MICHAEL SCHENKER GROUP: Interview mit Michael Schenker

06.08.2006 | 00:25

MICHAEL SCHENKER. Allein beim Erwähnen dieses Namens werden Gitarrenfetischisten feucht im Schritt und fangen sofort an von den guten alten Siebzigern und Achtzigern zu erzählen. Und Klassiker hat der Mann mehr als genug geschrieben. Sei's mit UFO, MSG (MICHAEL SCHENKER GROUP) oder den SCORPIONS: Jeder gestandene Rockfan könnte spontan irgendwelche Hits aufzählen, die damals wie heute zu zeitlosen Klassikern zählen und auch in Zukunft noch dazu gezählt werden können.
Was lag da näher, als MICHAEL im Rahmen der Frankfurter Musikmesse mit diversen Erlebnissen seiner langjährigen Karriere zu konfrontieren. Herausgekommen ist dabei ein – wie ich finde – interessantes Interview, dass einmal mehr verdeutlicht, welchen Respekt und Anerkennung der Wundergitarrist in der Musikwelt genießt. Action!

Tolga:
Was kannst du mir über die Anfangstage von den SCORPIONS erzählen? Man hat ja so einiges über die chaotischen Zustände auf Tour gelesen?

Michael:
Die SCORPIONS? Die SCORPIONS waren nicht chaotisch, das war harte Arbeit!
Wir hatten einen Übungsraum in Sarstedt und zwanzig Gesangsboxen. Wenn wir einen Auftritt in Frankfurt hatten, mussten wir das Ganze morgens um sieben aus dem Übungsraum ausladen, und alles in den Bus rein. Dann kamen hinten noch Matratzen drauf, wo man sich hingelegt hat, wenn man schlafen wollte. Und dann nach Frankfurt, alles wieder ausladen, dann spielen, alles wieder einladen, und dann wieder zurück ausladen. Das war ganz schön brutal!
Dann war zu der Zeit Disco hip und nicht Rockmusik. Management war nicht erlaubt. Dann habe ich angekündigt, dass, wenn eine englische Band mich einladen würde bei ihr mitzumachen, dann würde ich das machen. Das kam dann auch dazu mit UFO und habe aber Ersatz gesucht. Das war dann der Uli Roth. Dann bin ich rüber nach England, denn da war die Szene und die Musiker anders als hier. Und wenn man sich so entwickelt wie ich mich entwickelt hatte, dann war es wichtig das man vor Publikum spielt, die das mögen, anstatt da vor Leuten zu spielen, die sich gar nicht damit beschäftigen.

Tolga:
Nach der Tournee feuerten U.F.O. Marsden und verpflichteten dich als neuen Gitarristen. Am Anfang war das eine harte Zeit, da du selber kein Wort Englisch gesprochen hast und somit deine Freundin immer als Dolmetscherin fungieren musste.

Michael:
Das war schwierig, aber das war ein musikalisches Verhältnis, was wir da hatten. Da hat man sich musikalisch unterhalten.

Tolga:
Wie war es denn in einer Band zu spielen, in der man sich nicht auf sprachlicher Ebene verständigen konnte? Was war dein bezeichnendstes Erlebnis dabei?

Michael:
Meine Freundin damals hat das übersetzt, wenn's wirklich wichtig war, ansonsten war es nicht wichtig, dass ich überhaupt irgendetwas verstand. Ganz im Gegenteil: Der Schlagzeuger sagte dann zu mir: "Michael", hat natürlich meine Freundin übersetzt gehabt: "Sag mal dem Michael, der kann froh sein, dass er nix versteht, weil er würde dann wahrscheinlich ärgerlich werden und abhauen." (lacht)

Tolga:
Mit dem Nachfolgealbum "Lights Out", 1977 veröffentlicht, schaffte es die Band aber, den amerikanischen Markt zu erobern. Kurz vor dem Beginn einer Amerikatour verschwand Michael Schenker aber kurzfristig um mit seiner Freundin Zeit zu verbringen.
Warum bist du damals so plötzlich verschwunden? Was waren die Gründe?

