In der Gruppentherapie: U.D.O. - "Dominator"

21.08.2009 | 15:09

"Dominator" ist im August unser "Album des Monats" geworden. Und das, obwohl das neue Album aus der Solinger Stahlschmiede alles andere als Konsens in der Redaktion ist. Lest unsere Meinungen.

Ich fange mal damit an, was diese Scheibe alles nicht ist: Sie ist weder modern noch innovativ, sie wird den Heavy Metal nicht populärer machen und auch nicht die Jugend von LADY GAGA zu guter Musik bekehren. Aber ich bin sicher, es gibt genug Fans da draußen, die "Dominator" als das sehen, was sie ist: Die kondensierte Essenz des Heavy Metal. Druckvolle Riffs wie Stacheldraht auf der Motorhaube, große Chöre und eingängige Refrains, dazu Udo Dirkschneiders markante Stimme. Obendrein wurden die Songs so phantastisch arrangiert, dass es eine Achterbahnfahrt ist zwischen Midtempo-Stampfern und schnelleren Bangern, und natürlich darf die Ballade 'Whispers In The Dark' nicht fehlen und der außergewöhnliche Hochgucker 'Devil’s Rendezvous'. Unter den zehn Stücken sind drei, die nur gut sind, was eine noch höhere Wertung verhindert: Die genannte Ballade, das etwas zu dick aufgetragene 'Stillness Of Time' und erstaunlicherweise der Opener 'The Bogeyman'. Der Rest ist einfacher, großartiger Metal und U.D.O.s bestes Album seit "Holy". Ja, das schließt auch 'Heavy Metal Heaven' mit ein, ein Song, über den viele sagen werden, er sei kitschig, platt und langweilig. Ihr habt ja keine Ahnung!

Note: 8,5/10
[Frank Jaeger]

Ich glaube, das letzte Album, auf dem Udo Dirkschneider mich begeistern konnte, liegt mehrere Dekaden zurück. Nachdem ACCEPT maßgeblich meine musikalische Hörentwicklung beeinflusst hat, konnte ich nach "Metal Heart" weder mit der Solinger Stahlschmiede, noch mit ähnlichem Teutonen-Stampf-Metal etwas anfangen. Und nun sitze ich hier und bin ziemlich begeistert von der vermeintlich platten Stampf-Mucke, die U.D.O. anno 2009 abliefert. Es ist wie eine Zeitreise zurück in die seligen 80er, ohne dass "Dominator" dabei antiquiert klingt. Zehn Songs, die mit einem fiesen Grinsen auf der stählernen Gebissleiste durch alle verbotenen Klischeenäpfchen stapfen, reißen jede Luftgitarre im Takt hin- und her. Wüsste ich es nicht besser, käme ich auf den Gedanken, eine blutjunge Truppe zu hören, die heißhungrig ihren alten Helden nacheifert und würde ihr attestieren, dass sie ihren Job ganz ausgezeichnet macht. Umso erfreuter bin ich, diese Frische bei so alten Hasen erleben zu können. "Dominator" spritzt quasi aus der Anlage, hat einige Tüten voller griffiger Refrains im Gepäck und verfügt über einen Gitarrensound, der Kristalle berstet. Mit 'Infected' und 'Speed Demon' gibt es lupenreine Doublebass-Kracher und bei 'Heavy Metal Heaven' darf man fröhlich mitsingen. Klar, solche Texte sind platt und auch die Melodie geht als Sing-A-Long durch, aber was bei MANOWAR in musikalischem Dilettantismus endet, funktioniert bei U.D.O. als Hymne. Weitere Highlights offenbaren sich in der Halbballade 'Whispers In The Dark ', die völlig unkitschig daher kommt und – wie alle anderen Nummern auch – mit sehr schönen Sologitarren aufwartet und im beschwingten 'Devil's Rendezvous'. Niemals hätte ich gedacht, noch mal so positiv über meinen alten Helden schreiben zu können. Danke, U.D.O..

Note: 8,0/10
[Holger Andrae]


In dem 'Heavy Metal Heaven', der aufgrund der in dem gleichnamigen Song erzeugten Stimmung auch auf Maxi Arland und Andy Borg einladend wirken muss, möchte man nicht sitzen und schunkeln. "My golden crown never let you down / You're in heavy metal heaven" ist nur einer der von den Stahlgöttern gesandten Geistesblitze aus dem Refrain, der umgehend zu einem Synapsentango führt. Auch mit dem geilsten Totschlagargument können solche Zwischenfälle nicht mehr in den launigen Schabernackbereich gehievt werden. Das Lachen stirbt auf dem Weg zu den Stimmbändern, und auch die musikalische Rohmasse legt sich nicht nur an dieser Stelle wie ein Bleimantel auf das Unterhaltungszentrum. 'Speed Demon', 'Black And White', 'Infected', 'Dominator' und 'The Bogeyman' kommen aktuell grassierenden Hörgewohnheiten entgegen: Dreißig Sekunden lange Auszüge genügen, um alles, was sie ausmacht, bereits erschlossen zu haben. Ein wenig Geübte können vieles sogar schon nach einem flüchtigen Blick auf die Tracklist vorhersagen. Mal schnell, mal weniger schnell, mal eine Halbballade – Drive-through-Metal für den ganz kleinen Appetit. Was nachwirkt, sind der bis über die Schmerzgrenze hinaus komprimierte Gitarrensound, die schon beim ersten Mal das Wohlwollen torpedierenden Hall- und Delay-Effekte, die in vielen Abschnitten auf Udo Dirkschneiders Stimme geklatscht wurden, und die Verwunderung, dass man in 44 Minuten tatsächlich so wenig übermitteln kann.

