MASTERPLAN: Interview mit Roland Grapow

11.05.2007 | 00:12

Nachdem ich mich mit Roland Grapow eine Zeit lang über das Wetter unterhalten hatte, (es war gerade Sturmzeit mit Kyrill) kamen wir auf den Besetzungswechsel zu sprechen. Vor allem der neue Sänger, Mike DeMio, war Gesprächsthema Nummer 1. "Zuerst dachte ich ja, er wäre der Sänger von QUIET RIOT, weil mir der Name RIOT überhaupt nichts sagte. Kennen gelernt habe ich ihn dann letzten Endes auf seiner Myspace-Seite. Wir hatten auch andere Bewerber, zum Beispiel Nils Patrik Johansson von den ASTRAL DOORS, obwohl er mir auf den ASTRAL DOORS-Platten überhaupt nicht zusagte. Aber er hat mir seine CDs geschickt, und ich fand seine anderen Stücke viel geiler, da, wo eher alles wie YNGWIE MALMSTEEN klingt, und ich fand das gar nicht schlecht, da hatte die Stimme eine richtige Bandbreite, und er war auch ein netter Typ mit Live-Erfahrung, aber irgendwie kam er dann doch etwas zu schüchtern rüber."

Wenn man da an den Norweger JORN denkt, sieht die Sache schon anders aus. Auch was das enorme Arbeitspensum angeht, das Jorn Lande sich in den letzten Tagen aufgehalst hatte. Auch eine Option für Mike DeMio? "Er hat mir gleich in den ersten Gesprächen gesagt, dass er null Bock auf eine Veröffentlichungsflut wie bei JORN hat. Er versteht gar nicht wie Jorn sich so überanstrengen kann. Er macht ja auch seinen Markennamen mit dieser Veröffentlichungsflut kaputt. Ich hab mir heute Morgen erst die beiden neuen JORN-CDs angehört, und so toll waren die auch nicht. Die Coversongs sind nicht wirklich überzeugend. Ich hatte Mike zwar gesagt, das er wegen uns nicht gleich RIOT verlassen müsste, und auch LIZARD nicht, da die ja eh nicht viel machen. Ich wollte ihm nicht vorschreiben von wegen: 'Du machst jetzt MASTERPLAN und sonst nichts.' Aber das hat sich so ergeben, RIOT haben sich einen neuen Sänger gesucht, und LIZARD sind sowieso eher eine Spaßkapelle, wo er halt mal ein paar Gigs in New York macht. Der Bassist bei denen ist ja außerdem noch ein großer Plattenboss, und so finanziert sich die Band halt eben aus dem Eigenbereich, gegen so eine Band muss man nicht anstinken, das will ich auch gar nicht. Mike DeMio hat dann auch gleich gesagt, wenn jetzt wie zum Beispiel bei Frontiers, wo der Labelbesitzer jeden Sänger zu einer Soloplatte bringen möchte, jemand sagen würde, du musst eine Soloplatte machen, das würde er direkt ablehnen. Er will jetzt erst mal helfen, dass MASTERPLAN richtig groß wird, und dass auch viele Gigs gespielt werden können. Bei LIZARDS und RIOT war er richtig enttäuscht, dass die so wenig gemacht haben, und er ist jetzt richtig hungrig auf Live-Auftritte. Auch Mike Terrana übrigens hat gesagt, er würde jetzt erst mal alles an MASTERPLAN setzen. Natürlich könnte er nur von seinen Drummerfähigkeiten leben und jedes Album eintrommeln, aber das wäre nicht sein Stil."

