Gruppentherapie: GRAVE DIGGER - "Return Of The Reaper"

30.07.2014 | 14:37

GRAVE DIGGERs Neue nun auch in der großen Gruppentherapie - allerdings mit einigem Genörgel und Gefrotzel seitens der Kollegen. Vor allem der Boltendahlsche Gesang (war ja klar!?) will nicht so recht auf Gegenliebe stoßen - zumindest bevor Rüdiger und Martin den Laden wieder aufräumen.

Es sind GRAVE DIGGER-Wochen bei POWERMETAL.de. Auf die dreiteilige Interview- und Listening-Session-Verarztung von Marcel (Teil1, Teil2, Teil3) folgt jetzt noch eine ausführliche Gruppentherapie. Viel Spaß!

GRAVE DIGGER ist ja ein bisschen das Galileo des deutschen Metal, mit Konzeptalben, die gerne zwischen Infotainment und Bildungsauftrag der Mittelstufe pendeln. Insofern hoffte ich kurz, dass die "Rückkehr des Erntehelfers" sich endlich den aktuellen Themen wie fiktiver Armutseinwanderung und der Ausbeutung saisonaler Arbeitskräfte in der Landwirtschaft widmet, also ein Wechsel von Geschichte zu Sozialkunde im Boltendahlschen Schaffen. Doch weit gefehlt, die einzige Landwirtschaftsmetapher, die der Sensenmann hier ermöglicht, ist das Dreschen von Metal-Klischees. Es gibt kein Konzept, sondern Songs über Motorräder, Tod, Teufel und textliche Widersprüche, dazu eine - für GRAVE DIGGER-Verhältnisse - große Abwechslung im Songwriting und damit drängt sich der Vergleich zu "Ballads Of A Hangman" auf, dem letzten wirklich unterhaltsamen Album der Gladbecker. An das kommt man nicht ganz ran, kann aber ganz gut unterhalten, wenn man akzeptiert, dass es bei GRAVE DIGGER niemals guten Gesang, immer noch den härtesten deutschen Akzent und chronisch unterforderte Gitarristen gibt. Live und wenn ich betrunken, nostalgisch oder euphorisiert genug bin, macht das nach wie vor richtig Spaß, auf Tonträger bietet GRAVE DIGGER inzwischen einfach zu wenig Interessantes und zu viele Dinge, die mich ärgern oder über die ich mich lustig machen muss. Bonuspunkte gibt es aber für die Kuhglocke in 'Dia De Los Muertos', ansonsten bleibt die Erkenntnis, dass sich unsere Wege vor spätestens fünf Jahren getrennt haben.

Note: 6,5/10
[Raphael Päbst]


Ein neues Album der teutonischen Urgesteine von GRAVE DIGGER. Eine Band, die 1984 mit ihrem Debütalbum "Heavy Metal Breakdown" wunderbar in den Zeitgeist passte. Das Album lief rauf und runter, dazu wurden die Luftgitarren geschwungen und die Köpfe gewackelt. Dann kam mit "Witch Hunter" die erste misslungene Kurskorrektur mit dem Bügeleisen bis man mit "War Games" versuchte diesen Fehltritt wieder auszumerzen. Es folgten die langen Jahre der Funkstille bis man es erneut versuchen wollte. Das Motto lautete nun:"Wir schreiben Geschichte(n) und basteln Konzepte." Eigentlich gut gemeint, leider nur nicht gut ausgeführt. Denn was helfen die besten Absichten, wenn man sie nicht umsetzen kann? Aha. Dabei will ich gar nicht von den spielerischen Fähigkeiten der jeweils beteiligten Musiker reden, sondern eher von der Fähigkeit Songs zu schreiben, deren Originalitäts-Bonus nicht einzig und allein darin besteht, dass der Frontmann nicht singen kann. Bei aller Sympathie für das Durchhaltevermögen eines Chris Boltendahl, ich kann mit seinem heiser-kehligen Sprechgesang überhaupt nichts anfangen. Dazu kommen Songs, die all das verkörpern, was ich in meinem Heavy Metal nicht hören möchte: Altbackene Riffs, Melodien, die beim zweiten Mal anhören schon nervig klingen und hüftsteife Rhythmik. Wo zum Beispiel eine musikalisch ähnlich angelegte Band wie ACCEPT mit spritzigem Riffing meist alles retten kann, werden im Hause GRAVE DIGGER leider immer wieder längst auswendig gekannte Akkordfolgen abgespult. Ich weiß, dass es eine ausreichende Fanschar für diese Art von Musik gibt und ich bin froh, dass diese Fans GRAVE DIGGER hören anstatt SABATON, denn immerhin ist die Musik ehrlich und handgemacht. Obendrein wissen die Herrschaften, wie ein Heavy-Metal-Album zu klingen hat, denn das Soundbild ist ein absoluter Pluspunkt dieser Veröffentlichung. Wenn jetzt bloß die Musik auch noch toll wäre...

