POWERMETAL.de - The Essentials: Platz 7

19.08.2018 | 11:00

Hatten wir auf dem letzten Platz schon Thrash aus Frisco, so folgt nun der bissige Bruder der vorher platzierten Truppe mit seinem Debütalbum.

Kein Thrash Metal ohne "Bonded By Blood", keine BayArea ohne EXODUS – die härtere Gangart war geboren. Über dieses Debüt wurde schon alles erzählt, was es zu wissen gibt, daher würde ich den aufmerksamen Leser mit bloßen Fakten auch tierisch langweilen. Ein Kumpel aus der Schule gab mir damals die Platte, auf der die beiden Babys abgebildet waren, mein Interesse war geweckt. So sorgte "Bonded By Blood" auch für meine erste Begegnung mit der Polizei: Die Nachbarn und die allseits beliebte Ruhestörung, ihr kennt das. Ich habe die Welt nicht mehr verstanden, wie kann man denn 'Bonded By Blood', 'A Lesson In Violence', 'Metal Command', 'Piranha' und den 'Strike Of The Beast'-Roundhousekick nicht volle Lotte aufdrehen? Die Polizei ließ mich mit einer mündlichen Ermahnung davonkommen, doch war es weniger meine jugendliche Rebellion als mehr die Sucht, diese neun Göttergaben so laut wie möglich zu inhalieren. Ein paar Jahre später zog ich in eine andere Stadt, die Zeit verging, "Bonded By Blood" blieb. Vor wenigen Monaten musste meine neue Anlage einmal ausprobiert werden, ich zückte jenes EXODUS-Debüt. Nach 'Strike Of The Beast' klingelte es an der Tür – die Nachbarn und die allseits beliebte Ruhestörung – ihr kennt das. Es waren zwar nicht Polizisten wie vor mehr als 13 Jahren, vor Nostalgie grinsen musste ich trotzdem.
[Marcel Rapp]

Es gibt zwei Lieder, die ich nahezu täglich höre. In meinem Kopf. Seit über dreißig Jahren. Eines davon ist der Titelsong dieses brillanten Thrashalbums, das für mich (neben TESTAMENTs Debüt) das Genre erst geformt hat. Natürlich sind die Texte weit entfernt von hoher Lyrik, aber selten wurde Aggression so passend mit genug Melodie gepaart, um die Lieder mehr sein zu lassen als einen Geräuschorkan. Das ist eine Leistung, die nicht hoch genug bewertet werden kann. Und ich habe in diesem Jahr hören dürfen, dass das Lied noch immer genauso gut funktioniert wie damals. Unsterblich.
[Frank Jäger]

Ein Review zu "Bonded By Blood"? Ernsthaft? Sollte es bezüglich dieser Scheibe tatsächlich zwei Meinungen geben? Ist es nicht so, dass eh jeder davon überzeugt ist, es mit dem besten Thrash-Debüt, das jemals erschienen ist, zu tun zu haben? Sollte es auf diesem Planeten wirklich auch nur einen Zweifler geben, der Nackenbrecher wie das eröffnende Titelstück, das folgende 'Exodus' oder die beiden Überüberüber-Nummern 'Strike Of The Beast' und 'Metal Command' nicht fehlerfrei im Takt mitbangen kann? Solchen Leuten will man ins Ohr schreien, dass sie doch bitte POISON (die Amis!!!) hören gehen und die Kutte ihrer Großmutter schenken sollen!

Für den Thrasher ist es aber nach wie vor ein in Stein gemeißeltes Gesetz: "Bonded By Blood" ist DIE Blaupause des Thrash Metals, das Manual für jede Thrash-Band! Natürlich gibt es in diesem Bereich mit "Hell Awaits" (das völlig totgenudelte "Reign In Blood" erwähne ich extra nicht), "Darkness Descends" und genug anderen ebenfalls Jahrhundertklassiker, aber alle mussten und müssen sich hinter "Bonded By Blood" anstellen. Hier sitzt fast jeder Ton (zwei kleine Ausnahmen, aber dazu später mehr) an der richtigen Stelle, Paul Baloff wütet mit Brachialgewalt durch die Song und jeder verdammte Song möchte die Lautsprecher verlassen und dem Hörer den Hals zudrücken. Aber dennoch kommt trotz aller Brutalität die Abwechslung nie zu kurz. Zwischen all dem Hochgeschwindigkeitsgewitter lässt man auch Raum für wohl dosiertes Midtempo, und selbst ein Akustikgitarren-Intro hat sich mal kurz dazwischen geschlichen.

