MELECHESH: Interview mit Ashmedi

08.12.2006 | 12:56

Mit "Emissaries", einem sehr imposanten Album, das rein stilistisch gesehen irgendwo in der Schnittmenge aus brachialem Thrash und rohem Black Metal anzusiedeln ist, veröffentlichten MELECHESH vor wenigen Wochen ihr mittlerweile viertes vollständiges Album. Ebenso wie auf "Sphynx" (2003) und "Djinn" (2001) sind es aber nicht nur die genannten Klänge, die das Werk und Wirken dieser multinationalen Truppe interessant machen. Schon seit ihrem Debüt "As Jerusalem Burns...Al'Intisar", das 1996 erschienen ist, lassen sich Einflüsse aus dem mittleren Osten nicht von der Hand weisen und machen die musikalische Melange von MELECHESH zu einer sehr interessanten und vor allem einzigartigen. Nicht nur die eingestreuten Melodiebögen, die auf Rhythmen aus dem Nahen Osten basieren, lassen die Klänge der Herren Ashmedi (v., g.), Moloch (g.), Xul (dr.) und Al'Hazred (b.) zu einer einzigartigen musikalischen Melange gedeihen, sondern ebenso die auf Mythen und Mystizismen alter Hochkulturen jener Region basierenden Texte und Konzepte, die MELECHESH in ihren Songs verarbeiten.
Mastermind Ashmedi entpuppte sich als sehr auskunftsfreudiger und eloquenter Gesprächspartner.

Walter:
Trotz der Tatsache, dass der Name MELECHESH mittlerweile relativ bekannt ist, hätten wir sehr gerne etwas mehr über die Bedeutung des an sich recht ungewöhnlichen Bandnamens gewusst, sowie einige Hintergründe zur Band selbst gehabt.

Ashmedi:
Der Name MELECHESH kommt in okkulten Schriften vor und wird dort immer wieder im Zusammenhang mit dem König des Feuers genannt. Der Ursprung des Wortes stammt aus dem Hebräischen, wir haben jedoch aus dem eigentlichen Wort ein Nomen gemacht. Dadurch waren wir schon damals, als wir uns für diesen Bandnamen entschieden haben, sicher, dass keine andere Band wohl jemals auf die Idee kommen würde, sich ähnlich oder gar gleich zu nennen. Die Tatsache, dass MELECHESH einen okkulten Hintergrund hat, kam uns ebenfalls sehr zu Gute, denn damit ist auch gleich ein Bezug zu unserer Musik hergestellt. Was die Aussprache betrifft, so ist es sowohl korrekt das 'CH' wie in Loch, dem schottischen Wort für See auszusprechen, aber auch ein gesprochenes 'K' ist dafür zulässig.

Walter:
Nicht nur der okkulte Hintergrund des Bandnamens ist sehr interessant, auch die an sich internationale Besetzung, obwohl man immer wieder davon spricht, dass MELECHESH eine israelische Band sein soll.

Ashmedi:
Die Ursprünge dieser Band sind wohl ebenso interessant und faszinierend, wie falsch interpretiert und missverstanden. Wir haben uns damals tatsächlich in Jerusalem gegründet und hatten unseren Proberaum wahrhaftig in Bethlehem. Deshalb entstand wohl die Annahme, dass MELECHESH eine israelische Band wären, was jedoch falsch ist. Ich habe assyrische Wurzeln und bin ein in Jerusalem geborener Armenier, unser Gitarrist ist Palästinenser, der Bassist stammt aus der Ukraine und unser aktueller Schlagzeuger ist gebürtiger Holländer, während sein Vorgänger Proscriptor ebenfalls Armenier war. Wir haben uns sehr häufig falsch verstanden gefühlt, da sich niemand um die wirkliche Herkunft der Musiker Gedanken gemacht hatte, sondern uns lediglich auf den Ursprung der Band reduziert hat. Zudem muss ich auch noch anführen, dass wir allesamt in den Niederlanden sesshaft geworden sind und zum Teil sogar die niederländische Staatsbürgerschaft besitzen. Keiner von uns war jemals israelischer Bürger. Obwohl es in der Tat vollkommen gleichgültig ist, woher wer kommt, möchte ich diese Tatsache festgehalten haben. Ich persönlich habe immer noch Freunde in Jerusalem und bin zumindest einmal im Jahr dort zu Besuch, man hängt schließlich sein Leben lang an seiner Geburtsstätte.

