Gruppentherapie: OVERKILL - "The Grinding Wheel"

14.03.2017 | 10:35

Ausschließlich Noten über 7,5 in unserem Februar-Soundcheck, eine mehr als begeisterte Rezension meines Kollegen Marcel Rapp - da ist es natürlich kein Wunder, dass sich das aktuelle OVERKILL-Werk "The Grinding Wheel" den Thron im vergangenen Monat sichern konnte. Grund genug für uns, die Faszination dieses Silberlings in einer Gruppentherapie zu ergründen. Doch obacht, nicht jeder teilt die restlose Begeisterung unserer Soundcheck-Crew. Aber lest selbst.

Eigentlich hat Marcel in seiner Rezension mit der Aussage "Wo OVERKILL drauf steht, steckt auch OVERKILL drin" den Kern der mittlerweile 18. Scheibe der Urgesteine aus New York vollkommen richtig erfasst, denn "The Grinding Wheel" liefert einmal mehr temporeichen, energiegeladenen und kompromisslosen Thrash Metal, wie ihn die Fans von Bobby "Blitz" Ellsworth und seinen Mitstreitern inzwischen kennen. Trotzdem fehlt dem neuen Silberling irgendwie der letzte Kick, der mich die Begeisterung meines Kollegen teilen lassen würde. Am Songmaterial kann es eigentlich nicht liegen, denn mit 'Our Finest Hour', dem schmucken 'The Long Road' oder dem Kracher 'The Wheel' haben die Amerikaner wieder einige echte Volltreffer am Start. Trotzdem will die Platte auch nach mehreren Hördurchläufen bei mir nicht im Ansatz einen so bleibenden Eindruck wie das grandiose Frühwerk des Fünfers hinterlassen. Ob es am immer gleichen Rezept liegt, mit dem die Truppe seit weit mehr als 35 Jahren zu Werke geht, oder ob sich der rasante Sound der Herren inzwischen für mich persönlich einfach abgenutzt hat, vermag ich nicht so eindeutig festzustellen. Fest steht aber, dass "The Grinding Wheel" zwar durchaus solide Thrash-Kost abliefert und auch den OVERKILL-Anhängern wieder viel Freude bereiten wird, gleichzeitig aber nicht mit den überraschend starken Releases vieler Genre-Kollegen aus dem vergangenen Jahr mithalten kann.

Note: 7,0/10
[Tobias Dahs]

 

Dass die neue OVERKILL was kann, darüber sind sich unsere Soundchecker ziemlich einig, und das ist natürlich keine allzu große Überraschung. Auch, dass es den New Yorker Veteranen damit zum Soundcheck-Sieg gereicht hat, kann man durchaus noch als erwartbar verbuchen. Allerdings bricht hier bisher weder bei Marcels Einzelrezension noch beim von Tobias vorgelegten Therapieauftakt die Euphorie so richtig durch. Einige Kollegen scheinen in Sachen grün-schwarzer Moderne nach wie vor "Ironbound" für das Maß aller Dinge zu halten, und ja, das Ding war natürlich ein Brecher vor dem Herrn. Dennoch muss ich bekennen, dass ich die Frage nach der besten neuzeitlichen OVERKILL-Scheibe ein wenig anders beantworte. Bei aller Klasse der Songs war mir bei dem in Eisen gebundenen 2010er Werk nämlich der Sound etwas zu erdrückend und ballernd. Hier hat für mich die neue Scheibe die Nase ein gutes Stück weit vorne, denn auch wenn sein Ruf gemeinhin Gegenteiliges erwarten lässt: Andy Sneap hat "The Grinding Wheel" einen lockereren Sound zurecht gezimmert als seinerzeit der Kollege Tägtgren. Die Scheibe kann atmen, sie kommt entspannter aus den Boxen, aber nicht dröge; nein, sie ist spritzig und sie klingt lebendig, und all das spiegelt sich auch im Songwriting wider, das an manchen Stellen etwas punkiger und rockiger geraten ist. OVERKILL ist aber logischerweise vor allem dann bärenstark, wenn man sich im typischen thrashigen Speed Metal ergeht, wie etwa beim kolossalen 'Our Finest Hour', dessen leicht vertrackte Rhythmik richtig Laune macht. Das neue Album besticht zudem durch seinen Abwechslungsreichtum: Das Gaspedal ist nicht immer durchgetreten, bisweilen weisen einzelne Songs auch mal richtig effektive Tempobremsen auf, wie etwa bei 'Shine On' oder dem genialen 'The Long Road'. So ist "The Grinding Wheel" unterm Strich ein Album, dem man die Spielfreude anmerkt, und das auf sehr ungezwungene Weise Volltreffer um Volltreffer setzt, so dass ich durchaus lange überlegen muss, wann mir die Band zuletzt so gut gefallen hat, und ich denke, dass das im Zweifel Mitte der Neunziger gewesen sein dürfte. Spätestens.

