LOVE LIKE BLOOD: Interview mit Yorck

01.01.1970 | 01:00

Mit "Chronology Of A Love-Affair" werden die Gebrüder Yorck und Gunnar Eysel, besser bekannt unter dem Namen LOVE LIKE BLOOD, am 05.03.2001 eine Cover-CD mit Stücken aus 20 Jahren Goth-Rock-Geschichte veröffentlichen. Grund genug, Sänger Yorck vorab ausführlich über das neueste Werk auszuquetschen.

Kathy:
Eure neue Platte trägt den schönen Titel "Chronology Of A Love-Affair". Warum habt ihr diesen Namen gewählt? Soll die CD eine Art Liebeserklärung an den Goth-Rock der vergangenen 20 Jahre sein?

Yorck:
Genau. Der Titel ist irgendwie mysteriös und trotzdem unkompliziert und erzählt auch gleichzeitig die Geschichte, worum es sich handelt.

Kathy:
Wie kam eigentlich die Idee, nach eurem 2000er-Album "Enslaved & Condemned" eine reine Cover-CD aufzunehmen?

Yorck:
Wir hatten halt dirket nach dem letzten Album versucht, das Standardprogramm, sprich Touren, das Ding promoten, irgendwann dann mal wieder eine Pause zum Songwriting einzulegen, dann Studio etc. zu durchbrechen. Bisher haben wir das immer die ganzen Jahre über durchgezogen, meistens hat es auch so zwei bis drei Jahre gebraucht, bis eine neue Veröffentlichung am Start war. Und jetzt wollten wir es eben einfach mal durchbrechen.

Kathy:
Dann hat die Arbeit an der neuen Platte euch sicher Spaß gemacht, oder?

Yorck:
Also, es war äußerst spannend, auch für uns selber, weil wir auch null Plan hatten inwiefern wir was wie umsetzen. Es ist halt doch so, dass es Songs sind, bei denen wir einen gewissen Anspruch hatten, sprich nicht zu viel zu verändern und auch nicht etwas völlig anderes draus zu machen. Das geht ja gar nicht, weil wir zu nah an den Präzedenzien der Songs, die wir da gecovert haben, dran sind. Wiederum sollte es nicht zu nah am Original sein...

Kathy:
...sonst wär's ja langweilig.

Yorck:
Sonst wär's langweilig, ja. Und dem Anspruch gerecht werden war schon ganz schön schwierig, weil wir dann eigentlich nur mit gewissen Facetten und Feinheiten arbeiten konnten. Da wurde dann auch sehr viel Wert drauf gelegt, eben genau diese Details zu bearbeiten. Ich glaube, das ist sehr gut gelungen; wenn man darauf achtet, was da an Arbeit in jedem einzelnen Song drinsteckt, an den ganzen Arrangements, dann merkt man das auch.

Kathy:
Wie lange habt ihr denn dann schlussendlich an der Platte gearbeitet?

Yorck:
Hmmm, wann waren wir eigentlich fertig? (überlegt) Das war ja letztes Jahr..., ich glaube, wir haben insgesamt mit Unterbrechungen drei oder vier Monate gebraucht.

Kathy:
Was hat denn euer Plattenlabel Hall Of Sermon gemeint, als ihr das Vorhaben, eine Coverplatte aufzunehmen, unterbreitet habt? Waren die gleich damit einverstanden?

Yorck:
Wir haben ihnen das natürlich gleich so präsentiert, dass wir ihnen sagen konnten, worum es sich eigentlich handelt und in welche Richtung das geht.

Kathy:
Ihr hattet also schon vorher das Konzept ausgearbeitet.

Yorck:
Ja, und deswegen haben sie da auch nicht lange überlegen müssen. Sie fanden es eigentlich von Anfang an cool.

Kathy:
Nach welchen Kriterien habt ihr denn die Songs für die CD ausgesucht? Gab es bestimmte Voraussetzungen, die die Stücke erfüllen sollten?

Yorck:
Wir hatten keine Lust, irgendwas zu covern, wo wir keinen Bezug dazu haben. Wir haben das eben zu zweit zusammengestellt und sind eigentlich so vorgegangen, dass wir erstmal nur die Bands zusammengetragen haben und uns dann auf die Tracks geeinigt haben. Das Einfache waren eher die ersten Jahre, das Schwierige die letzten Jahre, also die aktuelleren Bands.

Kathy:
Da gibt es ja auch eine riesige Fülle an aktuellen Bands, die relativ gut sind und die auf das Album gepasst hätten.