Michael:
Im Grunde hatte ich vor der Bühne Angst! Wir hatten gerade einen Hit in Amerika, und auf einmal in meinem Kopf: "Oh, oh, jetzt geht's los mit Tour!" Ich hatte einfach Angst bekommen. Auf der Bühne war ich damals so schüchtern, da wollte ich überhaupt nicht hin. Ich habe alles da verkauft, weil ich dachte, jetzt muss ich touren, zwei-drei Jahre oder so. Ich habe meine eigenen Vorstellungen gehabt und es wurde auch viel getrunken zu der Zeit. Bin dann runter nach Marseille und habe zwei Mopeds gekauft und wir sind dann von dort nach Barcelona gefahren, haben ein Zelt aufgebaut und da habe ich mich dann entspannt. Dann sind wir nach München gezogen. Von München aus habe ich dann die Jungs - weil die meine ganze Anlage hatten - und dann wurde ich überredet weiter mitzumachen. Ich hatte mich zu der Zeit auch ziemlich erholt gehabt. Bin zurück und habe dann mit denen (UFO – d. Verf.) die Tour zu Ende gemacht. Dann haben wir die Vorbereitung für "Obsession" gemacht, aufgenommen und dann nochmal 'ne Tour gemacht. Diese Tour war dann das Liverecording für die "Strangers In The Night" (legendäres UFO-Livealbum – d. Verf.).

Tolga:
Um nochmal auf die ganzen Alkoholgeschichten zurück zu kommen. Ich kann mir gut vorstellen, dass man mit Anfang 20 sehr empfänglich ist für den Rock'n'Roll-Lifestyle: Groupies en masse, Alkohol und jeden Abend Shows. Erklärt das vielleicht, warum du in diesen Strudel hineingerutscht sind?

Michael:
In was hineingerutscht bin?

Tolga:
Mit Alkohol und so'n Kram!

Michael:
(Empört) Ich bin doch nicht hineingerutscht! Durch das Lampenfieber...

Tolga:
Es lag am Lampenfieber!

Michael:
(Nonchalant) Aber klar! Für mich war Musik keine Party, sondern für mich war Musik eine Herzensgeschichte. Heutzutage ist es auf der Bühne ja kein Problem, aber zu der damaligen Zeit habe ich beim Musikschreiben nie getrunken. Beim Aufnehmen hab ich schon, aber nur eine bestimmte Dosis. Ganz nebenbei, gehörte das im Grunde genommen zum Musik machen. Nach dem Spielen hatten wir noch Party gemacht. Am nächsten Tag habe ich dann im Auto oder Flugzeug geschlafen. Als ich dann an der Konzerthalle ankam, wollte ich raus, hab meinen Waschbeutel mitgenommen und wurde da rausgelassen. Die sind dann zum Hotel gefahren und ich habe dann bis zum Auftritt dort geübt.

Tolga:
Nach dem "Strangers In The Night"-Album gab's Streitereien mit Phil Mogg (UFO-Frontmann – d. Verf.)...

Michael:
(Intervenierend) Es gab keine Streitereien! Der hat sich mit Leuten immer viel geschlagen und da hab ich zu ihm eines Tages gesagt, wenn er mich schlagen würde, dann würde ich die Gruppe verlassen. Und da hab ich grad Billard gespielt und da hat er mir, so aus Spaß, Idiotie oder sonst was, in den Magen geschlagen. Dann hab ich gesagt: "Okay Phil, das war's!"

Tolga:
Danach hast du ja mit den SCORPIONS "Lovedrive" aufgenommen. Wie war's denn ein "Auffangbecken" zu haben und zu den SCORPIONS wieder zurück zu kehren?

