ONE NATION UNDERGROUND: PARASHURAMA, THE NATIONAL ORCHESTRA OF THE UNITED KINGDOM OF GOATS, STAR FK RADIUM

13.06.2013 | 20:21

In unserer Reihe ONE NATION UNDERGROUND gehen wir von nun an noch tiefer in den Untergrund: Wir picken die besten Scheiben aus dem Berg von Eigenproduktionen heraus und stellen sie in Form von Review, Bandbio und kurzem Interview vor. Echter Underground also, Perlen, die euch sonst entgangen wären. In diesem Fall: PARASHURAMA, THE NATIONAL ORCHESTRA OF THE UNITED KINGDOM OF GOATS, STAR FK RADIUM.

Name: PARASHURAMA
Gründung: 2008
Mitglieder: Lukas Fischer (Bass/ b. vox), Ivo Sloman (Keys/cello/ b. Vox), John Lochbau (Git/ vox), Nando schäfer (Drums)
Herkunft: Hamburg
Veröffentlichungen: Parashurama EP (2009), Fountain Pens And Four Pages Of Blank Papyrus EP (2011), Captive Rooms LP (2013)
Homepage: www.parashurama.de
Vorstellung: Thomas Becker

Ich habe die Jungs als Vorband der dänischen Artprogger LIS ER STILLE kennen gelernt und konnte dort schon ein wenig mit den sympathischen Jungs quatschen. Wer vor weniger als zehn Leuten einen so engagierten und mitreissenden Gig abreisst, zeigt, dass Musik für ihn alles bedeutet und dies qualifiziert für eine Präsentation beim ONU.

Aber: was spielt PARASHURAMA denn nun? Es ist schwierig, die Musik einzuordnen, denn obwohl sie einem schon beim ersten Spin seltsam vertraut vorkommt, ist sie dennoch sehr eigen. Man vermengt Psychedelic, Progressive und Art Rock, zu einem eigentümlichen Klangmix, das Fans so unterschiedlicher Bands wie PORCUPINE TREE, RADIOHEAD, BABY WOODROSE, TOOL oder INTERPOL ansprechen dürfte (ein ausführliches Review zum frisch erschienenen Album "Captive Rooms" gibt es hier). Fragen wir doch mal gleich bei Sänger/Gitarrist John nach:

Thomas: Wie würdet ihr eure Musik bescheiben? Ein Fan welcher Bands sollte sich unbedingt mal mit PARASHURAMA beschäftigen?
John: Ich denke unsere Musik lässt sich schwer in irgendwelche Schubladen stecken. Dafür experimentieren wir zu sehr mit unterschiedlichen Stilen aus den verschiedensten Genres. Dennoch lässt sich unsere Neigung zum Psychedelic Rock, sowie zu eingängigen Hooks schwer verbergen.

Thomas: Was bedeutet der Bandname?
John: Der Parashurama ist der sechste Avatar des Vishnus. Er unterscheidet sich von den anderen neun darin, dass er nur eine indirekte Inkarnation des Vishnus ist und somit im Hinduismus eher weniger verehrt/bekannt ist. Quasi ein Underdog. Doch seine Aufgabe ist um so wichtiger. Der Parashurama durchdringt mit Vishnu den bösen und schlechten Teil der Menschheit und zwingt diese, Gutes zu vollbringen.

Thomas: Auf eurer Homepage ist ein Kurzfilm zu sehen. Und zu 'You And The Rough' gibt es auch ein künstlerisch wertvolles Video. Gehört die künstlerische Aufarbeitung der Musik zum Konzept von PARASHURAMA? Inwieweit geht PARASHURAMA über die Musik hinaus?
John: Mit dem Film haben wir das Feld in unserem künstlerischen Schaffen definitiv erweitert, hinzu kommen die Lampen, die wir live verwenden, die eher etwas von bildender Kunst haben. Wir werden uns auch in Zukunft nicht einschränken und unser Feld noch erweitern können. Alles ist möglich, wenn man es einfach macht.

