Interview mit Mike Portnoy (ADRENALINE MOB, ex-DREAM THEATER)

23.07.2012 | 07:05

Mike Portnoy ist und bleibt ein Workaholic. Im Vorfeld des Bochum-Gigs von ADRENALINE MOB fühlen wir ihm bezüglich seiner neuen und alten Projekte etwas auf den Zahn.

Wir trafen Arbeitstier und Tausendsassa Mike Portnoy gutgelaunt in der Bochumer Matrix um ihn vor der ADRENALINE MOB-Show etwas auszuquetschen. Nach dem Split von DREAM THEATER ist es die erste Deutschland-Tour mit einer "richtigen" Band für ihn, dementsprechend hat er viel zu erzählen.  Auf der Suche nach einer geeigneten Örtlichkeit für das Interview haben wir es uns im Lager gemütlich gemacht. Mafia-Stimmung par excellence.

 

Mike, lass mich Dir zu den beiden Nominierungen für die Progressive Music Awards gratulieren. Du bist in der Kategorie "Guiding Light in Prog" nominiert, was bedeutet das für Dich?

Danke! Es ist eine große Ehre für mich. Diese Anerkennung ist mir wirklich sehr wichtig. In den letzten 20 Jahren habe ich stets versucht, die Fahne des Prog hochzuhalten. Die Gründung von TRANSATLANTIC war so eine Sache, um den Leuten den Prog näher zu bringen. Aber auch die Progressive Nation-Tourneen vor ein paar Jahren hatten diesen Zweck. Ebenso das persönliche Auswählen der Vorbands von DREAM THEATER. Ich habe immer aufstrebende Prog-Bands ausgesucht: SPOCK'S BEARD, PORCUPINE TREE, FATES WARNING und PAIN OF SALVATION zum Beispiel. Ich wollte damit den Bands jegliche Unterstützung zukommen lassen, die ich bieten konnte. Natürlich sollten auch unsere Fans diese Bands kennenlernen. Das war mir immer eine Herzensangelegenheit und dafür anerkannt zu werden bedeutet mir sehr viel.

 

Lass uns über ADRENALINE MOB reden. Wie läuft die Tour bisher? Kommt ihr auch in Europa gut an?

Es läuft großartig! Ich habe das auch schon in anderen Interviews gesagt: es erinnert mich an die erste Club-Tour mit DREAM THEATER in Europa, damals 1993. In kleinen Clubs zu spielen, wo man Teil von etwas Neuem sein kann, ist toll. Die Aufregung und die Energie bei solchen Shows sind einzigartig. Um ehrlich zu sein, ich bin ein wenig überrascht, dass es so gut läuft in Europa. Ich hatte vermutet, dass die Akzeptanz eher zögerlich kommt, weil ADRENALINE MOB keine Prog-Band ist. DREAM THEATER und SYMPHONY X sind hier sehr populär, von daher war ich sehr gespannt, ob auch wir gut ankommen würden. Umso glücklicher bin ich, wenn ich sehe, wie viele Leute zu den Shows kommen und dabei völlig euphorisch auf uns reagieren. Und jeder, der vor den Konzerten Zweifel hatte, geht begeistert nach Hause.

 

ADRENALINE MOB OMERTA

Sind denn ADRENALINE MOB und deine andere Baustelle FLYING COLORS Projekte oder richtige Bands mit einer Zukunft?

ADRENALINE MOB ist definitiv eine Band, weil wir einfach auf die Bühne gehören. Du wirst es ja gleich sehen! Außerdem verbringen wir mit ADRENALINE MOB sehr viel Zeit auf Tour und können viele Festivals etc spielen. Jeder in der Band sieht das so und wird nicht von zu vielen äußeren Umständen beeinflusst. Sowohl Russell Allen, Mike Orlando als auch John Moyer sind mit vollem Eifer dabei und so lange es mein Zeitplan erlaubt werden wir sehr, sehr aktiv sein!

FLYING COLORS hingegen ist abhängig von sehr vielen Dingen. Steve Morse wird natürlich keine Abstriche bei DEEP PURPLE machen und hat nebenbei auch noch seine Solo-Karriere. Das gleicht gilt für Neal (Morse - Red.). Casey McPherson singt hauptsächlich in der Band ALPHA-REV. Man kann FLYING COLORS etwas mit TRANSATLANTIC vergleichen, wo wir alle paar Jahre ein Album aufnehmen und dann etwas touren. Es ist mehr als ein Projekt, vielleicht so eine Art Teilzeit-Band.

 

Apropos Neal Morse, können wir darauf hoffen, dass du ihn auf seiner nächsten Solo-Tour durch Europa begleiten wirst, oder bleibt es bei der US-Tour?