Das von besagtem Intro eingeleitete 'No Love' ist allerdings der eher durchschnittliche Track einer ansonsten perfekten Scheibe und stinkt gegen den Rest etwas ab. Nicht falsch verstehen, andere Bands würden für diesen Song ihren Hund aus dem Fenster werfen, aber im Gesamtkontext der Platte funktioniert er eben nicht so richtig und hätte meinetwegen gerne draußen bleiben dürfen. Der zweite kleine Kritikpunkt ist die Länge des ansonsten grandiosen 'Deliver Us To Evil', der mit über sieben Minuten etwas aus dem Rahmen fällt. Aber wie man heute, mehr als 30 Jahre später weiß, sind lange Songs und EXODUS nicht unbedingt die besten Freunde. Dies sind aber derart winzige Punkte, die die Klasse dieses Meisterwerks nicht schmälern sollen.
[Michael Meyer]    

Ihr Einfluss auf die Thrash-Szene ist fraglos gewaltig und nicht wenige Fans betrachten die Formation allein wegen ihres Debüts bis heute als Bestandteil der Quintessenz des Genres. Doch Erfolg hin, "Big Four" her, die Band wird bis heute zumindest im Underground verehrt, um nicht zu sagen vergöttert.
Absolut nachzuvollziehen, nicht zuletzt an Hand der Urgewalt, mit der EXODUS einst von San Francisco aus als Teil der ersten Thrash-Generation Europa einzunehmen versuchte. Der Slogan "Thrash As Thrash Can!" sollte zwar erst Jahre später Verwendung finden, trifft aber auf dieses Brachial-Kunstwerk zu 100 % zu. Traurig nur, dass der nicht minder legendäre Sänger Paul Baloff es nicht mehr miterleben durfte, dass er und sein Oeuvre posthum dermaßen geschätzt werden!
[Walter Scheurer]

Obwohl ich ja bereits in den frühen Achtzigern als 7-jähriger Bengel angefangen habe, harte Musik wie ACCEPT oder TWISTED SISTER zu hören und mit 12 Jahren voller Stolz meine erste LP (von ANTHRAX) eintütete, dauerte es doch tatsächlich bis 1997, dass ich mich ernsthaft mit EXODUS auseinandersetzte. Zwar hatte ich 1992 "Force Of Habit" gehört, aber das gefiel mir nicht sonderlich und so ignorierte ich für eine Weile die Band, die laut all dieser Experten in den Magazinen eines der besten Thrash-Metal-Alben aller Zeiten aufgenommen haben sollte. Und dann hörte ich die Live-Version von 'Bonded By Blood' auf einer "Rock Hard"-Beilage...

Natürlich musste das Album dann alsbald her. Meine Fresse! Die Riffs säbelten mir den Kopf mit der Leichtigkeit und Filigranität eines Samurai-Schwerts herunter, die Rottweiler-Vocals und die Ansagen von Paul Baloff waren sprichwörtlicher Wahnsinn, die Energie passierte den Siedepunkt meilenweit. Was für ein Inferno! Songs wie 'Bonded By Blood', 'Piranha', 'A Lesson In Violence' oder 'Strike Of The Beast' vernichten alles, was sich in den Weg zu stellen wagt.

Kurz darauf stand dann natürlich auch das originale Album im Schrank, das dem gigantischen Live-Werk in nichts nach steht und mit ganz großer Sicherheit zu den zehn besten Thrash-Metal-Alben aller Zeiten gehört. Mindestens.
[Peter Kubaschk]

Meine Begeisterung für Thrash aus der Bay Area dürfte sich herum gesprochen haben. Naturgemäß war EXODUS so ziemlich die erste Band aus dem Segment, mit der ich in Berührung gekommen bin. Es war wohl eine drittklassige Kopie des "Turk Street"-Demos, welche mich trotz des hohen Klirrfaktors und des ungeliebten Bandmitglieds namens White Noise, komplett faszinieren konnte. Dann war irgendwann "A Lesson In Violence" angekündigt und sogar schon in einigen Postillen besprochen und wir waren alle heiß wie Lumpi auf dieses Geschoss, welches dann aber erst mit einem Jahr Verspätung und unter anderem Namen und mit entschärftem Artwork erschien.  Andere Truppen hatte da schon ihr zweites Album am Start und so wurde dieser Band die Vorreiter-Rolle abspenstig gemacht. Nicht in meiner verscheuklappten Welt: Ich habe "Bonded By Blood" inhaliert und ich denke sogar meine Mutter wird sich an den Titelsong erinnern, so oft, wie ich den unterm Kopfhörer mitgesungen habe. Als die Band dann im Vorprogramm von VENOM auf Tour kam, gab es die ultimative Thrash-Zerfleischung. Die Hauptband war ohne Pyros leider nur eine Baustellenbeschallung, was uns in unserer Glückseligkeit nach dem EXODUS-Gig aber egal war. Trotz Riff-O-Rama-Scheiben der Neuzeit und anderen Unglücklichkeiten schlägt mein Herz noch immer für EXODUS. Das ist so tief verwurzelt, wie nur irgendwas. Mutterthrash. Heavier Than Time. Was neben den unfassbaren Killerriffs immer gern verschwiegen wird, ist das unkonventionelle Schlagzeugspiel von Tom Hunting. Der gute Mann zermöbelt sein Instrument auf eine Art und Weise, die nicht kopierbar ist. Manches klingt bei genauerem Hinhören wie zufällig geil, aber offenbar ist es in seiner Muttermilch verankert, intuitiv so zu spielen. Das haben seine "Nachfolger" bei aller Klasse niemals so hinbekommen. Da klang vieles musikalisch vielleicht sogar "richtiger", aber es fehlte eben das Feeling, dieses Selbstverständnis. So ist die Überschrift "Bonded By Blood" auch programmatisch zu verstehen, denn hier spielen fünf Maniacs zusammen, die ein blindes Verständnis für einander hatten. Grandios!
[Holger Andrae]

Redakteur:
Holger Andrae

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