Thomas:  Wie kommt ihr dazu, einen Kurzfilm zu drehen? Wer von Euch hat hier Ahnung davon? Um was geht es da?
John: Der Kurzfilm ist vor allem entstanden, weil wir gerne unkonventionelle Dinge tun. Wir fanden, es passt nicht zu unserer facettenreichen Musik, nur ein Musikvideo für nur einen Song zu drehen. So entstand die Idee, einen Film über das ganze Album zu drehen. Wir haben uns Musik und Texte vorgeknöpft und versucht, alles auf einen Nenner zu bringen und von dort aus etwas Neues zu spinnen. Wir hatten das Glück, mit Niklas Holling zusammen arbeiten zu können, der Filmemacher ist. Zusammen mit ihm ist die Idee entstanden. Die Frage, um was genau es geht wollen wir gerne an den Zuschauer weiter geben. Nehmt euch einfach die zehn Minuten Zeit und schaut euch den Film an. Es lohnt sich und es steckt ganz viel drin. Jeder wird andere Dinge entdecken und anders interpretieren, das wollen wir nicht in eine bestimmte Richtung lenken.

Thomas:  Wie sind die Pläne mit PARASHURAMA? Ist Musik "nur" euer Hobby oder habt ihr schon weitergesteckte Ziele?
John: Musik ist natürlich das, wofür wir leben. Die Musik an sich ist für einen Musiker wie eine Sprache. Jeder spricht sie auf eine andere Art und Weise, doch trotzdem versteht man einander. Für uns gibt es nichts Größeres, als Musik zu machen und mit ihr zu experimentieren. Für uns war es jetzt im Mai die dritte Deutschland-Tour, mit einem zusätzlichen Konzert in Prag. Im Herbst 2013 ist die vierte Tour angesetzt. Wo unser Weg uns hinführt, werden wir sehen.

Thomas: Gibt es noch eine Message, die ihr hier unbedingt loswerden wollt?
John: Verbiegen tut weh und sieht scheiße aus!

 

Name: THE NATIONAL ORCHESTRA OF THE UNITED KINGDOM OF GOATS (Kurzform: UKOG)
Gründung: 2009
Mitglieder: The Admiral, The Coachman, The Seer, The Insane
Herkunft: Südtirol
Veröffentlichungen:
- "The Chronicles Of Sillyphus" (EP, 2011)
- "The Three Walls Of Kolepta" (EP, 2011)
- "Vaaya And The Sea" (LP, 2012)
Homepage: www.ukog.net
Vorstellung: Rüdiger Stehle

Wenn eine Band sich als Nationalorchester eines vereinten Königreiches der Geißen sieht und ihre Musik als symphonische Grind-Pop-Extravaganz betitelt, dann können wir uns in einer Sache sicher sein: Die Herren Musici geben sich viel Mühe mit ihrem Image, mit den Geschichten die sie erzählen; und sie haben Phantasie. All dies schlägt sich auch in der Musik nieder, und so weben die Jungs auch auf ihrem ersten vollständigen Studioalbum nach zwei tollen EPs einen schillernden, reich bebilderten Teppich aus leicht alternativ angehauchtem Melodic Rock, verspieltem Alterna-Prog-Theater und diversen Psychedelika älteren Datums. Im Interview erzählt euch die Band von ihrem musikalischen Selbstverständnis, von ihrer phantastischen Legende um Kolepta, von ihrer Haltung zu Copyright- und Labelfragen, und von noch einigem mehr:

Rüdiger: Seit wann gibt es das Nationalorchester des Vereinigten Geißenreichs? Wie kommt ihr auf den doch etwas geheimnisvoll pythonesken Bandnamen und was verbirgt sich hinter dem "United Kingdom of Goats"? Welche Art von Konzept steckt hinter euren Texten und Alben?
Tom: Das "National Orchestra of the United Kingdom of Goats" gibt es seit etwa 2009. Obwohl die Idee, die Geschichte und die “Planung" bereits einige Zeit vorher begonnen hatte. Die Idee zu den Geschichten die das Grundgerüst der Band bilden hatte ich schon seit geraumer Zeit. Der Name dazu scheint mir persönlich daher auch eigentlich gar nicht so seltsam. Ich mag besonders Bandnamen, die in Erinnerung bleiben. Und ich glaube das ist uns ganz gut gelungen. Wenn auch nicht unbedingt Wort für Wort =) Es ist eigentlich eine perfekte Umrandung für all das was inhaltlich in der Band passiert, das Nationalorchester das die Geschichten und Legenden einer Nation kund tut. Und dass diese Nation dann das United Kingdom of Goats geworden ist, liegt daran, dass dieses Tier auf uns eine ganz besonderer Faszination ausübt. Im Grunde zutiefst böse, und zugleich mystisch und doch einfach und bodenständig. Es passt daher perfekt zu dem Königreich, welches sich die Ziege als Zeichen auf seine Banner malt, unser Königreich.

