Gruppentherapie: MANILLA ROAD - "Mysterium"

05.02.2013 | 08:08

"Mysterium" - das neue Album der Epic-Metal-Pioniere MANILLA ROAD - schliesst die Gruppentherapie-Serie zum Januar-Soundcheck ab. Auch hier wurde nicht jeder mit der Musik warm.




Dass mir der Name MANILLA ROAD sehr bald einfällt, wenn es darum geht, den Inbegriff des epischen Stahls zu definieren, ist längst kein Geheimnis mehr. So erhielten zuletzt Alben wie die beiden Vorgänger "Voyager" und "Playground Of The Damned" von mir sehr gute Wertungen, obwohl diese wegen des seltsamen Sounds (insbesondere des Schlagzeugs) durchaus zu Recht in der Kritik standen. Nun wird keiner erwarten, dass Epik-Großmeister, Sänger und Charakterklampfer Mark Shelton mit seinen Mannen bei mir plötzlich durchfällt, wenn man nicht zuletzt aufgrund des Neuzugangs Andreas Neuderth (u.a. ROXXCALIBUR, ex-VIRON) am Schlagzeug nun auch noch mit einem zeitgemäßen und doch klassischen, differenzierten und druckvollen Sound antritt. Da könnte der Band aus Wichita dann nur noch schwaches Songwriting einen Strich durch die Rechnung machen, doch auch damit sollte nach über 35 Jahren Erfahrung keiner rechnen. Die Band liefert auch 2013 zu 100% die gewohnte Qualität ab. Im Großen und Ganzen etwas straighter und direkter ausgerichtet als auf den drei Vorgängern, finden sich auf "Mysterium" naturgemäß Zitate zu allen bisherigen Bandphasen, wobei das klare, epische Element nochmals deutlich zugenommen und dafür die thrashig-brachiale Facette weiter abgenommen hat. Der Shark und der Hellroadie teilen sich den einzigartigen nasal-beschwörenden Gesang meisterlich, Growls und extremere Töne verschwinden nahezu vollständig. Bei der rein akustischen Ballade 'The Fountain', die stark an das Material von Mark Sheltons Soloalbum erinnert, sorgt die Band für eine wohlige Gänsehaut nach der anderen, und bei 'The Battle Of Bonchester Bridge' und dem abschließenden zwölfminütigen Titelepos ziehen die Herren aus Kansas und der Pfalz wirklich alle Register ihres Könnens. Den halben Punkt Abzug gibt es einzig und allein deshalb, weil die großen Klassiker der Achtziger für einen langjährigen Fan eben nicht mehr ganz erreicht erreicht werden können. Aber von diesem "Makel" abgesehen, der für einen neu hinzu gewonnenen Fan vielleicht gar keiner sein muss, kann ich mir echt nicht vorstellen, wie die Band anno 2013 ihre Fans hätte besser bedienen können.

Note: 9,5/10

[Rüdiger Stehle]


Mein erster Kontakt mit MANILA ROAD ist HELLWELL gewesen. Und die finde ich ziemlich cool, obwohl mir der Sound dort wahrlich nicht taugt. Doch die laute Orgel überspielt viele Gitarrenriffs, was zusammen mit dem knitterigen Gesang ein recht originelles Klanggemisch ergibt. Auf "Mysterium" gibt es im Prinzip eine ähnliche Mucke zu hören, nur eben nicht mit Orgel und im Durchschnitt etwas straighter. Der Gitarrensound ist ähnlich katastrophal wie bei HELLWELL, es klingt wie ein billiger Treter, den man an eine billige P.A. angeschlossen hat und dabei übersteuert. Voll hässlich. Doch ähnlich wie bei der HELLWELL schafft es die Band, ihrer Musik ein charakteristisches Moment zu verleihen. Ja, die Mucke hat durchaus Charme, ist sehr old-schoolig, herrlich kauzig (ein neues Modewort im Zusammenhang mit Metal?) und dabei dennoch ungemein abwechslungsreich. "Mysterium" ist eine Scheibe, bei der man immer mal wieder nachschaut, ob man tatsächlich noch MANILA ROAD hört. Gerade gegen Ende präsentiert man sich extrem variabel. Die wunderbare Ballade 'The Fountain' erinnert mich sehr stark an die australischen Progger ARAGON und der Longtrack 'Mysterium' spielt mit herrlicher Seventies-Psychedelia und erhabenen Epic-Metal-Passagen. Falls sich die Band mal entscheidet, zu Lasten einer fragwürdigen "Kauzigkeit" einen gescheiten Klampfensound zuzulegen und ihre Experimentierfreude weiter auslebt, würde sogar eine Note im Neunerbereich möglich werden. Es sind bei MANILLA ROAD nämlich alle Anlagen vorhanden, mehr zu werden als nur ein Geheimtip für Undergroundmetaller.

