KILLSWITCH ENGAGE: Doppeldecker Special (Interview + Live-Review)

18.07.2009 | 17:05

KILLSWITCH ENGAGE. Das ist immer mit garantiertem Gütesiegel versehene Leidenschaft und unverblümte Direktheit: Schnörkellos, kraftvoll, ohne Kopflastigkeit und immer mit der nötigen Prise Humor. Genießt hier das Interview mit Gitarrero Adam inkl. Konzertbericht!

Jetzt ist nunmehr schon einige Zeit um die Welt gezogen seit der Veröffentlichung des neuen Mut und Hoffnung machenden wie auch seine eigenen Grenzen neu definierenden, catchy KILLSWITCH ENGAGE-Albums, welches schlicht wie auch schon das Debüt der Amerikaner einfach selbstbetitelt wurde. Anfang Juni, genauer am 09. ergab sich für mich die ideale Gelegenheit mit dem freaky Mastermind und exzentrischen Hollywood-Bühnenkasper Adam Dutkewiecz im Münster Skaters Palace über seine antitheatralische Komik, dem Hedonismus des Rock 'n' Roll und selbstredend über das neue Album zu sprechen. Vorher galt es jedoch bei bester Laune brüderlich-solidarisch miteinander anzustoßen.

Markus:
Nun denn...

Adam:
(mit tiefer und verstellter Stimme und einem 0,5l-Bierglas in der Hand) Der Sturm kommt auf, haha.

Markus:
Hey, wenn Du Dir ein Bier genehmigst, muss ich mir doch auch mal eben eins geben. (Ich krame eine Flasche Neumarkter Lammsbräu aus meinem Army-Rucksack und öffne sie.)

Adam:
Jeder sollte bei dieser Gelegenheit Bier trinken!

Markus:

Hell yeah. Genau. Jeder sollte Bier trinken – selbst die Journalisten.

Adam:
Right.

Markus:
Wie wir in Deutschland sagen: Prost!

Adam:
Yeah. Prrroooaaast!

Markus:
...

Adam:
Aaaahhh ... erfrischend.

Markus:
Okay, beginnen wir mit Frage Nummer eins. KILLSWITCH ENGAGE sind ja bekannt als führende Kraft des modernen Metalcore heutiger Tage. Es ist ziemlich interessant, denn mit eurem neuen Album versucht ihr allem Anschein nach komplett über den Tellerrand zu schauen. Es klingt wie eine Redefinierung eurer musikalischen Identität oder wie eine Revolte gegen alle Erwartungen und Konventionen in nahezu jeglicher Hinsicht. Wie würdest du in diesem Zusammenhand die letzten Jahre mit KILLSWITCH ENGAGE beschreiben, besonders wenn du die Entwicklung innerhalb der Band berücksichtigst?

Adam:
Ziemlich hektisch, ziemlich verrückt, um ehrlich zu sein. Viele Tourneen, viele großartige Tourneen. Wir haben eine ganze Menge toller Shows hingelegt und es schien uns bzw. scheint uns nach wie vor so, dass unsere Fans uns unglaublich unterstützen. Die letzten Jahre sind einfach phantastisch gewesen.

Markus:

Und die musikalische Ausrichtung? Was ist mit dem Entwurf und dem "Layout" eurer Musik?

Adam:
Ich denke nicht, dass die Richtung sich großartig verändert hat. Ich denke, wir haben alle bloß schon immer auf verschiedene Musikstile gestanden und haben uns im Endeffekt einfach Sachen überlegt wie: "Hey, lass uns doch einmal versuchen mehr Dynamiken ins unsere Songs zu integrieren und mehr Elemente, die wir an älteren Stilen mögen, anstelle von simplem Maschinengewehrgeknattere (imitiert selbiges mit seinem Mund) die ganze Zeit über."

Markus:
So ist das also!

