HAMMERFALL: Interview mit Oscar Dronjak

20.09.2014 | 23:56

Nach einer kurzen Pause, in der sich die Mitglieder der Band anderen Projekten widmeten, kehrt HAMMERFALL mit "(r)Evolution" zurück und macht vieles besser, als in den Jahren zuvor. Zeit für ein kleines Gespräch mit Gitarrist und Bandkopf Oscar Dronjak.

Hallo Oscar, wie geht’s?

So weit, so gut, und bei dir?

Alles bestens - es regnet draußen, aber da ich hier sitzen und dir einige Fragen stellen kann, ist alles bestens. Zunächst einmal möchte ich euch zum neuen Album gratulieren, ihr könnt zufrieden sein.

Vielen Dank! Diese kleine Pause, die wir in den letzten anderthalb, zwei Jahren gemacht haben, hat uns sehr geholfen.

Du hast über diese Pause davor gesagt, dass du bzw. ihr eine neue Perspektive gewinnen wollt. Bist du weiser geworden?

Weiser? (lacht) Ja, würde ich schon sagen, aber nicht unbedingt alleine weil wir die Pause gemacht haben, sondern weil zwei weitere Jahre an Lebenserfahrung dazugekommen sind. So war es ja immer. Das erste Album hat so geklungen, wie es geklungen hat, weil wir 24 oder so waren, als wir es schrieben. Der Reifeprozess über die Jahre hinweg spiegelt sich auch in der Musik wider, das war jetzt nicht anders. Ich bin sehr zufrieden mit dem Album und generell glücklich mit meinem Leben, was sich natürlich auch gegenseitig wieder bedingt.

Das neue Album klingt auf jeden Fall so, als ob ihr noch Spaß an dem hättet, was ihr tut.

Ja, sicher. Für mich führt es das fort, was wir schon immer getan haben, wobei wieder mehr vom "klassischen" HAMMERFALL-Sound eingeflossen ist, als zuletzt.

Habt ihr wirklich ein ganzes Jahr das Songwriting einfach "angehalten"?

Ja, eigentlich schon, wir haben im letzten September angefangen und nicht viel davor gemacht. Der Punkt bei der Pause war ja, dass jeder mal das machen konnte, was er wollte, ohne sich um HAMMERFALL kümmern zu müssen, was immer  an erster Stelle kommt. Ich habe zum Beispiel die Biographie über HAMMERFALL geschrieben ("Legenden Om HammerFall", erschienen Oktober 2013 - CS), was alleine schon sechs oder sieben Monate gebraucht hat, da habe ich ein halbes Jahr mehrere Stunden jeden Tag daran gesessen. Ich habe alle alten Band-Mitglieder interviewt, mir meine alten Tagebuch-Aufzeichnungen angeschaut usw., im Prinzip meine ganze musikalische Karriere noch einmal "gelebt" bis 2012, wo das Buch endet. Das hat mich schon ziemlich nostalgisch werden lassen und sicher auch die Songs und den generellen Stil des neuen Albums beeinflusst, weil ich noch in dieser Stimmung war, als ich mit dem Songwriting wieder angefangen habe.    

Kann ich nachvollziehen. Ich denke, das neue Album ist ziemlich vielseitig geworden und vereint Elemente jeder Phase in sich, insbesondere auch eine stärkere Rückbesinnung auf die Wurzeln.

Ja, das ist eine ziemlich gute Zusammenfassung. Es hat alle Elemente eines HAMMERFALL-Albums, wobei allerdings einige stärker betont wurden, als vielleicht in den letzten paar Jahren.

Etwas, was ich an HAMMERFALL immer mochte, war das stabile Line-up, ein Zeichen von Integrität, denke ich. Nach dem Weggang von Magnus und Stephan scheint ihr diese Stabilität wieder ganz gut hinbekommen zu haben. Was hält eine Band all die Jahre zusammen?

Nun, das hängt sehr von den involvierten Personen ab. Bei HAMMERFALL ist es so, dass Joacim und ich die Songwriter und die Einzigen sind, die die ganze Zeit dabei waren. Also ist es irgendwie natürlich, dass wir sozusagen die Führung übernehmen. Dann war es wichtig, denke ich, zu wissen, wer diese Vision teilt und die Ideen hat, sie wahr werden zu lassen. Aber das hängt immer von den Menschen ab, mit denen man zu tun hat und wir haben immer sorgfältig darauf geachtet, dass die persönliche Basis vorhanden ist.

Das sieht man auch auf dem neuen Album, denke ich. Pontus hat ja zum zweiten Mal mit Joacim einen Song geschrieben, 'Tainted Metal'.

