POWERMETAL.de - The Essentials: Platz 60 - 51

17.09.2016 | 12:46

Nach einer Sommerpause ist es jetzt wieder so weit: der fünfte Teil der POWERMETAL.de-Essentials darf von euch verschlungen werden. Auch dieses Mal darf man staunen, diskutieren, zustimmen oder sich freuen. Gerne auch mit uns in unserem Forum. Auch diese zehn Plätze werden wieder kommentiert von Redaktionslegende Holger Andrae. Und nun hinein ins Vergnügen.
Peter Kubaschk
- Chefredakteur -
Nach einer Sommerpause ist es jetzt wieder so weit: der fünfte Teil der POWERMETAL.de-Essentials darf von euch verschlungen werden. Auch dieses Mal darf man staunen, diskutieren, zustimmen oder sich freuen. Gerne auch mit uns in unserem Forum. Auch diese zehn Plätze werden wieder kommentiert von Redaktionslegende Holger Andrae. Und nun hinein ins Vergnügen.
Peter Kubaschk
- Chefredakteur -

Hier sind vorherigen Teile der Serie:

Platz 100 - 91

Platz 90 - 81

Platz 80 - 71

Platz 70 - 61


Nach Strandgut klingt die Musik auf unserem Platz 60 nicht wirklich. Vielmehr handelt es sich hier um einen mehr oder weniger erwiesenen Klassiker einer Band, die bis heute tolle Alben veröffentlicht und noch tollere Livekonzerte abliefert. Die Rede ist natürlich von dem Arizona-Fünfer namens FLOTSAM & JETSAM und seinem Debütalbum "Doomsday For The Deceiver" aus dem Jahr 1986. Die Songs auf der Scheibe gehören allesamt zur Elite des frühen Thrashs, bieten sie doch zugleich das nötige Tempo, ein hohes Aggressionspotential, aber auch spielerisches Können und Facettenreichtum. Dazu kommt der messerscharfe, kraftvolle Gesang von Eric AK, der einem beim Hören durch Mark und Bein geht. Gut, über die Covergestaltung kann man geteilter Meinung sein, da man weder bei der Thematik (Gut gegen Böse), noch bei dessen Umsetzung besonders geschickt vorgeht, aber immerhin hat man ein einprägsames Motiv und ein Maskottchen namens Flotzilla erschaffen. Eben jenem Monsterlein widmet man eine lange Instrumentalnummer, die allerdings erst etwas zeitversetzt als Maxi erscheint. Die Hochlichter auf "Doomsday For The Deceiver" sind schwer zu benennen, da es keinen Ausfall auf dem Album gibt. Müsste ich mich auf Anspieltipps festlegen, würde ich bei wahlweise vorgehaltener Schusswaffe oder der Androhung des erzwungenen Anhörens einer Sabaton-CD wohl folgende Titel ins Rennen schicken: Die beiden Seiteneröffner 'Metalshock' und 'Hammerhead',  das hackende 'Iron Tears' (nur Taschentücher verhindern Rostansätze) und die Lizzy-Borden-Hommage 'She Took An Axe'.  Dann würde ich aber den neun Minuten langen Titelsong mit seinen halsbrecherischen Rhythmen und den Anti-Hitler-Kracher 'Der Führer' unterschlagen. Letzterer hat damals aufgrund seines "Zeig Heil"-Chorusses immer für höchstes Amüsement gesorgt. Wenn Amis versuchen, ihre Deutschkenntnisse umzusetzen, geht es halt manchmal in die Hose. Marius, Marcel, Alex und Holger haben dieses Album, auf welchem bekanntlich Jason Newstedt nicht nur die tiefen Töne bedient, sondern auch noch maßgeblich für das Songwriting zuständig war, in ihren Liste und es damit auf diesen ehrenvollen Platz 60 geschoben.


