MARYSLIM: Interview mit Urrke Thunman

01.01.1970 | 01:00

Seit einigen Jahren zählt Schweden zu den Exportschlagern Nr.1 in Sachen "Kick-Ass-Rock'n'Roll" … THE HELLACOPTERS, THE NOMADS oder auch die BACKYARD BABIES kommen einem in diesem Kontext sofort in den Sinn. Mittlerweile stehen aber weitere, mehr als vielversprechende Acts in den Startlöchern um sich ihren Anteil am Kuchen zu sichern. MARYSLIM sind eine dieser hoffnungsvollen Combos, die in naher Zukunft mit Sicherheit noch von sich reden machen werden. Seit gut einem halben Jahr ist deren Debütscheibe "Maryslim" am Start und wie der Silberling bisher von der Öffentlichkeit aufgenommen wurde und selbstredend noch vieles mehr, erzählt uns im folgenden Interview Bandsprachrohr Urrke Thunman, seines Zeichen Bassist der vier Schweden.

Oliver: Eure Debüt-Scheibe ist inzwischen schon einige Zeit auf dem Markt. Seit Ihr mit den Reaktionen zufrieden?

Urrke: Yeah! Absolut. Leute von überall auf der Welt scheinen das Teil echt zu mögen. Einige haben sogar gesagt, sie würden das Album regelrecht lieben und es wäre eine der besten Scheiben die sie je gehört hätten. Ich selbst könnte es nicht besser ausdrücken … haha!

Oliver: Urrke, für viele da draußen dürftet Ihr noch ein relativ unbeschriebenes Blatt sein. Sei doch bitte so gut und bring etwas Licht ins Dunkel ...

Urrke: Nun gut ... ich kannte Kent schon ein wenig, als ich ihn und Mats bei einer THE NOMADS / HELLACOPTER Show Mitte '99 traf. Anschließend begannen wir zusammen zu proben und ersetzten den wenig überzeugenden Drummer, den sie bereits hatten durch Patrick, den ich wiederum schon seit vielen Jahren gut kannte. Unseren ersten Gig spielten wir im "Café-44" in Stockholm im September '99. Danach ging alles sehr schnell. Das spanische Label SAFETY PIN RECORDS veröffentlichte unser erstes Demos als farbige 10"-Vinyl-Scheibe Anfang 2000, wir haben Tracks zu HANOI ROCKS, GG ALLIN und TURBONEGRO Tribute-Alben beigesteuert und gleichzeitig auch sehr viel in ganz Schweden gezockt. Unser Demo haben wir an Firmen weltweit verschickt, wobei 3 Companies ernsthaftes Interesse an uns zeigten. Wir waren dann auch drauf und dran bei PEOPLE LIKE YOU zu unterschreiben, als WHITE JAZZ auftauchten und uns einen Deal anboten … das war Anfang 2001. Als erstes veröffentlichten WHITE JAZZ unsere Debüt-Single "Nothing In Common" gefolgt von "Quite Intoxicated", anschließend ging's auf Skandinavien Tour mit unseren Kumpels von THE NOMADS und hinterher wurde dann das Album veröffentlicht. Im selben Jahr hatten wir zudem das vergnügen einige Shows in den Staaten zu spielen ... unter anderem im legendären CBGB's in New York City, was wirklich monumental für uns war! Ende 2001 ging's dann in ganz Europa als Support von MARKY RAMONE auf Tour und im April 2002 war gleich noch mal Europa angesagt. Tja, und im Moment nimmt alles seinen weiteren Verlauf ...

Oliver: Warum habt Ihr Eure Debüt-Scheibe im SUNLIGHT mit Tomas Skogsberg aufgenommen? Wolltet Ihr mit der ersten Scheibe auf Nummer sicher gehen oder ist er wirklich die erste Wahl in Schweden für den Sound den MARYSLIM spielen?

