Gruppentherapie: DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT - "Nercovision"

30.01.2013 | 11:11

Mal wieder eine Gruppentherapie zu einem kontrovers aufgenommenen Soundcheck-Album: DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT mit ihrer Black-Metal-Keule "Necrovision".



Da wir inzwischen Gruppentherapien nicht mehr nur zu unserem Soundcheck-Stockerl servieren, sondern gelegentlich auch zu Alben, die im Kollegium sehr kontrovers aufgenommen werden, ist diese fünfte vollständige Langrille der deutschen Schwarzmetaller von DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT (D.N.S.) dafür ein echter Pflichtkandidat. Wo Hauptrezensent Macher eine gute Acht zückt (zum Review) und die vom Krach planierten Ohren der Herren Loga und Stehle sich so dermaßen darüber freuen, endlich mal wieder überhaupt etwas zu hören, dass die Neun locker sitzt, da zuckt ein Drittel der vermeintlichen Checker mit den Schultern und unseren Plüschhäschen Jäger und Becker bluten die Löffel. Dabei ist die Sache eigentlich ganz einfach: Die Herren vom dunkelnächtlichen Metzgerkult zelebrieren schnörkellosen, archaischen, unpretentiösen Black Metal, der sich mit feinen, hintergründigen und fiesen Melodien ins Hirn und in die Seele gräbt, dessen Riffs mal ein wenig gen Rune Eriksen (Blasphemer; MAYHEM) und mal ein wenig gen Snorre Ruch (THORNS) schielen, und dessen Gesang einfach völlig authentisch herüber bringt, wie sich Black Metal anfühlen muss. Was daran jetzt unzugänglich, wischiwaschi oder gar "böse wie Gummibärchen" ist, sollen euch die Kollegen erklären, ich für meinen Teil finde es erstklassig. Daher, Freunde des schwarzen Stahls, lasst euch nichts vormachen und lasst diese D.N.S. die eure erweitern!

Note: 9,0/10
[Rüdiger Stehle]


Ich höre gerade "Necrovision" noch einmal - extra für die Gruppentherapie - an, obwohl ich die Soundfiles schon lange von meiner Festplatte löschen wollte. Dazu amüsiere ich mich über das Interview mit Sängerin (!) Onielar in der Januar-Ausgabe des Rock Hard. Ich finde es schön, wenn Metalbands versuchen, ein Image um sich herum aufzubauen und ich stelle fest, dass Okkultes momentan ziemlich angesagt zu sein scheint. Offenbar muss das Mädchen selber immer wieder lachen, wenn sie da über Misanthropie, Selbstzerstörung, Rituale und Okkultismus redet. Aber sie hat dabei eine blühende Fantasie und der Leser wird immerhin gut unterhalten.
Nun aber zur Musik: Nach dem blubbernden Intro, für das meine sechsjährige Nichte wohl beim Klanggenerator von Garage Band auf den falschen Knopf (den geheimen, okkulten Satans-Button, der nur um Mitternacht aktiv ist), gedrückt hat, geht so etwas wie ein Fön los. Ein lateinischer Fön allerdings ('Omis Immundus Spiritus'). Blastbeats bestimmen das Klangbild, das weiter durch verwaschende 'maximum distorsion'-Gitarren verwässert wird. Bei so einem Sound ist es tatsächlich völlig egal, welche Saiten da angeschlagen werden, Hauptsache es ist volle Pulle Strumming, bis die Finger bluten. Das soll übrigens so sein, denn das Blut wird, wie ich soeben gelernt habe, für die Liveauftritte benötigt (hihi…). Onielar - bitte beachtet, sie ist ein Mädel - keift erstaunlich knarzig und hinterhältig im Sinne der bösen männlichen norwegischen Vorbilder. Ob sie da aber etwas spirituelles oder gar philosophisches (haha…) keift oder ob es darum geht, wie Römer zu einem Fön kamen und was sie sich damit warm fönten, wird man wohl kaum herausfinden, wenn man kein Textblatt zur Hand hat. Die Lyrics sind bei dieser Mucke aber wohl ähnlich egal wie das 'Noise-Generating' ('Song-Writing' finde ich auf der CD sehr selten). Möglicherweise kann man zwei, drei Songs lang noch von der Räudigkeit fasziniert - oder zumindest belustigt - sein, doch spätestens nach der Hälfte der CD wird es nur noch nervig. Es ist immer wieder dasselbe, meines Erachtens völlig sinnbefreite Schema: Nähmaschinen-Blackmetal mit Wischiwaschi-Sound und kehligen Vokal-Geräuschen. Man muss also nicht einmal ein Weichei sein, um D.N.S. nicht zu mögen. Hart ist daran nämlich absolut nichts. Hart ist vielmehr derjenige, der viermal (!) den kompletten Durchlauf von "Nercovision" aushält, ohne zu unterbrechen.

