NEBELHEXE: Interview mit Andrea Haugen

01.01.1970 | 01:00

NEBELHEXE ist der Name des neuen Betätigungsfeldes von Andrea Haugen, einstmals Kopf der Band HAGALAZ RUNEDANCE. Da ihr aktuelles Album "Laguz-Within The Lake" die eine oder andere Frage aufwarf, nahm ich Kontakt zu der Dame auf.




Holger:
Hi Andrea, da deine Zeit sehr begrenzt ist, mir aber einiges auf der Seele brennt, steigen wir am besten gleich ein.
Bei solch emotionaler Musik stellt sich natürlich die Frage, ob du zum Komponieren in einer bestimmten Stimmung sein musst und ob es spezielle Orte gibt, an denen du besonders gut schreiben kannst...

Andrea:
Während die meisten Ideen, Erfahrungen und Konzepte aus den dunklen Emotionen, Gedanken und Visionen hauptsächlich nachts kommen, arbeite ich an meinen Songs vorwiegend tagsüber. Dazu gehe ich meist in ein Café, setze mich in eine ruhige Ecke und schreibe die Texte zu meinen Songs. Und dann werde ich ziemlich genervt, wenn plötzlich jemand versucht, mich in ein Gespräch zu verwickeln.

Holger:
Kann ich mir vorstellen. Du hast im Booklet geschrieben, dass die meisten Texte auf persönlichen Erfahrungen beruhen. Vielleicht magst du ja ein paar dieser Storys näher erklären, auch wenn ich vermute, dass du möchtest, dass der Hörer seine eigene Fantasie spielen lässt.

Andrea:
Viele Inspirationen bekomme ich aus meiner Kindheit: bizarre, okkulte Erfahrungen; nasse, dunkle Strassen von London, merkwürdige Träume, Gefühle von Traurigkeit, Melancholie und verlorener Liebe. Ich bin wahrscheinlich der typische Charakter, der sich mit Musik therapiert. Wenn ich mich meinen Gefühlen und Visionen der Vergangenheit stelle, kann ich mit meinem Innersten kommunizieren, an mir selbst arbeiten und als Person wachsen. Meine Musik war immer sehr persönlich und ehrlich. Bei HAGALAZ habe ich mich vorwiegend auf die vergessenen Geheimnisse und Mysterien der Heidenvölker (pagans) konzentriert und daher hatten die Songs auch eine direkte Message an den Zuhörer. Die neuen Nummern drücken mehr ein Gefühl aus, als dass sie eine Geschichte erzählen. Außer 'Reverse', welche eine bittersüße Story erzählt: Eine dunkle Göttin erhebt sich und erinnert missbrauchte Frauen an ihre tiefsten Instinkte sich zu wehren, und diese üben dann auch Rache...

Ich denke, meine schönsten Nummern sind wohl 'Totems', 'My Visual World' und 'Touch Of Morpheus'.
'Totems' beschreibt eine Vision von Wölfen, die als dunkle Gestalten verkleidet hinter mir her sind ... ein Bild von anderen Welten und der zerfallenden Stadt. Ich arbeite gerade an einer Comic-Umsetzung zu diesem Thema . Vielleicht kennst du ja den Schwarz/Weiß-Film "Carnival Of Souls"? (leider nicht – der Verf.)
'My Visual World' handelt von mir ... Ich wandere durch endlose Strassen ... immer auf der Suche.
'Touch Of Morpheus' handelt unter anderem von Dekadenz, Opium, Absinth und natürlich dem Gott des Schlafes. Außerdem habe ich hier auch eine persönliche Erfahrung eingebracht ...

Holger:
Sehr mysteriös und faszinierend. Ist es nicht ein wenig merkwürdig für dich, von einem Magazin mit dem Namen "Powermetal.de" interviewt zu werden?

Andrea :
Ja, ich denke mal, das ist in der Tat etwas komisch.

Holger:
Nicht vom Namen irritieren lassen, wir befassen uns auch mit Gothic und Folk. Gerade in der Metalszene gibt es aber ein paar Figuren, die Heidentum mit Black Metal kreuzen und daraus ein merkwürdiges Image kreieren. Bist du dir dessen bewusst und hast du Kontakt zur Black-Metal-Szene? Oder anders gefragt, wie bist du an Trym (ehemals EMPEROR/ENSLAVED/ZYKLON) geraten, der ja bei HAGALAZ als Drummer gespielt hat?

Andrea:
Nun, im Paganismus geht es um Glauben und Spiritualität. Ich weiß, dass es Heiden gibt, die völlig normal aussehen und auch völlig normale Jobs ausüben. Um es klarer auszudrücken: Sie sind natürlich überall. Ich habe keinen Kontakt zu Black-Metal-Bands, aber ich bin mit einigen bekannten Musikern befreundet, die solche Musik machen. Trym ist einer von ihnen.

Holger:
Aha. Wie würdest du den Unterschied zwischen HAGALAZ RUNEDANCE und NEBELHEXE beschreiben?

Andrea:
Bei HAGALAZ habe ich versucht, mit mittelalterlichen Instrumenten eine spezielle Art von Folk zu kreieren. Ich wollte diese alte, erdige Atmosphäre schaffen. Da ich aber auch sehr stark an Gothic- und Wave-Musik interessiert bin – ich nenne jetzt mal DEPECHE MODE, BAUHAUS, KILLING JOKE, KATE BUSH, DEAD CAN DANCE und SKINNY PUPPY – hatte ich noch viele andere musikalische Ideen im Kopf, die verarbeitet werden wollten. Ich wollte nicht mehr nur einen 'angenehmen' Sound, sondern Musik ohne irgendwelche Eingrenzungen. Ich weiß nicht, wie ich meine neuen Songs beschreiben soll. Ich fühle eine Menge HAGALAZ in den aktuellen Kompositionen, aber ich denke, da sind auch sehr viele Gothic-Einflüsse herauszuhören.