Urrke: Er war einfach deshalb erste Wahl, weil wir ihn schon seit der Zeit vor MARYSLIM kennen. Kent hat im SUNLIGHT sogar schon einmal gearbeitet. Wir wollten nicht dumm rumsitzen und mit den Aufnahmen zum Album warten bis wir einen Deal angeboten bekommen. Wir wussten bzw. wir glaubten fest daran, dass wir einen Vertrag bekommen würden, mit wem auch immer. Deshalb wollten wir die Scheibe auch so schnell als möglich machen.
Tomas war bereit mit uns die Aufnahmen zu machen, auch wenn wir zu dem betreffenden Zeitpunkt überhaupt nicht sagen konnten, wer im Endeffekt dafür bezahlen wird. "Keine Sorge Tomas, Du wirst Dein Geld bekommen!", haben wir ihm gesagt und das genügte ihm. Er hat uns geglaubt und wir sind ihm einerseits hierfür dankbar, andererseits dafür dass er so sich so für uns reingehängt hat und wirklich gute Arbeit geleistet hat. Er ist wirklich was besonderes und in vielerlei Hinsicht eine großartige Person. Er ist irgendwie wie ich … überhaupt kein bisschen realistisch. Ein verdammter Romantiker und Visionär. Ich mag das!

Oliver: Wenn Du Eure Scheibe einem bestimmten Film bzw. Filmgenre als Soundtrack zuordnen müsstet, wohin würdest Du das Album stecken?

Urrke: David Lynch's "Wild At Heart" passt ganz gut, da der Film wie unsere Musik ist. Es geht darin um die selben Dinge … Träume, Freiheit, Spaß zu haben und wahre Liebe inmitten einer gewalttätigen, verdrehten, modernen Welt. Um es zu zitieren: "If you are truly wild at heart, you'll fight for your dreams … don't turn away from love Sailor!".

Oliver: Worum geht es in dem Song "Livin' For The Minute" - lebe jetzt und scher Dich einen Dreck um die Zukunft oder was? Was glaubst Du, ist Eure Mucke eher etwas für den Moment oder doch für die Ewigkeit gemacht?

Urrke: Es geht darin um meine Sichtweise, wie ich mein Leben lebe. Keine Angst zu haben und gewillt sein Risiken einzugehen um alles im Leben zu erreichen. Folge deiner Intuition und kümmere dich nicht allzu sehr um die Konsequenzen. Mach einfach das was dir im Moment richtig erscheint und folge deinen Träumen. Man hat schließlich nur ein Leben auf diesem Planeten … so "Carpe Diem" baby! Du kannst dir nicht mehr leisten.
Unsere Musik ist für das hier und jetzt, aber ich denke mal, da es Rock'n'Roll ist, ist sie auch für die Ewigkeit gemacht. Rock'n'Roll wird niemals sterben, genauso wie unsere Mucke!

Oliver: Wo wir schon bei den Songs sind, wie entstehen bei Euch die Stücke?

Urrke: Meistens läuft es so ab, dass Mats und Kent mit Riffs und Melodien ankommen, die wir im Proberaum zusammentragen. Mats singt die Melodien anfänglich mit irgendwelchem sinnlosen Wörtern, während ich später die passenden Lyrics dazu schreibe. Beim Debütalbum musste ich völlig unvorbereitet einige der Texte im Studio schreiben, da ich bei den Proben eigentlich dachte zu den Songs gäbe es bereits fertige Lyrics. Diese stellten sich dann im Studio plötzlich als "fake" heraus, eben so wie es Mats immer macht. Er ist wirklich gut darin sinnloses Zeugs zu singen … haha!

Oliver: Laut Info steht Euer Drummer Patrik auf Jazz und spielt diesen auch. Wie passen straighte Mucke wie Ihr sie spielt und Jazz zusammen? Habt Ihr keine Bedenken, dass seine Art zu spielen für Euren Sound etwas zu, na sagen wir mal, progressiv ist?