Note: 4,0/10
[Thomas Becker]





Darf ich nach Rüdigers Lobpreisung und Thomas' Schmähgesang mal wieder die Kirche (sic!) zurück ins Dorf holen? Ich persönlich interessiere mich herzlich wenig für das, was Black Metal-Musiker zum Zwecke der Imagepflege in ihren "Interviews" so von sich geben. Denn schon unser aller Poldi wusste: "Was zählt, is auffem Platz!" Und da bringen D.N.S. schon seit Jahren immer wieder durchaus beachtliche Leistungen. Wenn man allerdings mit rohem, urwüchsigem Black Metal ein grundsätzliches Problem hat, ist der Weg zu einer differenzierten Betrachtung von "Necrovision" natürlich von Beginn an verstellt. Somit reflektiert die Note des Kollegen Becker wohl eher seine negative Einschätzung eines ganzen (Sub-)Genres. Würde er nämlich mal genauer hinschauen und das neue D.N.S.-Album an dem messen, was es sein will, nämlich eben ein blutspuckendes, blasphemisches Ungetüm, ja dann könnte er seine vernichtende Bewertung kaum aufrecht erhalten. Zugegeben, ich gehöre ja tendenziell auch eher in Rüdigers Plüschhasen-Schublade und finde so wüst diabolische Giftmischereien wie diese hier meistens ziemlich anstrengend. Aber sinnlos stumpfe Prügelorgien gibt es auf "Necrovision" nun ganz bestimmt nicht zu hören. Vielmehr gelingt es D.N.S. durch die geschickte Kombination von wüsten Eruptionen und eindringlichen Midtempo-Passagen eine wahrhaft düstere, bedrohliche Grundstimmung zu erzeugen. Zu diesem spannungsgeladenen Gesamteindruck trägt auch der gut austarierte Sound bei; das grollend-schrammelige "Necrovision" ist da meinen Ohren sehr viel genehmer als der kreischend schrille Auftritt manch anderer einheimischer Schwarzwurzler. Kurzum, auf mich wirkt das hier alles sehr authentisch und rund, zumindest in künstlerischer Hinsicht. An der Philosophie sollen sich andere abarbeiten.

Note: 7,0/10
[Martin van der Laan]


"Nähmaschinen-Black-Metal" ist gut gesagt. Obwohl ich nicht unbedingt verdächtig bin, dem Beckerschen Plüschkosmos allzu nahe zu stehen und speziell Black Metal mit melodischen Bestandteilen durchaus reizvoll finde, darf ich Kraft meiner Wassersuppe dem Urteil des geschätzten Kollegen zustimmen, auch wenn ich dafür zwei Punkte mehr zu zücken bereit bin. Die Differenz dürfte mit der stilbezogenen (Nicht-)Affinität von uns beiden hinreichend erklärt sein. Im Endeffekt lässt sich diese Platte aber auf genau jenes Manko reduzieren: Beim ersten, zweiten, vielleicht auch noch dritten Song kann man dem räudigen Gekeife, Blastbeat-Gekloppe und durchaus ansprechenden melodischen Fundament noch einiges abgewinnen, aber irgendwann muss man leider feststellen, dass da nichts mehr kommt. Je länger man D.N.S. lauscht, umso mehr stellt sich die enttäuschende Erkenntnis ein, dass die achtmal denselben Song aufgenommen haben, der zwar nicht schlecht ist, aber es ist eben derselbe Song in Dauer-Wiederholungsschleife. Und bei allem Respekt, besonders hart finde ich den Schwarzwurzelacker, durch den sich die vier Deutschen pflügen, auch nicht. Da Härte besonders durch Kontrastierung gut zur Geltung kommt, verwandelt sich das gleichförmige Geschrammel hier irgendwann in ein verwaschenes (ja, tatsächlich) Grundrauschen, dem mehr und mehr die Spannung entweicht. Insofern sind die sechs Punkte den relativ wenigen Umdrehungen geschuldet, die zur Meinungsbildung geführt haben und dürften Tendenz nach unten haben. Und einen Bonuspunkt dafür zu vergeben, dass die Dame am Mikro ebenso räudig röhren kann wie ihre männlichen Kollegen, ist auch nicht drin. Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern ist schließlich ein zu wichtiges Thema.

Note: 6,0/10
[Stephan Voigtländer]





Wenn man die Zeilen meines geschätzten Kollegen Becker so liest, könnte man meinen, man hätte es bei D.N.S.  mit dem größten Instrumentalverbrechen im Black Metal seit HASSMORD zu tun. Und das ist, gelinde gesagt, ziemlich grober Unfug. Im Gegenteil: Auf den allermeisten Ebenen macht die Band so ziemlich alles richtig. Das ist wunderbar rasendes Schwarzmetall, das jedoch immer wieder durch Midtempo-Passagen aufgelockert wird. Zudem sind hier Leute am Werk, die den Stil scheinbar möglichst unverfälscht und "rein" zelebrieren wollen - und das gelingt ihnen meiner Ansicht nach auch ziemlich gut. Gekeife, Riffs sowie Schießbudengeballer sitzen jeweils 1a und vom Klang her gibt es auch nichts zu meckern. 'The Eviscerator' lädt fast schon zu einem fröhlichen Tänzchen ein, so viel Spaß macht der Song. Falls dies im Widerspruch zur diabolischen Aussage der Platte steht: Mea culpa. Einziger, wirklicher Kritikpunkt ist der von Herrn Voigtländer bereits angesprochene Mangel an Abwechslung, denn die Songs auseinanderzuhalten fällt nicht gerade leicht. Legen D.N.S. hier in Zukunft noch ein wenig zu, dann ist auch ein Punkt mehr drin. Das einzig richtig überflüssige auf "Necrovision" ist das zweieinhalbminütige Intro, welches einem Hauch von Nichts entspricht. Das ändert allerdings nichts daran, dass das Fazit nur lauten kann: Becker, Ohren waschen!

Note: 8,0/10
[Oliver Paßgang]
Mehr zu diesem Album:
Soundcheck 01/2013
Hauptrezension

Redakteur:
Thomas Becker

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