NEGATIVE: Interview mit Jonne Aaron

16.10.2006 | 23:27

In Finnland gehören die Rocker von NEGATIVE bereits zu den größeren Acts des Landes, in Deutschland stehen sie noch relativ am Anfang ihrer Karriere. Nachdem das Debütalbum "War Of Love" nur in ihrem Heimatland und Japan veröffentlicht wurde, erhielt der Nachfolger "Sweet & Deceitful" bereits mehr Aufmerksamkeit. Mit dem dritten Studioalbum "Anorectic" hofft das Sextett nun daran anknüpfen zu können und neue Fans für die anstehende Tour zu gewinnen. Guter Grund also, Sänger Jonne Aaron in seiner Heimatstadt Tampere nach dem Stand der Dinge zu fragen.

Ricarda:
Ihr habt gerade euer drittes Album herausgebracht. Herzlichen Glückwunsch!

Jonne:
Danke.

Ricarda:
Was für Reaktionen habt ihr bisher auf das Album bekommen?

Jonne:
Bisher sehr positiv. Ich habe ein wenig in unserem Forum gelesen und ein paar Artikel. Und ein Journalist aus Deutschland hat den Song 'Glory Of The Shame' mit MOTÖRHEAD verglichen (lacht). Und hier in Finnland sagen sie, es sei wie PEER GÜNT. Kennst du die?

Ricarda:
Ja, kenn ich. Aber MOTÖRHEAD? Das ist echt lustig.

Jonne:
Ja, ich weiß auch nicht, ich dachte auch nur "What the fuck?" Ich kann den Vergleich gar nicht hören (lacht).

Ricarda:
Nein, nicht wirklich. Bist du selbst zufrieden mit dem Album?

Jonne:
Ja, natürlich. Ich kann ehrlich sagen, dass ich sehr stolz bin, was wir mit diesem Album gemacht haben. Und ich glaube, wir alle sind sehr stolz. Wir sind an einem Wendepunkt mit der Band was die Musik angeht, und das Album zeigt eine ganz neue Seite von NEGATIVE.

Ricarda:
Ja, ich mag das Album sehr gerne, es hat mehr Drive irgendwie.

Jonne:
Ja, genau. Und es fühlt sich auch für mich besser an, ich bin viel selbstsicherer als Sänger geworden und kann auch die höheren Töne richtig treffen. Ich fühle mich richtig lebendig.

Ricarda:
Das erste Album war eher gitarrenlastig, das zweite melodiöser, und das dritte scheint mir eine Kombination aus dem zu sein. Glaubst du, dass ihr eure musikalische Nische gefunden habt?

Jonne:
Ja, dieses Album ist wirklich in der Mitte. Aber ich weiß nicht, es ist sehr schwer zu sagen. Diese drei Alben sind so verschieden irgendwie. Wie du sagst, das erste war rockiger, und es war eher eine Sammlung von Demos. Das zweite war schöner, melodiöser, mehr wie eine Art Märchen. Wir haben viele Shows gespielt mit den ersten zwei Alben, und daher wollten wir auch mehr Spiel in das neue Album bringen.

Ricarda:
Aber ihr seid offen, in der Zukunft noch etwas mehr zu experimentieren?

Jonne:
Ja, klar. Keiner weiß, was als nächstes kommt. Wir haben uns grad in den Proben unterhalten, dass das nächste Album bald auufgenommen werden soll, und dass es ein Jazz-Album wird (lacht). Es war meine Idee, aber die anderen fanden es glaube ich nicht so gut (lacht mehr). Aber gut, mal sehen, was passiert. Ich finde, dass ist sowieso das Interessanteste an der ganzen Sache: Du weißt nie, was als nächstes kommt. Natürlich gibt es eine paar Bands, die quasi den gleichen Song wieder und wieder schreiben, und das ist verdammt langweilig. Es ist schöner, sich selbst immer wieder neu zu erfinden.

Ricarda:
Wer hat sich den Album-Titel "Anorectic" ausgedacht? Gibt es da eine Geschichte dahinter?

