MYSTICAL FULLMOON: Interview mit Gnosis

07.05.2010 | 10:20

Rund ein halbes Jahr ist es her, dass die italienischen Progressive-Black-Metaller MYSTICAL FULLMOON nach Jahren des künstlerischen Schweigens wieder ein Album auf den Markt geworfen haben. Anlass genug, sich mit Gnosis, dem führenden Kopf der Truppe, über Werk und Schaffen auszutauschen.

Stöbert man ein wenig in der Bandhistorie, so stellt man fest, dass die letzte Veröffentlichung von MYSTICAL FULLMOON, ein Live-Album, zehn Jahre zurück liegt. Und in der Zwischenzeit?
"Wir hatten mehrere Jahre Lin-up-Probleme, die schon begonnen haben, bevor das Live-Album aufgenommen war", erklärt Gnosis. "Einige Jahre haben wir dann mit Sessionmusikern gearbeitet, die uns halfen, einige Gigs zu spielen, aber ihre Eingebundenheit in das Konzept der Band war so gering, dass wir nicht in der Lage waren, neues Material zu komponieren oder eine neue Aufnahme zu planen. Dann ergab sich die Chance, dass Gitarist Hexe, der schon als Gastmusiker auf der EP "Beyond Somber Passages" mit uns gearbeitet hatte, als offizielles Mitglied zur Band zurückkehrte. Das erlaubte uns, neue Ziele ins Visier zu nehmen und die Identität der Band zu stärken. Es hat lange gedauert, aber wie du siehst, hat das Resultat den Aufwand gerechtfertigt."
Dieser Einschätzung Gnosis' darf man getrost zustimmen. Der Befürchtung, dass die Band so bald wieder von der Bildfläche verschwindet,  tritt Gnosis mithin auch entgegen: "Ich kann verstehen, dass es so ausgesehen hat, als seien wir einfach verschwunden, aber so war es nie. Wir haben immer gearbeitet, um das jetzige Comeback vorzubereiten."

Durchaus beeindruckend ist dies Gnosis und seinen Mitstreitern Arcanus Incubus (Keyboards, Sampling, Synthesizer) und Hexe gelungen. "Scoring A Liminal Phase" bewegt sich nicht im typischen Black-Metal-Fahrwasser. Mit stilistischen Zutaten anderer Spielarten, insbesondere dem Jazz, ragt es ungewöhnlich heraus. Gnosis, der sich über diese Einschätzung freut, stimmt zu und beleuchtet den musikalischen Background der Band, demzufolge das Ergebnis seiner Auffassung nach gar nicht anders hätte sein können: "Wir wollten, dass das Album innovativ und einmalig klingt. Wir sind immer alle mit großer Neugier und Aufgeschlossenheit an das Thema Musik herangegangen, so dass wir auch von Musikstilen jenseits des Black Metals wie zum Beispiel Post Rock, 70's Progressive Rock, Old School Industrial, Klassik, Filmmusik und eben Jazz beeinflusst sind. Unser früherer Drummer Equinoxe und ich haben mehrere Jahre Jazz studiert."



Die Liste jener Bands, die Gnosis und seine musikalischen Partner beeinflusst haben, ist zu lang, um sie aufzuzählen. Es finden sich aber Namen darin wie EMPEROR, SAMAEL, DISSECTION, MORTUARY DRAPE, ABSU, BURZUM, CELTIC FROST, DISMEMBER, THERION, ESOTERIC, ARCTURUS, DEATH, MORBID ANGEL, NOVEMBRE, IRIN MAIDEN, SELOFALD, ULVER, MERCYFUL FATE, VED BUENS ENDE, IMPALED NAZARENE, BEHEMOTH und natürlich auch Hans Zimmer.
"Unser Stil ist wie eine neue Perspektive auf den Black Metal, in der alles erlaubt ist", erläutert Gnosis. "Innovation ist dabei das neue Extrem."