Das Thema Jorn Lande ist immer noch ein heißes Eisen, besonders die Frage, wann eigentlich die Krise begann. "Eigentlich schon nach der ersten Tour, erst war er von der CD noch total begeistert und fand sie supergenial, aber irgend wann nach einem Jahr kommt er an und meint, dass er 'Heroes' total doof findet, obwohl das einer der Songs war, die auf der Bühne am besten angekommen sind. Aber seine Freunde finden eben, dass das total deutsch klingt, und es wäre ihm auch viel zu hektisch durch die Doublebase. Und irgendwann kam nach jeder Show sein Gemecker, egal wie gut es lief. Das war auch irgendwie schade, wenn man gerade eine gute Show abgeliefert hat und alle stolz auf dich sind, nur der eigene Sänger nicht. Ich hab's zwar die zweieinhalb Jahre lang ignoriert, aber nachdem noch andere Sachen dazugekommen sind, hatten wir dann im März dieses Internetgespräch, wo er uns dann das Messer auf die Brust setzte und sagte, dass entweder die Musik geändert werden müsste oder er würde aussteigen. Ihm würde die Doublebase nicht so gefallen, es solle alles nicht so deutsch klingen und sein Gesang müsse noch viel mehr Tiefe bekommen. Da das aber auch irgendwo unser Kennzeichen war, mussten wir uns leider mit der anderen Alternative abfinden, und wir haben uns dann in Freundschaft getrennt. Ich hab ihm dann noch eine Mail geschrieben, dass ich diesen Schritt sehr bedauere, weil er wirklich einer meiner Lieblingssänger ist, aber er hatte sich nun mal dafür entschieden. Unser Verhältnis ist aber weiterhin sehr freundschaftlich, ich hab auch mit seiner Frau noch Kontakt und wir haben uns auch für die nächsten Tage verabredet."

Nach diesem etwas ungewöhnlichen Verlauf ist es natürlich interessant zu erfahren, wie sich das alles in Hinblick auf Mike ändern wird. "Wir werden auf jeden Fall bei Mike darauf achten, dass er sich bei uns wohl fühlt. Das hatte ich schon bei Jorn versucht, aber er ist halt auch sehr eigenwillig. Mike scheint eher lebensfroh zu sein, der eigentlich nicht diese typischen Sängergedanken hat. Er sagt selber, dass er sich nicht als Sänger sehe, sondern eher als Keyboarder. Er ist auch sehr musikalisch und hat auch andere Roots als Jorn, der eben nicht David Coverdale (WHITESNAKE) und DIO als Nonplusultra sieht. Für ihn gibt es auch so Sachen wie Freddy King oder Stevie Wonder. Er hätte auch mal den Sängerposten bei RAINBOW haben können, was ja auch schon einiges aussagt. Aber er hat nicht diese Sängerallüren, obwohl er natürlich schon an seiner Stimme arbeitet, sie versucht zu schonen und zu trainieren und so. Von Divatum kann bei ihm nicht die Rede sein, er ist eher lebensfroh und, naja, eigentlich fast schon ein großes Kind. Jorn war da eher verbissener, er hat nicht die Band gesehen, sondern eher sich als Performer. Und das ist eigentlich schade, weil ich sehe ja auch immer die ganze Band, und nicht nur mich als Gitarristen. Ich sehe mich eher als Mastermind der Band, und für mich ist es auch wichtig, dass der Keyboarder oder der Drummer gut rüberkommt und nicht nur ich als Gitarrist, das hab ich mir schon lange abgewöhnt. Es gibt welche, die glauben, dass jetzt ihr Riff oder ihr Solo ganz wichtig ist, aber ich sehe das nicht so, ich sehe immer die Band als Ganzes. Deswegen finde ich auch, dass die Gesangsmelodie ein Teil des Ganzen ist. Ich fand das auch etwas unfair, als die Leute sagten, jetzt ist Jorn weg, nun ist die ganze Band im Arsch. Ich find auch, dass Jorn als Solokünstler kaum mit unserer Musik vergleichbar ist, find die jetzt auch nicht so interessant. Das ist jetzt keine Kritik, aber er mag halt eher diese einfach strukturierten Hard Rock, die 'leichte' Metalecke, während MASTERPLAN halt eher komplex sind. Jetzt nicht progressiv, aber doch schon etwas feiner strukturiert. Wir achten eher auf die Details und auf die Struktur, was uns auch abheben sollte von den anderen Bands."

Wenn man an Jorn zurückdenkt, fallen vor allem die Liveauftritte ein, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Wie Mike sich auf der Bühne verhalten wird, ist Roland Grapow allerdings noch nicht bekannt. "Das kann ich dir so noch nicht sagen. Bis jetzt haben wir noch keine gemeinsamen Gigs gemacht, und müssen da jetzt von der Performance komplett neu anfangen. Was ich bisher von Mike gesehen habe, das war ein LIZARD-Gig auf einer kleinen Bühne. Ich kann mich da nur auf das verlassen, was mir die Leute gesagt haben, die ihn mit RIOT gesehen haben. Dass er sich viel bewegt und ein richtig guter Livesänger ist. Das ist auch meine Hoffnung, bei Jorn war das so, dass er zwar mal richtig gute Shows ablieferte und ordentlich Stimmung machte, aber eben nur, wenn er gut drauf war. Es kam auch manchmal vor, dass er ewig nichts sagte und er fast schon schüchtern rüberkam, und das war für mich ein richtig krasser Unterschied, weil bei HELLOWEEN hatte der Sänger noch richtig Party gemacht und die Lücken gefüllt, wenn die Gitarren gewechselt wurden. Und das hat mir teilweise bei Jorn gefehlt."