Ich wollte mich einfach weiterentwickeln, da ich das Gefühl hatte, dass mich der selbst auferlegte Stil von HAGALAZ eingeengt hatte. Ich hatte erreicht, was ich erreichen wollte. Mit dieser Musik, wie auch mit meinem Buch "The Ancient Fires Of Midgard", hatte ich eine weniger alternative Fangruppe erreicht und ich merkte, dass das nicht mehr ich selbst war. Ich spürte, dass man mich als "weise Frau aus dem Wald" die "nette Folkmusik spielt" ansah und ich fühlte mich unwohl damit, da ich so nicht bin. Ich bin viel mehr ein "bad girl", hehehe. Ich bin eine Person, die das Leben erforscht und die viele wilde Dinge durchgemacht hat. Das wollte ich zeigen. Ich hatte das Verlangen, die musikalischen Möglichkeiten zu erweitern, auszutesten, und mich generell mehr auf meine Gefühle, Träume, obskuren Erlebnisse, Parallelwelten und die Magie die mich umgibt, zu konzentrieren. Jetzt möchte ich nur noch ehrlich zu mir selbst sein, ohne mich durch ein Genre zu limitieren. Als Künstler (und Heide) strebe ich immer an, zu wachsen zu erforschen und herauszufordern. Ich habe auch angefangen, mich mit visueller Kunst – Videokonzepten zum Beispiel – zu beschäftigen.

Meinen alten Künstlernamen habe ich deshalb wiederbelebt, weil ich das Gefühl hatte, zurück zu meinen Wurzeln zu gehen. Also zurück zu den okkulten, dunklen Visionen, die ich hatte, als ich noch in London lebte.

Holger:
Du hast es gerade angesprochen: Videokonzepte. Dem aktuellen Album ist ein Clip zu 'Wake To Wither' beigefügt, den ich leider selbst noch nicht kenne. Vielleicht beschreibst du den mal?!

Andrea:
Er hat eine sehr dunkle Atmosphäre. Da ich David-Lynch-Filme sehr gerne mag, wollte ich gerne etwas in seinem Stil machen, was uns auch ganz gut gelungen ist.

Holger :
Besteht die Möglichkeit, mit NEBELHEXE live aufzutreten ?

Andrea:
Ja. Ich habe Musiker aus Oslo, die alle in Gothic-Bands spielen.

Holger:
Mit Thorbjorn ist ja wieder ein langjähriger Weggefährte aus HAGALAZ-Tagen mit an Bord des aktuellen Albums. Wer verbirgt sich aber hinter dem Pseudonym Cosmocrator, der zweiten Person auf 'Laguz -Within The Lake' ?

Andrea:
Das ist ein Freund aus der Umgebung hier. Er hat auch eigene Projekte, wie SOURCE OF TIDE, und er ist ein exzellenter Programmierer.

Holger:
Wenn ich mir all' deine Poesie, Kunst, Malerei und Musik so anschaue, frage ich mich, ob du heute noch in der Lage wärst, in einer Großstadt ohne Natur in der Nähe zu leben?

Andrea:
Das hängt von der Stadt ab. Einige Städte haben wunderschöne Bauten und bestechen durch ihre Architektur, aber ich bevorzuge natürlich das Leben in einer Kleinstadt oder einem Dorf.

Holger:
Beschreibe eine moderne Hexe oder Magier einer Person, die von dieser Materie keine Ahnung hat.

Andrea:
Ein Heide zu sein, bedeutet für mich, frei zu sein und naturverbunden. Ohne Limitierungen oder Dogmen der Religionen. Ein Magier oder eine Hexe zu sein bedeutet, mit dem Kosmos zu kommunizieren, das Leben zu erforschen, das Schicksal zum Guten zu beeinflussen und als Persönlichkeit zu wachsen. Wahre Spiritualität bedeutet für mich eine persönliche Verbindung zu den Kräften der Natur, die uns umgibt, zu haben. Ich glaube, dass jeder Mensch seine eigene Verbindung dahin hat. Ich betrachte das Leben als eine Reise, die dauernd neue Möglichkeiten bietet und viele Rätsel aufgibt – es gibt immer wieder neue Anfänge im Leben ...

Holger:
Vielleicht kannst du unseren Lesern ein paar Empfehlungen in Sachen Literatur, Film und Musik mit auf den Weg geben?

Andrea:
Ich bin sehr stark inspiriert von Gothic, Wave und Alternative. Bands wie DEPECHE MODE, KILLING JOKE, BAUHAUS, KATE BUSH, DEAD CAN DANCE, SKINNY PUPPY, ULTRAVOX, MINISTRY wären zu nennen. Autoren, die ich gerne lese: Wilde und Poe – besonders "Chants Of Maldoror". Aber auch moderne Literatur wie Robert Anton Wilson oder Comics wie "The Crow", "Sandman" oder "Faust". Bei Filmen bevorzuge ich alte Horror-Klassiker und David Lynch. Drei Filme, die ich besonders mag: "The Devils" von Ken Russell, "Eraserhead" von Lynch und der alte Klassiker "Freaks" ...


Holger:
Sehr schöne Auswahl. Herzlichen Dank!

Redakteur:
Holger Andrae

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