Michael:
Rudolf (Schenker, Gitarrist und Hauptsongwriter der SCORPIONS – d. Verf.) hat rausbekommen, dass ich wieder frei bin und hat mich bei sich eingeladen. Die hatten grad den Matthias (Jabs, langjähriger Gitarrist der SCORPS – d. Verf.) frisch bekommen. Da hat er (Matthias – d. Verf.) schon ein paar Soli gespielt und hat mir dann gegeben was noch fehlte bzw. was noch drauf musste. Ich sollte da etwas dazu beisteuern, und es kam dann bei den fünf oder vier Stücken von "Lovedrive" mit drauf. Das lief dann alles auch wunderbar, so dass wir uns entschlossen zusammen zu touren. Die wollten mich bei denen fest als Gitarristen haben. Da hab ich zugesagt, und hab dann wieder festgestellt, dass das nicht meine Sache war.
Ich habe gerade Arenas gespielt und hab die Sache hinter mir. Ich wollte jetzt etwas machen, wo mir keiner sagt, was gemacht werden soll. Ich wollte einfach nur experimentieren und meine eigenen musikalischen Ideen verwirklichen. Und das hab ich dann auch gemacht. Aber ich habe auf jeden Fall denen (den SCORPIONS – d. Verf.) geholfen eine Beziehung mit Amerika aufzubauen. Und dadurch haben die sozusagen einen Jumpstart für Amerika gekriegt, wo die dadurch, dass ich dabei war, einen Vertrag mit David Krebs (langjähriger Manager der SCORPIONS und AEROSMITH – d.Verf.) einen Vertrieb für den amerikanischen Markt bekommen haben. Und als ich dann ausgestiegen bin, haben die trotzdem weiter gemacht. Das war auch gut so. Ich hab auch Rudolf gesagt, dass, wenn ich bei den SCORPIONS geblieben wäre, hätte er bestimmt nicht so ein ruhiges und schönes Leben gehabt, weil ich dann auch vielleicht musikalisch viel dominiert hätte. Ich kann mir schon vorstellen, dass alles es so sein sollte, wie's gekommen ist. Meine Vorstellung war einer der besten Gitarristen der Welt zu sein. Die Vorstellung meines Bruders war, in der besten Band der Welt zu spielen. Rudolf ist ein Fußballspieler, ich bin ein Tennisspieler. So in der Art. Wir haben beide unsere Ziele erreicht, mehr oder weniger. Er hat seine Geschichte und ich meine Geschichte gehabt. So haben wir beide unseren eigenen Weg bestritten.

Tolga:
Anfang der Achtziger hast du dich entschlossen eine Solokarriere zu starten. Nach einem ersten Versuch mit Bassist Billy Sheehan (Ex-DAVID LEE ROTH, Ex-MR. BIG) und Schlagzeuger Danny Carmassi (Ex-MONTROSE) war nicht von Erfolg gekrönt, da das Line-Up gerade mal einen Monat hielt. Warum hielt das Lineup nur einen Monat?

Michael:
Ich bin dann krank geworden. Und dann sind die alle nach Hause. Der Billy hat glaube ich bei UFO Bass gespielt. Wir haben alle was anderes gemacht. Peter Mensch (legendärer Manager – d. Verf.) hat dann vorgeschlagen, was eigenes zu machen. Da waren Leute wie Geddy Lee und Neal Peart von RUSH an der ersten Soloplatte interessiert, der Billy Sheenan mit dem Danny Carmassi, dem Ex-Schlagzeuger von WHITESNAKE, dann hatten wir noch Tom Hamilton (Bassist – d. Verf.) und Joey Kramer (Schlagzeuger – d. Verf.) von AEROSMITH, die ebenfalls interessiert waren. Ich bin dann rübergeflogen und wir haben dann zusammen schon geübt. Der Steven Tyler (Sänger von AEROSMITH – d. Verf.) war ja auch krank, und der ist dann wieder gesund geworden und hat sich dann entschlossen, sich mit dem Joe Perry (Leadgitarrist von AEROSMITH – d. Verf.) wieder zusammen zu tun. Dann wurde daraus auch nichts. Bis wir dann den Bo Foster (JEFF BECK – d. Verf.) und Simon Phillips (JEFF BECK, DIO – d. Verf.), der gerade mit Jeff Beck eine LP aufgenommen hatte ("There And Beck" aus dem Jahr 1980 – d. Verf.) hatten. Simon Phillips und Bo Foster wurden dann die Rhythmgroup für die erste MSG. Live standen die dann aber nicht zur Verfügung und dann haben wir den Cozy Powell (BLACK SABBATH, WHITESNAKE – d. Verf.) und Chris Glenn gefunden. Dazu kam dann noch der Bo Raymond von UFO. So hatten wir dann 'ne Mischung aus ALEX HARVEY BAND, RAINBOW und MSG.

Tolga:
Wie hast du's geschafft immer ein so hochkarätiges Line-Up um dich zu versammeln? Rühren die Kontakte von den vielen Touren mit UFO?