Für Platz 59 reisen wir ins Jahr 1995. Dort präsentiert uns eine Band mit Legendenstatus ihr sechstes Album mit der sechsten Besetzung. Die Rede ist natürlich von DEATH. Neben dem bereits auf dem Vorgänger spielenden Trommelurgestein Gene Hoglan (DARK ANGEL etc.) hören wir die beiden Neulinge Kelly Conton (MONSTROSITY) am Bass, sowie Bobby Koeble an der zweiten Gitarre. Die musikalische Ausrichtung auf "Symbolic" ist noch melodischer als auf dem Vorgänger "Individual Thought Patterns" und Chucks' Gesang ist noch klarer verständlich als in der Vergangenheit. Entsprechend unterschiedlich waren die Reaktionen bei seinem Erscheinen. Etlichen alten Fans ist diese Entwicklung zu zahm klingend, was natürlich Unsinn ist. Ausgerechnet diese Band ist der beste Beweis, dass eine Entwicklung in progressivere Gefilde eben genau nicht zwangsläufig bedeutet, dass man weicher klingen muss. Chuck hat immer eine klare Vision seiner Musik im Kopf gehabt. Das rabiate Gebolze der frühen 80er Jahre war für seine Zeit auch progressiv, denn MANTAS und die daraus resultierende Band DEATH klang so roh wie keine andere. Diese Phase endet mit dem Debütalbum "Scream Bloody Gore". Von da an experimentiert Schuldiner immer mehr mit musikalischen Ideen; er sucht die ultimative Verschmelzung aus Melodie, Technik und Brutalität. Das kann man durchaus mit dem Pioniergeist der frühen IRON MAIDEN vergleichen, die die Aggressionen aus dem Punk mit spielerischem Können ergänzen wollte. So etwas muss man als Fan nicht mitgehen, aber im Falle von DEATH entgeht dem Hörer der beste technische Death Metal, der bislang gezaubert wurde. Hört man in eine Abrissbirne der Marke 'Misanthrope' rein, dann wird man von den Druckwellen der Doublebassdrums einfach mal weggefönt. Soft? Unabhängig davon, ob dieses Attribut ein Qualitätsmerkmal sein kann, vergleiche ich auch nicht zwei Marmorplatte in ihrer Härte. Erbsenmikado. Dabei ist die besagte Nummer noch nicht einmal eines der Highlights dieser Scheibe. Der völlige Wahnsinn hat auf diesem Album '1.000 Eyes' und zerschmettert mal eben aus dem Handgelenk jeden anderen Todesblei-Song.  Des Weiteren muss der Titelsong hier gesondert erwähnt werden, und auch der Hit 'Zero Tolerance' mit seinem faszinierenden Chorus zählt zu den Genrehighlights. In 'Crystal Mountain' zeigt die Band eindrucksvoll, wie man mitreißend und gleichzeitig verspielt komponieren kann. Ob die Tatsache, dass es aus dem Lager der alten Fans Unverständnis gibt, allein dafür verantwortlich ist, dass Chuck nach diesem Album die Band DEATH auf Eis legt und sich seinem neuen Projekt CONTROL DENIED widmet, oder ob es auch daran liegt, dass er mit einem melodischeren Sänger eine optimalere Zielerreichung vor Augen hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Fakt ist, dass wir drei weitere Jahre warten müssen bis 1998 mit "The Sound Of Perseverance" das letzte Album von Chuck serviert bekommen. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, welche Musik er uns bis heute noch geliefert hätte, wenn er nicht am 13.12.2001 seinem Krebsleiden erlegen wäre. Rest In Peace!