Rüdiger: Auf eurer Facebook-Seite gebt ihr als Heimatort "Deathport / CA" an. Gibt man das bei Google Maps ein, dann findet man einen Treffer in der Nähe von Oakland mit dieser Notiz: "Longtime gangster and founder of the Independent Soldiers Randy Naicker was shot to death in Port Moody", ihr tragt alle Künstlernamen und euren Stil bezeichnet ihr als "Symphonic Grind Pop". Die Gerüchteküche indes munkelt, dass Deathport in Südtirol liegt. Wie wichtig ist die "Legende" um eure Band und wie ernst nehmt ihr die Geheimniskrämerei darum?
Tom: Dass hier Google Maps kein passendes Ergebnis liefert mag sicher daran liegen, dass die Geschichte zu Kolepta kaum bekannt ist, und genau deshalb sind wir ja da. Sie zu erzählen. Deathport liegt eigentlich im Nord-Osten und damit am Ende des "grünen Tals“, im Zentrum Koleptas. Wir kommen nicht direkt aus dieser Stadt, es schien uns nur logisch sie als solche auszugeben, denn es ist die Hauptstadt des Tals und gleichzeitig der größte Hafen in Kolepta. Umschlagplatz für Waren aller Art. Und damit natürlich auch ein passendes Ziel für Gangster, dunkle Gestalten und sonstige Taugenichtse. Aber das ist dann auch die einzige Parallele die mir dazu einfällt. Momentan hausen wir aber in einem wunderbaren Haus mit eigenem Tempel. An einem schönen Flecken Erde, Südtirol. In der Nähe von Bozen um genau zu sein. Und eigentlich etwas darum herum.
Wir nehmen uns selbst nicht allzu ernst, den Mythos und die Hintergrundgeschichte darum herum allerdings schon. Auf der Bühne sind wird das "National Orchestra of the United Kingdom of Goats“, und nicht einfach irgendwelche 4 Typen die da stehen, ihre Musik spielen und verkünden "Und der nächste Song heißt ...". Es ist uns schon wichtig, aus einem Konzert ein Erlebnis zu machen, eine Show zu liefern. Es muss mehr sein als nur die Live-Musik selbst. Die "Geheimniskrämerei" ist schon gewollt. Unser Ziel ist es, die Musik in den Vordergrund zu stellen, und nicht die Band, die Musiker die dahinter stehen. Ich mag diesen Personenkult nicht. Es hilft, wenn möglichst wenig davon ablenkt. Und wenn Musik so mehr oder weniger das Einzige ist was man von einer Band zu fassen bekommt, nimmt man sie vielleicht umso intensiver war.