Adam:
Ja, es ging darum einfach Neues auszuprobieren und die Sache konsequent durchzuziehen und anschließend zu schauen, was dann passiert.

Markus:

War das denn eine bewusste Entscheidung, eingängigere Songs zu schreiben?

Adam:
Ich denke, wir versuchen gar nicht eingängige Stücke zu schreiben. Wir sind schlicht darum bemüht, gute Songs zu schreiben.

Markus:

Gute, harte und schwere Musik.

Adam:
Ganz genau. Etwas, womit wir leben können. Weißt du, was ich meine? Es ist gut zu wissen, dass wir glücklich mit unserem Material sind, denn wir müssen es ja jeden Abend vor einem Publikum präsentieren und spielen.

Markus:
In der Essenz geht es also deiner Meinung nach darum, sich einfach pudelwohl zu fühlen?

Adam:
Ja, ganz genau darum.


Markus:
Auf der einen Seite liebe ich - im wahrsten Sinne des Wortes - die mehr "True-Metal-fokussierten" Momente, aber auf der anderen Seite gefallen mir auch die Experimente auf dem neuen Album. Wie harmonisiert ihr diese beiden Aspekte?

Adam:
Ich nehme mal an, dass das ganz natürlich ist. Es kommt einfach auf diese Art aus uns raus. Wie ich schon einmal erwähnte, haben wir ja eine ganz klare Schwäche für traditionellen Heavy Metal.

Markus:
Somit gibt es keinen sogenannten "Masterplan" hinter eurer Mucke?

Adam:
Nein. Nein, nicht im Geringsten. Wir trinken Bier und spielen Gitarre, haha! Ich höre eine Vielzahl an Metalbands, wie ich auch mir eine ganze Menge Rockbands anhöre. Manchmal bin ich eher scharf darauf einen Metalsong zu schreiben und manchmal eben ein Rock-Stück.

Markus:

Allright. Eine mehr als offensichtliche Frage ist sicherlich, dass ihr dieses Mal zum ersten Mal mit einem neuen Produzenten gearbeitet habt. Wie ist diese Entscheidung zu Stande gekommen und wie ist es letzten Endes gelaufen?

Adam:
Brendan O' Brien kam tatsächlich auf uns zu. Er sagte, er hätte Lust unser neues Album zu produzieren.

Markus:
Er hat ja auch schon Größen wie AC/DC produziert.

Adam:
Klar. Jeder liebt natürlich AC/DC. Wir dachten, das könnte wirklich cool werden, da wir ja noch nie versucht hatten mit einem Produzenten außerhalb der Band zu arbeiten. Das Motto hieß "Stürzen wir uns ins Ungewisse und lassen der Dinge ihren Lauf".

Markus:
Und war es schwierig belehrende Kritik eines Außenstehenden, einer Person zu erhalten, die nicht zum inneren Kreis eurer Band gehört?

Adam:
Also ich persönlich wusste von Vornherein, dass ich es sehr zu schätzen wissen würde, was jemand anderes über unsere Gedanken und Sichtweisen sagen würde. Ich persönlich hatte noch nie eine Person hinter mir gehabt, die mir über die Schulter und auf die Finger schaut.

Markus:
Wie ein Lehrer meinst du?

Adam:
Ja, es war wirklich einzigartig für mich diese Erfahrung zu machen.

Markus:
Und aus produktionstechnischer Hinsicht, was ist der wesentliche Unterschied verglichen mit euren anderen Veröffentlichungen?

Adam:
Aus meiner Sicht war der größte Verdienst von Brian, dass er unserem Sänger Howard sehr viel mehr Selbstbewusstsein gab, ein Bewusstsein, sich wohl und fähig zu fühlen einfach alles zu tun und auszuprobieren. Das war das absolut größte Plus, das in unsere Konstellation getragen wurde. Dieses ist einfach so bedeutend für das Selbstbewusstsein von Howard.