Note: 7,5/10
[Thomas Becker]





Auch beim erneuten Durchhören (zu dem ich mich erst mal überwinden musste) für diese Gruppentherapie, bekomme ich immer noch Schüttelanfälle. Viele Kritikpunkte wurden von meinen Kollegen schon genannt: Der schwache (Gitarren-)Sound, der näselnde Gesang, ausufernde Songs. Ich komme jedoch zu einem anderem Ergebnis als mein Vorschreiber, ich höre da nichts "originelles". Aber nicht nur wie es klingt, sondern auch was gespielt wird, lässt mich nicht im Dreieck springen. Das ist alles sehr, sehr durchschnittlich.Würden MANILLA ROAD so gut abschneiden, wenn sie nicht auf einen langen Lebenslauf zurückschauen könnten? Ich weiß es nicht, aber einige Kollegen kommen an einem Vergleich mit früheren Glanztaten nicht vorbei. Mich packt "Mysterium" so gar nicht, die Songs wabern alle ziemlich aussagelos aus den Boxen, außer das Gefühl genervt zu sein, bleibt kaum was zurück. Ob das Songwriting gut ist, vermag ich daher kaum zu sagen. Es gibt aber durchaus Momente, in denen ich aufhorche. Und zwar in den ruhigen, mystischen Songs - 'The Battle Of Bonchester Bridge', 'The Fountain' und in großen Teilen der Titelsong - gefallen mir im Vergleich zu dem restlichen Material richtig gut, vor allem weil Mark Shelton zeigt, dass er eine angenehme Stimmlage hat, die nicht so aufreibend ist. Leider habe ich die Songtexte nicht vorliegen, die könnten aufgrund des epischen Aushängeschilds interessant sein. Mein Schluss lautet daher: Wenn MANILLA ROAD mehr Songs schreiben, die in diese Richtung gehen, bin ich Willens meine Notenskala nach oben hin zu öffnen.

Note: 4,0/10
[Jakob Ehmke]





Wer hätte gedacht, dass diese Scheibe so polarisiert? Und dann muss mir noch jemand sagen, warum das so ist. Denn MANILLA ROAD machen doch eigentlich nichts Schlimmes. Sie führen ihren alten Stil weiter, knüpfen an das tolle “Playground Of The Dead“ an, gehen dabei aber für mich gefühlt etwas zurück in die Frühphase. Der knödelige Gesang ist immer noch originell, Herr Ehmke, und die epischen Songs sind ganz sicher das Futter, das die Fans hören wollen. Und dazu gehöre ich nun einmal. Dass das Album nicht der ganz große Wurf ist, liegt an zwei Dingen: Zum ersten kann ich nicht anders, auch ich muss einfach jedes MANILLA ROAD Album mit den Großtaten der Achziger vergleichen, und dass die neuen Scheiben schlechter abschneiden, liegt ganz sicher mehr an mir als an den Kompositionen. Zum Anderen gibt es immer wieder ein paar Sequenzen, die ich nicht ganz so gelungen finde. Gleich 'Stand Your Ground' ist eher mittelmäßig und 'The Battle Of Bonchester Bridge' ist zu lang. Und 'The Calling' völlig überflüssig. Dafür gibt das abschließende Elf-Minuten-Epos 'Mysterium' eine gehörige Gänsehaut. Im direkten Vergleich finde ich den Vorgänger jetzt noch einen Tick besser, aber das könnte sich noch geben.