Der andere Line-Up-Wechsel, Uli Kusch gegen Mike Terrana (ex-RAGE, AXEL RUDI PELL), wirft ebenfalls viele Fragen auf, besonders in Hinblick auf die Spielfreude Mike Terrana's, der gerne lange Drumsolos in Konzerten spielt. "Ich hab Mike schon angedroht, mehr als drei Minuten kriegt er nicht für sein Schlagzeugsolo. Es wäre einfach schade, wenn er uns zehn Minuten Spielzeit nimmt. Sogar bei einer Headliner-Position geben wir ihm maximal sieben Minuten. Ich find zwanzig Minuten Schlagzeugsolo irgendwie langweilig. Auch die Leute kommen dann irgendwie stimmungstechnisch runter, gehen sich ein Bier kaufen, kommen zurück und sehen, 'Ah, der spielt ja immer noch', das ist irgendwie schon blöd. Klar, er ist ein guter Drummer, aber ich finde, in der Kürze liegt die Würze. Es passt besser, wenn das gut verpackt ist."

Mit dem Einstieg zu MASTERPLAN ging überraschenderweise auch der Ausstieg aus RAGE einher. Wusste Roland schon, dass sich eine Krise anbahnte? "Mike war damals ziemlich überrascht, als ich ihn während der AXEL RUDI PELL-Tour anrief, da wir uns normalerweise kaum zwischen den Tourneen unterhalten, obwohl wir gut befreundet sind. Und schon kurz nach dem Hallo hat er gleich besorgt gefragt: 'Was ist denn los bei euch, ich hab gehört, der Uli ist ausgestiegen?' worauf ich ihn nur verwundert fragte, woher er das denn wisse? Und dann ist Mike total begierig darauf gewesen bei uns einzusteigen, dabei wollte ich ihn ja nur fragen, ob er uns hilft das Album einzutrommeln, zu dem Zeitpunkt hatte ich nicht mal über einen neuen Drummer nachgedacht. Aber er war richtig gierig danach, bei uns einzusteigen, auch weil er derzeit extrem viel Stress mit RAGE hatte und keine Lust mehr hatte, bei denen weiter zu machen. Und da würde er so oder so aussteigen. Ich hatte ihm zwar noch geraten, bei RAGE zu bleiben, weil er so einfach mehr verdienen würde, aber am Ende hätten sich ja doch die Live-Dates überschnitten, und dann wäre das eh nicht mehr so gut gelaufen."

Was am neuen Album auffällt, ist die Tatsache, dass es immer noch stark nach MASTERPLAN klingt. Haben sich die Neuen überhaupt einbringen können? "Also Mike überhaupt nicht, da die Drums schon geschrieben waren. Klar, seinen eigenen Stil hat er schon noch irgendwie mitgebracht. Er spielt auch erdiger als Uli, so in die Richtung Cozy Powell (RAINBOW, WHITESNAKE, BLACK SABBATH), was mir irgendwie auch besser gefällt. Wenn ich dann Mike gesagt hab, spiel doch mal wie Bonham (LED ZEPPELIN), war er total begeistert, da das eben seine Idole sind. Was Uli wohl eher nicht hingekriegt hätte, da er eher in Richtung Melodic Speed Metal ging. Und Mike hat sich natürlich wahnsinnig stark eingebracht, weil er halt eben auch die Gesangslinien selber geschrieben hat, die wir dann nachher nur teilweise bearbeiten mussten."

Ein weiterer Grund, warum MASTERPLAN immer noch wie früher klingen, ist eine recht gelungene Ähnlichkeit des Gesangs von Mike, der sich zum Glück doch ziemlich nach Jorn anhört. "Daran bin ich auch nicht ganz unschuldig. Anfangs hat Mike noch mehr bluesig gesungen, was mir dann überhaupt nicht gefallen hatte und auch nicht so recht ins Ohr wollte. Und dann haben wir uns zusammengesetzt und gesagt, was können wir jetzt bei den Bridges oder Strophe machen. Die Strophen hab ich ihm dann sogar noch relativ frei gelassen, da konnte er sich richtig austoben, aber bei der Bridge brauch ich diesen Ohrwurmeffekt, die haben wir dann zusammen ausgearbeitet. Was bei Jorn irgendwo leider nicht so gut ging, klar hat er einfach mal ein paar Superdinger von selbst abgeliefert, aber andere Meinungen konnte er irgendwie nicht so akzeptieren."