Markus:
Und irgendeinen Unterschied, was mehr die Technik betrifft oder den Aufnahmeprozess als solches?

Adam:
Um wirklich ehrlich zu sein: nein. Wir haben uns alle Songs gemeinsam angehört, während wir innerhalb von fünf Tagen an den Drums arbeiteten. Und danach nahm ich alles weitere auf - mit Ausnahme der Vocals. Ich ging zurück nach Hause nach Massachusetts und Howard blieb in Atlanta, um an den Gesangsspuren herumzutüfteln. Zu Hause kümmerte ich mich deshalb um die zusätzlichen Gitarren, den Bass, die Overdub-Gitarren, die Keyboards und anschließend um den Rest. Daraufhin trug ich die Sachen mit nach Atlanta und sichtete ausgiebig mit Brendan das Material. Brendan begutachtete einzelne Teile, so in der Art: "Ich mag dies, behalte jenes, verwerfe lieber das".

Markus:
Ach so! Die Produktion war demnach also mehr eine Co-Produktion. Ich hatte das ursprünglich anders verstanden...

Adam:
Es war eine Kollaboration.

Markus:
Verstehe. Du hast ja selber einmal Drums in einer Band mit dem Namen AFTERSHOCK gespielt und selbstredend hast du die Sticks ebenso während der ersten drei Jahre im Kontext von KILLSWITCH ENGAGE bedient. Rückblickend: Warum hast du dich endgültig dafür entschieden, die Knüppel an den Nagel zu hängen und deine Kreativität fortan an der Gitarre auszutesten?

Adam:
Gitarre live zu zocken, macht einfach sehr viel mehr Spaß. Der Anschluss und die Anbindung ans Publikum ist zudem sehr viel dichter, du kannst in Kostümen von einem Punkt zum anderen rumtanzen...

Markus:
...

Adam:
Ehrlich gesagt, wurde ich es Leid mich die ganze Zeit hinter's Drumset zu setzen. Es ist zu oft einfach dasselbe.

Markus:
Aber vermisst du das Schlagzeugspielen nicht?



Adam:
Ein bisschen, ein wenig. Aber mit Justin habe ich tatsächlich einen ziemlich guten Deal ausmachen können. Ich baue einfach meine Grundeinstellung hinter seinem Set auf und spiele dann ein bisschen für mich alleine...

Markus:
Du und Joel, ihr zwei habt ja das Berklee College of Music in Boston besucht und dort studiert. Inwieweit nimmt das Verständnis und das Wissen, das ihr euch im Zuge dessen angeeignet habt, Einfluss auf eure Musik?

Adam:
Ungelogen, nicht gerade viel. Es ist etwas, worüber ich nie wirklich nachdenke. Um bei der Wahrheit zu bleiben, geht es mehr darum, das beschreiben zu können, was wir machen, anstelle von ... Ich denke nicht darüber nach, ich mache es einfach und sage zu Joel "das ist dieser Akkord und diese Harmoniefolge bzw. Sequenz, jener Lick und jenes Thema".

Markus:
Also behauptest du indirekt, egal, ob man studiert hat oder nicht, dass die Musik stets ein organisches Ergebnis sein sollte?

Adam:
Es ist meiner Meinung nach, die einzige Verfahrensweise, welche funktioniert um Musik zu machen, die sich gut anfühlt.

Markus:
...und authentisch.

Adam:
Ich mag eben sehr viel eher Musik, die so klingt, als würde sie vom Herzen kommen und nicht Musik, die so klingt, als sei sie bloß ein Produkt des Verstandes.

Markus:
Direkt und unvermittelt aus dem Bauch heraus.

Adam:

Exakt.