Jonne:
Ja, es gibt eine tiefere Bedeutung, aber ich will eher sagen, dass wir einen catchy Titel für das Album wollten, und etwas, das nicht so schön ist. Eher einfach. Aber natürlich gibt es auch eine Bedeutung, denn die Lieder sind darüber, was ich in den letzten Jahren durchgemacht habe. Aber die Texte sind davon zwar inspiriert, aber dürfen nicht allzu genau genommen werden.

Ricarda:
Ja, ich denke, da gibt es ja immer verschiedene Interpretationen.

Jonne:
Genau. Und "Anorectic" soll einfach die negativen Seiten hervorheben, dass nicht immer alles rosig ist. Denn offensichtlich ist es kein Wort, das mit etwas Positivem in Verbindung gebracht wird. Vielleicht ändert sich das ja mit dem Album (lacht). Du musst einfach zwischen den Zeilen lesen, dann verstehst du auch die Bedeutung dahinter, denke ich.

Ricarda:
Ok. Kannst du auch etwas über das Cover des Albums sagen?

Jonne:
Ja, das Original ist von einem britischen Künstler gemalt worden. Unser Grafik-Designer Jussi hat das Bild gefunden, und für uns war sofort klar, dass wir es als Cover haben wollten. Der Clown ist so traurig, seine Augen sagen mehr als 1000 Worte. So er hat das Bild gefunden, und dann kam die Zirkus-Idee von uns als Band. Wir haben dann den Rest des Layouts um den Clown herumgebaut und waren sehr involviert, was das Cover-Design angeht. Viel mehr als zuvor, alle Ideen kamen dieses Mal von uns.

Ricarda:
Ich hatte schon immer Angst vor Clowns... (lacht)

Jonne:
Hey, ich auch (lacht).

Ricarda:
Echt? Ach, toll. Hast du jemals "Es" gesehen?

Jonne:
Ja, ja. Ich glaube, der Film hat mich zu einem Teil auch für das Album ein wenig inspiriert, weil ich den Film mindestens 15 Mal gesehen habe.

Ricarda:
Ich hab ihn nur einmal gesehen, da war ich noch ein Kind. Danach hatte ich solche Angst, dass ich ihn nie wieder geschaut habe.

Jonne:
Du Arme (lacht). Ich denke, wenn du das Album hörst, dann kannst du auch ein wenig angsteinflößende Atmosphäre entdecken. Zum Bespiel ganz am Ende das schreiende Kind und der Bohrer (lacht). Es ist ein Ende, das man so nicht erwartet.

Ricarda:
Allerdings. Kannst du auch ein wenig von der Arbeit im Studio erzählen?

Jonne:
Natürlich haben wir die ersten Demos für das Album hier in Tampere in den Cosmic Studios aufgenommen. Das war Ende letzten Sommers, also quasi ein Jahr her. Und die Recording Sessions waren in Hollola, Petrax Studios. Kennst du die?

Ricarda:
Ja, kenn ich. Da habt ihr auch "Sweet & Deceitful" aufgenommen, oder?

Jonne:
Ja, genau. Dort waren wir dann fast zwei Wochen. Wir haben zuerst die Drums und den Bass aufgenommen und haben dort während den ganzen Aufnahmen gewohnt. Dann sind wir wieder hierher nach Tampere gekommen, hier gibt es das Deerhouse Studio. Dort haben wir dann alle Lead-Vocals, ein paar Gitarren- und Keboard-Sounds aufgenommen. Das "Making of", das auf der Single ist, wurde dort gefilmt. Und der Rest der Gitarren wurde in Helsinki aufgenommen. In Crystal Sound zusammen mit T.T. Oksala. Die anderen Aufnahmen haben wir alle mit Hiili gemacht. Es war also ein ziemlich langer Prozess, denn während wir im Studio waren, haben wir noch eine Tour mit HIM und THE RASMUS gespielt und noch ein paar andere Shows. Die Aufnahmen fanden also eher in Kapiteln statt.

Ricarda:
Aber das ist doch auch ganz schön, oder? So kann man zwischendurch immer neue Kraft sammeln.

Jonne:
Ja, und neue Ideen und so.

Ricarda:
Ihr habt auch die Single 'Planet Of The Sun' ausgekoppelt. Warum gerade diesen Song?