Note: 5,0/10
[Holger Andrae]

Mich stört weder der Gesang, noch, dass die Mannen an der Gitarre über ihre Aufgabe hier sicherlich wieder einmal nicht ins Schwitzen kommen. Ihre Musik war schon immer simpel und trotzdem immer wieder wahnsinnig gut dabei. Nur balanciert dieser Teutonic Heavy Metal im Allgemeinen und GRAVE DIGGERs besonders - so scheint's - aufgrund dessen auf einer haarscharfen Schneide zwischen heiß oder Scheiß. Um hier ein richtiges Klasse-Album abzuliefern, muss wirklich jeder Riff und Refrain stimmen und die Arrangements müssen die ohnehin schnell aufkommende Redundanz durch den einen oder anderen Kniff kaschieren und doch für Spannung sorgen. Für ersteres hapert es hier immer wieder mal an Inspiration, für letzteres fehlt es wohl schlichtweg immer wieder an kompositorischem Können. Die Strukturen sind die gleichen, einfachen wie eh und je, und manchmal sogar noch einfacher. Das alles ist nicht schlimm und macht die Scheibe auch nicht schlecht, aber etwas unbefriedigend, wenn man sie mehr als nur beim Zocken nebenher laufen lassen will. Mit dem Opener 'Hell Funeral' hat man auch einen Kracher, der sich gerne im Live-Set blicken lassen darf. Aber in Anbetracht jüngster Leistungen von Größen wie ACCEPT oder meinetwegen auch MOTÖRHEAD, die sich mit ähnlichen Problemen rumzuschlagen, ist die unten stehende Wertung eher der Liebe zu einer meiner ersten Metal-Bands geschuldet.

Note: 7,0/10
[Christian Schwarzer]

Ich habe ja nun durchaus eine stärker ausgeprägte Vorliebe für simplizistischen teutonischen Heavy Metal als manch ein anderer hier, doch letztlich machen mir GRAVE DIGGER die gleichen Schwierigkeiten wie den Kollegen. Auf Albumlänge ist Chris Boltendahls Stimme und sein abenteuerlicher Akzent doch immer wieder eine Herausforderung, der ich mich vor einer Bühne sehr viel lieber stelle als zuhause vor der Anlage. Also bleibt mir nichts weiter übrig als die Songs aus dem Kontext des Albums zu lösen und sie für sich selbst zu betrachten. Da macht "Return Of The Reaper" dann eine sehr gute Figur, denn 'Hell Funeral', 'Wargod', 'Tattooed Rider' und 'Ressurrection Day' haben direkt alles, was am klassischen Teutonen-Metal toll sein kann. Nun ist es allerdings schon so weit, dass ich eine Boltendahl-Pause einlegen muss, um mich für eine weitere Ladung Akzent wappnen zu können. Das stärkste Alleinstellungsmerkmal von GRAVE DIGGER ist eben leider auch die schmerzhafteste Achillesferse. Die 'Season Of The Witch' hält von einem hübschen Chor getragen stampfend Einzug, der 'Road Rage Killer' hat dem Titel gemäß ordentlich Speed drauf, der 'Grave Desecrator' punktet in seinem stampfenden Midtempo mit einem starken Ohrwurm-Refrain, die Kuhglocke in 'Dia De Los Muertos' fiel mir auch direkt positiv auf und ließ mich breit grinsen und der Refrain von 'Death Smiles At All Of Us' nimmt mich direkt so mit, dass ich zurücklächle. Soweit, so gut? Fast, denn getragene Balladen mit Zuckerguss wie 'Nothing To Believe' sollten wirklich nur von Sängern gesungen werden, die auch die entsprechende Stimme haben, sodass es hier leider auf der Ziellinie noch eine Bruchlandung zu vermelden gibt. Am Stück genossen ist 'Return Of The Reaper' also wie erwartet eine wegen Chris Boltendahl schwierige Angelegenheit. Wenn ich hingegen Song für Song höre und mich ausreichend von Boltendahls Akzent erholen kann, ist es eines der besten GRAVE DIGGER-Alben der jüngeren Vergangenheit.

