Gruppentherapie: DOOMSHINE - "The End Is Worth Waiting For"

19.09.2015 | 14:08

Nach "Thy Kingdoom Come" und "The Piper At The Gates Of Doom" holen die Lokalmatadoren von DOOMSHINE zum dritten Schlag aus. Dabei stehen die Zeichen im Vorfeld eher schlecht: diesmal gibt es keinen "Doom-Witz" im Albumtitel, der sonst eloquent  gekleidete Gitarrist Sven trägt diesmal kein edles Hemd auf den Promofotos und generell erschien das Album unter enormem Zeitdruck nur 5 Jahre nach seinem Vorgänger. Warum das Album dennoch den Erwartungen entspricht erklären euch unsere kompetenten Therapeuten:

Ob DOOMSHINE momentan wirklich das Beste ist, was der deutsche Epic Doom zu bieten hat, möchte ich an dieser Stelle nicht entscheiden. Jedenfalls ist die Band um Timmy Holz nach drei amtlichen Studioalben auf dem besten Wege, über sich hinaus zu wachsen. "The End Is Worth Waiting For" stellt seinen Vorgänger "The Piper At The Gates Of Doom" nämlich locker in den Schatten, auch wenn man fünf lange Jahre auf neues Material warten musste. Doch die Schnellsten waren die Jungs noch nie, die Strapazen haben sich dennoch gelohnt, Album Nummer drei besticht vor Tiefgang, hochepischen Arrangements und vereinzelten Gänsehautmomenten, die dieses siebenteilige Doom-Monument zu einem wirklich tollen Album avancieren lassen. Sicherlich zündet nicht jeder Ton, an die immense Schwere muss man sich zunächst auch lange gewöhnen und an manchen Stellen vermisse ich bei den Jungs auch das letzte Quäntchen Konsequenz. Doch wenn wir einmal 'Witchburn Road', 'Moontiger' oder 'Shelter Of The Beast' aus diesem Opus herauspicken, diese erhabene Aura erkennen, die von einer bedrückenen Schwere umschlungen wird, uns eine dichte Wolkendecke vorstellen, aus der schüchterne Sonnenstrahlen langsam aber sicher ausbrechen und das Tal der Melancholie mit Wärme und Epik beschenken, dann erfüllt DOOMSHINE jenen Zweck, den die Band anfangs ins Visier nimmt. Ich mag das Album, ich mag die Ausrichtung der Jungs und ich mag das Gefühl, das nach Ablauf der Stücke in mir schlummert. 8 points for Ludwigsburg.

Note: 8,0/10
[Marcel Rapp]


Im Gegensatz zu Kollege Rapp finde ich die immense Schwere des DOOMSHINE-Albums "The End Is Worth Waiting For" gar nicht gewöhnungsbedürftig, sondern sogleich ganz wunderbar. Dieser schleppende Tiefgang ist es, der das Genre generell und DOOMSHINE speziell hörenswert macht. Überraschenderweise mutet das Werk der Schwaben für mich nicht besonders melancholisch an, es kommt mir eher wie ein riesengroßer, tonnenschwerer Tanker vor, der sich im Binnengewässer langsam vorwärts kämpft. Das gelingt ihm recht gut und trotz aller Anstrengung harmonisch. Zwar ist die Scheibe für meinen Geschmack insgesamt nicht sehr variantenreich – positiv ausgedrückt sind die sieben Titel sozusagen wie aus einem Guss – alle Songs bringen jedoch die nötige Portion Eingängigkeit mit, um mein Interesse zu wecken. Besondere Aufmerksamkeit hat bei mir Track vier mit dem Titel 'The Alchemist Of Snowdonia' erregt, da der tonnenschwere Tanker hier mit seinen lebendigen Gitarrenläufen gleich zu Beginn etwas Fahrt aufnimmt und der Gesang im letzten Drittel des Songs seinen Charakter mit einem aggressiven Einschub verändert. Auch 'Shelter Of The Beast' präsentiert sich auffallend leichtfüßig und schwungvoll, als gehe es flussabwärts. Fast erleichtert fliegen die Finger des Gitarristen über die Saiten, öffnet sich das Herz des Hörenden und es stellen sich Assoziationen ein als würde der tonnenschwere Tanker zu einem leichten Schiff, das über das offene Meer davon segelt.  Und so ist für mich auch ein Qualitätsmerkmal der Musik von DOOMSHINE, dass sie derartige Bilder vor meinem inneren Auge zu erzeugen vermag.