Jonne:
Ein paar Leute von Roadrunner flogen hierher, nochdem wir die erste Mixing Session beendet hatten. Also hatten wir ein Treffen mit den Leuten von der finnischen Plattenfirma, und aus Deutschland und natürlich unser Manager Tommi und wir waren dort. Und dann haben wir überlegt, was die erste Single sein könnte. Und auch die zweite. Die erste Idee war 'Fading Yourself', was ein wirklich toller Song ist. Ich weiß gar nicht genau, wie wir uns dann für 'Planet Of The Sun' entschieden haben. Wahrscheinlich weil er den typischen NEGATIVE-Sound hat, und er kann auch gut im Radio und so gespielt werden. Es war ein guter Start, ich bin sehr glücklich darüber, aber natürlich hast du keine Wahrsagerkugel in deinem Arsch (lacht). Du kannst also nicht wirklich vorhersehen, was jetzt die beste Hit-Single wäre.

Ricarda:
Wisst ihr denn jetzt, was die nächste Single sein wird?

Jonne:
Ja, wir hatten vor 'Fading Yourself' zu veröffentlichen, aber nun werden wir 'Sinners' Night/Misty Morning' auskoppeln. Wir wollen eine andere Seite der Band zeigen, also wird es auf den Song hinauslaufen. Und dann wird 'Fading Yourself' wahrscheinlich auch eine Single. Und vielleicht noch 'Glory Of The Shame'...

Ricarda:
Wow, ganz schön viele.

Jonne:
Ja, wahrscheinlich vier oder fünf Singles und der Plan ist, dass wir auch ein Video zu jeder Single drehen. Gerade jetzt denken wir über das Video zu 'Sinners' Night/Misty Morning' nach. Wir werden einige Shows in Tokio filmen, wenn wir da sind. Und auch in Russland. Also mal schauen, wie es so wird. Ich weiß nicht, wo das Video dann gespielt wird, ob es zum Beispiel in Deutschland im Fernsehen zu sehen ist.

Ricarda:
Doch, bestimmt. Und zumindest im Internet bei YouTube oder so.

Jonne:
Ja, dort auf alle Fälle. Internet ist heuzutage sehr gut, was Promotion angeht.

Ricarda:
Für 'Planet Of The Sun' habt Ihr ein Video in München gedreht. Kannst du darüber etwas erzählen?

Jonne:
Es war sehr interessant. Als wir dort waren, war es gerade eins der heißesten Wochenenden in Deutschland dieses Jahr. Und Larry musste ins Krankenhaus gefahren werden, weil er ausgetrocknet war. Er konnte nichts essen oder so, und dann kam der Krankenwagen, und er wurde ins Krankenhaus gebracht. Aber er kam zurück (lacht). Für mich persönlich war es sehr interessant. Da gab es diese Zirkus-Familie, keine Ahnung, ob ihnen der Zirkus dort gehört oder ob sie nur da arbeiten. Jedenfalls war dort ein kleiner Junge, der war total süß. Und auch ein kleines Mädchen, und die zwei haben wir dann zu neuen Fans gemacht (lacht). Die zwei haben mir die ganze Zeit irgendwelche Sachen erzählt, aber ich hab natürlich kein Wort verstanden (lacht).

Ricarda:
Du musst einfach nur "Ja, ja" sagen (lacht).

Jonne:
Ja, ich habe einfach nur genickt (lacht). Die Kinder konnten kein Englisch, also haben sie mir alles auf deutsch erzählt. Ich glaube, sie haben mir etwas über die ganzen Tiere erzählt, ich habe einfach nur genickt und gelächelt (lacht). Den Jungen kannst du auch in dem Video sehen. Es ist der Kleine mit dem Hut, der sich verbeugt.

Ricarda:
Du hast bereits das Zirkus-Thema erwähnt. Es ist auf der Webpage, im Booklet... Wollt ihr es noch für weitere Sachen verwenden? Zum Beispiel für die Tour?

Jonne:
Ja, du wirst es auf der Bühne sehen können. Die Hauptidee ist, dass wenn die Leute kommen, um uns live zu sehen und wenn dann die Türen hinter ihnen schließen, dass sie dann den Ritt ihres Lebens bekommen (lacht). Es ist sehr wichtig, dass die Leute sofort merken "Ok, es geht jetzt besonders um dieses Album." Es ist ein sehr starkes Thema mit diesem Album, daher wollten wir auch die Bühne stark dekorieren. Also mal schauen, was wir im Endeffekt machen können.

