Gruppentherapie: WHILE HEAVEN WEPT - "Fear Of Infinity"

22.04.2011 | 13:10

Mit ihrem brandneuen Album präsentieren WHW aus Virginia ein großartiges Werk, das die Tiefe der Seele berührt und das die Soundcheck-Redaktion in Verzückung setzt. Lest, was das Siegeralbum unseres April-Soundchecks so hörenswert macht.



Bei WHILE HEAVEN WEPT war ich mir ja bis zuletzt nicht sicher, ob ich denn den schmachtenden Keyboard-Doom wie auf "Of Empires Forlorn" nun lieber habe, oder doch die nicht minder emotionale und plüschig-progressive Epik des letzten Albums der Amerikaner. Inzwischen glaube ich, dass ich die Frage nicht beantworten muss, weil mir der Auftritt beim "Hammer Of Doom" klar gezeigt hat, dass 'The Drowning Years' mich noch immer genauso fesselt, wie es 'Vessel' gelingt. In dieser Tradition sehe ich auch das neue Album: Bewegende, ausladende Kompositionen mit höchstem technischem und kompositorischen Anspruch, einem großartigen, unverbrauchten Sänger und königlichen Hooklines. Im Vergleich zum Vorgänger sind die Songs zunächst etwas sperriger und vielleicht fehlt oberflächlich betrachtet die ganz große Hymne, aber dafür hat es auch keine ewig ausgewalzten instrumentalen Belanglosigkeiten am Ende. Das macht unterm Strich eine Scheibe, die das sehr hohe Niveau des Vorgängers gut halten kann, und die jeder sein Eigen nennen sollte, der Theatralik, große Emotionen und technische Finesse im Metal schätzt.

Note: 8,5/10
[Rüdiger Stehle]

WHILE HEAVEN WEPT haben mit 'Of Empires Forlorn' einen der spannendsten und großartigsten Epik-Metal-Songs überhaupt geschrieben. Das liegt nun acht Jahre zurück. Seitdem ist viel passiert. Die Ausrichtung der Band veränderte sich leicht. Sie machte einer deutlichen Trendwende zu immer noch einzigartigem, aber deutlich klassischerem Metal Platz. Mit dem Wechsel zu Nuclear Blast stand für viele Fans fest, dass die Band nun endgültig ihren eingeschlagenen Weg verlassen und weit kommerzieller werden würde. Die gute Nachricht ist: Dem ist nicht so. Eine ordentliche, fast old-school anmutende Produktion und ein noch deutlich stärkerer Bezug zu progressivem Heavy Metal machen "Fear Of Infinity" zu einem interessanten und abwechslungsreichen Album. Die Qualitäten der Band, welche sich im hochklassigen Gesang und einprägsamen Melodielinien und Gitarrenleads manifestieren, sind dabei ebenso vorhanden, wie tolle WHW-Momente, die den Hörer knieend vor den Boxen zurücklassen. Dennoch verpasst die Band mit dem Album den großen Wurf. Das liegt daran, dass man sich an den eigenen Großtaten messen lassen muss. Neben dem eingangs erwähnten Song – inklusive Album – darf auch das letzte Werk "Vast Oceans Lachrymose" nicht vergessen werden. Dessen teils unheimlich rauen und ungeschliffenen Songs stellt das neue Album in den kantigen Schatten. Denn eine gewisse arg melodische Gleichförmigkeit muss dem neuen Werk unterstellt werden. Fans wird es dennoch gefallen, Unbedarfte greifen zu den erwähnten Großtaten.

Note: 7,5/10
[Julian Rohrer]




Auf dieses Album habe ich mich gefreut. Weil nämlich mein Erstkontakt, "Vast Oceans Lachrymose", ein echter Augenöffner war. Diese Kombination aus Epic Metal, ausuferndem Prog, hartmetallischen Sprengseln und emotionalen Sounds war eine echte Offenbarung. Damit liegt die Messlatte hoch, und natürlich bin ich hin- und hergerissen zwischen der Hoffnung, alles möge bleiben, wie es war, und der Neugierde, welche Veränderung die Band implementieren kann, um sich weiter zu entwickeln. Tatsächlich hat sie es geschafft, ihrem Stil treu zu bleiben und den Songs dennoch eine andere Farbe zu geben. Allerdings nicht rosig, wie uns das Cover vermuten lassen könnte, sondern eher düsterer. Und was auf dem Vorgänger wie eine Phalanx aus mächtigen, aufeinander abgestimmten Kompositionen wirkte, ist diesmal deutlich eine Sammlung verschiedener Songs, die zwar eine depressive Grundstimmung gemein haben, sich aber dennoch deutlich unterscheiden, so dass man gelegentlich aufblickt und aus seinen Träumen gerissen wird. Als Gesamtkunstwerk ist "Vast Oceans Lachrymose" noch einen Tick besser. Trotzdem: Klasse.

