Interview mit den Berliner Instrumentalisten von ROTOR

07.10.2015 | 17:13

Das Trio ist zum Quartett gewachsen. In jeder Hinsicht, denn der Sound und die Ideen sind auch mitgewachsen. Nachdem die drei ROTOR-Gründer 17 gemeinsame Jahre auf den Schultern haben, ist mit dem neuen Album "5" ein weiterer Gitarrist eine feste Größe des Bandgefüges geworden. Wie kam es dazu? Sind nun Rockopern zu erwarten? Werden Longplay-Riffs zu Longlife-Riffs? Das und einiges mehr in unserem Interview mit der Band.

ROTOR 2015

Am 18.09.2015 erschien euer neues Album "5".Wie geht's?

Wir sind sehr gespannt auf die Reaktionen auf das neue Album und freuen uns, nach fünf Jahren endlich wieder auf Tour zu gehen.

Immer noch aufgeregt? Das letzte Album "4" liegt ja nun schon fünf Jahre zurück.

Nein, und ehrlich gesagt waren wir eigentlich noch nie aufgeregt. Wir freuen uns einfach auf die nächsten Monate. Bisher war die Resonanz auf das neue Material jedenfalls sehr gut. (Anmerkung M.F.: ein gewisses "tiefenentspanntes" Auftreten der Bandmitglieder wird hiermit bestätigt.)

Wer euch jetzt schon länger kennt - und ihr habt ja eine feste Fangemeinde, die ständig wächst - fragt sich: warum ein zweiter Gitarrist? Werden die Finger langsam steifer? Wird der Sound dadurch druckvoller? Oder wollt ihr einfach ein guter Arbeitgeber sein? :-) Habt ihr Lust darauf gehabt, euren Gesamtklang zu verändern, zu verbessern gar?

Wir haben wahrscheinlich einen neuen Impuls benötigt, denn wir spielen ja seit 17 Jahren in derselben Besetzung zusammen. Es gab dann einfach einen Punkt, an dem wir keine kreative Energie mehr hatten, und unbewusst sind wir dann in eine längere Pause hineingeschlittert. In dieser Zeit haben Tim und Martin (neuer Gitarrist, ANDROID EMPIRE) öfter mal zusammen akustisch gejammt, und dann kam die Idee auf, das doch mal in der ROTOR-Besetzung zu probieren. Das Ergebnis hat dann unsere kühnsten Erwartungen übertroffen, und das werden wir auf der kommenden Tour zeigen.

FÜNF

Ich habe das Album bisher nur in Fragmenten leibhaftig gehört, z.B. auf dem Stoned 2015. Deshalb die spannende Frage: Was ist neu?

Offensichtlich ist die zweite Gitarre neu, und dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten für uns, die wir auf diesem Album erstmals erforschen. Metal-Quarten, Stoner-Quinten, Schweinesolos, Jazzakkorde und solche Sachen halt. Unser Sound hat dadurch an Breite gewonnen. Wir können nun Ideen umsetzen, die in der alten Power-Trio-Besetzung kaum machbar waren. (Nachträgliche Anmerkung M.F.: Jetzt kenne ich das Album und kann ROTOR wieder mal eine Meisterleistung bescheinigen!)

Apropos: "5" erscheint nun - in meinen Augen fast zwangsweise - auf dem Berliner Label Noisolution: Wie seid ihr denn da übereingekommen? Gab es auch noch andere Optionen? Ich meine, ihr macht fast alles selbst: von der Gestaltung durch den Bassisten oder die Produktion durch Charlie Paschen von COOGANS BLUFF. Ist es da nicht naheliegend, auch den Vertrieb selbst zu organisieren?

Wir kennen Arne schon seit Jahren, und befreundete Bands wie COOGANS BLUFF sind auch glücklich bei Noisolution. Wir hatten nach der längeren Pause und mit der neuen Bandbesetzung einfach Bock, mal etwas Neues auszuprobieren. Deshalb haben wir bei Noisolution angefragt - und sind dort mit offenen Armen empfangen worden.

Die Noisolution-Labelabende weisen ja in diese Richtung! Auf jeden Fall meinen Glückwunsch zu eurer Entscheidung. Wie organisiert ihr den Vertrieb weltweit? Die sogenannte Stoner-Psychedelic-Szene ist ja global... denke ich da an Argentinien, Australien usw.?

