RHAPSODY OF FIRE: Interview mit Luca Turilli

15.04.2010 | 12:10

Für lange Zeit war es ruhig um die italienischen Drachentöter - doch nun scheint die Zeit reif. Neues Label, neue Lust und ein brandneues Album, welches den Ausnahmestatus der Symphonic Metaller manifestieren möchte. Forza Italia!

Enrico:
Hallo Luca – willkommen zurück und Glückwunsch zum neuen Album.

Luca:
Danke! Ich glaube, so fangen alle Interviews an, oder (lacht)?

Enrico:
Gut möglich. Weil gerade die Champions League in die heiße Phase geht: Bist du Fußball-Fan?

Luca:
Absolut!

Enrico:
Als großer Inter Mailand-Fan muss ich dich fragen, was du von den Lombarden hältst?

Luca:
Also ich bin kein Inter-Fan (lacht), aber ich habe die Spiele gegen Chelsea natürlich gesehen. Mein Herz schlägt für Udinese (lacht).

Enrico:
Lass uns zur Musik kommen. Nach einigen unschönen Jahren seid ihr endlich zurück im Geschäft. Wie fühlst du dich jetzt, nachdem ihr mit Nuclear Blast wieder voll durchstarten könnt?

Luca:
Einfach toll. Die Jungs von Nuclear Blast sind einfach fantastisch und wir fühlten uns schon nach kürzester Zeit wie alte Freunde. Ein schönes Gefühl. Sie machen tolle Promotion für uns, was für RHAPSODY keine Selbstverständlichkeit ist (lacht).

Enrico:
Wer hat den ersten Schritt gemacht – ihr oder Nuclear Blast?

Luca:
Eigentlich konnte es fast gar nicht anders kommen. Wenn du dir unsere Discographie anschaust, blieben gar nicht so viele große Metal-Label übrig (lacht). Daher hatten wir gar nicht so viele Alternativen.

Enrico:
Es fliegen viele Gerüchte durch die Luft, was euer Verhältnis zu Magic Circle Music und Joey DeMaio betrifft. Kannst du ein klein wenig aufklären?

Luca:
Du bist der erste der sich wirklich traut zu fragen (lacht). Die anderen ignorierten das Thema komplett, weil ich wirklich nicht viel sagen darf. Es handelt sich eben noch um ein laufendes Verfahren und da muss ich schweigen.

Enrico:
Kein Problem. Aber wie waren für dich die letzten Jahre? Es herrschte Stagnation und RHAPSODY waren quasi nicht mehr real existent.

Luca:
Es war einfach schrecklich. Für jeden Künstler ist es das schlimmste, wenn er vier Jahre lang nichts veröffentlichen kann. Für mich persönlich war es wirklich furchtbar, weil ich ein sehr kreativer Musiker bin und mir immer vorgenommen habe, pro Jahr mindestens ein Album zu veröffentlichen. Ich habe so viele Emotionen, die ich ausdrücken möchte – und wenn du das nicht darfst, dann ist es einfach ein Alptraum. Daher bin ich jetzt umso glücklicher.

Enrico:
Was hast du in der Zwischenzeit gemacht?

Luca:
Ich habe zunächst einen Online-Gitarren-Kurs namens Neoclassical Revelations  (www.neoclassicalrevelation.com) eröffnet und vor allem viele Songs geschrieben und wieder zerstört (lacht). Wir hatten durch die Zwangspause immer wieder Zeit, uns die Songs anzuhören, die wir vor drei oder vier Jahren geschrieben haben und sie aufzumotzen oder in den Müll zu werfen. Zwischen "Triumph Or Agony" und "The Frozen Tears Of Angels" liegen nun vier Jahre. Dennoch können wir aber sagen, dass die neuen Songs alle noch sehr frisch sind.

Enrico:
Auch wenn du nicht darüber sprechen darfst – was hast du aus der Sache gelernt?