Rüdiger: Eure selbst gewählte Nicht-Schublade lässt viel Raum für Interpretation, aber es würde mich überraschen, wenn auch nur ein Leser bei der Definition "Symphonic Grind Pop" ein Klangbild vor dem "inneren Ohr" hätte, das auch nur annähernd nach eurer Band klingt. Ihr habt was gegen Schubladisierungen und wollt mit dem Aufhänger die Leute dazu bringen, sich selbst ein Bild zu machen? Oder gibt es einen anderen Grund für diese stilistische Einordnung?
Tom: Wir haben ihn eigentlich gezielt gewählt, weil er unsere Musik genau beschreibt. Wir haben die Worte als perfekte Kombination empfunden, für all das was in unserer Musik vorkommt und wofür sie stehen soll. Das ist das "symphonic“, was natürlich auf der Hand liegt. Je mehr Streicher umso besser. Und natürlich Bläser. Am besten das ganze Orchester. Dann ist da noch das "Pop“. Ich empfinde unsere Musik nicht wirklich als "Metal“, und auch der Begriff "Rock“ scheint mir nich ganz passend. "Progressive“ liest man heutzutage sowieso überall und es sagt demzufolge einfach nichts mehr aus. Viele Elemente unserer Musik kommen dann doch eher dem Pop gleich, und wir versuchen eigentlich nur gute Songs zu schreiben, aber ganz "Pop“ ist es dann trotzdem irgendwie nicht. Unsere Musik soll fordern, nicht zu einfach zugänglich sein. Und daher auch das "Grind“. Wenngleich es mit dem klassisch bekannten Sinne von "Grind“ nicht wirklich etwas zu tun hat, sondern es mehr wörtlich zu nehmen ist, also "aufreibender“ & "kratzender“ Pop, der sich seiner eigenen Definition doch immer wieder entzieht. "Symphonic Grind Pop“ eben. Plus gehört es heute irgendwie eh zum guten Ton, sich selbst seine Stildefinition zu schaffen.

Rüdiger: Ihr habt eure beiden tollen 2011er EPs "The Chronicles Of Sillyphus" und "The Three Walls Of Kolepta" ebenso wie euer erstes Langspielalbum "Vaaya And The Sea" jeweils unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht, bietet eure Stücke als kostenlose Downloads auf eurer Homepage an und erlaubt die kostenlose nicht-kommerzielle Weiterverbreitung. Außerdem bietet ihr zum Kauf kleine physische Auflagen eurer Scheiben an. Wie steht ihr zur großen Copyright-Debatte in Musikerkreisen? Wenn wir die Industrie (Labels, Vertriebe, Promoter) und den Einzelhandel einmal komplett ausblenden und nur nach der Perspektive des Künstlers fragen: Seht ihr den Nutzen der kostenlosen Verteilung digitaler Musikdaten größer als den dadurch entstehenden Schaden? Und falls ja: Ist das nur ein Modell für den Untergrund-Musiker ohne kommerzielle Ambitionen oder gibt es auch einen Weg als Musiker Geld "rentabel" zu arbeiten, wenn man die Files als kostenlose Propaganda nutzt und nur die physischen Tonträger, Konzertkarten und Merchandise verkauft?
Tom: Naja in aller erster Linie steht für uns natürlich die Verbreitung der Musik, das Bekannt-Werden im Vordergrund. Als eine der "großen“ Bands hätte man natürlich viel mehr Spielraum. Sicherlich wäre es toll, wenn man CDs mit verspielten Bookelts und aufwändigem Artwork produzieren könnte, wenn man Special-Edition-LPs veröffentlichen könnte. Man muss aber trotz allem realistisch bleiben. Das Internet als Plattform ist hier ideal, da es keine geografischen Grenzen kennt. Und der Zusatz, sich eine physische CD zu kaufen ist dann der Bonus sozusagen. Ich mag es ja auch die physische CD in der Hand zu halten. Aber es nützt halt auch nichts 2000 Stück pressen zu lassen und dann darauf sitzen zu bleiben, weil man zu unbekannt ist um sie abzusetzen. Mit dem Internet kommt man fast überall hin, und wahrt sich natürlich damit auch eine gewisse Freiheit.
Was die ganze Copyright-Debatte betrifft muss man hier meiner Meinung nach unterscheiden. Ich sehe die Labels nicht als den Antichristen selbst. Ich mein‘ damit, dass sie durchaus ihre Daseinsberechtigung haben. Ich als Musiker hab‘ es ja auch lieber, wenn ich mich um die Musik kümmern kann und all das organisatorische darum herum erledigt jemand anders. Allerdings sind viele Labels natürlich gewinnorientierte Firmen, die den Bands dann unweigerlich Vorgaben geben müssen, um die kommerziellen Zeile erfüllen zu können. Als Selbst-veröffentlicher sind hier weniger Kompromisse nötig, aber dafür weit mehr Arbeit. Ich lese immer wieder von Bands welche ein Album fertig aufgenommen haben und damit an die Öffentlichkeit wollen, aber dann immer wieder wegen Querelen mit Labels verschieben, ändern und umplanen müssen. So etwas wäre für mich fürchterlich. Da gehe ich doch lieber den Weg den wir eingeschlagen haben, wenngleich diese Strategie sicherlich nicht rentabel ist. Aber mich kümmert das ehrlichgesagt wenig. Das ist für mich persönlich zumindest auch gar nicht das Ziel. Im Gegenteil. Sobald man Musik machen muss um sich das allmorgentliche Brötchen leisten zu können, ist ein gewisser Druck immer gegenwärtig. Und unter Druck arbeiten ist selten gut. Zumindest glaube ich nicht, dass ich das möchte.