Note: 7,5/10
[Erika Becker]


Doooom. Da bin ich dabei. Epic Doom. Doomdidelei. CANDLEMASS und SOLITUDE AETERNUS hatten mich bereits als durch nasse Tage taumelnder Teenager sehr angesprochen. Der Doom, der aber nunmehr als Oberbegriff für eine ganze Reihe von Stilen, Stilbrüchen gar, herhalten muss, es fast schon ein Lebensgefühl geworden ist, mit dunklen Von-Unten-Selfies, Bärten und viktorianischen Covern zu hantieren. Ja, die Selbstinszenierung ist auch an diesem Untergrundgenre nicht vorbeigeeilt. DOOMSHINE aber gehören zu den Gestrigen: kaum Bärte, unaufgebauschtes Auftreten und an Promosachen alles selbst verfasst. Ehrlich klingt das, gemächlich und gemeinsam wachsend. Epischer Doom von gestern und nie von gestern. Denn wie schon zu sehen ist, gibt es auch hier in der Redaktion eine größere Anbeterschar. Dazu gehöre ich nicht, auch nachdem ich mir das Ganze nunmehr sechs, sieben mal zur Gänze anhörte. Etwas zu behäbig ist es mir, trotz der Unaufgeregtheit und Authentizität, die mir da entgegenschwappt. Ein wenig mehr Aggression in Form von Tempowechseln oder weiterer Gesangsfärbungen hätten mir wohl mehr zugesagt. So hat das Quartett mir eine gute Erinnerung zurückgebracht, mir den Ursprung des Doom wieder bewusster gemacht. Ich werde DOOMSHINE im Winter wieder hervorkramen.

Note: 6/10
[Mathias Freiesleben]


Kollege Mattes greift da wichtige Aspekte auf, zumindest zum Verstehen, vielleicht aber auch zum Mögen der gebotenen Musik: Doom als solches ist bei Weitem nicht mehr das kleine unbeachtete Nischengenre von einst, geprägt von eigenbrötlerischer DIY-Ideologie und Leidenschaft, Musik heute scheinbar nichts, Image dafür alles.
Da wirkt eine Band wie DOOMSHINE aus der Zeit gepurzelt - und in mein Herz. Sehr viel hölzerner ist man diesmal, trockener als noch zu Beginn, man kann sich den Witz kaum verkneifen: typisch schwäbisch-sparsam eben. Verschwunden die hausfrauenkompatible Lieblichkeit vom Debut, die ruhigen Momente noch mehr reduziert, dafür sind die ausladenden Leads im Vergleich zu Album Numero Zwo glücklicher Weise memorabel und ergreifend wie früher. Erika hat vollkommen Recht: aus einem Guss klingt das diesmal - aber eben auch anfangs etwas zu gleichförmig, erschlagend, fordernd. Doch genau hier unterscheiden sich DOOMSHINE von der Konkurrenz: allmählich schälen sich die Melodien von Granaten wie 'Moontiger' oder 'Celtic Glasgow Frost' aus dem reduzierten Geschehen, reifen nach und lassen einen die vielen Details erkennen. Erst allmählich beginnt man zu erkennen, was für ein überbordendes Album das diesmal geworden ist, wie viel Emotion und Herzblut in einem Song wie dem anfangs rasanten 'Shelter Of The Beast' steckt. Schwäbischer Doom aus Schwaben? Find ich gut!

Note: 8,5/10
[Simon Volz]



Doom aus dem schönen Schwabenland, und dann bei allen gelobeshymnt? Da würde ich doch glatt mal den Meckerbosse spielen wollen ... wenn es denn ginge. Aber ich bin ebenfalls begeistert von "The End Is Worth Waiting For", das dem ebenfalls genialen Vorgänger das Wasser reichen kann. Da gibt es eigentlich nichts mehr zu sagen, was nicht bereits erwähnt worden wäre. Mein Gefühl ist, dass DOOMSHINE allgemein unter Wert geschlagen werden, denn eigentlich müssten die mittlerweile locker an der Seite von CANDLEMASS oder SOLITUDE AETURNUS stehen, die großen Kultstatus genießen. Mittlerweile meine ich, dass da ein Thron bedenklich zu wackeln beginnt. Drei Alben auf diesem Niveau bedeuten Pflichtfutter für alle Doomfans und dann vielleicht mal live auf dem Keep It True? Ich bin sicher, kein Vulkanausbruch der Welt hält diese Schwaben fern.