Zum jetzigen Zeitpunkt sind etwa zehn Shows in Amerika für den Oktober geplant. Aber wir beide drücken die Daumen, dass ich danach mit ihm in Europa touren kann. Die Europa-Tour wird entweder im November/Dezember oder Anfang 2013 stattfinden. Wenn es zeitlich klappt, bin ich auf jeden Fall dabei! In meinem Leben passiert zurzeit so viel, dass ich das alles unter einen Hut bekommen muss. Aber ich würde wirklich sehr gerne wieder hierher kommen weil ich Neals Solo-Material bisher nur ein einziges Mal in Europa live gespielt habe, das war 2003 auf der ersten "Testimony"-Tour. Eine gemeinsame Europa-Tour ist also längst überfällig und ich liebe die Musik auf seinen Soloalben. Ich hoffe wirklich, dass ich dabei sein kann.

 

MP live

Das klingt großartig. Wie ist es denn um die Zukunft von TRANSATLANTIC bestellt?

Wir alle hoffen, nächstes Jahr ein neues Album aufnehmen zu können. Es kommt wieder einmal nur auf unsere anderen Verpflichtungen an. Roine (Stolt) ist wieder mit den FLOWER KINGS aktiv und Pete (Trewavas) ist mit MARILLION immer gut beschäftigt. Aber wir brennen darauf, neues Material mit TRANSATLANTIC aufzunehmen. Ich hoffe es.

 

Zurzeit spielst du wieder mit Derek Sherinian (ex-DREAM THEATER-Keyboarder - Red.), werdet ihr altes DREAM THEATER-Material spielen?

Wir werden wahrscheinlich Songs aus all unseren Vergangenheiten spielen. Es gibt so viele Verbindungen zwischen Derek, Tony Levin und Billy Sheehan. Derek und ich haben unsere DREAM THEATER-Vergangenheit, Derek und Tony haben zusammen bei PLANET X gespielt. Und dann Tony und Billy noch auf einigen von Tony's Alben zusammengespielt. Außerdem haben Billy und ich da zurzeit etwas laufen. Deshalb bietet es sich an, alte Nummern von uns allen zu spielen. Ein paar Cover-Songs werden sicherlich auch mit dabei sein.

 

Eine ganz andere Frage: wie siehst du die Zukunft der Musikindustrie? Bedrohen Spotify und Co die CD?

Als Künstler trifft es einen schon, weil die Musikindustrie darunter leidet. Plattenfirmen werden zugemacht und Künstler können immer weniger von der Musik leben. Es verändert die Industrie schon in der Hinsicht, dass es für Künstler und Labels immer schwieriger wird zu überleben. Daneben gibt es aber auch Mike Portnoy als Fan und Musikliebhaber. Und da liebe ich es natürlich, meine ganze Musik jederzeit verfügbar zu haben. Ich bin doch genau so ein Fan wie ihr Jungs. Ich will die Musik meiner Lieblingsbands immer griffbereit haben, wenn ich auf Tour bin. Da ist es großartig, dass ich quasi alles mit einem Knopfdruck auf meinem iPod hören kann. Man muss sich einfach dem technischen Fortschritt anpassen. Da ist die Musikindustrie keine Ausnahme: sie entwickelt sich fortlaufend. Man muss das Beste daraus machen. Es gibt schließlich auch Vorteile für den Künstler, nämlich dass man auf diesem Weg viel mehr Menschen erreichen kann. Es gibt sowohl Vor- als auch Nachteile.

 

MP live2

Jetzt wo du etwas mehr Zeit hast als zu DREAM THEATER-Zeiten, zeigst du deinem Sohn Max des Öfteren ein paar Tricks am Schlagzeug?

Max liebt es, Schlagzeug zu spielen und er mag auch alles, was ich mache. Er ist ein großer Fan von ADRENALINE MOB und AVENGED SEVENFOLD. Natürlich schaut er sich da das ein oder andere von mir ab. Er sieht dabei aus wie ein Mini-Me, bis auf den blauen Bart. Er nimmt auch Unterricht. Ich denke, dass es sehr wichtig für ihn ist, einen richtigen Schlagzeug-Lehrer zu haben. Erstens bin ich nicht immer zu Hause, aber er braucht jemand, der ihm regelmäßig Unterricht gibt. Zweitens: ich bin kein Lehrer. Ich bin Drummer. Ich bin nicht unbedingt gut darin, Techniken zu unterrichten und Dinge so zu vereinfachen, dass man sie gut lernen kann. Deswegen hat er einen anderen Lehrer. Neben dem Unterricht spielt er auch in ein paar Bands. Klar, ich liebe es, einen Sohn zu haben, der auch Drummer ist.

 

Mike, danke für das Beantworten unserer Frage! Was möchtest du deinen deutschen Fans noch mitteilen?

Es ist großartig, wieder hier zu sein und ich freue mich wahnsinnig, dass die deutschen Fans mich weiter unterstützen. Gerade bei ADRENALIN MOB, weil es eine neue Band ist. Die Fans bedeuten mir total viel. Ich arbeite so hart, wie ich kann, weil ich so tolle Fans habe. Ich möchte am liebsten immer alles geben, was ich kann. Deswegen schätze ich meine Fans, weil sie mich immer unterstützen, unabhängig von meinen Entscheidungen. Danke!

 

Das Interview führten Felix Burger und Nils Macher.

Redakteur:
Nils Macher

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