Yorck:
Natürlich. Die Auswahl ist halt schwieriger, bei Bands wie TYPE O NEGATIVE oder LACRIMOSA ist das nicht einfach. Auf jeden Fall hat das System - eben erstmal die Bands, die uns was bedeuten und die auf dieser Compilation draufsein sollten, auzuwählen und danach erst die Songs - so wunderbar funktioniert, dass wir damit fortgefahren haben. Wir konnten eigentlich nur das auswählen, was wir selber im Repartoire haben bzw. selber an Musik besitzen.

Kathy:
Gab es da manchmal auch so kleine Streitereien zwischen dir und Gunnar, was genau jetzt draufkommen soll und was nicht?

Yorck:
Es war so, dass, wenn ein Titel geändert wurde, es eigentlich immer Sinn gemacht hat. Deswegen gab es da überhaupt keine Uneinigkeiten.

Kathy:
Hattet ihr manchmal eigentlich Sorge, den Songs, besonders den alten Klassikern, nicht gewachsen zu sein? JOY DIVISION, BAUHAUS, THE SISTERS OF MERCY usw., das sind ja alles beachtliche Größen.

Yorck:
Sagen wir mal so: Wir machen jetzt schon so lange Musik und der Abstand zu diesen alten Songs ist zum Glück etwas größer, so dass wir eigentlich null Panik davor hatten, dass wir da jetzt irgendwie an irgendeinen Song rangehen, der dann peinlich wird. Der wäre dann auch nicht auf der CD gelandet. Wir hatten zwar nicht das Problem, dass wir einen Track weglassen mussten, aber wenn einer peinlich geworden wäre, hätten wir ihn weggelassen. Es gab natürlich schon ein paar Songs, wo wir im Studio gekämpft haben und uns nicht sicher waren, ob was dabei rauskommt. Ein Song ist in der Entstehungsphase oft nicht das, was er dann nachher ist, wenn alles komplett eingespielt ist. Mit dem Ergebnis waren wir dann aber so zufrieden, dass wir, wie schon gesagt, nichts weggelassen haben. Wir waren auch relativ unvoreingenommen an die Stücke rangegangen, ohne jetzt groß darüber nachzudenken, ob wir es packen, den Song so einzuspielen, dass uns nachher die Fans dafür nicht köpfen. Ich glaube, es ist eigentlich auch völlig egal, was du machst: ob das jetzt ein Songs ist oder irgendwas anderes, das du anpackst, grundsätzlich gehst du einfach drauflos und machst es einfach.

Kathy:
Das mit den Fans wäre auch meine nächste Frage gewesen, sprich was du denkst, wie wohl einerseits eure Fans und andererseits die Anhänger der Originalstücke auf das Album reagieren werden.

Yorck:
Ich glaube die Reaktionen sind auf beiden Seiten gleich möglich. Es kann sein, dass der Fan von uns, LOVE LIKE BLOOD, enttäuscht ist, weil er sowas eigentlich nicht erwartet (lacht) oder uns nur von einer anderen Seite her kennt. Genauso kann der Fan von irgendeiner Band sagen, dass das Stück, so wie wir es interpretieren, völlig überflüssig ist und es kein Mensch braucht. Eigentlich sagen Fans ja immer, dass sie nur das Original und keine anderen Versionen hören wollen. Also, ich rechne da mit allen Reaktionen, ich denke, das ist eigentlich grundsätzlich so bei Covern. Wir haben die Jahre über ja immer wieder welche gemacht, bekamen aber grundsätzlich positives Feedback. Deswegen sind wir auch davon ausgegangen, dass, wenn wir so ein Album auf Coversongs basierend aufnehmen, die positiven Reaktionen überwiegen müssten.

Kathy:
Anhänger von älteren Bands betrachten es teilweise ja als eine Art Sakrileg, wenn man sich an deren Songs "vergreift".

Yorck:
Also da kommt es glaube ich drauf an, wie groß der Abstand ist. Ich denke, je größer der zeitliche Abstand zum Original ist, desto besser wird der Song angenommen.

Kathy:
Du glaubst also, dass ihr bei den neueren Sachen größere Probleme mit den Fans haben werdet?

Yorck:
Ja, aber macht ja nichts (lacht). Zumindest kann man nicht sagen, dass etwas dabei herausgekommen ist, das unhörbar ist. So schlecht sind wir nun auch nicht. Außerdem fände ich es schade, wenn wir die letzten fünf bis zehn Jahre ignoriert und die Sachen aus den 90ern, die doch eine echte Bereicherung sind, nicht mit auf die Platte genommen hätten.