Walter:
Nicht ganz einfach zu durchblicken, ebenso wie es sehr schwer fällt eure Musik zu beschreiben.

Ashmedi:
So schwierig ist das aber gar nicht. MELECHESH klingen einfach so wie MELECHESH und wie sonst keine andere Band! Außerdem klingen unsere Songs an sich gar nicht besonders kompliziert, so dass man eigentlich relativ einfach Zugang dazu finden sollte. Wir bezeichnen uns selbst als "Sumerian Thrashing Black Metal" und genau damit lässt sich der Sound von MELECHESH in der Tat ideal beschreiben. Die sumerische Komponente bezieht sich auf die Themen, die wir besingen, aber auch auf die immer wieder zu hörenden, für euch wohl schlicht und ergreifend "orientalisch" klingenden Töne. Die Gitarrenriffs sind sehr Thrash-Metal-beeinflußt und unsere Musik als Gesamtheit hat sehr viel vom Black Metal.
So lässt sich wohl unsere Musik am einfachsten beschreiben, wenn auch hinzugefügt werden muss, dass wir wohl einzigartig klingen und es keine andere Formation auf dieser Erde gibt, die ähnlich klingt wie MELECHESH. Wir vereinen anspruchsvolle Passagen mit heftigen Riffs, jeder Menge Atmosphäre und Brachialität zu einer Melange, zu der es sich aber dennoch perfekt headbangen lässt!

Walter:
Die sumerischen Einflüsse in den Texten sind zwar nachvollziehbar, dennoch aber nicht ganz einfach zu begreifen. Was genau muss man denn wissen, um eure Texte halbwegs zu verstehen?

Ashmedi:
Im Grunde genommen handelt es sich um eine Sammlung von sumerischen Schwüren, wobei wir ja sogar teilweise die Originalsprache beibehalten haben um den Sinn nicht zu verfremden. Zudem handeln einige unsere Texte von mesopotamischen Mystizismen und deren Konnex im antiken Weltbild. Wenn man sich eingehend mit unseren Lyrics beschäftigen möchte, ist es auch noch von Vorteil, sich Wissen zum Okkultismus im Nahen Ostens anzueignen und sich für mystische Götterwelten wie die Anunaki zu interessieren.

Walter:
Sehr abgefahren. Seht ihr euch denn selbst als Teil der weltweiten Black-Metal-Community, die so manch eigenartige Aussagen zu Göttern im Allgemeinen von sich gibt und nicht immer nur positiv in Erscheinung tritt?

Ashmedi:
Leider existieren in dieser Szene nur sehr wenige Individualisten und jede Menge Nachahmer. Diese verursachen sehr viel Schaden und bringen die Originatoren sehr häufig zu Unrecht in Misskredit. Zudem werden Aussagen sehr oft aus dem Konsens gerissen und dadurch entstehen völlig falsche Interpretationen und Aussagen.
Was uns betrifft, so kann sich jeder selbst ein Bild von unserer Einstellung und den Aussagen in den Texten machen. Es bleibt jedem Hörer selbst überlassen, was und an wen er glaubt. Ich persönlich weiß, was ich mit meinen Texten aussagen will und stehe voll dazu.

Walter:
Das klingt so, als ob MELECHESH für dich wesentlich mehr Bedeutung hätte, als bloß die Tatsache, dass es sich um die Band handelt, in der du gerade aktiv bist.

Ashmedi:
Absolut. Für mich persönlich bedeutet MELECHESH wesentlich mehr als, dass es sich um meine Band handelt. Es ist eine Art Medium für mich, mit dem ich meine Ansichten weitergeben kann um diese mit anderen Personen zu teilen. MELECHESH transferiert mehr oder weniger meine Phantasie in die Realität.

Walter:
Als denkendes Individuum und selbst ernannter Black Metaller ist es dir sicher nicht entgangen, dass in letzter Zeit einige Mitglieder bekannter Bands den Freitod gewählt haben. Welche Gedanken kommen einem dabei in den Sinn?