Markus:
Hey, cool. Schön zu wissen, dass wir die selbe Ansicht teilen. Kommen wir zu IN FLAMES. Es ist ja sehr interessant, denn eure erste Show, die ihr jemals gespielt habt, war ja zusammen mit den Jungs und euer früher Sound wurde ja als amerikanische Mixtur, als Fusion aus schwedischem Melodic Death Metal und New School Hardcore wahrgenommen. War das Zusammentreffen Zufall oder Schicksal? Was denkst du?

Adam:
IN FLAMES, AT THE GATES ... all die schwedischen Bands sind stets ein Einfluss von uns gewesen, eine Menge schwedischer Sounds. Und Hell! Eine ganze Menge passierte damals in Europa, von dem wir ganz "ohrenscheinlich" inspiriert wurden. Und klar gab es ein paar in der Band, die schon seit Ewigkeiten amerikanischen Hardcore gehört haben. Nun, das ist wo das ganze Zeug eben herkommt.

Markus:
Ein Melting Pot von vielen verschiedenen Einflüssen.

Adam:
Wir stehen so ziemlich alle drauf.

Markus:
Was ist mit dem Ausstieg eures alten Sängers Jesse Leach, der ja noch auf dem Klassiker "Alive Or Just Breathing" zu hören ist? Ich nehme einfach mal ganz dreist an, dass es etwas mit seiner Heirat zu tun hat. Lebt er augenblicklich ein "normales Leben"?

Adam:

Nein, tatsächlich ist er musikalisch noch ziemlich aktiv in gleich mehreren Bands. Er ist beschäftigt und wieder auf der Bildfläche, um Metal zu spielen. Klar, er arbeitet innerhalb eines geregelten Arbeitsverhältnisses und zieht deshalb die Musikerseite am Wochenende durch.

Markus:
Aber ihr Jungs von KILLSWITCH könnt doch wohlweislich euren Lebensunterhalt von der Musik bestreiten?

Adam:
Ja, das ist verdammt geil. Aber es ist witzig, dass du's erwähnst, denn Jesse und ich haben unlängst ein gemeinsames Projekt auf die Beine gestellt.

Markus:
Im Ernst?

Adam:
Ja, bloß er und ich.

Markus:

Wie ist der Name des Projekts?

Adam:
Wir haben dem Projekt noch keinen endgültigen Namen gegeben.

Markus:

Es schlummert also noch im Untergrund und man kann es bisher nur auf MySpace etc. entdecken?

Adam:
Nein, wir haben es bloß aufgenommen und es wird erst demnächst dran sein.

Markus:
Lass uns das Augenmerk auf deine freakigen, unkonventionellen, sehr exzentrischen und ausgeflippten Momente lenken. Nehmen wir ein Beispiel: Auf euer DVD "Set This World Ablaze" machst du ein paar Liegestütze mit der Gitarre auf deinem Rücken oder auf dem Wacken letztes Jahr hast du diesen Song "Emo, You're Pussy" gesungen. Kannst du mich aufklären, was es mit all diesen Dingen auf sich hat? Was ist die Intention dahinter?

Adam:
Yeah. Die Intention, welche dahinter steckt, ist folgende: Habt eine gute Zeit. Es dreht sich darum, den Leuten das Gefühl zu vermitteln sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen. Ich bin der Ansicht, dass jeder Einzelne aus den selben Gründen da ist: Bier trinken, rumschreien und Party machen. Eben eine gute Zeit haben. Warum soll es so sein (macht eine recht übertrieben ernste und feierlich-politische Geste mit verstellter Stimme)? Was sieht nach mehr Spaß aus? Dies (bierenst) oder das (bierlustig mit der Pommesgabel gekrümmt am Grimassen schneiden und krächzen)? Aaaahhh! Weißt du, worauf ich hinaus will? Fuck man, das ist Metal! Lass dich gehen, lass die Sau raus.

Markus:
Es scheint so, als seid ihr so ziemlich die ganze Zeit über auf einer Art Flugbahn gewesen, die immer höher und höher wird eure gesamte Karriere lang. Fühlt ihr irgendeinen Druck diesen Kurs beizubehalten mit jedem Album, das ihr herausbringt und jeder Tour, die ihr macht?