Kathy:
Gibt es ein Stück auf "Chronology Of A Love-Affair", welches für dich persönlich eine größere Bedeutung hat? "Love Like Blood" von KILLING JOKE beispielsweise, da ihr ja von diesem Lied euren Bandnamen entliehen habt?

Yorck:
"Love Like Blood" würde ich aufgrund der Namensgebung nicht überbewerten. Es wäre jetzt auch blöd, wenn ich die Frage andersrum beantworten würde, nach dem Motto, welche Songs weniger von Bedeutung sind (lacht). Deswegen lasse ich das lieber, ich will es echt nicht bewerten, das geht bloß nach hinten los. Natürlich hast du von Zeit zu Zeit irgendeinen Track, den du mehr bevorzugst, aber da will ich mich zeitlich nicht festlegen. Wenn ich jetzt irgendein Statement abgebe, ist das vielleicht in einer Woche schon wieder anders.

Kathy:
Kommt es eigentlich vor, dass du beim Hören der älteren Songs teilweise eine Art Nostalgie verspürst? Immerhin bist du mit solcher Musik aufgewachsen. Fühlt man sich da nicht ein wenig in die Jugendjahre zurückversetzt?

Yorck:
Eigentlich weniger muss ich sagen, weil dadurch, das alles jetzt einen neuen Sound hat, es für mich aktuelle Songs sind, auch wenn das jeweilige Original schon lange zurückliegt. Das mit der Nostalgie findet bzw. fand eher dann statt, wenn ich mich mit den Originalversionen befasst habe. Ich kann mich noch an früher erinnern, als ich etwa 50 Prozent der Sachen, die wir jetzt gecovert haben, auf Vinyl besessen habe. Aber ich muss sagen, ich verbinde nur selten Songs oder eine ganze Platte mit einem bestimmten Zustand oder so. Wenn, dann muss da schon echt was Besonderes passiert sein. Ich kann dir jetzt auch nicht mit irgendeinem besonderen Ereignis dienen (lacht). Es ist zum Teil so, dass eher die Band eine bestimmte Rolle gespielt hat oder auch ein Album oder z.B. ein Konzert, wenn man die Band zum ersten Mal live gesehen hat. Aber ich bin auch kein Mensch, der wie manche Leute zehn Jahre hinterherhängt, ich lebe voll im Jetzt und in den Dingen, die jetzt passieren. Ich bin kein Vergangenheits-Nostalgiker.

Kathy:
Mit "Injustice" habt ihr euch auf der Platte selbst gecovert. Warum?

Yorck:
Wir wollten uns als Band nicht ausschließen...

Kathy:
...euch quasi als ein Stück der Geschichte mitpräsentieren.

Yorck:
Auf jeden Fall. Ich denke, es wäre der Band LOVE LIKE BLOOD gegenüber eigentlich unfair, wenn wir uns selbst außen vorlassen würden. Wenn die Geschichte schon so aufgerollt werden soll, dann ist normalerweise für einen selber die eigene Band die größte Bedeutung. Das war für uns von vorneherein klar, dass, wenn so eine Zusammenstellung stattfindet, die eigene Band dabeisein muss, weil die ja eigentlich die größte Rolle von allen spielt, für uns zumindest. Außerdem hatten wir schon länger mit dem Gedanken gespielt, ein Remake zu machen, danach wurden wir auch schon öfters in Interviews gefragt - das war dann die Gelegenheit.

Kathy:
Mir ist aufgefallen, dass ihr oft zusätzliche weibliche Vocals eingebaut habt.

Yorck:
Ja, es war auf jeden Fall klar, dass wir eine Gastsängerin engagieren werden. Auch bei unseren vorherigen Produktionen wie "Snakekiller" und "Enslaved & Condemned" waren immer irgendwelche Gastsängerinnen bei uns präsent. Es war uns zum einen wichtig, dass sowas auch diesmal nicht fehlen darf, und zum anderen eben, wie vorhin schon erwähnt, dass der weibliche Gesang dazu beiträgt, dem entsprechenden Song einen anderen Touch zu geben. Solche Sachen erscheinen nachher teilweise sogar hintergründig, weil sie im Gesamtsound eher an zweiter Stelle plaziert sind, aber sie gehören ganz klar zu diesen Feinheiten dazu, um einen Song aufzupolieren bzw. ihm eine eigene Note zu geben.

Kathy:
Habt ihr mit dieser Sängerin vorher schon mal gearbeitet?

Yorck:
Wir kannten sie auf jeden Fall, sie ist jemand aus unserem Bekanntenkreis. Aber wir hatten noch nie mit ihr gearbeitet. Sie ist eine Italienerin.

