JAZZKANTINE: Interview mit Christian Eitner

29.08.2008 | 11:27

"Blasphemie? Blasphemie? ..."

Irgendwie finde ich keinen griffigen Einstieg, der den Metaler nach sechs bis acht gelesenen Worten sofort dazu animiert, ein Interview mit einer Jazzband zu lesen. Deswegen hoffe ich auf die natürliche Neugierde. Es sollte sich lohnen. Denn auch hier ist harter Metal drin.

JAZZKANTINE, allein der Name lässt erahnen, welcher Musikrichtung sich diese Band normalerweise verschrieben hat. Doch auf der neuen Platte "Hell's Kitchen" haben sich die Musiker zwölf bekannter Heavy-Metal- und Hard-Rock-Songs aus drei Jahrzehnten Musikgeschichte angenommen und auf ihre Weise neu interpretiert. Mit knapp zehn Mann, ungewohnten Klängen wie Bläsersatz – alles Blechbläser, also fast schon Metal – und verschiedene Vocalists greifen die Jazzer dabei in die Kiste der Musikgattungen und bieten 45 Minuten lang Metal mit Jazz-, Swing-, Funk-, Dixie- und Reggae-Sound - oder andersrum.
Das ist Grund genug für uns, uns mit Bassisten und Bandleader Christian Eitner über Jazz, Metal, musikalische Ursprünge und die neue Platte zu unterhalten.

Am Anfang steht die Frage nach dem Anfang. Der Musiker lacht und erzählt von damals. "Wir sind mit diesen Songs groß geworden," wie wohl viele Leute der damaligen Zeit. Als die Musiker mit fünfzehn anfingen, sich in Bandprojekten zu sammeln und selber Musik zu machen, lag es nahe, das, was man kannte, zu covern und selber zum Besten zu geben. Außerdem "war es leicht nachzuspielen."
So begann die musikalische Karriere der JAZZKANTINE-Musiker Christian Eitner (bass) und der Erchinger-Brüder Dirk und Heie (drums, piano) im Alter von fünfzehn Jahren in Heavy-Metal-Coverbands mit klingenden Namen wie RAPID FIRE oder SUBMISSION. Im Laufe der Zeit entdeckten die Musiker dann den Soul und Funk für sich und schlugen diesen Weg ein. Eitner jedoch bleibt bekennender Fan der harten Klänge und weist ein beeindruckendes Konto an Konzertbesuchen auf, die er im letzten Jahrzehnt absolviert hat. Darunter VAN HALEN, MÖTLEY CRÜE, OZZY OSBOURNE, AC/DC, IRON MAIDEN, SAXON und KISS, um nur eine Hand voll zu nennen.

Nach über zehn Jahren Bandgeschichte mit diversen Jazz- und Funkalben und weiteren Projekten widmet sich die Band nun dem Heavy Metal. Das kommt nicht von ungefähr, denn live hat die JAZZKANTINE schon immer Nummern von AEROSMITH und DEEP PURPLE im Repertoire. Der DEEP-PURPLE-Klassiker 'Smoke On The Water' hat es nach Jahren als Konzertzugabe nun sogar als Instrumental auf die neue Platte geschafft.
"Live" ist übrigens ein gutes Stichwort, den hier knüpft Eitner gleich an. "Live spielen und offen auf der Bühne Musik machen, ist die gemeinsame Basis von Rock und Jazz. Improvisation ist sehr wichtig in beiden Musikgattungen – im Gegensatz zu Modern oder Brit Pop oder Grunge. Das verbindet Metal und Jazz und macht es leicht, beides zu spielen." Von Scheu also keine Spur, als man sich an das Projekt wagte. Die Songauswahl war schnell mit den Lieblingshits der Band angefüllt und umfasst fast 30 Jahre Musikgeschichte.

Etwas komplizierter war es dann schon, diese Songs mit Jazz zu füllen, verrät Eitner. Zum Teil bestehen die Musikklassiker nur aus einer Hand voll Akkorde, was für einen Jazzmusiker und seinen Stil etwas wenig ist. Hier kam Trompeter Christian Winnighoff ins Spiel, der mittels der Bläserarrangements die erste Portion Jazz in die Songs brachte. Ebenso großen Einfluss auf den Sound hatte die gewählte Rhythmik. So klingen die zwölf Tracks nun mal funkig, südamerikanisch, swingen oder jazzen. Und ein Keyboarder hat verschiedene Möglichkeiten, normale Gitarrenriffs auch mal ganz anders klingen zu lassen.