Der Übergang zu Platz 58 fällt mir in diesem Fall besonders leicht, weil ich das Vergnügen hatte, die Band 1993 im Vorprogramm der oben gefeierten Todeslegende bewundern zu dürfen. Eingeweihte wissen um welche Gruppe es sich handelt: ANACRUSIS. Das Quartett aus St. Louis, Missouri legt 1993 mit "Screams And Whispers" sein viertes und leider auch letztes Album vor. Das Album gilt heute zu Recht als Wegweiser, wenn es um progressiven (Thrash) Metal geht. Vielfältiger kann man diesen Stil nicht darbieten, denn auf dem Album gibt es alle Schattierungen dieser Musik. Harsche, haifischartige Riffs und sanfte Akustikpassagen, hackende, nach vorn peitschende Rhythmik, schleppende Tempi und verschachtelte Takte, sowie elektronische Orchestrierung bei einigen Songs. Gerade letzteres wäre für viele Bands heutzutage ein absolutes Ausschlusskriterium, wenn es um "wahren" Thrash geht. Bei ANACRUSIS funktioniert dies aber abseits aller Normen, denn man kommt gar nicht erst auf den Gedanken, dass die höchst sympathische Truppe eine Note ihrer Musik nicht aus tiefstem Herzen ehrlich meinen würde. Außerdem kann man bei dem extremen Gesang von Frontmann Kenn Nardi  gar nicht über einen kommerziellen Hintergedanken spekulieren. Die Stimme des Mannes mit der unverkennbaren Gesichtsbehaarung ist flexibel wie die Hautfärbung eines Chamäleons. Mal singt er butterweiche Melodien, mal schreit er spitz und schrill, mal brüllt er aggressiv und angepisst ins Mikrophon. Das nennt man wohl "seinen Gefühlen freien Lauf lassen".  Bei der Klasse aller Nummern kann man unmöglich ein Highlight nennen, aber für alle, die diesen Meilenstein aus unerklärbaren Gründen nicht kennen, seien einmal folgende Anhörtipps mit auf den Weg gegeben: Das programmatisch betitelte Eröffnungsbrett namens 'Sound The Alarm', welches als optionaler Weckton übrigens seinen wundervollen Zweck erfüllt; das hymnische 'Grateful' mit seinen kräftigen Widerhaken; das nachdenkliche 'Too Many Prophets', sowie das pfeilschnelle, von treibenden Bassläufen nach vorne gepeitschte 'Driven'. Wer danach noch nicht angefixt ist, darf gern seine Ohren zum TÜV geben. Da ist irgendwas faul im Staate Lauschistan. Dass die Musik bis zum heutigen Tage etliche Fans hat, belegt die kleine Tournee unter dem Banner KENN NARDI in diesem Jahr, die unter anderem einen gefeierten Auftritt beim Keep-It-True-Festival beinhaltet. Wenn man bedenkt, dass er mit ANACRUSIS vor einigen Jahren dort bereits abgefeiert wurde, darf er sich als einer der wenigen Musiker auf die Schulter klopfen, dort zwei Mal aufgetreten zu sein. Da scheinen die Herren Kubaschk, Fähnrich und Andrae mit ihren hohen Platzierungen wohl nicht allein mit ihrer Meinung zu diesem Album zu sein.