Rüdiger: Vor diesem Hintergrund stellt sich mir dann auch die Frage, ob ihr als Band überhaupt nach einem Label-Deal strebt, oder ob ihr euch ganz bewusst für den direkten Weg zwischen Band und Hörer entschieden habt, und ob das auch in Zukunft so bleiben soll.
Tom: Ich würde es nicht ausschließen, bei einem Label zu unterschreiben. Aber wenn, dann muss es zu 100% passen und deren Philosophie muss sich auch genau mit der unseren decken. Momentan sieht es allerdings nicht so aus, als würde sich in dieser Richtung in naher Zukunft irgendetwas tun, also stellen wir uns diese Frage erstmal nicht und gehen weiterhin den direkten Weg. Bis jetzt hat das eigentlich sehr gut funktioniert. Zudem gebe ich nicht gern die Kontrolle auf. Aber wer weiß schon was die Zukunft bringt? Vielleicht gründen wir ja selbst ein Label, dann sind alle Probleme auf einmal gelöst.

Rüdiger: Was sind eure nächsten Pläne an der Studio- und/oder Livefront?
Tom: Momentan versuchen wir ein paar Live-Termine auf die Beine zu stellen. Vielleicht eine kleine Tour durch den deutschsprachigen Raum, wenn’s klappt. Wir haben nun lange genug am Album gearbeitet und es ist an der Zeit es in die Welt hinauszutragen. Wir basteln seit einigen Wochen an den Vorbereitungen dafür. Ansonsten laufen parallel dazu schon die ersten anfänglichen Planungen für das nächste Album. Es gibt aber noch nichts wirklich Konkretes dazu. Wir haben uns ein paar wirklich interessante Dinge dazu ausgedacht. Mal seh‘n wieviel sich davon umsetzen lässt. Ich mag’s zu experimentieren, neues zu probieren. Daher soll das neue Album auch ganz anders klingen, etwas ganz Neues sein.

 

Bandname: STAR FK RADIUM
Bandmitgliede: Bill Martien (Gitarre) / Alissa Taylor (Violine) / Matt Clarke (Schlagzeug)
Bandgründung: 2008
Bisherige Veröffentlichung: "Blue Siberia" (2010), Eigenproduktion
Homepage: www.starfkradium.com
Vorstellung: Julian Rohrer

Die ersten Töne von "Blue Siberia" sind gleichzeitig ungewöhnlich und ergreifend. Zwischen bodenständig und transzendent bewegen sich die musikalischen Perlenketten im aufbrausenden Wind, geknüpft von drei talentierten Künstlern aus Washington DC, USA. Allein die Besetzung zeigt eine andersartige Herangehensweise an die Interpretation gängiger musikalischer Konventionen – und deren Bruch. Denn STAR FK RADIUM verlassen sich minimalistisch auf die wirksame, mal zerbrechlich schöne, mal stampfend kräftige Kombination aus einer akustischen Gitarre, einer Violine und einem Schlagzeug. Es ist die Reise in einem alternativen Gefährt, irgendwo zwischen New Age, Indie Rock und PINK FLOYD.

Die Band hat es sich nicht nehmen lassen, jede Frage aus drei Perspektiven zu beantworten, fast ist es eine Art Gespräch. Und es zeigt sich, dass drei doch sehr unterschiedlich denkende Menschen und Rollen in STAR FK RADIUM existieren. Doch nun genug der vielen einleitenden Worte und lest selbst.

