zusammentreffen vieler verschiedenen Sänger den Kern des Projekts AVANTASIA darstellt, aber für mich ist es seit Jahren mein Problem mit AVANTASIA und somit auch mit "Moonglow". Würde ich jeden Song einzeln benoten, käme mit Sicherheit des Öfteren die Höchstnote zum Vorschein. Da ich jedoch das gesamte Werk beurteile, gibt es von mir doch einen Abzug.

Note: 8,5
[Mario Dahl]

 

Ach ja, AVANTASIA. Es gibt kaum etwas, das mir auf dem Papier besser gefallen könnte. Trotzdem ist meine Beziehung zu diesem Projekt von einigen Enttäuschungen und wechselhaften Gefühlen geprägt. Aber wie schon das letzte EDGUY-Album ("Space Police - Defenders Of The Crown"), kann auch "Moonglow" als positive Überraschung gewertet werden. Zwar gibt es auch diesmal wieder aus meiner Sicht unnötige Lückenfüller wie etwa 'Alchemy', aber längst nicht in der Fülle und Belanglosigkeit, wie es auf frühreren Werken der Fall war. Auch die übliche Ballade war schon mal besser: 'Invincible' ist lediglich nett. Aber gut, alles, was bei AVANTASIA seit jeher funktioniert hat, klappt auch beim Mondleuchten wunderbar: die unterschiedlichen Sänger, die stilistische Bandbreite und die Kompositionen des Meisters. Was aber macht das achte Studioalbum zu etwas Besonderem? Da ist zum einen die Mitwirkung von Hansi Kürsch und Mille, denen es gelingt, ganz neue Akzente zu setzen. Und zum anderen die Fähigkeit von Herrn Sammet, seinen Mitsängern Lieder auf den Leib zu schneidern, die die jeweiligen Stammbands in dieser Qualität schon seit längerem nicht mehr hinbekommen. Die Vielzahl an Frontmännern und -frauen finde ich anders als Mario überhaupt nicht störend, da könnte es für meinen Geschmack sogar noch mehr Durchmischung geben - die sieben Engel vom zweiten Album zeigen, was ich meine. Höhepunkte hat es auf den gelungenen AVANTASIA-Scheiben immer gegeben, hier findet man aber gleich einen ganzen Haufen: 'Lavender' mit seinem Gänsehautrefrain, das erfreulich heftige 'Book Of Shallows', das megaepische 'The Raven Child'. Auch toll: die diesmal nur gute Kiske-Nummer 'Requiem For A Dream' und 'Starlight'. Mit 'The Piper At The Gates Of Dawn' [kein PINK FLOYD-Cover - Anm. d. Red.] werde ich trotz gefälliger Ideen nicht warm, auch der Titeltrack kann nicht ganz so stark überzeugen wie zuletzt das ähnlich gelagerte, aber deutlich griffigere 'Mystery Of A Blood Red Rose' vom letzten Output. Das Cover von 'Maniac' ist unterhaltsam und passt gut in den Kontext der Scheibe. Außerdem darf Tobias Sammet ohnehin alles, was er will. Wer sich darüber aufregt, muss ein schlimmer Spießer sein. Beweis geführt. Also, mir gefällt "Moonglow" sehr und ich freue mich auch schon, das Ganze live zu sehen und zu hören.

Note: 9,0
[Jakob Schnapp]

 

Eigentlich kann ich mit dem Stil, den Tobias Sammet unter dem Banner AVANTASIA fabriziert, nur noch wenig anfangen - es sei denn, Tobi verantwortet es selbst. "Moonglow" ist wieder ein Knaller geworden, und auch wenn ich mir beim Anhören manchmal denke, dass das schon ultracheesy geworden ist, stimmt die Songwritingqualität einfach (das gilt mittleweile ja dankenswerterweise auch wieder für EDGUY). Schon der Opener 'Ghost In The Moon' ist großes Kino, mein bisheriger Favorit ist aber 'Moonglow', die beste AVANTASIA-Nummer mit Damengesang bisher. Was Candice Night hier einsingt, ist phänomenal und geht direkt unter die Haut. Von meinen sonstigen Highlights hat Jakob schon eines genannt: Hansi Kürsch. Dass der wohl beste deutsche Metalsänger aller Zeiten jetzt auf einer Platte mit seinen fast ebenbürtigen Kollegen Michael Kiske und Tobi Sammet singt, ist für mich wie ein Sechser im Lotto. Allerdings können mich Ronnie Atkins und Geoff Tate bisher nicht so prägen, ihr Einfluss ist etwas überschaubarer. Und Mille, den ich bei KREATOR vom Gesang her echt stark finde, wirkt hier deutlich deplatzierter als anno dazumal bei EDGUY. Das ist aber natürlich Meckern auf ganz hohem Niveau. Für mich ist "Moonglow" momentan das stärkste AVANTASIA-Album seit dem Zehn-Punkte-Hammer "The Metal Opera Part II", und das ist doch schon mal eine Ansage.

Note: 9,0
[Jonathan Walzer]

 

AVANTASIA tut gut. Es ist die Portion fröhliche Laune, die manchmal einfach notwendig ist. "Moonglow" in die Spritze aufgezogen, angesetzt und abgedrückt verströmt ein wohliges Gefühl. Es schmeckt nach Sommer, Einhorn-Hintern und Feenstaub. Woran liegt das? Die Melodien aus der Feder von Tobias Sammet treffen direkt ins Herz. Seine Gäste verströmen einen Hauch von nach Hause kommen. Lassen den Hörer aufmerken und an Klassikeralben denken, die diese Stars aufgenommen haben. Sie bieten das Maß an Abwechslung, das Album Nummer sieben von AVANTASIA sonst vielleicht vermissen lässt. Es sind die Riffs zum Mitbangen und die Refrains zum Mitsingen. Das Konzept der Metal Opera, das es nie war und nie sein sollte, wird erneut bis zur Perfektion getrieben. Wer die älteren Alben mag, wird auch "Moonglow" in sein Herz schließen. Kritiker wird Sammet nicht überzeugen. Aber das muss er auch gar nicht. Sammet ist längst eine Marke geworden, die für Qualität steht. Und AVANTASIA ist sein Premiumprodukt.

Note: 8,0
[Julian Rohrer]

Redakteur:
Daniel Lindhorst

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