MYRATH: Interview mit Malek & Anis

31.10.2011 | 18:13

Die Tunesier von MYRATH haben mit "Tales Of The Sand" die Überraschung des Monats Oktober veröffentlicht und sind mit ihrem neuem Werk auf den dritten Platz unseres Soundchecks gestürmt. Doch wenn man in diesen Tagen die Gelegenheit hat, mit einer Band aus Nordafrika zu sprechen, ist Musik nicht zwingend das Hauptthema. Wir sprachen mit Malek Ben Arbia (gt.) und Anis Jouini (b.).

Zu Beginn erst einmal Gratulation zu eurem neuem Album "Tales Of The Sand", das auf einem starken dritten Platz in unserem Soundcheck gelandet ist. Wie ist denn das Feedback bislang auf die Scheibe?

Malek:
So weit, so gut. Euer Ergebnis reiht sich ein in die Vielzahl von Komplimenten und guten Rezensionen, die wir von den Fans und den Medien bislang bekommen. Dazu kommt, dass unser Clip zu 'Merciless Times' bisher ein großer Erfolg für uns ist. Es scheint, als hätten wir die Herzen & Seelen von vielen Fans gewonnen, sogar von welchen, die bislang nicht so viel mit Metal zu tun hatten. Offensichtlich kommt die Mischung aus Metal und traditioneller tunesischer Musik, die auf diesem Album deutlich stärker im Vordergrund steht, sehr viel besser an, als wir selbst es erwartet hätten. Wir waren etwas besorgt, dass unsere Fans ein wenig enttäuscht sein könnten, weil die Nummern kürzer sind und das progressive Element nicht mehr so im Vordergrund steht. Aber das ist überhaupt nicht der Fall.


"Tales Of The Sand" ist rund um die Revolution in Tunesien im Januar 2011 entstanden. Welchen Einfluss hatte die Revolution auf die Entstehung des Albums?

Anis:
Nun, das Album wurde im Dezember 2010 - also kurz vor der Revolution - aufgenommen, nur die Orchestrationen wurden nach der Revolution im Februar 2011 im Süden Tunesiens aufgenommen. Da war die Sicherheit natürlich unsere größte Sorge.
Texte und Musik sind aber nicht wirklich von den Ereignissen inspiriert, auch wenn wir natürlich das Album der tunesischen Revolution und dem Arabischen Frühling gewidmet haben. Unser Produzent Kevin Codfert ist von uns mit dem Auftrag nach Schweden zum Mix geschickt worden, dass er das bestmögliche Ergebnis herausholt, damit unsere Fans in Tunesien und im Rest der Welt stolz sein können auf das erste Post-Revolution-Album einer tunesischen Metalband.

Demnach ist der verstärkte Einbau von orientalischen Parts nicht auf die Revolution zurückzuführen?

Malek:
Richtig, mit der Revolution hat diese Entscheidung wenig zu tun. Die Idee tunesische Melodien, Skalen & Harmonien einzubauen, geht zurück auf unser Debütalbum "Hope". Dort haben wir bereits ein wenig mit diesem Mix aus westlicher und arabischer Musik experimentiert. Auch auf "Desert Call" hatten wir das zu einem gewissen Grad, aber diesmal haben wir sehr bewusst einen Schwerpunkt auf diese Mischung gelegt, mit dem Ziel, dass wir einen Stil erschaffen, der zum Trademark von MYRATH werden kann. Ein wenig hoffen wir, dass "Tales Of The Sand" einen ähnlichen Wind in der Metalszene entfachen wird, wie die tunesische Revolution den Arabischen Frühling entfacht hat.


Wie habt ihr selbst denn die Revolution überhaupt erlebt?

Anis:
Wie jeder junge Tunesier in unserem Alter, haben wir natürlich an der denkwürdigen Demonstration am 14. Januar 2011 teilgenommen, die zum Fall der Diktatur geführt und den Arabischen Frühling eingeleitet hat. Wir hatten auch diverse schlaflose Nächte, in denen wir in unserer Nachbarschaft Wache gestanden haben, als die Situation noch unsicher und unklar war. Der Klang von Schüssen, die die Stille der Nacht zerrissen haben, war sehr unwirklich für ein friedliches Land wie Tunesien.
Glücklicherweise hielt die Gewalt nicht lang an, denn der Wille der Menschen war überwältigend und schon bald war das Militär geschlagen und der Friede kam zurück.

Seid ihr denn zufrieden mit dem Status Quo in Tunesien? Seht ihr bereits einen positiven Einfluss in eurem Leben?

Malek:
Wenn du einen Diktator, der das Land regiert hat, nach 23 Jahren loswirst, ist die Übergangsphase natürlich nicht leicht. In dieser Zeit der Unsicherheit hat jeder etwas zu sagen, es wird gestreikt, demonstriert, es war ein Chaos. Aber es war ein gutes Chaos. Schon nach ein paar Wochen hat sich aber alles wieder normalisiert und wir konnten die Freiheit und Demokratie genießen, die ihren vorläufigen Höhepunkt in den ersten freien und demokratischen Wahlen am 23. Oktober hatte. Diese Wahl wird den anderen Ländern, die noch in Diktaturen leben, den Weg in Freiheit & Demokratie weisen.