Ricarda:
Ok, dann bin ich mal gespannt. Reden wir jetzt mal ein wenig über dich persönlich. Kannst du noch immer ausgehen ohne zu sehr von Fans belästigt zu werden oder ist es mittlerweile so, dass du lieber daheim bleibst?

Jonne:
Wenn ich sehr müde bin oder schlechte Laune habe, dann bleibe ich wirklich lieber zu Hause. Du weißt ja, wo ich wohne und so kannst du dir auch vorstellen, dass da oft Fans vor der Tür sitzen und warten. Es ist schon sehr komisch irgendwie, zum Beispiel wenn du rausgehst, um dir einen Film auszuleihen oder so, und du wirst immer verfolgt. Manchmal ist es nett, wenn Leute kommen, um mit dir zu reden. Wir zwei kennen uns jetzt ja schon mehrere Jahre, da ist es natürlich immer nett, sich mal zu sehen und Hallo zu sagen. Das gilt auch für ein paar Fans, aber um ehrlich zu sein, ist es bei mir häufig so, dass ich niemanden sehen möchte und daher einfach zu Hause bleibe. Das ist dann das beste für alle (lacht).

Ricarda:
Ja, wahrscheinlich (lacht). Hat sich dein Verhalten gegenüber finnischen Medien in den letzten Jahren verändert? Du hattest ja zum Bespiel das Problem, dass das Haus, wo du wohnst, abgebildet wurde. Bist du vorsichtiger geworden?

Jonne:
Hm, es gibt eine Sache, die ich wirklich privat halten möchte, und das sind die Beziehungen in meinem Privatleben. Das ist zu ziemlich das einzige, was ich wirklich nicht den Medien geben werde.

Ricarda:
Aber die Medien fragen ja auch nicht immer. Ich erinnere mich da an das eine Foto am Flughafen.

Jonne:
Ja, das war richtig scheiße und hat mich sehr wütend gemacht. Ich kam gerade aus dem Flugzeug und sah den Typen mit der Kamera, und dann war es auch schon zu spät. Ich hab noch immer keine Ahnung, wie die wissen konnten, dass ich da ankomme, wahrscheinlich hat jemand angerufen oder so. Aber gut, ich kann mich eigentlich auch nicht beschweren, denn irgendwie ist es auch "part of the game". Aber trotzdem ärgert es mich natürlich, wenn sowas passiert. Du kennst ja meine Freundin und kannst dir vorstellen, wie sie sich geärgert hat, als das Ganze es auch noch auf die Titelseite schaffte. Ich war auch richtig sauer, dass es auf das Cover kam. Es wird irgendwie immer hektischer, und das stresst schon ganz schön.

Ricarda:
Ja, kann ich mir vorstellen. Ok, zurück zur Musik. Du hast auf "Sweet & Deceitful" ein Duett mit Ville Laihiala von SENTENCED gesungen. Hast du irgendwelche Wünsche, mit anderen Musikern zusammenzuarbeiten?

Jonne:
Da gibt es natürlich schon einige, ich würde zum Beispiel sehr gerne ein Duett mit ROBBIE WILLIAMS singen (lacht). Oder mit MADONNA. Oder KYLIE.

Ricarda:
Du hast ja keine großen Wünsche... (lacht)

Jonne:
Nein (lacht). Ok, aber mal ehrlich: Im Moment ist da keinen bestimmten Künstler. Wenn es möglich wäre, dann ELVIS.

Ricarda:
Das ist wahrscheinlich eher unwahrscheinlich.

Jonne:
Wer weiß, vielleicht im Himmelsorchester oder so (lacht). Dann kann ich auch mit Kurt Cobain jammen und so. Aber im Moment habe ich nichts bestimmtes vor Augen. Da ist noch DAVE LINDHOLM, er spielt Mundharmonika bei 'Sinners' Night/Misty Morning'. Das ist einfach so passiert, wir planen solche Sachen nie. Wenn es passiert, dass wir alle denken "Hey, dieser Song braucht noch etwas anderes.", dann kommt sowas zu Stande. Das Duett mit Ville war natürlich schon ein Traum, der in Erfüllung ging. Bevor wir unseren Plattenvetrag bekamen, habe ich viel SENTENCED gehört. Besonders das Lied 'Killing Me Killing You' hatte es mir angetan.