Anno 1986 läuft die Fußballweltmeisterschaft, und somit bekommen viele Fans eines der besten Tourneepakete der 80er Jahre nicht mit. Die Rede ist natürlich von SAVAGE GRACE/HEIR APPARENT, welche ich in der Markthalle zu Hamburg bewundern darf. Ein Konzert, welches ich zu meinen absoluten Highlights auf dem Livesektor zähle. Vor allem der Auftritt des Seattle-Quartetts namens HEIR APPARENT ist ein absoluter Augen- wie Ohrenschmaus. Kein Wunder, bei diesen Songs! Da erstaunt es natürlich auch nicht, dass dessen erstes Album "Graceful Inheritance" gleich von fünf Redakteuren nominiert wird und souverän auf Platz 57 landet: Die Herren van der Laan, Volz, Kubaschk, Fähnrich und Andrae feiern offenbar auch 30 Jahre nach Veröffentlichung diese Scheibe ab. Schon das Eric Larnoy-Cover ist ein echter Hingucker. Wie schon seine Artworks für MANILLA ROAD oder LIEGE LORD, bietet auch die Umhüllung etliche Details, wirkt aber schon beim ersten Betrachten wundervoll und erhaben. Legt man die Scheibe dann auf, wird man nach dem kurzen - klug  'Entrance' betitelten - Intro vom wundervollen 'Another Candle' ganz nah am Herzen erwischt. Ich weiß noch dass ich wie elektrisiert in meinem Jugendzimmer saß und es kaum glauben konnte. Eine musikalische Nähe zu den damaligen Favoriten von QUEENSRYCHE ist leicht zu erkennen, aber die geographischen Nachbarn gehen etwas härter und gleichzeitig auch etwas verspielter zu Werke. Das Zusammenspiel von Derek Peace (bs.) und Ray Schwartz (dr.) ist von blindem Verständnis geprägt. Wer die Jungs einmal live gesehen hat, weiß, dass dieser Eindruck dabei sofort Bestätigung findet. Man höre nur mal das instrumentale, live im Studio eingespielte 'R.I.P.' und erstarre in Ehrfurcht. Sänger Paul Davidson verzaubert in allen Tonlagen, mal aggressiv und forsch, mal einfühlsam und geschmeidig. Genau wie die Musik: Mit dem rasanten 'Tear Down The Walls' hat die Band einen absoluten Hochgeschwindigkeitsknaller an Bord, in dem Gitarrist und Bandkopf Terry Gorle alle Register seines Könnens zieht. Eine Nummer, die auf dem diesjährigen Keep-It-True-Festival aus ein paar Hundert Kehlen lautstark mitgesungen wurde. Ein sehr sicheres Indiz für die Qualität der Musik. Desweiteren haben wir mit 'Keeper Of The Reign' eine der wunderbarsten Halbballaden im Gepäck, welche mich bei jedem Abspielen erneut komplett fesselt. Ihr seht also: Es gibt keinen Grund, dieses Album nicht zumindest anzutesten. Now!


Für Platz 56 zieht es uns dann mal wieder in den Norden. Musikalisch geht es wohl auch gar nicht nordischer, denn diese schwedische Band kann man wohl als die Urväter des skandinavischen Extrem Metals bezeichnen. Klar, wir reden über BATHORY und das sechste Werk "Twilight Of The Gods". Ursprünglich von Quorthon als finales Bandalbum geplant, erscheint die Scheibe 1991 und bietet epischen Viking Metal in seiner wohl ursprünglichsten Form. Alle Nummern zeichnen sich durch stoisch nach vorne walzende Rhythmik aus, was jeden Song unglaublich schwer und bombastisch klingen lässt. Über dieser Rhythmik türmen sich Saitenschichten aus akustischen und elektrisch verzerrten Gitarren zu Wolkengebirgen auf, zu denen der Hörer hinaufschauen muss. In Addition zu diesen Zutaten gibt es noch tiefe Choräle und den typisch Quorthon'schen Sprechgesang, der einlullend und ein bisschen beschwörend klingt. Bis heute hat es wohl keine Band geschafft, die Intensität der BATHORY-Alben zu erreichen, was nicht nur an deren musikalischer Überpräsenz liegt. Die Tatsache, dass man nicht weiß, wer sich hinter den Pseudonymen der Quorthon'schen Mitmusiker, die auf allen Alben Kothaar und Vvornth heißen und der Umstand, dass die Band (fast) nie live aufgetreten ist, addieren zum Mythos BATHORY einige Bonuspunkte hinzu. Dies soll die musikalische Qualität des Albums nicht mindern, denn diese ist unbestritten unantastbar. Allein das abschließende 'Hammerheart', in welchem Holst' 'Jupiter,The Bringer Of Jolity' neu arrangiert wird, ist auch für Menschen ohne Wikingerblut eine absolute Pflichtvorstellung. Entenparka bereit legen! Rüdiger, Marcel und Ben reiten derweil nach Asa Bay.