Julian: Wer steht hinter STAR FK RADIUM?
Bill Martien: Es ist die idyllische Natur in uns allen, die wir gegen die Härte der menschlichen Existenz kämpfen. Von der Geburt bis ins fünfte Lebensjahr war meine Sicht auf die Welt idyllisch. Aber die Schule und der Druck, sich anzupassen, hat mich wirklich verändert. Die Stimmung und Intensität von der Kombination der Instrumente bei STAR FK RADIUM ist die idyllische Untermauerung meiner Abwehr gegen diese Konvention und das Angebot von Reinheit für mich und andere.

Julian: Wie würdet ihr den Stil eurer Musik beschreiben?
Alissa Taylor: Es ist die Fusion aus Kammermusik und Rock. Es ist allerdings auch eine moderne Interpretation des klassischen Konzeptes der Kammermusik. Es werden drei gleichwertige Instrumente kombiniert, einzigartig für sich selbst, aber ineinander verwoben und dadurch harmonisch.
Bill: Irgendjemand sagte mal „genre-frei“, dann heißt es „Kammerrock“. Unsere Musik funktioniert am besten in weiten Räumen – oder wenn einen irgendeine Stimmung überkommt. Als der Finanzsektor im Jahr 2008 kollabierte, schien es so, als würde das „Leben in Slow Motion“ einerseits alarmierend, andererseits höchst spirituell in einen tiefen Abgrund ohne Boden rutschen. Verrückt? Ja, aber das was war, was ich fühlte.


Julian: Könnt ihr als Musiker leben oder müsst ihr darüberhinaus arbeiten – wenn ja, was macht ihr?
Matt Clarke: Wir sind sehr frühreif und haben über die Arbeit hinaus noch andere Interessen. Wir leben recht komfortabel und sind nicht daran interessiert, arm zu werden. Die Band wird dann zum Fulltime-Job, wenn sie profitabler wird. Aber wir werden auch in Zukunft verschiedene Einkommen haben.
Alissa: Wir würden es wirklich bevorzugen, als Musiker leben zu können. Jetzt machen wir das, was wir machen müssen, um unsere Musik spielen zu können. Ich selbst bin Grafikdesignerin und kann flexibel arbeiten – und der Band bei visuellen Dingen helfen.


Was denken eure Familien über eure Kunst? Mögen sie, was ihr macht, oder reden sie eher von "mach was normales, du Träumer!"?
Bill: Einige meiner Familienmitglieder unterstützen uns wirklich großartig. Die anderen stehen eher auf der "Träumer"-Seite.
Alissa: Meine Familie ist wirklich begeistert von meiner Kunst. Sie sind einfach froh, wenn sie sehen, dass ich glücklich bin und neue Horizonte entdecke.
Matt: Wir kommen alle aus Familien, wo es sich gehört, einem Geschäft nachzugehen und sich selbst zu entfalten. Unser Geschäft ist STAR FK RADIUM.

Julian: Was sind die Haupteinflüsse eurer Musik?

Matt: Ich liebe Mozart wirklich sehr. Aber unsere Musik hat damit nichts zu tun.
Alissa: Es ist für mich die Notwendigkeit, zu kommunizieren, auf einer Ebene, wo Worte nicht mehr ausreichen. Um Emotionen, Passionen und Erfahrungen umzusetzen – und sie letztendlich mit der Band und unserem Publikum in einer kollektiven Erfahrung zu erleben.
Bill: Es ist das Auftreiben der idyllischen Natur in mir. Ausserdem die STONE TEMPLE PILOTS, PINK FLOYD, BOARDS OF CANADA, der Rock der späten Sechziger und klassische Musik.


Julian: Wer kam eigentlich auf die Idee, Gitarre, Schlagzeug und Violine zu kombinieren?
Alissa: Ursprünglich basiert es wohl auf der Musik, die Bill für die Gitarre schrieb.
Matt: Aber dann entstand es eigentlich aus sich heraus. Wir gründeten die Band. Das sind die Instrumente, die wir spielen. Es war nicht von vornherein intendiert. Aber es funktioniert aus unerfindlichen Gründen.