Adam:
Um wiederum ehrlich mit dir zu sein (Wer hätte das für möglich gehalten? – Anm. d. Verf.), heißt auch hier die Antwort wieder einmal für mich persönlich: nein. Denn am Ende des Tages bin ich immer dankbar dafür, wie gut die Dinge doch für uns gelaufen sind. Aber wenn morgen alles aus und vorbei wäre, würde ich nicht mit unglücklichen, melancholisch gefärbten Erinnerungen zurückblicken. Es ist toll, wo wir gerade stehen, wir surfen auf der Welle und schauen, wie weit diese uns wird bringen können. Und wir haben alle einen Mordsspaß. Es ist nicht so, als würden wir versuchen mit Nachdrücklichkeit und Ernst die Welt zu erobern...

Markus:
Man will gute Musik spielen.

Adam:
Ja, das ist so ziemlich alles.

Markus:
Und wenn die Band nicht mehr populär sein würde, was würdest du als Alternative machen?

Adam:
Alben produzieren wahrscheinlich, versuchen gute Musik aufzunehmen und zu produzieren. Aber gute Musik zu machen ... in Wirklichkeit ist das alles, was ich machen möchte. Und erfreulicherweise hatte ich bisher das Glück es soweit zu bringen, wie ich es bis jetzt bringen konnte. Verdammt cool. Einen Job, den ich in gleicher Weise liebe, ist es zu touren. Aber hinwiederum kann Touren auch echt ätzend sein, denn ich kann nicht so viel trinken, wie ich gerne möchte (wie man an den unteren Studiophotos deutlich erkennen kann - Anm. d. Verf.).

Markus:
Weil man ein seriöser und professioneller Typ sein muss? Ein professioneller Typ mit einem großen Kopf?

Adam:
Wenn man ein Album produziert, ist das auf alle Fälle so. Das Leben hingegen ist ganz anders. Da geht es um Eier, Trinken und so weiter. Verstehst du?

Markus:
Es geht um Energie und Lebendigkeit?

Adam:
Party?

Markus:
Party und Power. Okay. Auf der "Music As A Weapon"-Tour werdet ihr auch Arenen bespielen. Solche Dimensionen sind echt verrückt. Ist dies die erste Arena-Tour, die ihr Jungs durchzieht?

Adam:
Wir haben schon vorher Arenen gemeistert. Mit SLIPKNOT zum Beispiel.

Markus:
In Amerika?

Adam:
In Kanada.

Markus:
Welches Jahr?

Adam:
Welches Jahr? Ich weiß gar nicht. Ich kann mich nicht erinnern. Es sind nun schon so viele Jahre vergangen, Mann! Aber in den USA haben wir auch schon vereinzelt Arena-Shows gespielt. Es ist also "nicht wirklich" das erste Mal. Wenn wir aber Arena-Shows spielen, ist das meist sehr komisch, befremdlich, ziemlich verrückt, aber dennoch großartig, denn solche Gigs sind immer mit der Hoffnung verbunden noch mehr unsere Musik in die Welt hinaustragen zu können und hoffentlich neue Fans zu gewinnen.

Markus:

Und was ist deiner Wahrnehmung nach der Unterschied zwischen dieser Art von Shows und einer normalen Club-Show?

Adam:
Arena-Shows sind sehr viel unpersönlicher und kälter. Viele Leute setzen sich hin... Bei Club-Shows kommt es mir eher so vor, als wäre jeder auf der Tanzfläche.

Markus:
Nicht gerade so die konsumkapitalistische Massenabfertigung.