Ein Jahr später veröffentlicht eine andere Band von einem anderen Kontinent ihr zweites Album und schießt damit nicht nur in die Charts, sondern macht damit auch einen Karrieresprung, der sie bis heute als genreführend darstellt. Die Rede ist von den Herren von DREAM THEATER und ihrem zweiten Album "Images And Words", welches hier Platz 55 inne hat. Das erste Album mit Sänger James LaBrie, der für den ausgeschiedenen Charlie Dominici in die Band kommt. Allerdings stehen sämtliche Songs schon, so dass er nicht mehr am Songwriting beteiligt ist. Nachdem der Erstling "When Day And Dream Unite" noch bei Mechanic Records erscheint, hat man für den zweiten Longplayer Atco Records als Vertragspartner. Aber ich will Euch hier gar nicht mit nüchternen Fakten langweilen, denn bei dieser Scheibe handelt es sich um eine der am sehnsüchtigsten erwarteten Alben der 90er. Nachdem das grandiose Debüt schnell in meine ewige Inselplatten-Liste gewandert war, kann ich es gar nicht abwarten und bin völlig aus dem Häuschen, als ein Kumpel mit einem Advance Tape (ja, diese gruseligen Magnetbänder) vom Nachfolger ankommt und mir irgendwas von DEM absoluten Überflieger erzählt. Wir haben dann das Teil in seinem Auto im Frühjahr bei frostigen Temperaturen und ohne Heizung angehört und sind beide kollektiv ausgeflippt. Niemand kann zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass die Band mit dieser komplexen Musik in die Charts stürmen wird. Gut, die Ballade 'Another Day', in der Spyro Gyra Saxophonist Jay Beckenstein mit einem Solo auftaucht, ist verhältnismäßig sanft, aber der Hit ist der über acht Minuten lange Opener 'Pull Me Under'. Das ist eines dieser nicht erklärbaren Musikwunder, denn die Nummer ist hart, verschachtelt und viel zu lang. Die Band selbst ist von dem Song mit dem abrupten Ende und den Shakespeare-Zitaten so überzeugt, dass ein Video gedreht wird und 'Pull Me Under' bis heute wohl der bekannteste Song von DREAM THEATER wird. Aber auch die restlichen Nummern auf "Images And Words", welches in Deutschland Platz 94 und in den USA sogar Platz 61 der Verkaufscharts erreicht, stehen den genannten Songs in Nichts nach. Ganz im Gegenteil, wenn ich an 'Metropolis Pt. 1' oder den elfminütigen Rausschmeißer 'Learning To Live' denke. Die Story des ersten Songs hat die Band später noch einmal aufgegriffen und als Konzeptalbum verarbeitet ("Metropolis Pt 2 – Scenes From A Memory" (1999)). Das vom kurzen 'Wait For Sleep' eingeleitete 'Learning To Live', welches mit einem wundervollen Text des Bassers John Myung versehen ist, steht als Blaupause für sämtliche Longtracks des Genres. Mit diesem Album kommt die Band auch endlich auf Deutschland-Tour und in Hamburg erleben wir eine Abfahrt allererster Kajüte. Musikalische Raffinesse, Spielwitz und Melodien für Millionen in einer pickepackevollen Halle, deren Zuschauer allesamt komplett steil gehen. Mit diesem Album tritt die Band auch eine Veröffentlichungsflut an ähnlich klingender Musik los, ein ganzes Genre – namentlich NeoProg – wird groß, und alles, was zwei ungerade Takte spielen kann und einen Keyboarder in seinen Reihen hat, wird abgefeiert. Das DREAM THEATER gibt es – im Gegensatz zu vielen Artverwandten – heute immer noch und ist immer noch genreführend. Dieses Album hat den Weg geebnet für diese sehr steile Karrierelaufbahn. Den Herren van der Laan, Becker, Lang und Andrae habt ihr es zu verdanken, dass diese Scheibe hier noch einmal gebührend gefeiert wird.