Urrke: Haha! Nein, sicher nicht. Patrick ist ein Allrounder, der genau weiß, was zu welchem Stück passt und was nicht. Bei den MARYSLIM Songs spielt er sehr hart und direkt, gleichzeitig integriert er wirklich äußerst filigrane, zu den Stücken passende Fills. Auf der anderen Seite übertreibt er es auch nicht, indem er zu viel macht oder zu komplizierte Sachen einbaut. Bei den Jazz-Geschichten sieht das natürlich wieder ganz anders aus. Er ist ein wirklich erstklassiger Jazz- wie auch Rock-Drummer, der genau weiß was er kann und wie er mit seinen "Stäbchen" umzugehen hat.

Oliver: Welchen "normalen" Jobs geht Ihr neben MARYSLIM so nach?

Urrke: Patrick arbeitet halbtags als Musiklehrer und ich mache dieses und jenes im Musik-Biz. Aber als normale Jobs würde ich das nicht unbedingt bezeichnen … haha!

Oliver: Schweden war schon immer berühmt für seine großartigen Death Metal Bands, aber seit einigen Jahren mutierte Schweden zum Exportschlager Nr. 1 in Sachen Kick-Ass-Rock'n'Roll. Was ist das Geheimnis hinter Schweden und seinen Muckern?

Urrke: Ehrlichgesagt habe ich keine Ahnung. Darüber habe ich auch noch nie nachgedacht. Musik ist einfach etwas, dass viele Jugendlich in Schweden interessiert.
Ich persönlich mag sehr viele Bands aus Schweden, aber die meisten Bands die ich mir so anhöre kommen aus England und den USA.

Oliver: Wie bereits eingangs erwähnt hat Eure Debütscheibe schon einige Tage hinter sich ... arbeitet Ihr bereits an neuen Songs und wann kann man mit einem neuen Album rechnen?

Urrke: Aber klar, wir sind ständig dabei neue Songs zu schreiben und zu proben. Mittlerweile dürften es so um die 7 oder 8 Songs sein die fertig sind und es kommen noch mehr hinzu; zudem fehlen uns noch ein paar Lyrics. Sollten neuere, bessere Songs dazukommen, wandern sicher einige Stücke in den Schrank, aber bis dato ist noch kein einziges, halbgares Lied dabei. Was unsere zweite Scheibe angeht, so gibt es noch keine genauen Zeitpläne, aber ich denke mal es sollte so im Frühjahr 2003 an den Start gehen.

O.k. ... ab hier geht's mit meinen berühmt berüchtigten Standards weiter ... love ´em or hate ´em!

Oliver: Hättest Du die Möglichkeit einen Tag lang eine andere Person zu sein, in welche Rolle würdest Du gerne schlüpfen und warum?

Urrke: Ich wäre gern meine Freundin. Mich würde es interessieren, wie es ist in mich verliebt zu sein ohne dass ich es selber bin. Aber gut, das würde natürlich auch davon abhängen wer an dem Tag meinen Platz einnimmt und was wir so machen. Ich würde jedenfalls nicht allzu gerne, egal von wem, von hinten genommen werden … haha (kann ich irgendwie verstehen ... Anm. d. Red.)!

Oliver: Wie gehst Du mit Kritik um? Hattest Du jemals Schwierigkeiten mit der Presse?