Julian: Was bedeutet es für euch, die Sterne zu betrachten?
Bill: Daran zu denken, wie unglaublich groß das Universum ist, dann einen Stern zu fokussieren und sentimental werden. Das Funkeln ist seine Persönlichkeit.
Alissa: Es zeigt einfach, dass wir winzig sind. Und dass wir vielleicht nie verstehen werden, was die Welt um uns herum bedeutet.
Matt: Es zeigt einfach, dass man ausserhalb der Stadt ist, an einem friedvolleren, ruhigen Ort, in der Nacht, was ich sehr gerne mag.


Julian: Musik machen ist ein künstlerischer Ausdruck, Malen ein anderer. Wie würde eine Gemälde von euch aussehen?
Matt: Jedes Gemälde von mir würde aussehen wie ein wackliges Strichmännchen, das jeder fünfjährige besser zeichnen könnte. Aber wie auch immer, Alissa ist eine großartige Grafikerin.
Alissa: Ich zeichne mit Stiften und meine Kreationen sehen so realistisch aus, wie ich es umsetzen kann. Ich versuche mich auf die Dinge um uns herum zu konzentrieren, die wir im normalen Leben einfach übergehen. Aber ich mag Musik als flüssigere Interpretation der Welt um uns herum.

Julian: Was bedeutet 'Chasing The Sun'? Folgt es einer Lebensperiode?
Matt: Es ist keine Programmmusik. Es ist absolute Musik oder, in anderen Worten, über nichts spezifisches. Es kann für verschiedene Menschen verschiedene Dinge bedeuten.
Bill: Der Song bedeutet für mich, zu wachsen und sein Potenzial zu nutzen. Tut man dies nicht, rutscht man dem Tod entgegen.


Julian: Beschreibt doch bitte das Artwork von "Blue Siberia". Was steckt hinter dem Titel?
Bill: Wir sind zurück aus Nord-Michigan gefahren, durch den Nebel im letzten Winter, unsere CD im Autoradio. Es ist eine abgelegene Gegend mit einfarbigen Landschaften. Unsere Musik bewegte mich da wie eine Stimme der Umwelt, fast wie eine himmlische Bestätigung unserer inneren Traurigkeit. Das Coverfoto wurde in diesem Moment auf dem Highway aufgenommen. Es war wirklich hart, nach Washington DC zurückzukommen, nach derartig eindrücklichen Farben und Erfahrungen. Der Titel "Blue Siberia" bezieht sich auf den Baikal See in Sibirien. Dieser See ist einfach unbeschreiblich wundervoll.
Alissa: Das Coverartwork zeigt eine Landschaft, wo es Platz gibt, um Musik zu hören und über das Leben nachzudenken. Außerdem beinhaltet es magische Sphären, auf die man zwar nicht sofort stößt, welche sich aber jenem eröffnen, der ruhig sein und innehalten kann.


Julian: Nun kommen wir zu ein paar Assoziationen. Ich sage...
...Musikbusiness, ihr sagt:

Alissa: Skeptisch.
Matt: Ich liebe sowohl das Business als auch die Musik gleichermaßen.
Bill: Eine klare Vision dessen, was du in der Kunst machen willst, lässt das Musikbusiness relativ machtlos erscheinen.

Julian: ...Zerstörung moderner Kulturen, ihr sagt:
Bill: Aufbau neuer moderner Kulturen.
Matt: Sag niemals nie. Dinge ändern sich über die Zeiten hinweg. Manchmal langsam, manchmal schneller.


Julian: ...PINK FLOYD, ihr sagt:
Bill: Sensationell spannende Musik. Ich liebe die „Dark Side Of The Moon“ als einen alternativen Soundtrack zu „The Wizard Of Oz“.
Matt: Ich muss ehrlich sein: Ich höre PINK FLOYD überhaupt nicht und kenne keinen einzigen Song von ihnen. Ich weiß nicht einmal, welche Art von Musik sie machen. Aber ich denke, dass sie sicherlich toll sind.

Redakteur:
Frank Jaeger

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