Michael:
Ich glaube, das rührt von daher, dass wir einfach eine Band waren, die viel following hatte. Ich habe jetzt weiterhin die Sache mit MSG übernommen. Die meisten Fans von MSG sind Musiker oder Leute, die gerne Gitarre hören. Die haben eigentlich die gleiche Beziehung zu Sound und Musik wie ich sie habe. Die verstehen Musik, so wie ich sie verstehe. Das kristallisiert sich heraus. Die Leute finden sich dann da und kommen zu den Konzerten. Das ist nicht ein Trend oder 'ne Sache, wo tausend Mädchen kommen, sondern mehr ein musikalisches Erlebnis, anstatt einer Party.

Tolga:
Nach der Aufzeichnung eines Livealbums in Japan, wo MSG sehr erfolgreich waren, führten interne Streitigkeiten 1982 leider zur temporären Auflösung der Band.
Wie sahen diese Streitigkeiten aus?

Michael:
Da waren keine Streitigkeiten! Was los war, war, dass Peter Mensch und Cozy Powell was Besseres wollten als Gary (Barden – d. Verf.) und hatten vorgeschlagen Graham Bonnet oder David Coverdale (DEEP PURPLE, WHITESNAKE – d. Verf.) zu nehmen. Und ich hab mich für Graham Bonnet entschieden, aber Peter wollte auf einmal, dass David Coverdale dabei sein sollte. Peter und ich haben uns dann durch diese Sache getrennt. Das waren vielleicht die Streitereien mit dem Management. Dann hatten wir Cozy und Graham in der Band. (Überlegt) Der Cozy ist dann irgendwann ausgestiegen. Den Grund hierfür weiß ich nicht genau. Hatte vielleicht auch was mit Geld zu tun und solche Sachen. Der Chris Glenn hat Ted Mac Canna vorgeschlagen und wir haben dann geübt. Wir hatten dann auch die "Assault Attack"-Platte eingespielt und wollten dann auf Tour gehen. Der Graham Bonnet hat dann nur fünfzehn Minuten auf der Bühne gestanden und da war's vorbei. Er war betrunken oder sonst was. Der konnte mit dem Liveset nicht umgehen. Zwei Tage später hatten wir das Reading Festival mit 30.000 Leuten, wo wir die Hauptgruppe waren und mussten uns dann Ersatz suchen. Und wer war der Ersatz? Gary Barden! Innerhalb von zwei Tagen haben wir uns dann vorbereitet und es kam sehr gut rüber.

Tolga:
Wie war denn das, als der Graham Bonnet von der Bühne gewackelt ist?

Michael:
Da haben wir instrumental weiter gespielt!

Tolga:
Die Neuformation der MC AULEY SCHENKER GROUP mit Robin Mac Auley 1987 war ja ein weiterer Schritt in deiner Karriere. Von vielen Kritikern wird ja allen voran das Debüt dieser Konstellation, "Perfect Timing", sehr stark kritisiert. Wolltest du damit zu der Zeit DEF LEPPARD Konkurrenz machen?

Michael:
Ich find das so komisch, das Stück mit Graham hört sich an wie "Assault Attack"! Weißt du warum: Weil der Graham das singt! Und das Stück mit Robbie hört sich an wie die MCAULEY SCHENKER GROUP. Seit langem hab ich mal versucht das zu erklären, weil in in Interviews immer gesagt wurde: "Warum hört sich die Musik immer anders an?" Weil da ein anderer Sänger drauf ist. Der Robin hat nun mal eine kommerzielle Stimme. Auf jeden Fall schreibe ich meine Musik, wie ich sie schreibe. Wenn du andere Leute dazu tust, dann hört sich die Sache anders an! Mit Robin hört sich's an wie Robin Mac Auley, mit Graham hört sich's an wie Graham Bonnet, mit Gary hört sich's an wie die alten Zeiten mit Gary. Und da haben wir jetzt denn Beweis, dass es so ist.

Tolga:
Den Nachfolger "Save Yourself" fand ich um einiges besser. Der war auch ein bisschen rauer. Wie betrachtest du denn im Nachhinein die Phase der MC AULEY SCHENKER GROUP? Wie kam es denn, dass du mit Robin Mac Auley einen gleichberechtigten Partner hattest, was man ja allein an der Namensgebung erkennen kann?

Michael:
Die Idee war von vorneherein einen fifty/fifty-Partner zu haben, weil ich das mal erleben wollte. Hab dann eben meine Erfahrungen mit drei Platten damit gemacht, und das dann aufgelöst.

Tolga:
Wieso?