Ja und sogar nicht nur den, er war bei zwei weiteren noch beteiligt, was schon ungewöhnlich ist. Ich meine, wir haben uns nie hingesetzt und gesagt, "du machst jetzt mehr" oder so, er war einfach hier und hat mir bei Computer-Kram geholfen und dann hat sich das so ergeben. Er ist ein sehr musikalischer Bursche und hat auch Ahnung vom Songwriting und Produzieren. Das ist erfrischend, es macht viel Spaß, mit ihm zusammen zu arbeiten.

Andererseits ist es auch schön, dass ehemalige Mitglieder nicht ganz vergessen sind. Stephan (Elmgren, bis 2008 Gitarrist) spielt ja auch wieder ein Solo auf dem Album.

Nein, nicht ganz, er war dieses Mal bei den Backing Vocals mit dabei.

Ah ok, da hab ich mich falsch erinnert. Wie auch immer, der Punkt ist ja der, dass es schön ist, immer noch Leute von früher auf die eine oder andere Art dabei zu haben.

Sicher, gerade zu Stephan hatten wir immer eine gute Beziehung, auch so, dass wir abseits der Band zusammen waren. Das hat sicher auch dabei geholfen, die Freundschaft nach seinem Weggang aufrecht zu erhalten. Wir trinken immer mal wieder zwei Bier zusammen und haben Spaß, er hat mich noch gestern angeschrieben, ob wir ins Kino gehen sollen, aber ich war nicht zu Hause, weswegen das nicht geklappt hat. Das ist natürlich schön, dass man noch etwas zusammen unternimmt.

Kommen wir mal zu den Texten des neuen Albums. Ihr habt wieder einen Game Of Thrones-bezogenen Song am Start, wenn ich mich nicht täusche, 'Winter Is Coming' scheint doch recht offensichtlich. Das ist ja nicht der erste Text dieser Art bei euch, ihr scheint ziemliche Fans zu sein, mal abgesehen davon, dass das heute sowieso jeder ist.

Ja, das ist wieder mal die Geschichte, wenn man Sachen lange vor allen anderen entdeckt hat. Ich habe während der Aufnahmen zu "Crimson Thunder" 2002 angefangen die Bücher zu lesen. Wir waren im Haus von Andy Deris auf Teneriffa (Die Aufnahmen fanden im Studio des HELLOWEEN-Sängers statt - CS). Ich glaube, ich habe mein Buch vergessen oder es gerade fertig gelesen oder so, auf jeden Fall hatte ich nichts zu lesen und fragte ihn, ob er irgendwas empfehlen könnte. Und er fragte mich, was für Bücher ich mögen würde. Ich dachte eine Weile nach und kam auf einen sehr speziellen Typ Buch: Nicht direkt Fantasy (auch wenn ich Fantasy und Science-Fiction mag), sondern Bücher, die im realen Leben verankert sind und dann erst diese Elemente haben. Wie zum Beispiel bei Stephen King: Er schreibt über das normale Leben und normale Leute und dann passiert ihnen etwas Außergewöhnliches. Naja, und daraufhin meinte er nur "ich habe das perfekte Buch für dich", gab mir den ersten Band und 20 Seiten später war ich komplett gebannt. Ich hatte die ersten drei Bände fertig gelesen, noch bevor wir die Aufnahmen beendet hatten und diese und die folgenden auch danach noch mehrmals.
Ich finde, dass die Serie zwar großartig umgesetzt wurde, aber nur die Bücher Martins Universum gerecht werden. Ich finde es einfach unglaublich, wie viele Jahre richtiger Geschichte er extra erfunden hat, mit all den Querverbindungen zwischen den Häusern über die Jahre und Jahrhunderte, das ist absolut verrückt. Es ist, als ob man richtige Geschichte lesen würde, das mag ich daran. Ich denke, das ist meine Lieblings-Buchserie, nicht mal "Der dunkle Turm" von Stephen King kann da mithalten.

Aha, du hast den "dunklen Turm" gelesen?