Luca:
Ich hasse das Business. Es geht nur ums Geld und das Geschäft bringt viele negative Konsequenzen mit sich. Ich will Musik machen, weil ich Musik liebe und für die Leute auf der Bühne stehen möchte. Ich möchte meine Gefühle mit den Hörern teilen. Und dieser ganze Shit bringt mich fast dazu, ohne Probleme das Business zu verlassen. Das Geschäft ist teilweise wie Krieg. Man ist oft gezwungen, sich bestimmten Ritualen zu unterwerfen. Das ist völliger Bullshit. So was stellt man sich eigentlich nur bei Pop-Musik vor.

Enrico:
Hat die ganze Situation das Album beeinflusst? Ich finde es viel aggressiver als die Vorgänger.

Luca:
(lacht) Ja, das kann schon sein (lacht wieder). Nein, wir wollten ein neues Kapitel der Saga beginnen und wegen der Lyrics sehr kalt und frostig klingen. Daher haben wir uns bei der Musik an den mystischen Landschaften des Nordens orientiert. Es sollte genau die Gefühle wieder spiegeln, die man von der nordischen Natur erhält. Deswegen klingt es teilweise kalt und düster. Wir haben versucht, die geistige Ebene in die Musik zu integrieren.

Enrico:
Beim Song 'Reign Of Terror' musst ich schmunzeln, denn für mich klingt er wie eine Abrechnung mit eurem alten Label.

Luca:
Du machst das ganz schön clever, mich indirekt zum Reden zu bewegen (lacht). Aber das hat damit nichts zu tun. Bereits bei "Dawn Of Victory" haben wir extremen Metal mit in den Sound aufgenommen – oder auch beim späteren 'When Demons Awake'. Wir mögen es, extrem fette und aggressive Kompositionen und Gesangsparts in die Songs einzubauen. Jedoch geschieht das im völligen Gegensatz zum Black Metal, weil wir immer eine positive Aussage damit verbinden. Dennoch zeigt 'Reign Of Terror' schon ein stückweit unseren ganzen Frust.

Enrico:
Was ist für dich der wichtigste Song des Albums?

Luca:
Schwere Frage – im Moment kann ich das gar nicht sagen, weil wir das Album als Ganzes sehr lieben. Es ist unsere Wiederauferstehung, welche mit einigen Veränderungen einhergeht. Die kalten Elemente sind neu, genau wie der Herangehensweise an meine Soli – die unterscheiden sich schon sehr stark. Die ganze Komposition klingt rhythmischer als was wir in der Vergangenheit gemacht haben – viel frischer! Aber zurück zu deiner Frage: Ich glaube, dass der Titeltrack all die Neuerungen wunderbar kombiniert.


Enrico:
Die Orchesterparts wurden dieses Mal ein wenig heruntergeschraubt. Habt ihr erneut ein echtes Orchester genutzt oder auf Samples gesetzt?

Luca:
Dieses Mal hatten wir kein echtes Orchester. Auf den vergangenen zwei Alben haben wir es extrem in unseren Sound eingebaut. Dieses Mal nutzten wir die Orchester-Sounds auf einen andere Art und Weise und an anderen Stellen in den Songs. Das gibt ihnen mehr Luft zum Atmen und mehr Frische. Während vergangene Alben sehr vom Orchester dominiert waren, ist es diesmal mehr ausbalanciert. Wenn du mit einem echten Orchester arbeitest, verlierst du beim Mixen auch ein wenig die Freiheiten. Du musst ganz automatisch vor allem die Gitarren leiser drehen. Daher sind die Samples gerade für den Gitarrensound viel besser.

Enrico:
Sicherlich bieten sich die neuen Songs dann auch besser für die Live-Set-List an?

Luca:
Auf jeden Fall. Alle neuen Songs sind perfekt für die Bühne.

Enrico:
Kommen wir kurz zu Christopher Lee. Ich war wirklich überrascht, dass er wieder mit von der Partie ist.

