In der Gruppentherapie: JEFF LOOMIS - Zero Order Phase

12.08.2008 | 20:33

Nach WARREL DANE bringt nun auch NEVERMORE-Gitarrist JEFF LOOMIS sein Soloalbum auf den Markt. Klar, dass wir für euch testen müssen, ob er denn die Wartezeit auf das nächste NEVERMORE-Album entscheidend verringern kann oder es doch "nur" ein Soloalbum eines Gitarristen ist. Eines darf ich vorwegnehmen: Es gibt da keine zwei Meinungen.

Eigentlich braucht man keinen Beweis dafür, wer derzeit der beste Metalgitarrist im Business ist. Der Titel geht ohne Zweifel an JEFF LOOMIS. Und dennoch beehrt uns der Saitenhexer nun mit einem Soloalbum. Und "Zero Order Phase" zementiert dann auch nur den Status des JEFF LOOMIS. Stilistisch noch variantenreicher als bei NEVERMORE, feuert uns der Maestro hier unglaubliche Riffs, brillante Soli und verflucht viele tolle Melodien um die Ohren. Ein Fest. An dem sind auch ein paar Gäste nicht ganz unbeteiligt. Das Duell mit Ron Jarzombek (WATCHTOWER) bei 'Jato Unit' stellt dabei den absoluten Höhepunkt dar. Wahnsinn auf Saiten. Doch auch das angejazzte 'Cashmere Shiv' und der grandiose Opener 'Shouting Fire At A Funeral' zeigen JEFF LOOMIS von seiner Sahnesaite. Und wenn man sieht, wie gut die Soloalben von WARREL DANE und JEFF LOOMIS geworden sind, dann darf man sich jetzt schon auf das nächste NEVERMORE-Album freuen wie ein Kleinkind auf Heiligabend. Das Funkeln in den Augen der meisten Metaller dürfte sehr ähnlich sein.
[Peter Kubaschk]

Century Media will JEFF LOOMIS nicht vergraulen. Und so veröffentlicht das Label eine Platte, die ansonsten mit einem Schulterzucken und einem höflich weggehusteten Lachen abgelehnt würde: ein 54-minütiges Instrumentalalbum. Verkaufschancen: knapp jenseits der Hochofengrenze. Vorteil: So was saugt niemand. Immerhin wird im Zusammenhang mit der Scheibe der Name NEVERMORE fallen. Verständlich. Der Gitarrist ist NEVERMORE. Zweifler müssen sich "Zero Order Phase" nur einmal anhören. Die Rhythmusklampfen, jedes Solo, jedes Break und jeder Beckenschlag könnten bei der Hauptband stattfinden. Die Frage, die drückt: Fehlt Warrel Dane? Ein Sänger seines Formats ist immer eine Bereicherung, aber durch schöne Feeling-Melodien kann die Abwesenheit weitgehend kompensiert werden. Und auf eines ist Verlass: die Riffs. Kein Metalgitarrist schreibt bessere. Sie grooven unbändig ('Jato Unit', 'Race Against Disaster'), sind technisch zum Teil höchst anspruchsvoll, aber immer nachvollziehbar (stellvertretend für fast jede Nummer: 'Shouting Fire At A Funeral') und führen nebenbei die Austauschbarkeit der wie Unkraut wuchernden Tech-Death-Metal-Bands vor Augen. Wer wie Loomis die Kunst beherrscht, das Komplexe einfach erscheinen zu lassen, muss sich nicht in Selbstgefälligkeit ergehen – was sich auch positiv auf die Shred-Sequenzen auswirkt. Hat man den Werdegang des Amis verfolgt, ist das allerdings schon bekannt, so dass die Argumentationskette für die Notwendigkeit von "Zero Order Phase" leicht ins Philosophische führen kann. Dennoch beinhaltet seine erste One-man-army-Scheibe ausnahmslos schlüssige und gute Songs, die nur auf zwei, drei von hundert Gitarristenalben zu finden sind.
[Oliver Schneider]

Eigentlich wäre es ärgerlich, mal wieder mindestens drei Jahre auf die nächste NEVERMORE-Langrille warten zu müssen. Dieses Mal jedoch wird die Wartezeit durch musikalische Ableger der beiden Hauptprotagonisten Dane und Loomis versüßt. Könnte man sich als Liebhaber der anspruchsvollen Kunst aus Seattle was Besseres vorstellen?

Während sich WARREL DANE auf "Praises To The Warmachine" äußerst vielseitig und relativ wenig an seine Stammformation präsentiert, bleibt Flitzefinger und Riff-Schwergewicht JEFF LOOMIS eher auf vertrautem Terrain: Vereinfacht ausgedrückt klingt "Zero Order Phase" nämlich so, als würde man NEVERMORE-Demotracks ohne Gesang und mit mehr Solo-Einlagen hören. Das trifft es natürlich nicht ganz, wie 'Azure Haze' oder 'Cashmere Shiv' beweisen - hier zitiert Jeff gekonnt Vorbilder, die man aufgrund der Songtitel leicht enttarnen kann. Auf der anderen Seite gibt es, bedingt durch Loomis' Vorliebe für siebensaitige Klampfen im Verbund mit gerne schnellem Brachial-Riffing, derbe auf die Fresse; das Album bläst ähnliche Werke anderer Gitarrenvirtuosen alleine aufgrund seiner Härte förmlich an die Wand.