Ricarda:
Kann ich verstehen, es ist ja auch ein tolles Lied.

Jonne:
Ja, auf alle Fälle. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich das Video sah und total begeistert war.

Ricarda:
Könntest du dir vorstellen, mit APOCALYPTICA zu singen?

Jonne:
Nein, eigentlich nicht. Ich sehe keinen Grund, das zu tun. Es ist zwar eine gute Band, und sie machen ihre Sache gut und einzigartig, aber für mich würde es sich eher wie dumme Karaoke anfühlen. Und Ville und Lauri haben bereits mit ihnen aufgenommen, es wäre zu naheliegend, wenn ich das gleiche machen würde. Es ist einfach nichts für mich.

Ricarda:
Hast du dir jemals überlegt, ein Sideproject außerhalb von NEGATIVE zu haben?

Jonne:
Ja, vielleicht. Ok, da gibt es ein paar Pläne, aber ich will nicht, dass es eine zu große Sache wird. Mein Traum ist es Lieder von RAULI "BADDING" SOMERJOKI zu singen. Er war ein sehr bekannter finnischer Sänger, eher traditionell, aber er sang auch einige ELVIS-Covers. Einer meiner größten Träume ist, nur ein paar wenige Shows zu machen, wo wir als Band diese Lieder spielen würden. Die Musik ist so verschieden von dem, was wir eigentlich spielen, und die Konzerte würden dann auch unter einem anderen Namen stattfinden. Ich weiß nicht, ob es wirklich jemals passieren wird, aber mal schauen. Man weiß nie, was die Zukunft bringt, ich versuche immer, offen an alles heran zu gehen. Und ich muss zu dem APOCALYPTICA-Ding noch sagen: Sag niemals nie. Es ist nur so, dass ich es mir im Moment nicht vorstellen könnte.

Ricarda:
Hattest du jemals Gesangsunterricht?

Jonne:
Ja, ich hatte ein paar Stunden zu der Zeit als wir "War Of Love" aufnahmen. Ich habe meinen Lehrer erst kürzlich in einem chinesischen Restaurant getroffen und habe ihn nach ein paar Tipps gefragt, weil ich mit diesem Album die Limits meiner Stimme wirklich austeste. Ich bin jetzt an dem Punkt, wo ich als Sänger immer besser werde, und ich will natürlich auch besser werden. Ich habe viel Leidenschaft und Motivation, was das Singen angeht.

Ricarda:
Und die Tour jetzt wird deine Stimme sicher auch stressen.

Jonne:
Ja, aber im Moment fühlt es sich gut an. Reden wir nochmal nach der Tour (lacht). Mal schauen, ob ich dann noch einen Ton herauskriege. (spricht mit krächzender Stimme) "Es war total scheiße, ich konnte gar keine der neuen Lieder live singen! Wir haben nur Lieder von "Sweet & Deceitful" und "War Of Love" gespielt" (lacht).

Ricarda:
Dann beschweren sich sicher die Fans (lacht). Schreibst du auch Texte in finnisch?

Jonne:
Nein. Früher habe ich es mal versucht, aber es war so verdammt erbärmlich (lacht). Ich denke, dass Englisch die Sprache des Rock 'n' Roll ist. Ich habe immer viele Filme geschaut und Sachen wir THE BEATLES und ELVIS gehört. Aber ich bin glücklich, wie es für mich und für uns als Band gelaufen ist. Ich würde keinen Tag ändern, denn ansonsten säße ich jetzt nicht hier mit dir. Und ich glaube, dadurch, dass wir auf Englisch singen, ist es einfacher für uns außerhalb von Finnland zu touren.

Ricarda:
Ja, das stimmt. Es gibt nur wenige Bands, die in ihrer Muttersprache, die nicht Englisch ist, singen und weltweit touren. Naja, es gibt RAMMSTEIN (lacht).