Ashmedi:
Eine Tragödie. Weshalb in letzter Zeit dermaßen viele Musiker ihrem Leben ein Ende gesetzt haben, vermag ich nicht zu beurteilen. Jeder wird wohl seine Beweggründe dafür gehabt haben. Mir persönlich ist jedoch eine wesentlich größere Zahl von Menschen bekannt, die ihr Leben deshalb beendeten, weil sie mit persönlichen Tragödien nicht mehr umzugehen wussten oder traumatisiert von Kriegsschauplätzen zurückgekehrt sind. Der Tod an sich ist nicht unbedingt etwas, vor dem man sich fürchten muss und vielleicht kann man dadurch ja sogar gewisse Situationen wirklich besser bewältigen. Allerdings bin ich der Meinung, dass Selbstmord nicht unbedingt das Mittel zum Zweck sein kann. Bevor es soweit ist, sollte man wirklich alle anderen Optionen anchecken, ob es nicht doch eine Alternative geben könnte. Wenn man aus philosophischen Gesichtspunkten zum Entschluss kommt den Freitod zu wählen, so ist man zwar auch dafür verantwortlich, sollte jedoch zuvor nochmals darüber nachdenken, was man den Hinterbliebenen damit antut. Deshalb ist es immer eine Tragödie, wenn ein menschliches Individuum einen solchen Entschluss fasst, egal, ob er nun Musiker sein mag, oder nicht.

Walter:
Bleibt nur zu hoffen, dass diesbezüglich das Schaf im Menschen der Schwarzmetaller nicht allzu oft ihren "Leithammeln" hinterher läuft, ohne sich dabei Gedanken zu machen...
Wenden wir uns nun aber wieder ein wenig positiveren Themen zu, wie beispielsweise MELECHESH. Inwiefern war denn die Umbesetzung am Schlagzeug verantwortlich für etwaige Veränderungen am Gesamtklangbild?

Ashmedi:
Gar nicht. Trotz dieser Tatsache hätten sich diese kleinen Nuancen, die im Laufe der Zeit in unserem Sound verändert wurden, auch mit unserem vorherigen Drummer ergeben. So gesehen war es fast gleichgültig, wer hinter dem Schlagzeug gesessen hat.

Walter:
Wie lässt sich denn die Entwicklung der Band generell beschreiben?

Ashmedi:
Als wir 1993 begannen zusammen zu musizieren, haben wir noch eher sehr rauen Black Metal von uns gegeben, jedoch schon versucht Einflüsse unserer Herkunft mit einzubeziehen, was uns auch hinsichtlich der Rhythmen ganz gut gelungen ist. Seit den Anfangstagen sind wir allerdings sehr bemüht, möglichst eigenständig zu klingen und uns als Komponisten und Musiker stetig zu verbessern.

Walter:
Dieses Bemühen nährt wohl auch die Erfahrung, die ein Musiker auf der Bühne machen kann. Trifft das auch auf MELECHESH zu?

Ashmedi:
Eigentlich schon, obwohl wir zwischen 1998 und 2004 überhaupt nicht aufgetreten sind. Damals war ich der Meinung, dass Live-Shows eher wenig für uns bringen würden. Mittlerweile weiß ich das aber zu schätzen, denn man kann die Musik mit jenen Individuen, die sich dafür interessieren, teilen, was etwas sehr Positives ist. Deshalb waren auch einige unserer Auftritte ungemein einschneidende Erlebnisse für uns. Wenn ich mich an die ersten Gigs der Band in Jerusalem im Jahre 1995 erinnere, weiß ich erst heute, dass wir etwas Revolutionäres vollbracht und damit Neuland betreten haben, denn wir haben den ersten Auftritt einer Black-Metal-Band in Israel überhaupt absolviert. Auch der Gig im Pariser Locomotive Club war sehr inspirierend und unsere "Rückkehr" nach Jerusalem 2004 einfach phantastisch, ebenso jener Auftritt im letzten September in Toronto.

Walter:
Zu Toronto scheint ihr ja generell ein spezielles Verhältnis zu haben, nicht umsonst wurdet ihr als "Special Guest" zur einmaligen Reunion-Show der kanadischen Legende SACRIFICE eingeladen. Wie kam diese Connection zustande?