Ja, natürlich. Es brauchte eine Weile, bis ich da reinkam. "The Gunslinger" (der erste Band - CS) habe ich glaube ich beim Erscheinen irgendwann in den 80ern gekauft und nichts verstanden. Ich dachte, es sei absolut grauenhaft und schlecht. Vielleicht fünf Jahre später hab ich ihm noch einmal eine Chance gegeben und es auch da nicht verstanden. Es war nicht wie die Stephen King-Bücher, an die ich gewöhnt war. Nochmal fünf oder auch zehn Jahre später habe ich es noch einmal gelesen. Ich habe es durch den ersten Band geschafft, der einzige Grund war, dass ich mir den zweiten Teil als Paperback gekauft hatte. Dann verstand ich, dass ich das erste Buch auch mehr oder weniger hätte überspringen können. Es war zwar irgendwo Teil der Geschichte, aber nicht so sehr (eine Ansicht, über die man sehr geteilter Meinung sein kann - CS). Es startet richtig mit dem zweiten Band und man bekommt mal was erklärt. Was ich auch nicht wusste, war, dass der erste Band lange vorher, vielleicht in den Siebzigern, von ihm geschrieben wurde, weswegen er so anders war. Aber danach begann ich die Serie zu lieben. Es ist absolut verrückt, wie er da ein Universum erschaffen hat, welches zwar fiktiv ist, aber gleichzeitig auch auf unserer Welt und seinen anderen Büchern basiert.

Absolut, ich liebe die Bücher auch und find die Serie extrem unterbewertet. Einen Song hast du aber nie darüber geschrieben, oder?

Nein, hab ich nicht. "Das Lied von Eis und Feuer" hat etwas, was mich mehr als kreativer Musiker anspricht, als nur als Fan. Und irgendwie ist das nicht der Fall beim "dunklen Turm", dass ich da ähnliche Inspiration draus ziehen könnte.

Wo wir schon über Stephen King reden, hier eine Frage, die ich schon länger rumtrage: Es ist mehr oder weniger allgemein akzeptiert, dass der Name HAMMERFALL aus dem WARLORD-Song 'Lucifers Hammer' entlehnt ist. Ich habe aber auch mal gehört, dass er eigentlich ein Begriff aus Kings Buch "Tommyknockers" ist.

Ja, haha, ich denke, da hatte ich den Namen zuerst her, oder ... naja, du weißt wie das ist mit Dingen, die so lang her sind. Hätte ich gewusst, dass es HAMMERFALL heute noch geben würde, würde ich mich heute vielleicht auch noch daran erinnern. Ich hatte auf jeden Fall auch das WARLORD-Album und hörte die Textzeile "the hammer will fall on you", das ist sicher ein Teil davon. Soweit ich mich erinnern kann, habe ich die "Tommyknockers" so '91, '92 gelesen und ich kann mich vage erinnern, dass ich das Wort in einem Wörterbuch nachgeschlagen, aber nicht gefunden habe. Natürlich die beiden Bestandteile, aber "hammerfall" selber nicht und da hatte ich dann den Bandnamen.

Zurück zu "(r)Evolution": Das Album hat ja stilistisch und für euch als Band gewisse Parallelen zu eurem Debüt "Glory To The Brave" (1997). Allerdings ist heute die Musiklandschaft mit all ihren Retro-Trends eine wesentlich andere. Wie nimmst du das war?

Hm, keine Ahnung. Wenn es eine Sache gab, um die wir uns nie geschert haben, dann waren das Trends. Es ist aber lustig zu sehen, wie jetzt diese ganzen Bands kommen. Das habe ich erst letztes Jahr oder so realisiert, dass es eine Menge Melodic-, naja, besser Power-Metal-Bands gibt, beeinflusst von EDGUY oder auch uns und natürlich HELLOWEEN und GAMMA RAY und wie sie alle heißen, welche ihre Musik ebenso ernst nehmen. Sie machen das aus den gleichen Gründen wie wir. Wir machen das, weil wir Heavy Metal lieben und einfach diese Musik spielen wollen, egal was andere sagen. Ich kann also den Enthusiasmus sehen und es gibt da ein paar Bands, die einen guten Boden für die Zukunft bereiten.
Jeder ist ja froh, dass Hector zurück aufs Cover geholt wurde und dann auch noch von Andreas Marshall. Allerdings dachte ich, er würde nicht mehr malen?

Ja, ich weiß was du meinst, er hat nicht mehr viele Cover gemacht und sich mehr mit Filmen beschäftigt. Das Lustige war, dass Joacim und ich die gleiche Idee hatten, ohne darüber gesprochen zu haben. Ich hatte mir gedacht: Mal sehen, was können wir das nächste Mal machen und, ok, die Leute haben sich wirklich über das letzte Cover beschwert. Zumindest das Slipcase war auch absolut grauenhaft. Also das schwarze. Das weiße mit der Hand finde ich immer noch cool. Vielleicht nicht so sehr HAMMERFALL, wie es die Leute gewohnt waren, aber zumindest ein gutes Cover. Mit diesen Gedanken im Hinterkopf dachte ich mir, vielleicht sollten wir Hector und auch gleich Andreas Marshall zurückbringen. Dann rief auf einmal Joacim an und sagte mir dasselbe und die Leute von Nuclear Blast waren natürlich begeistert, schon allein des Merchandises wegen, da sie ja nunmal Kapital daraus schlagen wollen. Über all die Jahre hatten wir eigentlich nie wirklich mit Andreas Marshall kommuniziert, alles lief über Nuclear Blast. Also kontaktierten sie ihn und er wollte es gerne machen, da er Zeit hatte. Das war sogar ziemlich früh, im Januar, Februar. Wir hatten also schon vor den Aufnahmen ein zu 95% fertiges Cover, was es bei uns noch nie vorher gab.