Michael:
Die Partnerschaft war mir zuviel! Es hat dem ein bisschen zu viel geähnelt in einer Gruppe zu sein. Da musste ich Entscheidungen treffen, die mich nicht so unbedingt beschäftigt haben. Zu der Zeit war's mal ganz gut, das war ein Erlebnis, aber ich hatte dann eine neue Idee. Die neue Idee war, aus der ganzen Maschine auszusteigen, und meine eigene Company aufzumachen. Zumal ich kein Geld mehr übrig hatte. Die ganzen Jahre wurde mir gesagt: "Da ist kein Geld!" Chrysalis hatten so viele gute und bekannte Gruppen auf ihrem Label, warum nehmen die ausgerechnet UFOs "Strangers In The Night"-Cover für 25-jähriges Bestehen, aber wir werden nicht bezahlt? Das fand ich komisch. Aber ich wollte was alleine machen, weil die ganzen Manager, die in mein Leben reinkamen, hatten immer 20-25 Prozent genommen, ohne neue Türen aufzumachen. Und meinen Hardcore-Fans Geld abgenommen und uns gesagt, dass kein Geld da ist! Zu der Zeit hab ich mit Robin Mac Auley die Akustiksache gemacht. Das gefiel mir sehr gut von der Gitarre her und habe dann die Idee gehabt "Ich könnte jetzt meine eigene Sache anfangen" und habe dann erst an eine Platte gedacht, auf der ich nur alleine spiele, wo ich den Fans damit "Thank You" sagen möchte, für ihren Support über die Jahre. Hatte dabei ein Outlet gehabt, da es ein persönlicher Dank war, hatte ich etwas aufgemacht, ohne andere Leute im Wolf zu haben. Hab dann überlegt, wie ich die Sache am besten promoten kann, und dann die Idee gehabt, dass die ersten tausend Leute auf dem Plattencover erscheinen. Ich habe dann mit dem Greyhoundbus 10.000 Meilen in Amerika zurück gelegt, bin dann unangemeldet von Tür zu Tür, und hab die Leute gefragt, ob sie auf's Cover wollen oder nicht. Zehn Prozent haben "Ja" gesagt. Als ich nach Hause kam, war ich reich!

Tolga:
Zwischendurch hast du ja auch das CONTRABAND-Album, das zu der Zeit ein All-Starprojekt mit Tracii Guns (L.A. GUNS), Richard Black (SHARK ISLAND), Share Pedersen (VIXEN) und Bobby Blotzer (RATT) war, veredelt. Wie fühlt es sich an, dass eine Combo wie VELVET REVOLVER gerade diesen Bandnamen als Titel für ihr Debüt rauspickt?
(Es folgt eine längere Diskussion über das Album, da Michael sich nicht ganz im Klaren darüber ist, über was ich spreche. Was aber auch daran liegen kann, dass wir uns in einem Café auf der Musikmesse befinden und der Geräuschpegel eh unverschämt laut ist. – d. Verf.)

Michael:
Das hab ich nicht gewusst. Das ist das erste Mal, dass ich das höre! Das ist sehr interessant! Jetzt erfahr ich das mal per Zufall!
Als ich damals mit der "Thank You"-Platte auf diese Busreise gegangen bin, war das NICHT um groß Geld zu machen, sondern um frei zu sein. Ich hab mir gesagt, dass ich bestimmt jeden Tag mindestens drei CDs verkaufen kann. Dass ich genug zum Essen habe und ein Dach über dem Kopf. Das war der Gedanke. Ohne danach zu fragen, kam der ganze Geldregen von selbst.

Tolga:
1992 erschien dann mit Hilfe von Bassist Jeff Pilson (DOKKEN) und Schlagzeuger James Kottak (KINGDOM COME) das neue, schlicht "MSG" betitelte, Album. Leider verkaufte sich das Album nicht übermäßig gut. Wie erklärst du dir den mäßigen Erfolg dieser Scheiben?

Michael:
Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich selten oder fast nie verfolgt habe, was verkauft wurde. Das Einzige, was ich gemacht habe war, dass ich im Billboard (amerikanische Charts – d. Verf.) geguckt habe, um zu sehen wie weit wir kommen. Für mich war's reizvoller zu sehen, wie hoch wir in den Billboardcharts gestiegen sind. Das war immer aufregend!

