In der Gruppentherapie: AUTUMN HOUR - "Dethroned"

02.03.2010 | 07:52

Wenn HADES/WATCHTOWER-Frontsirene Alan Tecchio ein Album singt, jubiliert die Redaktion (fast) geschlossen.

Während Jason McMaster mit IGNITOR testet, wie viel erschütterndes Elend in Töne passt, taucht WATCHTOWER Nummer zwei, Alan Tecchio, mit einer Band auf, die funktionstüchtige Ohren besitzt. Zwar klingen AUTUMN HOUR genauso wenig zeitlos wie die klapprigen Trad-Metaller, aber mit ihrer Neunzigeraufbereitung müssen sie nicht viel Konkurrenz in die Schranken weisen. Als man in der Bay Area auf die Bremse stieg – für alte Speckwesten-Thrasher der Stichtag, an dem die Musik zur Hölle fuhr – und einige Ami-Metalbands ihr Überleben mit der Integrierung von Grunge-Elementen zu sichern versuchten, wurden Alben veröffentlicht, die viel von dem hatten, was auch "Dethroned" ausmacht. Heute heißt Grunge beispielsweise wieder Hardrock oder interessiert keinen Menschen mehr, Anbiederungen in die Karohemdrichtung sind lange Geschichte, und es erscheinen jede Woche Platten mit flinkem Thrash. Das an FORBIDDENs "Green" erinnernde 'Techcceleration (The Machine Speaks)', Groove-Rockendes mit SAIGON KICK-Gravur oder Balladeskes wie 'How Were We Supposed To Know?' zerstören das Trendbarometer: unkommerziell, ohne atonal zu sein, produktionstechnisch fünfzehn Jahre hinter dem Machbaren zurück – Eigenwilligkeit, die keine erzwungene Klatschenkomponente nötig hat. Tecchio kann sich aufgrund des Songmaterials überwiegend sozialverträglich geben und muss gesanglich nur selten in Höhen operieren, wo nur wenige atmen können. Aber immer wenn er an die Glasschneidegrenze geht, schwingt in seiner Stimme ähnlich viel Klasse mit wie bei Ripper Owens.

Note: 8,0/10
[Oliver Schneider]

Namedropping ist doch was Schönes. Geht es um AUTUMN HOUR, werden munter Combos wie HADES, SEVEN WITCHES und WATCHTOWER (denen wirklich zu wünschen ist, dass "Mathematics" den Vorschusslorbeeren gerecht wird und nicht als ein neues "Chinese Democracy" durchfällt) in die Runde geworfen ... und das soll dann wahrscheinlich nicht mehr und nicht weniger bedeuten, als dass alles, was aus der Ecke von Alan Tecchio kommt, pures Gold ist. Aha, der König-Midas-Effekt. Egal. Ich kann mir zwar schon vorstellen, was man an AUTUMN HOUR gut finden kann, aber um ehrlich zu sein wirkt "Dethroned" auf mich lediglich saftlos und langweilig. Über weite Strecken hat man das unweigerliche Gefühl, als stehe permanent jemand auf dem Bremspedal und die Songs könnten zwar jeden Moment richtig in Fahrt kommen, was sie dann aber doch nicht tun. Die Mucke tut nicht weh, aber sie berührt einfach nicht. Abgesehen davon, dass der Gesang nicht wirklich meins ist (aber das ist nun mal definitiv Geschmackssache), habe ich selten so eine dröge instrumentelle Darbietung gehört. Das schrammelt uninspiriert im Hintergrund herum, ohne den Songs in irgendeiner Weise mal einen Stempel aufzudrücken oder wenigstens für etwas Prägnanz im Gesamtsound zu sorgen. Lichtblicke? 'End User', 'The Past (The Heart Speaks)' und ein paar ganz wenige andere Parts haben wenigstens etwas Punch, doch der Großteil des Materials auf "Dethroned" versinkt leider in einem Sumpf aus Belanglosigkeit. Und 'Here Comes The Rain Again' war sicherlich auch nicht die optimale Wahl für eine Coverversion - der Song funktioniert im Metalgewand einfach nicht. Klarer Fall von "nicht meine Baustelle".