Kathy:
Und die Zusammenarbeit war zufriedenstellend?

Yorck:
Wunderbar! Ich würde sie jederzeit wieder holen.

Kathy:
Falls ihr in naher Zukunft auf Tour gehen solltet, werdet ihr dann auch den Inhalt von "Chronology Of A Love-Affair" live performen?

Yorck:
Ja. Sagen wir mal so, das Album wird erst im März veröffentlicht und ich gehe schon davon aus, dass es den einen oder die andere interessieren wird (lacht). Und wenn Interesse da ist, wovon wir ausgehen, dann wird auch Interesse da sein, dass so ein Song live gespielt wird - genauso wie andere Coversongs aus unseren anderen Alben. Es wäre einfach schlecht, wenn wir dann live spielen würden und unvorbereitet wären für sowas, so dass das Publikum dann sagt: vom aktuellen Album spielen sie ja gar nichts! Leute, die vielleicht so ein Album zum ersten Mal kennenlernen und von unseren alten Sachen gar nichts kennen, wären bestimmt maßlos enttäuscht, wenn sie von dem, was sie jetzt als Einziges haben, gar nichts hören. Deswegen ist es für uns eigentlich Pflicht, das miteinzubauen.

Kathy:
Ist denn eine Tour in der nächsten Zeit überhaupt geplant?

Yorck:
Also wir werden nicht zum oder nach dem Release direkt touren. Ich denke, wir werden uns eher ein paar Festivals aussuchen, bei denen wir dann zu sehen sind.

Kathy:
Kommt ihr nach Leipzig zum Wave-Gotik-Treffen?

Yorck:
Das wird auch im Gespräch sein. Wir haben uns jetzt noch nicht festgelegt, weil das mit den Festivals auch schwierig ist. Man kann a) nicht alle und b) nicht nur eine bestimmte Anzahl machen, es muss schon zusammenpassen, auch terminlich. Man kann schlecht mal eins im Mai machen und eins mal im August. Deswegen stimmen wir uns da grade noch mit der Agentur ab.

Kathy:
Werdet ihr als nächstes dann an neuem Material arbeiten oder eine kreative Schaffenspause einlegen?

Yorck:
Je nachdem. Gemäß dem Fall es kommt im Herbst noch eine Tour, was sich jetzt eher anbietet als eine im März/April, wird es wieder zwangsweise eine Pause geben. Im Sommer können wir auf keinen Fall viel neue Sachen erarbeiten. Aber gesetzt dem Fall es kommt keine Tour werden wir dieses Jahr bestimmt schneller ein neues Album zustande bekommen. Ansonsten wird es sich bestimmt wieder über ein Jahr verzögern, so dass wir dann frühestens nächstes Jahr wieder am Start sind. Aber ich denke, das ist zeitlich auch völlig OK, wenn wir erst nächstes Frühjahr wieder im Studio sind.

Kathy:
Eure Labelkollegen LACRIMOSA haben Ende 2000 ja ein Live-Video herausgebracht, welches ihre Bühnenlaufbahn dokumentiert. Könntet ihr euch vorstellen, sowas auch mal zu veröffentlichen? Immerhin gibt es euch sogar schon länger als LACRIMOSA.

Yorck:
Ich muss sagen, dass wir nicht so fleißig waren wie andere Bands was Live-Aufnahmen angeht. Es gibt ja unzählige Bands, die alles mitschneiden für sich selber. Bei uns gibt es auf jeden Fall auch Aufnahmen, aber nicht von uns selber, wir haben uns um sowas nicht gekümmert, weil da kein Plan dafür da war und auch kein Ziel, Live-Sachen zu veröffentlichen. Die Aufzeichnungen, die es gibt, sind von der Qualität her auch nicht relevant, denke ich.

Kathy:
Also auch kein Live-Album?

Yorck:
War auch nie im Gespräch. Es ist immer dann schwierig, wenn du anfängst, zwei oder drei Plattenfirmen zu haben. Wenn du für zehn Jahre bei einer Firma bist, dann wird sie 100%ig im Bezug auf Live-Veröffentlichungen auf dich zurückkommen. Aber momentan ist es so, dass wir mit ein paar Alben bei Hall Of Sermon sind, so dass eben ein Teil live von diesen Platten präsentiert wird, der andere Teil ist von den ersten Alben, die noch beim alten Label waren und sind. Deswegen ist es im Augenblick für HOS nicht interessant, Live-Sachen zu veröffentlichen. Aber wer weiß, kann alles noch kommen.

Redakteur:
Kathy Schütte

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