Tolga:
Danach hast du MSG aufgegeben und bist bei UFO wieder eingestiegen, trotz all der Querelen, die es in der Vergangenheit gab. Das kann jetzt nicht nur daran gelegen haben, dass du MSG aufgelöst hast, oder?

Michael:
Mit den UFOs war es so, dass die mich zwischendurch immer wieder gefragt haben, ob ich bei ihnen wieder einsteigen will. Ich habe dann dieses Erlebnis gehabt, wo ich dann nach Hause kam nach meiner Busfahrt, da hab ich mir gedacht: "Das gleiche kann man mit UFO machen". Denn die haben ja auch kein Geld verdient. Zu der Zeit hab ich mir gesagt "Mensch, den gönn ich's, denn denen geht's genauso wie mir!" Da habe ich gesagt: "Ja, okay, wir machen das!" Eine Bedingung war, das mir die Hälfte des Namens gehört. Weil ich das nicht gut fand, dass die UFOs abgestürzt sind. Um das in der Zukunft zu verhindern, möchte ich die Hälfte vom Namen haben. Das heisst dann im Grunde genommen, dass mindestens Phil und ich auf der Bühne stehen, um mit UFO ein Konzert zu machen. Dann habe ich den Vorschlag gemacht mit selbst verkaufen, wo der Phil am Anfang skeptisch war, aber er hat sich dann doch entschieden mitzumachen. Der Paul Raymond (der auf "Lights Out" und "Obsession" Gitarre und Keyboards beigesteuert hat – d. Verf.) war ganz glücklich, weil er zum ersten Mal wieder Geld gekriegt hat. Das hielt dann aber auch nur für drei Monate an, und dann hat sich der Phil anders entschlossen. Da hat man sich wieder getrennt und dann hat sich's der Phil doch wieder anders überlegt. Nachdem wir drei Monate in Amerika getourt sind, hat dann der Phil gesagt, dass er die Sachen nicht mehr selber verkaufen will. Ich hab dann nur gemeint: "Okay, das war aber so besprochen." Das passte dann auch zu der Tour, denn ohne dass wir Werbung gemacht haben, war das die vierzigst bestverkaufte Tour. Ohne Promotion, ohne Platte, ohne gar nix! So hatten wir das vereinbart, wenn das aber anders gemacht werden soll, dann müssen wir das anders vorbereiten. Dann müssen wir die Sache hier abbrechen, wobei wir uns in den drei Monaten schon gut in den Haaren hatten. Dann verging eine Zeit und ich hab mit MSG eine Platte gemacht bzw. "Walk On Water" hätte eine MSG-Scheibe werden sollen, aber die hatten ja keine Lust dieses Angebot anzunehmen. So hab ich den MSG-Vertrage umgeändert in einen UFO-Vertrag, was im Grunde genommen der gleiche Deal war. Dann kam "Walk On Water" eher zustande als die nächste MSG-Scheibe. Was ich dir grad erzählt habe mit der Tour, das war die zu "Walk On Water", die wir dann auf der Tour verkauft hatten. Nach der Tour, das war 1996, hab ich mit MSG die "Sand" gemacht (gemeint ist die '96er-Scheibe "Written In The Sand" – d. Verf.), mit einem japanischen Label. Danach MSG, UFO, MSG, UFO bis zur letzten UFO-Platte. 2002 rief mich Phil dann an und brauchte den Namen zurück, weil er damit Geld verdienen oder auf Tour gehen wollte. Da hab ich dann gemeint: "Okay, hier haste den Namen zurück!" Ich hab dann nach nix gefragt, sondern einfach nur abgegeben. Damit war die Sache vorbei!

Tolga:
Was hat es mit der "Live With The Enervates"-CD auf sich, die's zu der "The Michael Schenker Story Live" als Bonus gab? Sollte damit die Entwicklung von damals zu heute aufgezeigt werden oder war das als Gimmick gedacht?

Tolga:
Ich habe Aufnahmen gehört, und habe gesagt: "Mensch, wäre doch interessant zu wissen wie z.B. Leute, die ich damals gut fand, wie JEFF BECK, wie die als Kind geklungen haben. Meine Zuschauer sind meistens Musiker gewesen oder sind's immer noch, und hatte mir gesagt: "Das ist interessant!"

Tolga:
Was war das für ein Gefühl für die G3-Europatournee mit JOE SATRIANI und ULI JON ROTH auserwählt zu werden? Das ist ja sozusagen der Guitar Player's Heaven, oder?