Note:7,0/10
[Arne Boewig]

Wo der eine oder andere Kollege sich auch nach drölfzig Jahren noch über Chris Boltendahls Stimme und seinen Akzent ärgern möchte, und wo der nächste ein vorhersehbares Songwriting, logische Lücken und simple Riffs beklagt, da bin ich für derlei Beanstandungen offenbar viel zu abgestumpft, oder - um es positiv zu formulieren - noch immer viel zu sehr auf GRAVE DIGGER geeicht. Chris' raues, eigenwilliges Organ hat mich noch nie gestört, und die schauflerische Mischung aus stampfender Teutonik, getragener Epik und gelegentlichen speedigen Ausbrüchen mundet mir nach wie vor sehr gut. Wie Raphael schon erwähnt hat, haben wir dieses Mal kein richtiges Konzeptalbum, was die Sache gemeinhin deutlich auflockert. So gehörten ähnlich gelagerte Scheiben wie etwa "The Grave Digger" oder eben "Ballads..." stets zu meinen Favoriten aus der Gladbecker Stahlschmiede. In diese Kerbe schlägt nun auch "Return Of The Reaper": Die Songs sind simpel, eingängig und gehen direkt in Nacken und Beine, der Sound ist erstklassig, nicht zu poliert und doch knackig und klar, und was an Gitarrenfeuerwerk gerade bei den Soli abgefeuert wird, finde ich schon ziemlich beeindruckend. Da hat der Rittmeister doch ordentlich für frischen Wind gesorgt. Warum es dann doch nicht ganz für eine Spitzenwertung langt, das ist schnell erzählt: Die besten Songs auf den genannten Referenzalben haben mich einfach noch ein gutes Stückchen mehr gekickt, als es die Highlights auf der neuen Scheibe vermögen. Dennoch: Für den passionierten Hobby-Grabschaufler ist auch "Return..." eine lohnende Anschaffung, denn egal ob der Trauermarsch als Intro, das tolle 'Tattooed Rider' oder der kurze Härtner 'Satan's Host' mit seiner MOTÖRHEAD-Schlagseite ins Gebälk kracht: Man weiß immer, was man bekommt, und Uncle Reaper liefert!

Punkte: 7,5/10
[Rüdiger Stehle]

Meine Vorfreude auf den neuen GRAVE DIGGER-Output "Return Of The Reaper" hielt sich zunächst in Grenzen. Vor allem auch deshalb, weil ich der vorletzten Scheibe "The Clans Will Rise Again" nach wie vor nur wenig abgewinnen kann. Doch Chris Boltendahl und seine Mannen hauen zu meiner Verzückung mit ihrem neuesten Werk wieder richtig ins Mett. Sowohl in Sachen Intensität als auch in punkto Effektivität der Stücke. Und dies gelingt der altgedienten Truppe so überzeugend, dass "Return Of The Reaper" für mich persönlich die musikalisch zwingendste Scheibe der Totengräber seit rund zehn Jahren ist! Das Vorgängerwerk "Clash Of The Gods" lässt die Teutonen-Legende qualitativ hörbar hinter sich. Gerade die ersten vier Stücke des Werkes - allen voran der Ohrwurm 'Tattooed Rider' und das sehr knackig ballernde 'Hell Funeral' - sind Bombe und einfach urtypische, packende GRAVE DIGGER-Gewächse. Auch mit dem Uptempo-Knüller 'Road Rage Killer' und dem hymnenhaften 'Seasons Of The Witch' fährt GRAVE DIGGER stark inszenierten klassischen Metal auf. Die Songs wurden ausgesprochen druckvoll auf Tonträger gebannt. Ganz besonders der mega-fette Gitarrensound hat es mir angetan. Da könnte sich JUDAS PRIEST gerne mal eine Scheibe abschneiden, denn "Redeemer Of Souls" würde mit einer stärkeren Produktion auch eine andere Durchschlagskraft entfalten. Nach diesem kleinen Seitenhieb schwenke ich wieder zu "Return Of The Reaper": Dieser GRAVE DIGGER-Output lässt aufhorchen im besten Sinne! Kaufen!

Note: 9,0/10

[Martin Loga]

Redakteur:
Thomas Becker

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