Platz 54 führt uns zurück ins Jahr 1987. Hier erscheint ein Album, welches man als Blaupause für die Stilistik "Power Metal" heran ziehen kann und muss. Die zweite Scheibe von VICIOUS RUMORS mit dem markigen Titel "Digital Dictator", die in den USA noch auf Shrapnel Records veröffentlicht wird, in Europa aber bereits mit dem Roadrunner-Siegel versehen ist. Das ist gut für die Brieftaschen der gierigen europäischen Fans, die für den Vorgänger "Soldiers Of The Night" noch den teuren Importpreis löhnen mussten. Aber dies ist nicht die einzige Veränderung seit dem Debütalbum. Nicht mehr mit von der Partie sind Sänger Gary St.Pierre und Klampfer Vinnie Moore. Während für den von nun ab auf Solopfaden wandelnden Moore ein gewisser Marc McGee an die Seite von Bandgründer Geoff Thorpe springt, hören wir am Mikrophon das ehemalige RUFFIANS-Goldkehlchen Carl Albert. Schon die erste Gesangsnummer auf dem Album macht klar, dass man in Carl Albert einen absoluten Ausnahmesänger in seine Reihen aufgenommen hat. Seine glasklare, messerscharfe, kraftvolle und immer melodische Stimme verleiht allen Songs eine ganz besondere Note. Als wären die Songs nicht ohnehin schon exzellente Beispiele für melodisch-kraftvollen US Metal, so addiert der Gesang von Carl noch eine ganz besondere Note zu dieser Melange hinzu. Jeder der neun hier vertretenen Titel – das eine Minute lange  Intro 'Replicant' klammere ich mal aus - ist ein Ausnahmesong. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob die Band im Midtempo oder mit Hochgeschwindigkeit durch die Gehörgänge rauscht. Das ungemein treibende Schlagzeugspiel von Holzfäller Larry Howe bringt jeden Kissenpupser in Wallungen. Man höre nur mal in das traumhafte 'Lady Took A Chance' hinein und behaupte, diese Nummer würde nicht mitreißen. Und lügen soll man ja bekanntlich nicht. Ähnlich verhält es sich übrigens mit dem bezeichnet betitelten 'Towns On Fire'. Es ist nicht besonders überraschend, dass Hackepeter-Larry hier auch als Komponist mit aufgeführt ist. Ein Herde Wasserbüffel mit Durchfall wird keine kleinere Druckwelle erzeugen. Von gleicher Durchschlagkraft ist das urwüchsige 'The Crest'; man hört es, man liebt es. Sofort und für immer.  Aber auch die wieselflinken Geschosse zünden unwillkürlich und lassen jedes Euphoriezentrum explodieren. Ich verweise hier nur auf den granatenartigen Titelsong mit seinem überirdischen Chorus,  das akustisch-sanft eingeleitete 'Words And Machines', sowie das abschließende 'Out Of The Shadows' mit seinem in die Knie zwingenden Riffing. Der Umstand, dass ich jetzt 'R.L.H.' (Run Like Hell) und 'Condemned' nicht extra erwähnt habe, ist lediglich in meiner Ermangelung auch diesen Song adäquate Attribute zuzuordnen zuzuschreiben. Summa sumarum ergibt sich hier also ein Feuerwerk der Extraklasse, welches auch VICIOUS RUMORS selbst nicht mehr toppen konnte. Trotzdem sind auch die nachfolgenden Alben (fast) allesamt gut bis ausgezeichnet. Ein besonders harter Schlag trifft die Band am 19.04.1995, als Sänger Carl Albert bei einem Autounfall ums Leben kommt, für den die Band später ein Tribut-Album einspielt. Auch nicht mehr bei VICIOUS RUMORS aktive Mitmusiker wie Bassist Dave Starr und Gitarrist Mark McGee veröffentlichen Songs in Gedenken an diesen Ausnahmesänger. Sein Sohn Kevin Albert, der zuerst bei DEFIANCE, dann bei KAOS und ULYSSES SIREN als Gitarrist und Sänger in Erscheinung tritt, übernimmt in den Jahren 2011-2013 die Passagen seines Vaters bei einigen Festivalauftritten und überrascht die Mengen mit einer überragenden Performance. Leider zieht er sich aber aus dem professionellen Musikbusiness zurück. Das soll aber nicht die Klasse von "Digital Dictator" in Frage stellen, welches von Peter, Martin van der Laan, Michael und Walter in unsere Liste gebracht wurde. Wenn irgendwer unserer Leserschaft noch nicht weiß, wie der ursprüngliche Power Metal klingt, ist dieses Album die schnelle Chance, diesen Missstand zu ändern.