Den weltweiten Vertrieb machen wir selber und organisieren ihn mit verschiedenen Partnern, meistens Fanzines oder kleine Online-Vertriebe.

Habt ihr eigentlich mal irgendwann über Gesang nachgedacht? Keinen Bock? Zu anstrengend?

Wir haben in der Vergangenheit ja öfter mal Sänger für einzelne Projekte gehabt, haben aber nie das Ziel verfolgt einen festen Sänger bei uns einzubauen - is nicht unser Ding und war auch immer ein bisschen merkwürdig mit nem Typen ohne Instrument im Proberaum.

Schlüppa

Und weil's mir grad in den Sinn kommt: Hättet ihr Bock, mal eine Rockoper oder sowas zu schreiben? (Bitte den folgenden Nachsatz in der Antwort weglassen: "Sturm über Lobbese" oder so... Würde ja in Richtung von Konzeptalben gehen!)

Mhmm, warum eigentlich nicht?! "Sturm über Lobbese" gefällt mir als Titel sogar ganz gut. Wenn man aber bedenkt, dass wir für ein reguläres Album schon vier bis fünf Jahre brauchen, dann kannst du dir ja ausrechnen, wie viel Zeit eine ROTOR-Oper in Anspruch nehmen würde. Kurz: Du hörst dann in 12-15 Jahren von uns...

Eure Stücke (vermute ich mal) erhalten ihre Namen doch spontan, oder? Oder was steckt so hinter 'Scheusal', 'Auf's Maul?' oder 'Die weiße Angst'?

Von Spontaneität kann man bei unser Titelfindung nicht reden, das ist ein sehr langer und äußerst komplizierter Prozess. 'Die weiße Angst' und 'Scheusal' hört man ihren Namen doch an und 'Auf's Maul?' ist ja wohl eine eindeutige Frage.

Immer wieder spannend zu fragen: Was tut sich gerade auf "eurem" musikalischen Sektor in Berlin? Was ist da in Zukunft zu erwarten?

Momentan gibt es jede Menge Bands, die sich irgendwo im Bereich Stoner, Psychedelic, Prog etc. tummeln, und darunter sind mit Sicherheit auch einige vielversprechende Kapellen. Vor allem gibt es aber auch einige neue Festivals bzw. Konzertreihen, die diesen Bands ein Forum bieten. "Unserem" Sektor scheint es also ziemlich gut zu gehen.

Fachfrage: Wie entstehen eure Stücke? Immer aus Jams?

Nein, eigentlich ist das eher selten der Fall. Gerade bei "5" gab es im Vorfeld schon eine ganze Reihe von Riffs oder groben Songabläufen, die wir dann zusammen weiter ausgearbeitet haben. Dabei kann es durchaus mal vorkommen, dass gute Ideen aus Jams entstehen, aber wir gehören weniger zu den Bands, die sich erst mal ne Sportzigarette anzünden und so lange spielen, bis etwas Verwertbares dabei rauskommt.

The Rotorring

Mir ist aufgefallen, das auf dem Stoned vor allem das lang gezogene, oft wiederholte "Outro-Riff" zum Ende eures Auftrittes die Leute hingerissen hat (Titel: 'Volllast'). Die Begeisterung darüber ist auch in den bekannten Netzwerken zu erkennen gewesen. Ist es nicht seltsam, dass wohlgemeinte Monotonie und Wiederholungen von musikalischen Motiven die Hörer am meisten ansprechen? Was steckt da dahinter? Was denkt Ihr?

Vermutlich kennst du das: Man steht als Hörer vor der Bühne und denkt "cool, der Teil gefällt mir" ... und kaum hat man sich auf ihn eingelassen, ist er schon wieder vorbei. Daher ist man dankbar, wenn man auch einfach mal ein Riff in Dauerschleife um die Ohren geblasen bekommt. Natürlich darf Abwechslung in einem Set nicht fehlen, und deshalb schreiben wir ja auch gerne vertrackte Songs, bei denen man ein paar Anläufe braucht, bis man sie versteht. Aber es muss eben auch die Momente geben, in denen nicht alle 20 Sekunden was Neues passiert. Gut dosierte Monotonie macht Spaß - nicht nur den Hörern, sondern auch uns.

So, jetzt reicht es aber. Ich wünsche euch einen guten Tourverlauf und freue mich sehr auf eure Livepräsenz! Alles Gute und danke noch mal!

Redakteur:
Mathias Freiesleben

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