Michael:
Ich wurde gefragt, ob ich Lust habe da mitzumachen und wusste überhaupt nicht, was das sein sollte. Das habe ich dann erst später richtig mitgekriegt. Joa, das war schon 'ne gute Sache und war im Grunde genommen auch gut verkauft. Das war mal was anderes. Das hab ich dann durchgezogen und dann ging's schon mit der nächsten Sache weiter.

Tolga:
Was ULI JON ROTH angeht: Wie war's denn mit ihm wieder zusammen zu treffen bzw. mit ihm auf einer Bühne zu stehen?

Michael:
Was heißt wieder? Wir haben im Grunde genommen nie zusammen gespielt gehabt.

Tolga:
Die Frage bezog sich eher darauf, wie es war ihn wieder zu sehen.

Michael:
Es war nicht mehr oder weniger, als mit allen Anderen auf der Bühne zu stehen. Es sind halt Musiker.
Der ULI ist mir aufgefallen, seitdem ich vierzehn Jahre alt war. Deswegen hab ich durch seine Zustimmung jemanden gefunden, der gut genug war um meinem Bruder bei seiner Vision weiter zu helfen. Im Allgemeinen hab ich dann keine Verbindungen mehr zum ULI weiter gehabt. Ich habe in England gewohnt, und er in Deutschland mit den SCORPIONS. Die haben ihre Sachen gemacht. Die sind nach Japan und haben dort die "Tokyo Tapes" gemacht. Aber ansonsten war ULI für mich eine Person, die nicht bei den SCORPIONS spielte, sondern die mir damals schon auffiel als ich vierzehn Jahre alt war. Der konnte ziemlich gut diese Sachen von JIMI HENDRIX und TEN YEARS AFTER nachspielen Er war damals sehr beeindruckend!

Tolga:
Auch MSG wurden erneut reaktiviert, mit Drummer Jeff Martin (RACER X, BADLANDS), dem bis dato unbekannten Sänger Chris Logan und Bassist Rev Jones (BLACK SYMPHONY) wurde 2001 das gutklassige Album "Be Aware Of Scorpions" veröffentlicht. Hat der Titel was mit den SCORPIONS zu tun?

Michael:
Das war ironisch gemeint, weil es sich so entwickelt hat, dass ich damals mein eigenes Studio hatte und wir waren in der Lounge vom Studio um eine Fotosession zu machen. Und dann wollten wir gerade rausgehen, und da machte jemand die Tür auf, und da habe ich gesagt: "Be Aware Of Scorpions!" Weil da draußen in Phoenix Skorpione sind. Und auf einmal: "Ahhh, warte mal, das ist eine gute Idee!"

Tolga:
Das "Arachnophobiac"-Album danach wurde ja, trotz der Teilnahme von Stu Hamm (Ex-JOE SATRIANI) und Jeremy Colson (STEVE VAI), arg verrissen. Kannst du das nachvollziehen?

Michael:
Das habe ich nicht festgestellt. Ich habe viele Überschriften gesehen, und da wurde gesagt, das die im allgemeinen sehr gute Kritiken bekommen hat. Was damit nun passiert, das war 'ne andere Sache. Ich hatte einen Deal mit SPV weltweit und deren Amerikavertrieb hat sich aufgelöst. Gerade als die Platte rauskam! Dann kam die Platte in ganz wenige Geschäfte, und das war das Blöde an der ganzen Sache.

Tolga:
Du hast ja danach ein paar Tributealben, wie "Heavy Hitters", "Endless Jam" und "Endless Jam Continues"...

Michael:
Das war einer meiner Wünsche, die ich damals gegenüber Mike Varney (hat vor allem in den Achtzigern fast im Wochentakt Instrumentalalben von Leuten wie TONY MAC ALPINE und anderen Gitarrengrößen auf den Markt gebracht – d. Verf.) geäußert. Dabei hab ich nebenbei mal verlautbaren lassen: "Ich wünschte, ich könnte einmal einfach nur Soli spielen." Das hat er wohl mitgekriegt und das irgendwie verarbeitet gehabt. Er hat dann per Email bei mir angefragt, ob ich dazu Lust hätte. Ich hab das zwei Mal gemacht, was sich wohl rumgesprochen hat. Und dann hat der Bob Kulick (Gitarrist und Bruder von Bruce Kulick, der u.a. bei KISS Gitarre gespielt hat – d. Verf.) bei mir angefragt. Bei dem "Heavy Hitters"-Album von Bob Kulick war ich nur ein gemieteter Musiker. Dabei sollte ich auf der Platte alle Soli spielen. Ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung, wie er die anderen Musiker dazu gebracht hat, auf der Platte zu spielen. Die Tatsache ist, dass ich sehr überrascht war, weil MSG zu einer Coverband geworden ist. Ohne meine Übereinstimmung!