Jonne:
Ja, RAMMSTEIN (macht Teufelszeichen). Aber weißt du, ich glaube in der Zukunft ist es nur eine Frage der Zeit, bis eine finnische Band, die auf Finnisch singt, ein Hit auch außerhalb werden. APULANTA sind zum Bespiel toll und ich gebe all meinen Respekt zu Toni Virtanen, denn er schreibt richtig schöne Melodien und tolle Texte. Aber ja, in der Zukunft vielleicht. Vielleicht überlasse ich das Ville (lacht). (Anm. d. Verf.: Ville ist Jonnes jüngerer Bruder und singt in der Band FLINCH)

Ricarda:
Ach ja, stimmt ja. Ich muss gestehen, ich habe FLINCH noch gar nicht live gesehen, das sollte ich vielleicht nachholen. Lohnt es sich denn?

Jonne:
Ähm, nein (lacht). Zumindest jetzt noch nicht, du musst ihnen ein wenig mehr Zeit geben. Ich habe sie im Klubi letztens spielen gesehen und es war... naja, sagen wir mal, es war nicht so gut (lacht). Sie haben gut gespielt, aber irgendetwas hat gefehlt. Ich habe sie in Turku vor sieben Monaten oder so gesehen, da waren sie richtig gut. Natürlich lohnt es sich schon, aber vielleicht solltest du noch warten, bis sie ihr zweites Album veröffentlicht haben.

Ricarda:
Ok, dann mach ich das vielleicht so. Gibt es ein Thema, über das du nie einen Song schreiben würdest?

Jonne:
Ich denke, dass alle Themen des Lebens es wert sind, dass man darüber schreibt. Aber ich persönlich würde wahrscheinlich kein politisches Lied schreiben, aber wer weiß.

Ricarda:
Sag niemals nie.

Jonne:
Genau, sag niemals nie. (singt) "Don't wanna be a Finnish idiot..." (lacht). Ich weiß nicht, aber ich möchte nicht zu tief in Politik involviert sein. Es wäre irgendwie komisch und würde sich anfühlen, als ob ich Leuten sagen würde, was sie zu denken oder zu tun haben. Jeder sollte sich seine eigene Meinung bilden.

Ricarda:
Da hast bereits erwähnt, dass ihr jetzt wieder nach Japan fliegt. Freust du dich?

Jonne:
Ja, natürlich. Und ich habe auch ein paar Schmetterlinge im Bauch, weil es die ersten Shows der Tour sind. Wenn du die neuen Lieder zum ersten Mal spielst, weißt du nie so genau, wie das Publikum reagieren wird. Wir hatten zwar diese zwei Mini-Shows in Turku, da waren etwa nur 50 Leute pro Show, also war es sehr klein. Es war richtig nett, wir haben das neue Album in zwei Teilen gespielt, und die Atmosphäre war total relaxt. Ich denke, es war auch schön für die Fans.

Ricarda:
Ja, bestimmt. Kleinere Konzerte sind immer schön, weil dann mehr mit dem Publikum interagiert wird. Wie ist denn das Touren mit den anderen Jungs? Versteht ihr euch gut?

Jonne:
Hm, vielleicht gibt es auf der Tour ein wenig zu viele toxische Dinge (lacht). Für mich ist es auch so, dass wenn ich auf Tour bin, ich auch ein wenig Zeit für mich allein brauche. Da kann es schon passieren, dass du ziemlich sauer wirst, wenn du allein sein möchtest. Musik hören möchtest oder ein Buch lesen oder so und unten im Bus geht die totale Disco ab (lacht). Und natürlich kannst du den Bus nicht verlassen, also kann es manchmal schon etwas hart sein. Aber es ist auch nett, und man muss halt eben durch alles durch.

Ricarda:
Ihr tourt auch bald wieder in Deutschland. Was können die Fans erwarten?

Jonne:
Wir werden viele neue Songs spielen und haben auch die B-Sides der Singles geprobt. Also wird auch Extra-Material gespielt werden. Und besonders auf der europäischen Tour wird es eine große Ünerrasching für die Fans geben. Und es gibt einen langen Instrumental-Teil, also wird die Show in zwei Teilen sein. Der Instrumental-Teil wird die Teile voneinander trennen. Ich habe gehört, dass wir Tickets für die Show richtig gut verkauft haben. Da gibt es wohl sogar ein Konzert, dass in einen größeren Venue stattfindet, als wir am Anfang geplant hatten. Ich selbst erwartet eigentlich nicht wirklich etwas, ich gehe nur hin und spiele. (lacht)

Ricarda:
Habt ihr auch Pläne, in die USA zu gehen?