Darüber hinaus hat die Band auch an den Songintentions etwas herumgeschraubt. So sind aus einigen Hard-Rock-Klassikern fast schon Balladen geworden. Dieser Eindruck kann auch vom deutlich weicheren und sanfteren Klang kommen. Alle Songs sind live im Studio eingespielt und Jazzgitarren, Keyboard, Jazzdrums und dergleichen klingen einfach vollkommen anders als E-Instrumente.
Und am Bandsound kann man technische gesehen absolut nichts aussetzen. Alles andere bleibt Frage des persönlichen Geschmacks. Meinen trifft es. Und dass die JAZZKANTINE live spielen kann und die Musiker wissen, wie man Musik macht, ist nach zehn Jahren erfolgreicher Bandgeschichte mit unzähligen Konzerten und verschiedenen Hits nicht mehr zu anzuzweifeln.

Nur einer der zwölf Tracks ist überhaupt ein Instrumental und die Liste der Vocalists liest sich gut, wenn man sich etwas in der deutschen Musikszene auskennt. Gleich im ersten Track 'Highway To Hell' (AC/DC) swingt Tom Gaebel, den man aus diversen Pro7-Fernsehauftritten kennen kann. Nachdem bereits Kontakte zwischen Gaebel und der JAZZKANTINE existierten, war es nur die Frage eines einzigen Anrufs, um Gaebel zum Mitmachen zu überzeugen. Ebenfalls aus Pro7-Auftritten dürfte man Max Mutzke kennen, der seine Stimme für 'Back In Black' (AC/DC) beigesteuert hat.
Der bekanntester Gastsänger aber ist sicherlich Xavier Naidoo. Er ist mit einer für ihr recht untypischen Interpretation des METALLICA-Hits 'Nothing Else Matters' auf der Platte zu hören. Das ist nicht die erste Zusammenarbeit zwischen dem Mannheimer und der Band, die sich seit den 90ern kennen. Naidoo erklärte sich sofort bereit mitzumachen, als man ihm sagte, was er singen sollte. Knapp eine Woche später nach der Anfrage hatte Eitner die fertigen Gesangsparts.

Weniger bekannt, aber musikalisch ebenfalls sehr gut sind Sam Leigh-Browh (FRANK POP ENSEMBLE), Pat Appleton (DEPHAZZ) und Louie (SILENT RADIO), sowie Dr. Ring Ding, dessen Reggae-Sounds auf dem Track 'Ain't Talking Bout Love' (VAN HALEN) zu hören ist. Übrigens mein persönliches Highlight auf der Platte. Und natürlich sind auch die beiden Stammvocalists der JAZZKANTINE, Cappucino und Tachi, bei einer amüsanten Version von 'Walk This Way' (AEROSMITH) zu hören sind. Positiv überrascht hat mich vor allem Cappuchinos Version von 'Iron Horse' (MOTÖRHEAD). Beide Musiker, die früher wohl eher dem Sprech-Gesang zuzuordnen sind, klingen bemerkenswert gut. Kein Sänger, aber trotzdem ein bekannter Gastmusiker ist Jazzposaunist Nils Wogram, der die Band unterstützt.

Christian Eitner ist nun sehr zufrieden mit dem Ergebnis der gemeinsamen Arbeit. Im Studio lief es wie geschmiert. "Wir haben das ganze Ding in drei, vier Tagen eingespielt." Und dass das Ganze Spaß gemacht hat, hört man "Hell's Kitchen" auch an. Der Spaß soll nun auch auf die Bühne. Im späten Herbst 2008 kommt endlich die Tour durch deutsche Städte. Bei so vielen Gastmusikern ist es natürlich unmöglich, alle mitzunehmen. Aber Christian Eitner verrät, dass Tom Gaebel und Max Mutzke bei dem einen oder anderen Gig vorbeischauen wollen.

Für viele Metalheads wird es wohl eher fremd klingen, was die JAZZKANTINE aus diesem musikalischen Stoff gebastelt hat. Oftmals erkennt man nur am Text, welcher Song denn da unter's musikalische Lifting geraten ist und wer mit der vollen musikalischen Palette des weiten Musikgenres Jazz überhaupt nichts anfangen kann, wird hier wohl eher unglücklich werden.
Aber allen anderen empfehle ich, sich den einen oder anderen Eindruck auf Jazzkantine.de zu gönnen. Bleibt zu hoffen, dass die JAZZKANTINE irgendwann mal zwölf Speed-, Thrash-, Doom-, Death- und Whatelse-Metal-Tracks aufnimmt. Das klänge sicher auch sehr spannend.

Redakteur:
Christoph Maser

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