Der 'Opulent Maelstrom' ist wirklich einer und zeigt, dass der stets introvertiert wirkende Loomis ohne Sänger einfach sein Instrument zu einer Stimme werden lassen kann. Faszinierend. Zusammen mit den immer wieder eingestreuten, sehr schön anzuhörenden ruhigen Parts ergibt dies insgesamt eine Mischung, welche für ein Instrumentalalbum wirklich sehr unterhaltsam ist. Macht Spaß, die Scheibe.

Für NEVERMORE-Fans fast ein Muss, für Gitarristen auf jeden Fall. Kann man eigentlich nur nicht mögen, wenn man mit Instrumentalmucke von intelligenten (!) Griffbrett-Gniedlern rein gar nichts anfangen kann.
[Rouven Dorn]

Ehrlich gesagt hatte ich keine großen Erwartungen an das erste Soloalbum von Ausnahmegitarrist Jeff Loomis. Doch schon die ersten Noten seiner Instrumentalscheibe "Zero Order Phase" entführten mich in seine typisch magische Welt, aus der ich mich erst nach mehrfachen Wiederholungen langsam wieder zu lösen vermochte. Würde Warrel Dane auf diesem Album singen, es wäre das nächste Götteralbum von NEVERMORE. Somit weiß jeder, dass Mr. Loomis nicht krampfhaft versucht hat, etwas komplett Anderes zu erschaffen, sondern konsequent auf alle Markenzeichen seiner Hauptband setzt: fette Riffs, teilweise vertrackte Rhythmen, abrupte Wendungen, wahnwitzige Soli, traumhafte Melodien, hymnische Refrains und tonnenweise teuflisch disharmonische Akkorde. Mit an Bord hat er Produzent Neil Kernon, der Jeffs unverwechselbaren Stil perfekt und kraftvoll umgesetzt hat. Es ist eine Art Offenbarung, wenn Jeff Loomis beim thrashigen Dreierpack zu Beginn - 'Shouting Fire At A Funeral', 'Opulent Maelstrom' (hier duelliert er sich mit Ron Jarzombek) und 'Jato Unit' - seine komplexen, kraftvollen und anspruchsvollen Riffs aus der Hüfte feuert und das Album mit der schön orchestrierten Akustiknummer 'Departure' beendet. Dazwischen liegen knapp 55 Minuten NEVERMORE - halt ohne Gesang. Wen also schon immer nur das Organ von Mr. Dane gestört hat, der sollte diese einmalige Gelegenheit nicht verpassen. Und für alle anderen habe ich noch einen Tipp: Hört euch das Album unter Kopfhörern an und schließt die Augen. Ihr werdet ihn plötzlich doch singen hören. Magisch. Vielleicht hätte er aus rein kommerzieller Sicht auf verschiedene Gastsänger zurückgreifen sollen, aber auch so ist dieses Album für mich bereits jetzt ein heißer Anwärter auf den Thron "Album des Jahres" – trotz oder gerade wegen METALLICA.
[Chris Staubach]

Nachdem Bandkollege WARREL DANE gerade auf seinem ersten Soloalbum unter Beweis stellen konnte, wie er mit größeren musikalischen Freiräumen zurechtkommt, will ihm nun sein Partner in crime natürlich nicht nachstehen. Da ich kein großer Freund von reinen Instrumentalwerken bin, schiebe ich den Rundling bedächtig in den Player und bekomme bereits während der ersten beiden Nummern die absolute Vollbedienung. Superbe Riffs am laufenden Meter, heftiges Drumming von Ur-NEVERMORE-Schlagwerker Mark Arrington und grandiose Soli, die den fehlenden Gesang ersetzen. Was anderswo immer schnell nach Selbstdarstellung aussieht, klingt hier auch für Nicht-Musiker nachvollziehbar. Würde es auf Albumlänge allerdings in diesem rasanten Tempo weitergehen, wäre es mir zu viel. Ich kann aber auch in diesem Punkt Entwarnung geben: JEFF LOOMIS weiß, wie man den Hörer bei der Stange hält, und hat im weiteren Verlauf allerlei Spannendes auf Lager. So brät Ron Jarzombek in 'Jato Unit' mit seinem unverkennbaren Querdenker-Stil dem Hörer eine akustische Breitsaite vor die Löffel, während 'Cashmere Shiv' mit sphärischen Jazzmotiven daherswingt. Klingt beinahe wie ein Chapman-Stick, was der gute Michael Manrig da spielt. Aber wer bin ich, dies mit Gewissheit zu diagnostizieren? Abwechslung lautet auf jeden Fall das Zauberwort, und so kommt es nicht von ungefähr, dass CANNIBAL CORPSE-Klampfer Pat O'Brien bei 'Race Against Disaster' die zweite Axt malträtiert. Ich kann "Zero Order Phase" definitiv attestieren, ein Album zu sein, das sehr kurzweilig ist. Ein Attribut, das nicht auf viele Instrumentalwerke zutrifft.
[Holger Andrae]

Redakteur:
Peter Kubaschk

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