Note: 7,5 /10
[Frank Jaeger]

MANILLA ROAD gehört zu jenen Bands, deren Alben mir grundsätzlich immer gut bis sehr gut gefallen, mich aber sehr selten in helle Begeisterung versetzen. Ich schätze das Eigenständige und Charismatische am verschrobenen Sound dieser Underground-Institution und kann mir einfach nicht vorstellen, dass diese Band eines Tages mal signifikant anders klingt, als sie es auch auf "Mysterium" wieder tut. Schnurrende Epic Metal-Riffs, staubtrockene Bassläufe und dezentes 1970er-Feeling sorgen für einen entspannten Hörgenuss. Dazu kommt dieser einzigartige Gesang, der mich immer glauben lässt, dass deren Urheber bei den Aufnahmen zwei Tampons in der Nase gehabt haben müssen. Natürlich gehört diese Musik in ein anachronistisches Soundgewand gehüllt; Rüdiger war geschickt genug diesen Klang als "zeitgemäß" zu bezeichnen, was vieldeutiger ist als "modern", doch die meisten Zeitgenossen benutzen diese beiden Begriffe quasi synonym. Daher sollte man wohl eher von "stilgemäß" sprechen. Somit ist eigentlich alles in bester Ordnung, MANILLA ROAD-Fans werden "Mysterium" lieben. Und wer bisher mit dieser Band Probleme hatte, wird sie auch weiterhin haben. Bleibt noch die Frage nach der Qualität der einzelnen Kompositionen. Und da wundere ich mich schon, dass Frank ausgerechnet das aufbrausende, kurz und knackige 'Stand Your Ground' für mittelmäßig hält. Aus meiner Sicht ist der Song ein Highlight des Albums. 'Do What Thou Will' entwickelt sich schnell zum Ohrwurm, diese Nummer wird sich live hervorragend machen. 'Hallowed Be Thy Grave' punktet mit wunderschönen Melodien und einer angenehm melancholischen Atmosphäre. Der abschließende Titelsong wird beinharten MANILLA-Maniacs vermutlich Freudentränen und die Augen treiben; mir ist er etwas zu zäh und zu langatmig. Summa summarum hat "Mysterium" also alle Erwartungen erfüllt und verdient durchaus Komplimente. Dennoch sollte ich erwähnen, dass in meiner Note ein halber Sympathie-Bonuspunkt enthalten ist.

Note: 8,0/10

[Martin van der Laan]


Ich werde jetzt nicht mehr viele Worte darüber verlieren, aber ja, der Sound ist tatsächlich recht dürftig und schmälert das Hörerlebnis erheblich. Ich stelle mir grad einen Song wie 'Hermitage' in kraftvollem Klanggewand vor. Aber sei's drum, MANILLA ROAD mögen es offenbar genau so haben. Und es ist nicht zu überhören, dass im Gegensatz zur Spielwiese der Verdammten die Songs mit mehr Tempo und Abwechslung aufwarten, das ist gefälliger, dynamischer und mehr im Fluss. Am besten finde ich das verfriemelte 'Mysterium' als finalen Höhepunkt. Eine wunderbare, lässig sich aufbauende Nummer, bei der die Psychedelic-Elemente für zusätzliche Würze sorgen. Doch neben mehr Riffbetonung (auch 'Only The Brave' rockt prima durch die Heide) auf der Habenseite empfinde ich den Gesang dieses Mal als weniger spannend. Eine besondere Affinität zum näselnden Genuschel von Mark Shelton habe ich eh nicht; vielleicht fehlt mir deshalb das Wechselspiel mit dunkleren Vocals etwas, das es auf der vorigen Platte vereinzelt zu hören gab. Alles in allem bleibt MANILLA ROAD aber ein Fall für die Fans dieses Sounds. Auch wenn ich einige interessante Facetten entdecke und bei zwei, drei Songs richtig mitgehen kann, so wirklich warm werde ich damit dann doch nicht.

Note: 7,0/10
[Stephan Voigtländer]


Mehr zu diesem Album:
Soundcheck 01/2013
Hauptrezension von Martin Loga

Redakteur:
Thomas Becker

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