Note: 8,5/10
[Frank Jaeger]


Das ist er also, der unangefochtene Sieger des April. Doch wie beurteilt jemand "Fear Of Infinity", der jenes Scheibchen lediglich in die Europa-League des Soundchecks verfrachtet hat? Als großer Anhänger früherer Schaffenswerke ist man schließlich umso gespannter, wie man sich zwei Jahre nach dem grandiosen "Vast Oceans Lachrymose" präsentiert. Die Truppe aus Virginia versteht es nach wie vor, Epik mit einer gewaltigen Portion Doom und Tiefe miteinander zu kombinieren. Mit einer ungeheuren Detailliebe, einem schier grenzenlosen Abwechslungsreichtum und der bandtypischen WHW-Qualität wurden jene sieben Kunstwerke ausgerüstet, damit auch dem letzten Anhänger das Wasser im Munde zusammenläuft. Paten für diese Merkmale sind das krachende 'Destroyer Of Solace', das wundervoll emotionale 'Unplenitude' und das zu Recht in den Facettenhimmel gelobte 'Finality'. So kann ich es durchaus nachvollziehen, wenn WHILE HEAVEN WEPT beinah der kompletten Redaktion den Kopf verdrehen. Dennoch sehe ich in "Fear Of Infinity" durchaus Steigerungspotential, da mich auch nach dem x-ten Durchlauf die Songs nicht derart packen, wie sie eigentlich sollten. Lässt man die genannten außen vor, fehlt den restlichen vier Songs der gewisse Kick, die Platte in die oberen Sphären zu katapultieren. Da hätte auch "Vast Oceans Lachrymose" einen Tick besser abgeschnitten, obwohl man zwei Jahre später deutlich schwerer und kräftiger zur Sache geht. Dass mir persönlich der Gitarrenklang nicht zusagt, ist jedoch eine Frage des Geschmacks, der bei jedem bekanntlich unterschiedlich ist. Doch Ehre dem, dem Ehre gebührt. Schließlich ist die Europa-League auch etwas Schönes, wenn man nicht gerade die Ambitionen eines FC Bayern Münchens hat.

Note: 7,5/10
[Marcel Rapp]



Fairerweise möchte ich euch vorwarnen: Wenn es um WHILE HEAVEN WEPT geht, kann ich einfach nicht objektiv sein. Seit "Sorrow Of The Angels" aus dem Jahre 1998 verbindet mich eine innige Liebe mit dieser Band. Es gibt kein erhabeneres, mitreißenderes, emotionaleres und magischeres Epic-Metal-Album auf diesem Planeten als "Of Empires Forlorn". Noch heute jagt mir dieses Götterwerk einen Gänsehautschauer nach dem anderen über den Rücken. Schwer fassbar, dass der Nachfolger "Vast Oceans Lachrymose" vor zwei Jahren tatsächlich nahtlos an dieses epochale Meisterwerk anknüpfen konnte. Tatsache ist aber, dass es für eine Band, die zuletzt zwei 10-Punkte-Alben erschaffen hat, eigentlich nur bergab gehen kann. So erwartete ich – angenervt von den scheinheiligen Debatten um den Wechsel zu Nuclear Blast – mit einer Mischung aus Freude und Sorge das neue Album. Nun ist klar, dass die Sorgen unbegründet waren, denn "Fear Of Infinity" zelebriert alle fundamentalen WHILE HEAVEN WEPT-Trademarks in schönster Vollendung. Intensive, klagende Gitarrenwände, breitwandige Melodien, packende Hymnen, träumerische Vocals und dramaturgische Größe charakterisieren diesen Urquell des ästhetischen Genusses. Insgesamt ist die Stimmung etwas getragener und dunkler als auf dem ungeschliffenen, aufwühlenden Vorgänger, doch bei WHILE HEAVEN WEPT wachsen immer zarte Blumen der Hoffnung und Zuversicht auf den Weiden der Melancholie und Finsternis. Genau das zeichnet diese Band so sehr aus. Große Kompositionen wie das unbeschreiblich dichte und intensive 'Hour Of Reprisal', das mächtige Epos 'Obsessions Now Effigies' oder das zum Sterben schöne 'Saturn And Sacrifice' macht WHILE HEAVEN WEPT so schnell niemand nach. Einen halben Punkt ziehe ich allerdings ab, weil mir das allerletzte Fünkchen kompromissloser Genialität und Gottesnähe nach etwa zehn Durchläufen noch fehlt. Aber das kann ja sogar noch kommen.

Note: 9,5/10
[Martin van der Laan]


Tipp:
Kollege Holger Andrae hat eine Einzelrezension zu "Fear Of Infinity" geschrieben, ebenso wie unser Chefredakteur Peter Kubaschk.

Redakteur:
Martin Loga

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