Trotz dieser neuen Perspektive identifizieren sich MYSTICAL FULLMOON mit dem Genre des Black Metal. Gnosis dazu: "Ich denke schon, dass wir weiterhin dem musikalischen Universum zuzurechnen sind, das man Black Metal nennt. Unsere Attitüde und die Lyrics stehen dafür. Mit dem neuen Album wollten wir die bizarrsten und weitesten Grenzen dieses Universums erforschen, aber wir haben es nicht verlassen."

Ein wesentlicher Bestandteil auf "Scoring The Liminal Phase" ist neben den Einflüssen des Jazz auch die Klassik, die durch die Zusammenarbeit mit dem Bulgarischen Nationalen Radiosinfonieorchester zum Leben erweckt wurde. Gnosis berichtet, wie es hierzu kam: "Diese Zusammenarbeit hat unser Produzent Alex Azzali ermöglicht. Er hatte Kontakt zu dem Orchester, so dass es nach ein paar Telefonaten einfach war, die Aufnahmesession in Sofia zu organisieren. Wir waren mehr als enthusiastisch hinsichtlich dieser Möglichkeit, denn mit einem Orchester zu arbeiten ist wirklich eine einmalige Sache, von der viele Musiker wohl nur träumen können. Und wie viele Black-Metal-Bands haben so was bisher gemacht? Nicht die meisten."

Trotz dieser begeisternden Erfahrung misst Gnosis den Klassikelementen nicht die größte Bedeutung für das Album bei. "Die Klassikparts sind eines von mehreren Elementen, die dem Album seinen authentischen Stil verleihen. Ich würde aber nicht sagen, dass sie wichtiger seien als zum Beispiel die elektronischen oder progressiven Anteile, obwohl es schon stimmt, dass der majestätische und feierliche Pathos eines realen Streicherorchesters die Aufmerksamkeit des Hörers wirklich in Bann zieht."

Dass die Bemühungen, ein originelles Album zu produzieren, sich gelohnt haben, ließt Gnosis aus den bisherigen Reaktionen auf die Scheibe ab. "Ich bin stolz darauf, sagen zu können, dass die bisherigen Reaktionen weitgehend positiv, wenn nicht sogar enthusiastisch waren," meint er, "sicherlich, es ist ein aufwändiges Album, das nicht für jedermann passend ist, so dass wir auch Kritiken erhalten haben, die sich in dem Sinne äußern, das Album "falle zu sehr aus dem Rahmen" – um es kurz wieder zu geben. Aber das ist okay. Wir sind ja nicht angetreten, um von jedermann anerkannt zu werden."

Mit dem Rückenwind dieses Erfolges haben MYSTICAL FULLMOON nun bereits die nächsten Schritte eingeleitet. "Wir arbeiten bereits an neuem Material, zur Zeit haben wir schon fünf neue Songs", verrät Gnosis und ist dabei ziemlich selbstbewusst. "Ich muss sagen, dass diese neuen Songs wirklich Arsch treten. Es ist definitiv das Beste, was wir je komponiert haben und wir sind heiß darauf, das aufzunehmen." Dass das alle Bands von ihrem neuesten Material sagen, ist Gnosis dabei allerdings auch bewusst. Die etwas bodenständigere Auseinandersetzung mit dem Kapitel Live-Gigs haben MYSTICAL FULLMOON daher auch nicht vergessen.

"Wir würden gerne einige Gigs spielen, um das Album zu promoten. Einen konnten wir für Mai als Support der amerikanischen Ambiente-Black-Metal Band WOLVES IN THE THRONE ROOM bereits festmachen. Was Festivals betrifft, wurden wir von einem Veranstalter in Portugal für Anfang September kontaktiert, aber es fehlt noch die offizielle Bestätigung. Wir würden auch gerne einige Sommerfestivals in Deutschland spielen, haben aber bisher keinen Kontakt aufgenommen."

Sofern Festivalveranstalter MYSTICAL FULLMOON für einen Sommergig gewinnen wollen, dürfen sie sich in diesem Sinne von Gnosis ermuntert fühlen, mit der Band Kontakt aufzunehmen.

Redakteur:
Erika Becker

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