Gleich fünf Nennungen hat unser Platz 53 bekommen können. Yvonne, Frank, Walter, Simon und Holger haben dieses 1980 erschienene Album genannt, welches für den Verfasser dieser Zeilen zu den besten Debütalben aller Zeiten zu zählen ist. Die Rede ist vom Erstling des britischen Trios namens ANGEL WITCH. Schon das Coverartwork, welches das Gemälde "The Fallen Angels Entering Pandemonium" von John Martin ziert, ist so kunst- und stimmungsvoll, dass man bereits vor dem ersten Ton ahnt, welch' großartige Musik hier auf einen wartet. Die Band wird ja heute gern mal auf ihren Hit – namentlich 'Angel Witch' – reduziert, aber dieser treibende, von einem (etwas zu oft) wiederholten Refrain in jedes Gehirn verpflanzte okkulte Ohrwurm, zeigt nur eine Seite des musikalischen Universums namens ANGEL WITCH. Mit Ausnahme des abschließenden Instrumentals 'Devil's Tower' bekommt der Hörer auf diesem Album nämlich ein breit gefächertes Spektrum unserer Lieblingsmusik geboten. Hochlichter sind das kraftvoll nach vorne stampfende 'Angel Of Death' mit seinem fulminanten Anfangsriffing, der flinke Hexenverbrennungssoundtrack namens 'White Witch', das doomige 'Sorcerers'  und das kauzige 'Gorgon'. Lediglich das vorab ausgekoppelte 'Sweet Danger' ist ein bisschen sehr eingängig. Da kann man ihre erste Plattenfirma EMI fast ein bisschen verstehen. Diese hatte nämlich eben jenen Song als Testballon für ein Album veröffentlicht und aufgrund der schlechten Verkäufe danach darauf verzichtet, eben jenes Album zu finanzieren. Völlig grandios sind allerdings die beiden B-Seiten-Nummern eben jener 7", die es beide auf die Deluxe Ausgabe zum 30. Geburtstag der Scheibe geschafft haben. 'Flight Nineteen' und ganz besonders 'Hades Paradise' sind nochmal ganz besonders gelungene Beispiele des ANGEL WITCH-Sounds. Wer diesen Klassiker also noch nicht in seiner Sammlung haben sollte, darf gern nach dieser Doppel-CD-Variante Ausschau halten. Es lohnt sich.