Note: 8,5/10
[Frank Jaeger]


Das Schwabenland ist seit langen Jahren schon für seine mehr als nur bemerkenswerte traditionelle Metal-Szene bekannt, hat seit jeher aber auch feinsten Doom Metal in epischer Form zu bieten. Zwar sind weder DAWN OF WINTER noch MIRROR OF DECEPTION zu den übermäßig „produktiven“ Zeitgenossen zu zählen, wenn man von deren Veröffentlichungen spricht - ihre Fans bleiben diesen Formationen aber dennoch selbst über lange „Durststrecken“ hinweg treu, weil ihnen die Qualität „ihrer“ Helden ganz einfach bewusst ist.

Nicht zuletzt deshalb ist auch davon auszugehen, dass die ebenso aus dem Raum Ludwigsburg stammenden Herren von DOOMSHINE durch bloße Erwähnung der Tatsache, dass die Band endlich wieder mit einem neuen Album am Start ist, für unruhiges Zittern in der Fanbase sorgen werden. Völlig zu Recht, denn die fünf Jahre „Pause“ seit dem letzten Dreher “The Piper At The Gates Of Dawn“ verkommen auf Anhieb zu einer Randnotiz.

Die sieben neuen Nummern erweisen sich nämlich schon auf den ersten Höreindruck als wahre Perlen. Getragen von den erhaben, epischen Gitarrenpassagen von Szene-Original Sven Podgurski (zur Erinnerung: Sven hatte zunächst bei VARIETY OF ARTS und später bei TRAGEDY DIVINE die Sechssaitige bedient, ehe er sich SPIRAL TOWER angeschlossen hat – allesamt Urgesteine der schwäbischen Metal-Szene) kredenzen die Herrschaften einmal mehr herrliche Elegien, die jedoch nicht nur vom Tiefgang leben, sondern auch von markanten und einprägsamen Melodien geprägt sind.

Sprich, DOOMSHINE weiß bei aller Erhabenheit und verbreiteter Trauer immerzu auch mit dem berühmten Hoffnungsschimmer aufzuwarten. Nicht minder eindrucksvoll wie die Musik in ihrer Gesamtheit ist auch die Gesangsperformance von Timmy Holz. Zwar verfügt der gute Mann nicht über die Ausdruckskraft eines Gerrit Mutz, noch ist seine Stimme mit einem vergleichbaren Charisma wie jene von Messiah Marcolin oder Robert Lowe gesegnet, für die Kompositionen seiner Band ist sein Organ jedoch absolut perfekt, zumal er beispielsweise ‘Shelter Of The Beast‘ zu einer gehörigen Portion Rohheit und „Dreck“ verhilft und die Wirkung der Nummer sogar noch intensiviert.

Der gute Mann kann jedoch nicht nur so richtig räudig loslegen, er hat auch den erhabenen, immer wieder anklagend wirkenden Klargesang immer noch drauf. Damit brilliert er vor allem in Melancholie-beladenen, tiefschürfenden Tracks wie 'Third From Inferno' oder 'Alchemist Of Snowdonia', setzt damit aber auch in ansonsten deftigeren Tracks feine Kontrapunkte. Letztgenannte Nummer ist auch insofern interessant ist, da Timmy Unterstützung von seinem Vorgänger Sascha Holz erhält. Coole Sache auch!

Doch nicht nur damit wird klar, dass die Band liebgewonnene Traditionen weiterhin auf feine Weise pflegt. Auch ihr Faible für geniale Wortspielchen haben die Schwaben beibehalten. Nachzuhören unter anderem im famosen Opener ‘ Celtic Glasgow Frost‘, dessen Text klarerweise jede Menge lyrische Verbeugungen vor der schweizerischen Metal-Ikone beinhaltet, dazu aber auch typisch Fußball-Stadion-kompatibles. Auch wenn das völlig unvereinbar klingen mag, die Chose kommt bestens zur Wirkung, was man von “The End Is Worth Waiting For“ in seiner Gesamtheit, aber auch für jedes Detail sagen kann. Respekt!

Note: 9,0/10
[Walter Scheurer]

 

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Hauptreview von Raphael Päbst

Soundcheck August 2015

Redakteur:
Simon Volz

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