Tolga:
Apropos Cover: Zur Zeit herrscht ja eine Flut von Tributealben. Wie lässt es sich erklären, dass es kein MSG-Tributealbum gibt? Es gibt nur eins, aber das ist ein Tribut an Cozy Powell (u.a. MSG, BLACK SABBATH – d. Verf.).

Michael:
Da hab ich keine Ahnung! Ich weiß nur, dass ein paar demnächst rauskommen.

Tolga:
Um nochmal auf Cozy Powell zurück zu kommen: Wie hast du denn damals von seinem Tod erfahren?

Michael:
Er hat ein Autounfall gehabt.

Tolga:
Und sonst nix? Ihr habt auch keinen Kontakt mehr zueinander gehabt oder so?

Michael:
Kontakt mit vergangenen Musikern hab ich sehr wenig, weil man einfach auf der anderen Seite der Erde lebt, andere Sachen macht, sich auf andere Sachen konzentriert. Ich bin beschäftigt, sie sind beschäftigt.

Tolga:
Aber gerade der "Rock'n'Roll-Zirkus" ist ja schon klein. Auf diversen Konzerten, Festivals oder in Studios läuft man sich ja schon über den Weg.

Michael:
Wenn mir jemand über den Weg läuft, dann geht das nach dem Motto "Wie geht's, wie steht's? Was macht die Arbeit?". Ansonsten telefonieren wir. Wenn ich eine Band habe, dann ist sie für mich mehr musikalisch als alles andere.

Tolga:
Wie hast du's geschafft, alle Ex-Sänger um dich zu scharen, um das "Tales Of Rock'n'Roll"-Album einzuspielen?

Michael:
Mit viel Geduld! Ich hätte fast schon aufgegeben und mich mit drei Sängern zufrieden gegeben. Irgendwie ging's dann doch noch weiter. Im letzten Moment kamen dann noch die letzten Sachen reingetuckert. So haben wir zum Glück alles noch geschafft.

Tolga:
Was hat es mit dem Neuzugang Jari Tiura auf sich. Von ihm bist du ja besonders begeistert. Wie würdest du seine Stimme umschreiben?

Michael:
Ich würde sagen, dass er ein bisschen was von QUEENSRYCHE (Geoff Tate – d. Verf.) hat. Ich glaube, da ist ein bisschen eine Verbindung.

Tolga:
Du wirst im Zuge der Tour ja auch in Istanbul spielen. Hast du schon Mal in der Türkei gespielt...

Michael:
(Wie aus der Pistole geschossen) Ja. Mit den SCORPIONS.

Tolga:
Wann war das?

Michael:
Das war 1993.

Tolga:
Das ist aber trotzdem lange her. Was erwartest du denn von diesem Gig und der restlichen Tour?

Michael:
Erwarten tu ich nur ganz selten was. Im Grunde genommen ist immer alles ähnlich. Da kommt eine bestimmte Menge von Zuschauern und dann spielt man. Normalerweise sind die Leute meistens Hard-Rock-Fans.

Tolga:
Des Weiteren spielst du an eher ungewöhnlichen Orten wie Bulgarien oder Kroatien. Gilt das als Dankeschön an die dortigen Fans oder steckt da was anderes dahinter?

Michael:
Das liegt an der neuen Agentur. Die kommen an solche Sachen ran, da das auch Festivals sind.

Tolga:
Es ist ja keine Überraschung, dass du auf dem kommenden W:O:A mit den SCORPIONS auftreten wirst. Kann man da evtl. mit ULI JON ROTH als Überraschungsgast rechnen?

Michael:
Das geht auch wieder durch den Holger. Der baut im Augenblick diese Sache zusammen. Da soll irgendetwas in der Art passieren.

Redakteur:
Tolga Karabagli

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