Note: 9,5/10
[Rüdiger Stehle]

 

Neuer OVERKILL-Stoff ist meist eine frohmachende Botschaft. Wobei ich zugeben muss, dass die letzten beiden Alben nicht den stärksten langfristigen Eindruck bei mir hinterlassen haben. Von "White Devil Armory" habe ich weiterhin kaum was im Ohr, obwohl ich sie die Tage wieder aufgelegt habe. Da ist "The Grinding Wheel" gleich ein ganz anderes Kaliber. Die Band ist wieder abwechslungsreicher, ohne in irgendeinem Moment nicht nach OVERKILL zu klingen. Für mich hat die Band ihr stärkstes Album seit etlichen Jahren veröffentlicht. Hier gibt es Melodisches, Thrashiges, ein bisschen US-Metal und natürlich die wunderbare Blitz-Stimme, die OVERKILL immer einen Tick über andere ähnlich zuverlässige Bands wie ANVIL oder ANNIHILATOR erhoben hat. Mit 64 Minuten ist das Album zwar eine Spur zu lang (und 'Emerald' als Cover war nicht die kreativste Wahl), aber wenn die Qualität hoch bleibt, kann man auch mal ne Stunde zuhören. Zu den höchsten Weihen reicht es zwar nicht ganz - trotzdem bin ich eher bei Rüdiger als bei den anderen Rezensenten und freue mich über Hits wie 'Goddamn Trouble', 'Our Finest Hour' oder 'The Long Road".

Note: 8,5/10
[Jonathan Walzer]

 

Natürlich sagt mir OVERKILL was, auch wusste ich, wie ich sie ungefähr einzuordnen habe, doch bis ich mich mich mit einem Album der Band richtig auseinandersetze, sollte es wohl bis 2017 dauern. Doch dafür haut mich "The Grinding Wheel" umso mehr vom Hocker. Wenn eine Band ein 18. Album veröffentlicht und es klingt, als ob sie noch jugendliches Feuer in sich tragen würde, hat sie viel richtig gemacht. Hier reihen sich mit 'Goddamn Trouble', 'Shine On', 'The Long Road', 'Come Heavy' und dem heftigen 'Red White And Blue' Thrash-Hymnen an Thrash-Hymnen. Längst hat Bobby Blitz seine Art des Schrei-Singens perfektioniert, doch bereitet der Gesang auf "The Grinding Wheel" eine der größten Freuden, so klingt er herrlich angepisst und ernsthaft zugleich. Die Songs atmen alle auf ihre Art ihr Leben, simples Thrash-Gebolze darf man hier nicht erwarten, man hört an allen Ecken und Kanten, dass es bei OVERKILL begnadete Songwriter gibt. "The Grinding Wheel" ein Album geworden, dass für mich mehr hergibt als die neue KREATOR. Und das sage ich, der alle KREATOR-Platten im Schrank hat. Meine Soundcheck-Note war etwas zu streng, so würde ich mich hiermit gerne leicht nach oben korrigieren. Danke.

Note: 8,5/10
[Jakob Ehmke]

 

Mit der Einordnung des Albums bin ich hier zu 100% bei Rüdiger. Auch ich finde, dass "The Grinding Wheel" die beste OVERKILL-Scheibe der Moderne ist. Tatsächlich dürfte "The Killing Kind" aus dem Jahr 1996 das letzte Album aus der Blitzschmiede gewesen sein, welches mich ähnlich gefesselt hat. Gerade die erste Hälfte überrollt den Hörer mit seinen schleifenden Rädern förmlich. Egal, ob das famos drückende 'Mean Green Killing Machine', der Hit 'Our Finest Hour' oder das hier schon hervorgehobene 'The Long Road': Das ist alles Spitzenklasse. In der Folge wird es mitnichten schwächer, ich glaube eher, dass ich mich einfach an das ungemein hohe Niveau gewöhnt habe. Natürlich, die ganz großen Klassiker werden wohl immer Alben wie "Feel The Fire", "Takin' Over" und "The Years Of Decay" bleiben, aber der Abstand zu diesen ist überraschend klein. Ein noch viel größeres Kompliment kann ich "The Grinding Wheel" nicht machen.

Note: 9,0/10
[Peter Kubaschk]

Redakteur:
Tobias Dahs

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