Urrke: Nein, nicht wirklich. Ich kann mich lediglich an ein wirklich schlechtes Review erinnern. Es war diese Sorte von Rezension, wo der Typ, der es geschrieben hat, das größte Arschloch der Welt sein wollte, dass nur so mit den üblen Worten und Kraftausdrücken um sich schmeißen wollte. Davor dachte ich eigentlich über solchen Dingen zu stehen, aber ich war überrascht, dass ich da falsch lag. Ich wollte dem Typen seine verdammte Fresse einschlagen! Er bettelte förmlich danach. Glücklicherweise, kannst du im Endeffekt nicht so auf Sachen reagieren, die dich in irgend einer Form belasten. Denn wenn du Kritiker bzw. Kritiken zu ernst nimmst, müsstest du den ganzen Tag rumlaufen mit dem Gefühl irgend jemand eine vor den Latz zu knallen. Das ist mit Sicherheit nicht sehr gesund! Wenn du an etwas von Anfang an glaubst und stolz darauf bist, solltest du daran festhalten und dich nie von irgendwelchen bescheuerten Besserwissern runterziehen lassen. Schließlich weißt du, ich habe recht und er hat unrecht. Es kann dich schließlich nicht jeder lieben und wer will schon von einem Arsch geliebt werden, der von tuten und blasen sowieso keine Ahnung hat!?

Oliver: Welche 3 Dinge würdest Du nicht mit auf eine einsame Insel nehmen?

Urrke: Den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist? Nein? Falsche Antwort? Shit! Ernsthaft. Ich würde meine Freundin, eine Wagenladung "empfängnisverhütender Mittel" und eine Rückfahrkarte Richtung Zivilisation mitnehmen, damit ich abhauen kann, wenn die "Mittel" alle sind (da hat wohl wieder einer das "nicht" überlesen ... Anm. d. Red.).

Oliver: Thema "Frauen": wurdest Du schon jemals von einer Frau vor die Wahl gestellt: ich oder Band / Musik?

Urrke: Nein. Keine clevere Frau sollte niemals so etwas verlangen. Ich bin Musiker und kein Pornostar oder Nutte, wenn du verstehst was ich meine. Wo liegt das Problem? Das einzige Problem mit dem evtl. schwer umzugehen ist, ist die Trennung für eine mehr oder weniger Lage Zeit wenn man auf Tour ist. Aber wenn du jemanden wirklich liebst, kannst du damit auch umgehen wenn du musst … und das betrifft schließlich beide Seiten. Es gibt ja Gott sei dank noch das Telefon!

Oliver: Welches Bier schüttest Du Dir am liebsten nach getaner Arbeit rein?

Urrke: NEWCASTLE BROWN ALE. Kein schwedisches Bier kommt da annähernd ran.

Oliver: Wo siehst Du MARYSLIM in 10 Jahren?

Urrke: Wie sollte ich das wissen? I'm just "Living For The Minute", schon vergessen?

Oliver: Welchen Stellenwert nehmen für dich persönlich Online-Mags verglichen zu "herkömmlichen" gedruckten Magazinen ein?

Urrke: Ich bevorzuge die gedruckte Variante, die kann ich nämlich in den Zug, Flugzeug oder Bus mitnehmen. Die einzige Sache die mich an Online Mags. stört ist die Tatsache, dass sehr leicht und schnell irgendwelche Lügen und Bullshit geschrieben und veröffentlich wird, der wesentlich mehr Leute erreicht, als bei gedruckten Zines. Dabei denke ich aber eher an faschistische Propaganda, Kinderpornographie und anderes krankes Zeug.

Oliver: Kommen wir kurz vor knapp noch zu einer eher makaberen Frage: angenommen Du wärst tot, hättest aber davor noch die Möglichkeit gehabt, Deinen eigenen Nachruf zu verfassen. Was hättest Du geschrieben?

Urrke: Er ging seinen Weg und war stolz darauf!

Oliver: Was steht für Euch in nächster Zeit an? Touren? Festivals? …

Urrke: Leider spielen wir nur ein paar Festivals in Skandinavien, aber wir hoffen im Herbst in Europa zu touren.

Oliver: Gut, dann machen wir mal hier Schicht im Schacht. Danke für die Antworten. Du hast das letzte Wort ... come on!

Urrke: Seit stark, seit individualistisch, seit unvoreingenommen und stellt Fragen! Seit vernünftig, verlangt das Unmögliche!




Redakteur:
Oliver Kast

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