Jonne:
Ja, vielleicht. Aber damit sind wir nicht im Stress und wollen uns Zeit lassen. Im Moment möchten wir uns eher auf das Marketing im deutschsprachigen Raum konzentrieren. Eigentlich hasse ich es, das Wort Markering zu benutzen, denn dann wirke ich wie irgendein Arschloch von Geschäftsmann (lacht).

Ricarda:
Aber es ist halt auch Teil des Geschäfts.

Jonne:
Ja, genau. So ist das nun einmal und darum muss man sich auch Gedanken machen. Aber wir wollen wirklich eher Schritt für Schritt vorangehen.

Ricarda:
Ok. Wir kennen uns jetzt schon über drei Jahre und seitdem gibt es immer mal wieder Gerüchte und Pläne über eine DVD. Wie sieht's denn nun aus?

Jonne:
Wir arbeiten die ganze Zeit daran (lacht). Also, es wird wirklich eine kommen, irgendwann. Wir werden bei der jetzt anstehenden Tour filmen und dann mal schauen. Aber ich weiß nicht, wo das eigentliche Konzert für die DVD sein wird. Mein Traum ist es, dass es hier in Tampere sein wird, in Pakkahuone. Tampere ist unsere Heimatstadt, und Pakkahuone eignet sich für DVD-Aufnahmen. Also mal schauen, was passiert.

Ricarda:
Weißt du schon, ob ihr einen Silvester-Gig haben werdet?

Jonne:
Ich kann mit Sicherheit sagen, dass wir dieses Jahr nicht bei dem Helldone-Festival in Helsinki spielen. Aber ja, wahrscheinlich wird es ein anderes Konzert geben. Das ist aber allerdings noch nicht 100%ig sicher, denn im Dezember werden wir erstmal in Finnland touren. Die Tour beginnt Anfang Dezember, und dann mal schauen.

Ricarda:
Wie wichtig, denkst du, ist Image heutzutage in der Musikindustrie?

Jonne:
Heutzutage ist es schon ziemlich wichtig, denke ich. Ich denke, ich kann schon jetzt sagen, dass ich bereits die andere, nicht so tolle Seite der Musikindustrie gesehen habe. Wir sind nicht die Art von Band, die sich von der Plattenfirma herumkommandieren lassen. Wir hatten immer eine sehr starke Vision, in welche Richtung unsere Musik gehen soll, wie wir uns anhören und wie wir aussehen wollen. Die Musikindustrie kann irgendwie mit Fast Food verglichen werden, finde ich: Man gibt den Leuten am liebsten etwas, das sehr einfach ist und niemandem weh tut, Fahrstuhlmusik halt. Wir haben wirklich Glück, dass wir bei einem kleineren Laben sind und sagen können, was wir wollen. Wir fällen alle Entscheidungen zusammen mit dem Label, das ist sehr schön. Man kann manche Bands sehen - ich nenne jetzt mal keine Namen - die wirklich Sklaven ihres Labels sind oder wo es einen Boss innerhalb der Band gibt, der alles alleine bestimmt. Bei uns ist es eher demokratischer und bisher hat es auch gut funktioniert.

Ricarda:
Ok, mal eine alberne Frage: Hast du welche von deinen Dreadlocks behalten, als du sie abgeschnitten hast?

Jonne:
Ich habe sie alle.

Ricarda:
Alle? Du kannst dir ja eine Perücke daraus machen (lacht).

Jonne:
Nein, lieber nicht (lacht). Aber ich habe sie alle in einem Plastikbeutel.

Ricarda:
Du kannst sie sicher auch bei Ebay verkaufen!

Jonne:
Ja, das war mein Plan (lacht). Eine Bekannte von mir hat sich eine von den Dreads geklaut, den Rest habe ich aber noch. Vielleicht werde ich sie echt bei Ebay verkaufen. Oder ein Gewinnspiel auf unserer Webseite (lacht).

Ricarda:
Ja, genau... "Gewinne eine von Jonnes Dreadlocks!"