Von England geht es für Platz 52 nach Brasilien. Allein diese geographische Eingrenzung dürfte für die meisten Leser klar machen, um welche Band es sich handeln wird. Die Rede ist natürlich von SEPULTURA. Die Band ist mit "Arise" endgültig aus ihren Rumpelstiefeln geklettert und hat hier eine Thrash-Scheibe veröffentlicht, die weit vorne im internationalen Kampf mitspielen kann. Sicherlich spielt der Exotenbonus eine gewisse Rolle, dass die vier jungen Wilden sehr schnell sehr viel Aufmerksamkeit erhalten, aber auch die Musik auf diesem Album ist für einen Großteil der Thrashfans bis heute absolute Gourmetkost. Die hohen Chartplatzierungen sprechen hier eine eindeutige Sprache: Platz 25 in Deutschland, 24 in der Schweiz, 40 in Great Britain und 119 in den USA. "Arise" ist das erste Album, welches die Band in den USA aufnimmt. Hierzu verschanzt sie sich mit Starproduzent Scott Burns in Florida und probt sogar vor den Aufnahmen in den Übungsräumen von MORBID ANGEL. Zum zerstörerischen Titelsong und dem etwas verschachtelterem 'Dead Embryonic Cells' werden zudem Videoclips gedreht. Neben diesen beiden Highlights, die bis heute auf den Metalparties dieser Welt zum amtlichen Rübeschrauben genutzt werden, bietet die Scheibe mit dem anklagendem 'Desperate Cry', dem experimentellem Melancholiekracher 'Under Siege (Regnum Irae)' und dem sich herrlich steigernden 'Altered State', in welchem wir die später noch häufiger zum Einsatz kommenden Tribal-Drums zum ersten Mal zu hören bekommen, noch weitere Leckerbissen für die heißhungrige Thrashgemeinde. Auf späteren Versionen gibt es mit 'C.I.U.' und einer Coverversion von Motörheads 'Orgasmatron' noch zusätzliches Material, welches in die Kerbe des Hauptmaterials schlägt. Dass sich das brasilianische Quartett so einen hohen Stellenwert in der Gunst der Fans einnimmt, liegt sicherlich auch an den sozialkritischen Texten, die vielen Fans aus der Seele sprechen. Sänger Max Cavalera entwickelt sich schnell zu einem Szenesprachrohr, was sicherlich auch zur stetig steigernden Popularität von SEPULTURA beiträgt. Immerhin wählen so geschmacklich unterschiedlich ausgerichtete Kollegen wie Martin, Haris, Marcel und Stephan das Album in diese Auflistung.


Mit Platz 51 hat unsere Redaktion eine weitere Scheibe in ihrer Liste, die man so sicherlich nicht zwingend erwarten konnte. Völlig zu Unrecht wird dieses Album, welche Alex, Peter, Simon und Holger gewählt haben, immer noch übersehen, wenn es das Erstellen solcher Bestenlisten geht. Dabei handelt es sich bei diesem Rundling um den für den Schreiber dieser Zeilen wohl emotionalsten Tonträger seiner kleinen Sammlung. Ich will Euch nicht länger auf die Folter spannen: Es handelt sich um "Within The Veil" von FEAR OF GOD. Erst vor wenigen Monden habe ich ein kleines Loblied zum seinem 25. Geburtstag auf diesen Seiten nieder geschrieben, so dass ich es hier und jetzt dabei belasse darauf hinzuweisen, dass jeder, der dieses Album immer noch nicht kennt, zumindest einmal in seinem Leben in einen Song wie 'Drift' hinein gehört haben muss. Aus langjährigen Versuchen kann ich berichten, dass jeder, dem ich das Album vorgespielt habe, völlig fasziniert davon war. Und ich rede jetzt sowohl von Death-Metal-Hörern,wie auch von Freunden eher progressiver Klänge. Sicher muss man sich auf die emotionale Tiefe der Musik auf dem Album einlassen, wenn man dazu bereit ist, ist ein Nichtgefallen quasi ausgeschlossen. Diese Scheibe spielt in einem ganz eigenen Universum und ist als Gesamtkunstwerk zu betrachten. Das grün-schwarze Artwork addiert sich zur finsteren Atmosphäre der Musik hinzu und das niederschmetternde Klangbild ist der Hammer, der die Nägel beim Anhören in deine Seele schlägt. Ihr merkt es: Ich fange schon wieder an zu schwärmen.  Daher schließe ich jetzt meinen Bericht mit der Hausaufgabe für Euch, diese Scheibe zu testen.

Redakteur:
Holger Andrae

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