Ashmedi:
Als wir im Jahre 2004 bei einem kleinen Festival in Toronto als Headliner gebucht waren, kamen bereits einige Leute auf uns zu um uns zu fragen, ob wir bei einer solchen Reunion-Show mit von der Partie sein wollten. Als uns auch noch Noel von Intertia Entertainment, der Promotor jener Show, danach befragte und wir auch von SACRIFICE selbst darüber informiert wurden, dass ihnen unsere Musik gefallen würde, konnten wir ja fast nicht mehr absagen.
Was für ein unvergesslicher Abend! Mirai Kawashima von SIGH ist übrigens damals extra wegen uns aus Japan angereist und ich denke, es hat sich gelohnt für ihn.

Walter:
Diese Euphorie scheint euch nun aber doch angesteckt zu haben und ihr werdet in Zukunft des Öfteren auftreten.

Ashmedi:
Ja, wir sind bereits für das "Arnheim Metal Meeting" gebucht und auf dem nächsten "Party.San"-Open Air werden MELECHESH ebenfalls auftreten. Zudem verhandeln wir gerade über eventuelle Tourneen in Europa und in den Staaten.

Walter:
Interessant. Daraus lässt sich schließen, dass Nachfrage nach der Band wohl überall auf der Welt besteht.

Ashmedi:
Ja, das kann man so sagen. Wenn ich mir unsere Verkaufsstatistiken ansehe, lässt sich da keine spezielle Region hervorheben, denn MELECHESH scheinen sowohl in Deutschland, Frankreich und den Benelux-Ländern recht angesagt zu sein, aber auch in England, Kanada und den Vereinigten Staaten, sowie in Polen, Russland und Finnland. Außerdem wissen wir, dass auch die im Moment gerade im Aufbau befindliche Szene im Mittleren Osten und in Nordafrika Verlangen nach uns hat. Ich weiß, es mag für euch ein wenig eigenwillig klingen, aber speziell in diesen Regionen müssen die Fans noch regelrecht kämpfen, um an diese Art von Musik gelangen zu können, deshalb sind die Fans auch unheimlich enthusiastisch. Wahrscheinlich liegt es gerade daran, dass in dieser Region das wohl dankbarste Publikum der Welt zu finden ist. Nicht vergessen darf man auch Südamerika, wo es zwar generell besser um die Fans bestellt ist, aber der Standard auch ein völlig anderer ist als in Europa.

Walter:
Wo und wie auch immer man an eure Scheiben herankommen kann, liegt nicht zuletzt an der jeweils zuständigen Plattenfirma und diese heißt zumindest für unseren Bereich Osmose Productions.

Ashmedi:
Diese Jungs leisten sehr gute Arbeit für uns. Als wir damals "Djinn" aufgenommen hatten und uns um einen Deal bemühten, hatte Proscriptor Osmose ins Auge gefasst um diese Firma zu bemustern. Da wir mehrfach den Tipp erhielten uns mit ihnen in Verbindung zu setzen, waren sie im Prinzip unsere erste Adresse und obwohl wir im Endeffekt einige brauchbare Verträge angeboten erhielten, haben wir uns für Osmose entscheiden, weil sie uns den besten Deal angeboten haben. Bislang haben wir nur positive Erfahrungen mit den Franzosen gemacht und ich nehme auch an, dass sie uns für eine etwaige Tournee auch dementsprechend unterstützen würden.

Walter:
Wann auch immer eine solche Tournee folgen wird, steht ja wohl noch in den sumerischen Sternen. Wie werdet ihr euch bis dahin die Zeit vertrieben?

Ashmedi:
Wenn damit ein Nebenprojekt, oder so etwas gemeint ist, muss ich festhalten, dass ich an derlei Partizipationen nicht interessiert bin. Ich werde mich nach wie vor ausschließlich um MELECHESH kümmern. Dadurch kommt meine gesamte Kreativität dieser Band zugute und glaubt mir, es gibt noch jede Menge Interessantes, das ihr von MELECHESH in Zukunft erwarten dürft.

Redakteur:
Walter Scheurer

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