Was MYRATH angeht, können wir jetzt endlich die Texte schreiben, die wir schreiben wollen, ohne das wir uns sorgen um Zensur oder Verfolgung machen müssten, auch wenn wir im Grunde mit Politik nicht viel zu tun haben.

Kommen wir noch einmal kurz zurück auf "Tales Of The Sand". Was kannst du mir denn über die Texte des Albums erzählen?

Anis:
Im Grunde schreiben wir über tagtägliche Themen wie Liebe, Hass, Hoffnung, Leid oder Krieg, aber bisher vermieden wir Themen wie Politik & Religion. Das wird sich aber jetzt ändern, wo wir die Freiheit haben, zu schreiben, worüber wir wollen. Als Beispiele für unsere Texte auf "Tales Of The Sand" sollen mal folgende Songs dienen:

'Time To Grow': Der Song ist inspiriert von dem relativ schnellen Wachstum unserer Band. Wir haben vor einigen Jahren als Teenager als Coverband angefangen und sind heute eine relativ bekannte und respektierte Band in der internationalen Metalszene.

'Braving The Seas': der Text erzählt von der Geschichte Tunesiens. Viele Leute scheinen zu vergessen, dass Tunesien über die Jahrhunderte durch eine Vielzahl verschiedener Zivilisationen gegangen ist, die so weit zurück reichen wie das Griechische und das Römische Reich. Viele Piratengeschichten und Seeschlachten haben an Tunesiens Küsten stattgefunden.

'Apostrophe For A Legend':
Das ist ein Bonustrack auf der Version von Nightmare Records. Es ist ein Song für Ronnie James Dio, den wir an dem Tag geschrieben haben, als wir die schreckliche Nachricht von seinem Tod bekommen hatten.

Ihr geht bald mit ORPHANED LAND & ARKAN auf Tour. Was erwartet ihr von dieser "Oriental Metal"-Tour? Ist das für euch mehr als eine Rockshow und damit auch eine Möglichkeit eine soziale oder politische Botschaft zu verbreiten?

Anis:
Die Tour wurde organisiert von K-Productios aus Frankreich. Wir hatten die Möglichkeit dabei zu sein und konnten dieses Angebot natürlich nicht ausschlagen, da wir immer noch eine wachsende Band sind, die nicht allzu viele Tourangebote dieser Art bekommt.

Was uns angeht, denken wir, dass Musik die Leute zusammenbringt, unabhängig von ihrem ethnischen Hintergrund oder ihrer Religion. Das bringt Liebe & Frieden. Die meisten Metalbands und -fans teilen die gleiche Leidenschaft und die gleichen Werte, egal, woher sie kommen oder welcher Religion sie angehören. Die Geschichte würde sich nicht ändern, wenn wir diese Möglichkeit ausgeschlagen hätten, auch wenn eine kleine Schar arabischer Fans dies nicht gerne sieht, weil sie politische Probleme und Musik miteinander verwechseln. Wir respektieren natürlich ihre Einstellung, hoffen aber, dass sie auch unsere Einstellung respektieren. Wir unterstützen den Weg, den die Palästinenser gehen und sind überhaupt nicht der Meinung, dass wir irgendwen verraten, weil wir mit ORPHANED LAND die Bühne teilen werden. Vor allem, da ORPHANED LAND eine Band ist, die von vielen Arabern geliebt wird und eine Botschaft von Liebe & Frieden vermittelt.


Bei ORPHANED LAND wird der Konzertbesucher üblicherweise zum Hüpfen und Tanzen animiert. Wie wird denn die Stimmung sein, wenn ihr die Fans aufwärmt?

Malek:
Jeder, der mal eines unserer Konzerte gesehen hat, wird berichten, dass dir nie langweilig wird, da wir eine Energie auf die Bühne bringen und viel mit den Fans interagieren. Sie werden viel singen müssen und unser charismatischer Frontmann Zaher (Bild oben) wird das sehr gut hinbekommen. Wir hoffen, auf der Tour viele Herzen erobern zu können und jedem zu zeigen, dass wir eine starke Band auf der Bühne sind. Wir werden die Erwartungen der Fans erfüllen oder sogar übertreffen. Wir sind sicher, dass alle Bands auf der Tour tolle Shows abliefern werden, von daher solltet ihr besser früh da sein. Ihr werdet es nicht bereuen.

Okay, das ist es von meiner Seite aus. Wenn ihr unseren Lesern noch irgendetwas mitteilen wollt, ist das eure Gelegenheit.

Anis:
Natürlich vielen Dank für eure Untersützung und wir hoffen sehr, viele von euch auf unserer Tour in Europa kennenzulernen. Kauft unser Album "Tales Of The Sand", das euch sicher nicht enttäuschen wird. Wer uns noch nicht kennt, kann sich ja einmal auf unserer Homepage oder Facebook ein Bild von uns machen.



Redakteur:
Peter Kubaschk

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