Jonne:
Ja, genau das (lacht). "Schick die richtige Antwort und gewinne eine von Jonnes Dreads!" (lacht) Aber weißt du, ich habe eine von den Dreads aufgeschnitten und das sah nicht so toll aus (lacht).

Ricarda:
Waren da Würmer drin? Ich habe irgendwo mal gehört, dass jemand Würmer in den Dreads hatte.

Jonne:
Echt? Wie eklig. Nein, Würmer waren zum Glück keine drin (lacht). Aber ganz viel von dem weißen Zeug. Schuppen oder Kopfhaut, keine Ahnung. Davon war ganz viel drin jedenfalls, und es war auch ein wenig grün und lila.

Ricarda:
Iiiih, Schimmel!

Jonne:
Ja, ich glaube (lacht).

Ricarda:
Du warst auch Moderator bei Headbanger's Ball für zwei Sendungen. Wie war das?

Jonne:
Es war recht interessant, aber es hat mich nicht so umgehauen, dass ich es unbedingt in Zukunft machen möchte. Es war eigentlich ziemlich langweilig, den Text von den Monitoren abzulesen, und es ist irgendwie nur so blablablabla.

Ricarda:
Ja, die Leute da sehen auch immer richtig gelangweilt aus (lacht). Als Zuschauer denk ich mir dann immer: "Komm, streng dich mal ein wenig mehr an!" Aber ich kann mir vorstellen, dass es sehr monoton ist.

Jonne:
Ja, das ist es auf alle Fälle. Ich habe mich nicht so wohl gefühlt. Aber es war natürlich eine nette Erfahrung und auch ein wenig Promotion natürlich.

Ricarda:
Welche CDs sind zur Zeit in deinen CD-Player?

Jonne:
RAULI "BADDING" SOMERJOKI (lacht). Eine Doppel-CD. Dann JOHNNY CASH, "American Recordings". Und "Anorectic"...

Ricarda:
Du hörst dir also deine eigene Musik an?

Jonne:
Ja, natürlich. Besonders dieses Album. Ich glaube, dieses Album habe ich mir am meisten angehört.

Ricarda:
Ok. Viele Leute sagen immer, dass sie ihr eigenes Album nachdem es herausgekommen ist, erstmal für ein paar Monate oder so nicht mehr hören können, weil sie davon echt genug haben.

Jonne:
Ja, im Moment höre ich es seltener als zuvor, weil es ständig im Hintergrund bei den Autogrammstunden lief und so. Aber ich höre es mir schon an und bin wirklich verdammt stolz auf das Album. Natürlich hole ich mir nebenbei keinen runter oder so (lacht). Aber ich mag es wirklich gerne.

Ricarda:
Ist es für dich noch immer komisch, dich im Fernsehen zu sehen oder deine Lieder im Radio zu hören?

Jonne:
Ich wechsel immer das Programm, wenn dort ein Interview mit mir kommt. Wenn die Musik im Radio kommt, dann ist es ok, aber irgendwie hasse ich es, mich selbst im Fernsehen zu sehen und mich reden zu hören. Ich mag es auch nicht, Artikel über mich selbst zu lesen. Wenn es über die Band ist, ist es etwas anderes, aber über mich als Privatperson, nein danke.

Ricarda:
Ok, dann die letzte Frage. Wen wolltest du als Kind heiraten?

Jonne:
She-Ra aus He-Man!

Ricarda:
Oh, die fand ich auch mal ganz toll. Sie war so cool (lacht).

Jonne:
Ok (lacht). Ja, das war sie wirklich. Und... Moment, lass mich kurz nachdenken. Ich versuche, in der Zeit zurückzureisen (lacht). Da gab es bestimmt noch wen.

Ricarda:
Vielleicht KYLIE? (lacht)

Jonne:
Nein, KYLIE kam später (lacht). Hey, kennst du den Film "Die blaue Lagune"?

Ricarda:
Ja, kenn ich. Meinst du vielleicht Brooke Shields?

Jonne:
Ja! In sie war ich richtig verliebt, als ich es als Kind gesehen habe. Sie war so toll. (lacht)

Ricarda:
Ok. Das war es dann auch. Danke für deine Zeit.

Jonne:
Kein Problem, ist immer ein Vergnügen.

Redakteur:
Ricarda Schwoebel

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