Wer hatte eigentlich die Idee für Hector als Maskottchen und warum?

Als wir uns Gedanken um das Cover für "Glory To The Brave" machen mussten, hat Nuclear Blast Andreas Marshall vorgeschlagen. Er hatte ja Sachen für IN FLAMES gemacht (z.B. zu "Whoracle" und "Colony" - CS) und war ein ziemlich bekannter Cover-Maler. Und er fragte, was wir denn wollten. Du musst bedenken, es war '97, keiner hatte ein solches Maskottchen, mal abgesehen natürlich von MAIDEN. Wegen deren Eddie wir überhaupt auf Hector kamen. Er sollte immer signalisieren "das ist ein HAMMERFALL-Album", auch ohne Logo, so wie es eben auch mit Eddie der Fall ist. Naja, und der Rest war im Wesentlichen Andreas Marshalls Werk, und offensichtlich waren wir damit sehr zufrieden.

Ich selber bin froh, dass ihr wieder Leder und Stahl auf den neuen Band-Fotos tragt. Und ich habe mich immer gefragt, wie ihr an diese Sachen gekommen seid, früher war das ja noch wesentlich extremer bei euch.

Das war ganz verschieden. In den 90ern kannte ich zumindest keine Band, die mit Leder und Nieten spielten. Aber wir dachten immer, dass ein solches Image mit spezieller Bühnenkleidung usw. letztendlich synonym für Heavy Metal steht. Zu dieser Zeit konntest du auch nichts in diese Richtung kaufen, deswegen habe ich alles selber gemacht. Eigentlich alles an meinen Armen und der ganze Kleinkram. Als "Renegade" rauskam, fingen wir an, mit einem Mädchen zusammenzuarbeiten, das auch für Bühnenkleidung an der Oper hier in Schweden zuständig war. Das lief so bis einschließlich "No Sacrifice, No Victory". Aber auf "Infected" waren wir müde, das zu tun, was die Leute von uns erwarteten. Wenn du älter wirst und die ganze Zeit Lederhosen getragen hast, wird es irgendwann mal Zeit, das Ganze etwas aufzulockern. Vielleicht haben wir uns damit etwas zu weit von unseren Wurzeln entfernt, aber ich denke als Künstler solltest du frei sein, zu tun, was immer du willst. Ich bereue das in keiner Weise. Zumal jeder Gig, den wir damals gespielt haben, wesentlich komfortabler war wegen der Jeans, die wir trugen. Naja, und jetzt dachten wir uns, dass man mal wieder zu unserem ursprünglichen Look zurückkehren könnte.

Alles klar. Ich habe mich ja immer besonders über deine Rüstungen z.B. auf der "Renegade" gefreut.

(lacht) Ja, die Rüstung ... die konnte ich mir guten Gewissens mit 25, 28 anziehen, aber heute wohl nicht mehr. Das bin nicht mehr ich, wenn du verstehst, was ich meine, es wäre nur zur Show. Ich muss und will mich da niemandem verkaufen, habe es auch nicht nötig. Ich möchte einfach Kleidung tragen, die bequem ist, aber cool aussieht, das ist es im Prinzip.

Bevor ich es vergesse und wir zum Ende kommen: Gibt es schon irgendwelche Pläne, die Biographie zumindest ins Englische zu Übersetzen?

Ja, es gibt einen Plan, aber wir arbeiten noch dran. Ein Agent arbeitet daran, dass es ins Englische und, ich glaube, auch ins Deutsche übersetzt wird. Ich finde es blöd und ärgerlich, dass es noch nicht fertig übersetzt ist und ich dir nicht sagen kann: "Ja, das Buch kommt im September raus" oder sowas. Ich kann aber leider nichts daran ändern und hoffe nur, dass es irgendwann passieren wird, hoffentlich noch dieses Jahr.

Gut, dann bedanke ich mich für das Gespräch und freue mich auf die Tour Anfang nächsten Jahres!

Danke, hat mich sehr gefreut. Ja, und besucht die Tour - wir sind im Januar und Februar unterwegs.

Redakteur:
Christian Schwarzer

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