Note: 5,0/10
[Stephan Voigtländer]


Da ich im Prinzip alle Alben und Bands mit Alan Tecchio am Mikro sehr gerne mag, kommt es wenig überraschend, dass ich mich im Vorfeld sehr auf das Debüt von AUTUMN HOUR gefreut habe. Dass es jedoch so sehr einschlagen würde, habe ich nicht erwartet. "Dethroned" ist auf ganzer Linie absolut großartig, und auch wenn mancher betont, dass es stilistisch natürlich kein reinrassiger US-Power-Metal ist, so hab ich doch in den letzten Jahren bei kaum einer Scheibe öfters gedacht, dass genau so meine Vorstellung von zeitgemäßem und doch in der Tradition verwurzeltem, echtem Power Metal klingen muss. Dass gewisse progressive und genre-untypische Momente dabei sind, lenkt davon kein bisschen ab, sondern unterstreicht einfach die Besonderheit der Band, die natürlich im instrumentalen Bereich nicht ganz so aggressiv und extrovertiert wie HADES, dafür aber dem Sänger und den Hooklines viel Raum zur Wirkung lässt. Alan Tecchios Gesang ist dabei wirklich überirdisch, und macht unmissverständlich klar, dass dieser Mann quasi als perfekte Definition der eigenständigen US-Metal-Sirene herhalten kann. Hier gibt es Gänsehautmomente am laufenden Band, und genau die sind es doch, die Musik so wichtig machen!

Note: 9,5/10
[Rüdiger Stehle]

Es soll ja Leute geben, die Alan Tecchio nicht mögen. Na ja, es gibt auch Leute, die mögen keine Schokolade, gutaussehende Geschlechtspartner und Reichtum. Ungefähr in diese Kategorie fällt ersteres nämlich auch, denn für alle kurz zum Mitschreiben: "Jede Scheibe mit Alan Tecchio ist Gold!" Dies nur um eventuelle Missverständnisse aus Stephans Meinung auszuräumen. AUTUMN HOUR macht da keine Ausnahme, sondern setzt im Gegenteil das fort, was mit NON FICTION begonnen worden ist. Groovig, oft reduziert, aber immer auf den Punkt rocken die Herren relativ relaxt durch die Musiklandschaft und blicken über verschiedene stilistische Zäune. Ein Album aus einem Guss ist definitiv etwas Anderes, dafür ist "Dethroned" aber sehr abwechslungsreich geworden, was jedoch auch dafür sorgt, dass nicht jedem Hörer alle Songs gleich gut munden werden, denn die Sprünge zwischen Aggressivität und Coolness, thrashig-progressiven Ausflüge und laid-back-Passagen werden viele Hörer anfangs überfordern. Da auch ich ein paar Tracks ausmachen kann, die mir musikalisch nicht so zusagen – natürlich unter der bereits oben erwähnten Prämisse – sind wir doch noch ein paar Schritte von der Höchstnote entfernt. Essentiell sind AUTUMN HOUR trotzdem, und wer das Album nicht sofort kauft, möge an Gonorrhoe erkranken. Denn: "Jede Scheibe mit Alan Tecchio ist Gold!" Der König-Tecchio-Effekt heißt das übrigens, Kollege Voigtländer.

Note: 8,5/10
[Frank Jaeger]


AUTUMN HOUR nennt sich die neue Spielwiese von Goldkehlchen Alan Tecchio. Und auf dieser fühlt er sich sichtlich wohl. Oft technischen Power Metal bietet "Dethroned", doch ist das nur eine Seite der Medaille. Denn die 56 Minuten bieten viel, viel Abwechslung. Da haben wir beinahe psychedelische Anleihen wie in 'Transcend', das akustisch Gänse häutende 'How Were Supposed To Know' oder die originelle Coverversion von 'Here Comes The Rain Again'. Alan zeigt dabei, dass seine Stimme nicht nur in höchsten Lagen brilliert, sondern auch in den gefühlvollen, mittleren Tönen exzellent ist. Und wenn es dann noch an HADES erinnerndes Material wie 'End User' gibt, ist eh alles gut. Starkes Teil

Note: 8,0/10
[Peter Kubaschk]

Redakteur:
Peter Kubaschk
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