Adam:
Nein, überhaupt nicht. Beim Typ Club-Show scheint es mehr so zu sein, als würden alle gemeinsam der selben Sache wegen da sein. Sie ist intensiver. Ich mag das. Letzte Nacht spielten wir in Gegenwart von 600 Leuten. Es war ergreifend, geradezu märchenhaft. Lieber spiele ich Shows mit einem 600 Mann starken Publikum, das richtig abgeht, als eine Show von 6000 Leuten, die regungslos und steif zuschauen. Denn solche Shows bereiten schlicht mehr Vergnügen.

Markus:
Beim neuen Silberling handelt es sich um ein selbstbetiteltes Werk. Was ist die Logik hinter dieser Namensgebung, denn KILLSWITCH ENGAGE hat ja schon ein selbstbetiteltes Debüt?

Adam:
Wir waren nicht imstande über einen guten Namen nachzudenken, hahaha! Wir werden von nun an ein selbstbetiteltes Album nach dem anderen herausbringen, haha! Nein. Mal im Ernst: Wir hatten uns ein paar Namen für die Scheibe zurechtgelegt, aber daraus wurde nichts. Um es auf den Punkt zu bringen: Es ist eben ein anderes, ein andersartiges Album. Wir versuchen die unterschiedlichsten Sachen darauf auszuloten. Warum sollte man ihm deshalb nicht schlicht den Titel "Killswitch Engage" verpassen? Es fühlt sich nämlich schon fast so an, als hätten wir es hier mit einer völlig neuen Version von KILLSWITCH ENGAGE zu tun - seit sehr, sehr vielen Jahren.

Markus:

Es gibt ja eine geringe Anzahl Leute da draußen, die dabei sind eine intellektuelle, nahezu hochgestochene Sichtweise auf Hard 'n' Heavy-Musik zu etablieren. Was ist deine Meinung zu so einem Modell oder Versuch? Oder was bedeutet es für dich im Allgemeinen, wenn emotionale Sachverhalte intellektualisiert werden?

Adam:
Hochgestochen?

Markus:
Ja, Typen, die eben Emotionalität intellektuell aussehen lassen.

Adam:
Fuck that! Just do it, man! Wie ich schon sagte, geht es für mich mehr darum, dass Musik von Herzen kommt und nicht aus dem Kopf. Ich denke, je mehr du dir darüber den Kopf zerbrichst (im wahrsten Sinne des Wortes), desto schlechter wird sie. Tue, was sich richtig "anfühlt". Du solltest dich aufgepusht, energetisch aufgeladen und aufgeregt fühlen, wenn du dir Musik anhörst.

Markus:

Das gleiche gilt sicherlich auch fürs Aufführen?

Adam:
O ja, natürlich.

Markus:
So, um dieses Interview nun abzuschließen, habe ich zum Schluss noch ein nettes Zitat von Jimmy Page, dem Gitarristen von LED ZEPPELIN. Page sagt: "Ich habe immer geglaubt, dass die gute Sache an der Gitarre stets darin begründet lag, dass sie nicht in der Schule gelehrt wurde." Was sagst du dazu?

Adam:
Das spricht natürlich für ihn, denn ich denke nicht, dass seine Leads wirklich gut sind, hahaha! Aber ich liebe Jimmy Page als Songwriter. Ich denke, er ist brillant und bewundernswert. Die Akkordfolge und das Hauptthema in 'The Rain Song' zum Beispiel sind einfach umwerfend, große Stücke bedeutender Gitarrenarbeit. Aber eigentlich ein cooles Statement von ihm...

Markus:
Okay, das war es nun auch von mir. Klasse. Vielen Dank, Adam!

Adam:
Right on man! Gerne!