Note: 5,5/10
[Oliver Schneider]

Udo Dirkschneider ist ein Szene-Original wie es sie nur wenige in der Metalwelt gibt. Für viele ist er die definitive Verkörperung des deutschen Heavy Metal. Und das beweist "Dominator" auch durchaus. Typisch teutonischer Heavy Metal, der zum Bangen anregt. Man wirft die Faust in die Luft, gröhlt die Chöre mit, macht Party. Das ist auch exakt das, was man von U.D.O. erwarten kann und darf. Natürlich kennt man nach der ersten Minute den ganzen Song, natürlich wird mit Klischees nur um sich geworfen und natürlich ist das lyrisch nicht gerade ein heißer Kandidat für den Pulitzerpreis. Aber die Zielgruppe wünscht sich ja auch nix anderes. Klar, zu der gehöre ich nicht und 'Heavy Metal Heaven' ist dann doch ein Spur zu sehr Schlager. Aber ansonsten sorgen schon die nachwievor einzigartige Stimme von Herrn Dirkschneider, die semi-modern ausgerichtete Produktion und angenehme Banger wie 'The Bogeyman', 'Dominator' oder 'Speed Demon' dafür, dass ich die neue U.D.O. knapp gut finde. Das ist mehr, als ich vorher erwartet hatte.

Note: 7,0/10

[Peter Kubaschk]


Lässt man die Gedanken um Bands wie MOTÖRHEAD, AC/DC oder U.D.O. kreisen, dann fällt auf, dass diese alten Herren irgendwann mal ein Erfolgsrezept erschlossen haben und dieses beinahe bis zum Erbrechen auf jeder ihrer Platten auf's Neue zelebrieren. Und alles was der Hörerschaft (inklusive mir) zu dieser Eindimensionalität einfällt, ist: So what? Auch "Dominator", die Neue von U.D.O., hat genau eine Überraschung parat und bietet ansonsten jede Menge Altbewährtes. Und das ist auch gut so - nein, nicht nur das: Es ist toll. Vollkommen großartig finde ich zudem das für Udos Verhältnisse geradezu experimentelle Stück 'Devil's Rendezvous', in das ich mich sofort verliebt habe. Überraschend, weil untypisch, aber mit einem so unwiderstehlichen Rhythmus und einem groovigen Drive, der selbst Eisblöcke zum Schmelzen bringt, ausgestattet - da kann ich einfach nicht anders, als begeistert zu sein. Dazu kommen jede Menge "typische" Stampfer mit treibenden Gitarren, dynamischem Schlagzeugspiel und natürlich Udos knarziger Reibeisenstimme, die jeweils in einem prägnanten Refrain kulminieren. Am Rande zum Totalausfall ist für mich zwar die triefig-schnulzige Ballade 'Whispers In The Dark', aber da der Rest vom Schützenfest deutlich über dem Durchschnitt liegt, was Udos Gesamtwerk anbetrifft, geht der Daumen eindeutig nach oben. Und eines ist "Dominator" sicher - das beste Album der jüngeren U.D.O.-Historie und eine vielleicht nicht von allen erwartete Steigerung, die sich durchaus mit den älteren Glanztaten messen lassen kann. In dieser Form bleibt die Truppe um Udo Dirkschneider ein ganz heißes Eisen, nicht nur für Traditionalisten.

Note: 8,5/10
[Stephan Voigtländer]

Im Prinzip hat Kollege Voigtländer alles gesagt. Doch wie kommt es, dass ein Album die Nummer 1 im August werden kann, das nicht nur eine Durchschnittswertung unter der Note 8 hat, sondern sogar mit einer 5,5 bewertet wurde? Die Antwort ist offensichtlich: Für Freunde des Genres ist das eine (sehr) gute Platte, für viele andere nur gut und der Rest schweigt betreten. Denn dieses Brett ist halt das, was man von einem Meister seines Fachs erwarten darf - nicht weniger, aber auch nicht mehr. Und so steckt der Teufel mal wieder im Detail: Die Qualität der Ware ist Top. Aber ein Gourmet möchte mehr, möchte das Quäntchen, das zur Explosion der Sinne führt, möchte den Michelin-Stern, nicht das Männchen. U.D.O. sind mitnichten die schmierige Eckkneipe um die Ecke, U.D.O. sind ein exquisites Restaurant mit einer breiten Palette an hochwertigen Speisen. Aber, um in diesem Duktus zu bleiben: Zur Zeit fehlt dem Sternekoch Dirkschneider der Berater mit den wahnwitzigen Rezeptideen. Denn, seien wir doch mal ehrlich, so ein Album hat U.D.O. doch schon in besser abgeliefert: Sei es "Timebomb" oder "Holy". Ich will mehr. Und wie lösen wir das Schlamassel? Ganz einfach: Sieben Punkte für U.D.O. sind sieben sehr gute Punkte, sind mehr als das was sie darstellen - und ja, U.D.O. spielt halt immer noch in einer anderen Kochliga als der Rest.

Note: 7,0/10

[Julian Rohrer]

Redakteur:
Peter Kubaschk

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