Nach all den Jahren MASTERPLAN gerät fast der Grund für die Gründung in Vergessenheit, der Zwist mit HELLOWEEN. Unterhält man sich eigentlich noch? "Nein, da gibt es so gut wie kein Kontakt. Gut, ich unterhalt mich natürlich noch ab und an mit dem Weiki (Michael 'Weiki' Weikath, Gitarrist bei HELLOWEEN), wenn wir uns irgendwo in Hamburg mal auf der Straße treffen, so richtig Stress gibt es da jetzt nicht. Jetzt wo der Uli weg ist, hab ich jetzt auch diese Besinnungsphase, wo ich auch fühle, ich könnt jetzt mal wieder mit den Jungs Kontakt aufnehmen. Auch zu Weihnachten gab es Kontakt oder auf Wacken, wo Weiki mir den Kopf gekrault hat, wie das seine Art ist. Aber so richtig tiefgehenden Kontakt gibt es bei uns nicht. Ich muss auch nicht mehr über die Jungs lästern, auch nichts mehr beweisen, anders noch mit den ersten MASTERPLAN-Album, da wollten wir den Jungs noch so richtig in den Arsch treten, damit sie merken, was sie an uns verloren haben. Das sollen sie jetzt natürlich auch noch, aber ich hab jetzt nicht im Unterbewusstsein die ganze Zeit an HELLOWEEN gedacht. Ich krieg das natürlich schon über Interviews mit, wenn jetzt zum Beispiel der Herr Derris meint, ja, MASTERPLAN ist schon eine geile Band. Da lässt er sich jetzt auch nicht lumpen und versucht irgendwas Negatives rauszuhauen. Eine weitere Verbindung zu HELLOWEEN habe ich natürlich auch durch Nicolas Kosta, der im Management bei Bottom Row arbeitet, die auch HELLOWEEN machen, und natürlich gibt es da dann immer die kleinen Geschichten, denn der Nicolas findet MASTERPLAN geil, und ist natürlich auch HELLOWEEN-Fan, und wenn wir uns unterhalten, krieg ich natürlich auch das eine oder andere mit. Er ist sozusagen so was wie ein Verbindungsglied, und rückt da auch die einzelnen News mal raus. Aber das mit HELLOEEN ist inzwischen doch recht locker geworden."

Nun, wo die neue Platte fertig ist, und der Erwartungsdruck abflaut, kommt die Frage nach dem Liebling auf der Platte gerade recht. "Hm, das ist schwer zu sagen. Ich hab da recht viele, weil ich bin ja doch recht stolz auf das Album, und bis jetzt hab ich noch nicht die Phase, wo ich das beurteilen könnte, obwohl ich es doch recht häufig höre. Am liebsten im Auto, weil man da richtig schön aufdrehen kann, und mir gute Laune gibt, obwohl ich während der Produktion in einer richtig dicken Frustphase steckte. Ich wollt das Album fast schon in den Sand setzen, vor allem nach der Geschichte mit Uli und auch weil mein Vater in der Zeit gestorben ist, das war ziemlich heftig. Deswegen wundert es mich auch, dass das Album so fröhlich geworden ist. Müsste ich mich jetzt für ein repräsentativen Track entscheiden, würde ich eigentlich fast immer 'Call Of The Gypsy' sagen, eben weil es sehr rund klingt. Das Gitarrensolo ist auch eines meiner Lieblingsdinger. 'Take Me Over' ist auch ziemlich geil, aber als Gitarrist und auch Hörer ist es für mich 'Call Of The Gypsy'. Aber auch die anderen sind natürlich super. 'Masterplan' find ich, ist ein super Song, 'Heart Of Darkness' auch ein super Abschluss, wenn man runterkommen will von den ganzen flotten Nummern. Am meisten bewegt hat mich auch die Ballade 'Trust In You'. Als ich nach Hamburg kam und die Scheibe des erste Mal gemixt wurde, und ich den Song gehört habe, da hatte ich echt Tränen in den Augen, weil mir da die ganze Last von mir abfiel und Mike auch super darauf gesungen hatte. Der Song berührt mich da immer irgendwie."

Redakteur:
Lars Strutz

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