Short Live-Review der Show vom 09.06.09, Münster, Skaters Palace

Anschließend bekamen die KILLSWITCH-Jünger noch eine funkensprühende und aufregende Live-Show vor den flowpsychologischen Latz geknallt, die von Metalcore-Klassikern, wie auch von neueren Auswüchsen durchzogen war und wieder einmal demonstrierte, wer hier eigentlich das diamantene Zepter modernen Schwermetalls in seinen feisten Händen halten darf. Großartig! Schlichtweg kolossal-mitreißend! CALIBAN konnte in diesem Zusammenhang lediglich als appetitanregender Anheizer fungieren, wobei sie jedoch ihrer Rolle als Opener voll gerecht wurden. Soundkanonaden wie '24 Years', 'I Rape Myself' oder 'I Will Never Let You Down' wärmten die Herzheizung der New-School-Freaks schon mal auf geschätzte 50 Grad Celsius vor - mithin ein gutes Aufwärmprogramm für die Meister aus Massachusetts.

Aber nun zum eigentlichen Hauptspektakel. Mich wundert es immer wieder wie viel Spaß, Lebensfreude und sich selbst ironisierende Komik KILLSWITCH ENGAGE an den Tag zu legen imstande ist und dieses gewisse Funkeln in ihren Augen reflektiert, das zeigt, dass wahre Leidenschaft niemals zur Routine verkommt - eben wie eine dem Eros geschuldete apollinisch konstante Liebe zu einem anderen Menschen - in die Herzen der Fanschar trägt. Bei Songs wie 'Fixation On The Darkness', 'Life To Lifeless' oder 'The End Of Heartache' wird dermaßen Moshpit-Dampf freigesetzt, das man sich fragt, ob die brownsche Molekularbewegung hier ihre Finger im Spiel hat und irgendwo im Zentrum ersucht einen jeden an die Außenwand zu schmettern. Die Meute kocht, schwitzt, bangt, fröhnt dem "Good Friendly Violent Fun" und geht ab, was das Zeug hält. Obgleich KILLSWITCH ENGAGE bezüglich des Trendfaktors mittlerweile dem Deathcore-Phänomen Platz macht, scheinen auch die Fans selbigen Phänomens nicht die Gewalt dieser Band vergessen zu haben. Ich ebenso nicht, hampele ich doch rum wie ein Epileptiker auf LSD. Klar, diese Band ist einfach zu gut, als das sie einfach in die Vergessenheit verschwinden würde. Wenn man in zehn bis fünfzehn Jahren wohl von Metalcore- bzw. Modern-Metal-Vorreitern sprechen wird, wird die Truppe um Howard Jones, Adam Dutkewiecz, Joel Stroetzel, Mike D'Antonio und Justin Foley definitiv unter den ersten dreien zu finden sein, die voller Szenestolz genannt werden.

Die im Interview bekundete Liebe zum traditionellen Heavy Metal wird feierlich mit dem mittlerweile zum Kult aufgestiegenen 'Holy Diver'-Cover nachdrücklich unterstrichen. Der Song ist zugleich der letzte des Abends und was hier noch an Energiereserven und Freudentränen mobilisiert wird, ist einfach unbeschreiblich. Als habe man mittels mittelalterlich-okkultistischen Kräften das Publikum hypnotisiert und es zu bedingungslosem Abgeh-Gehorsam gezwungen. Man will gar nicht, dass diese Show endet. Nein, nicht schon nach 75 Minuten. Man will dieses Übercover einfach noch mal hören, einfach sich noch mal geben, um überhaupt bewusst wahrzunehmen, wie schweinegeil die Umsetzung doch ist. Selbst DIO wusste dies schon zu würdigen. LAMB OF GOD bekamen nämlich mal während einer gemeinsamen Tour mit dem Metalgott ein Foto von ihm überreicht, das als Geschenk für die Mannen gedacht war. Auf selbigem sieht man Ronnie mit einem Schild, auf welchem steht: "Hey Killswitch, where are my royalties?" Zum Schluss fragt man sich auch nichts Unbedeutenderes: "Where are KILLSWITCH ENGAGE?"

©Live-Pics der Münster-Show liegt bei Alexander van Stein, (Chefredakteur von the-pit.de)



Redakteur:
Markus Sievers

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