Luca:
Die Zusammenarbeit mit Christopher Lee war damals das Beste, was uns passieren konnte. Es war faszinierend, ihn vor Jahren kennen lernen zu dürfen. Das er jetzt erneut mit uns arbeitet, ist noch viel toller und macht uns sehr stolz. Er ist einer der anerkanntesten Schauspieler aller Zeiten und dass wir mir ihm arbeiten dürfen, ist wahnsinnig aufregend. Er gibt uns zu jeder Sekunde das, was wir von ihm wollen. Er sollte sich an seine Reden bei "Der Herr der Ringe" halten – und als echter Profi hat er das wunderbar umgesetzt. Seine Präsenz gibt unserer Fantasie-Welten eine viel größere Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit.

Enrico:
Macht dich die Tatsache auch ein wenig stolz, dass Christopher Lee in Kürze sein erstes eigenes Symphonic Metal-Album herausbringen wird. Euer Einfluss auf ihn kann wohl als sehr groß beschrieben werden.

Luca:
(lacht) Oh ja, das ist wirklich fantastisch. Als er uns kennen lernte, wusste er nicht mal, dass es solch einen Mix aus Metal und klassischer Musik gibt. Jetzt hat er sich durch uns einen neuen Fan-Kreis erspielt. Alles begann mit "Symphony Of Enchanted Lands II" – damit fing seine Begeisterung für diese Musik an. Wir haben damals ihm jedoch immer nur die symphonischen Songs vorgespielt (lacht), weil er diese sofort mochte. Wir glaubten nicht, dass er die metallische Seite von RHAPSODY so sehr mögen würde (lacht). Aber heute scheint er alle Seiten von uns zu schätzen.

Enrico:
Vor einigen Jahren musstet ihr euren Namen in RHAPSODY OF FIRE umbenennen. Wir hart war dieser Schlag?

Luca:
Vorhin erzählte ich, dass die erste Zusammenarbeit mit Christopher Lee der Höhepunkt unserer Karriere war. Die Namensänderung war sicherlich einer der Tiefpunkte. Und nur weil irgendein Amerikaner eine kleine Band mit dem gleichen Namen hatte. Es gab viele Briefwechsel und am Ende mussten wir eine Lösung finden. Zum Glück konnten wir den Namen "Rhapsody" behalten. Dennoch ist eine Erweiterung oder Umbenennung niemals wirklich gut für eine Band. Aber jeder sagt weiterhin RHAPSODY und wer eben "Of Fire" sagen möchte, der tut es eben. Für mich bleibt die Band RHAPSODY.

Enrico:
Warum habt ihr euch ausgerechnet für den Zusatz "Of Fire" entschieden?

Luca:
Weil es im italienischen einfach wunderschön klingt. "Rhapsodia di Fuoco" klingt sehr künstlerisch, weil "Rhapsodia" sehr süß und "di Fuoco" sehr aggressiv klingt. Diesen Gegensatz konnten wir mit diesem Zusatz wunderbar kreieren. Außerdem erlaubte es uns, dass wir mit dem Zusatz das Logo behalten und brauchten die beiden neuen Wörter nur einzufügen.

Enrico:
Die Fans warten brennend, euch endlich wieder live zu erleben. Wann ist es soweit?

Luca:
Wir planen eine große Tour – stecken aber gerade noch in Gesprächen mit unserer Booking-Agentur. Wir sind sehr heiß drauf, endlich wieder die Bühnen zu entern.

Enrico:
Gibt es vielleicht noch eine kleine Chance, euch irgendwo auf einem der großen Sommerfestivals zu sehen?

Luca:
Ich glaube nicht, aber unsere Tour soll direkt nach den Sommerfestivals beginnen. Zuerst Europa und dann die ganze Welt (lacht). Aber nächstes Jahr sind die Festivals fest eingeplant.

Enrico:
Wie schaut es nach all den Jahren mit deinen Solo-Projekten aus?

Luca:
Du kannst dir sicher vorstellen, wie voll meine Schubladen sind (lacht). Früher oder später werde ich die Musik veröffentlichen. Mit einem Partner wie Nuclear Blast ist es auch nun wieder möglich, in relativ kurzer Zeit, viel zu veröffentlichen.

Enrico:
Nun hast du noch die Chance, euren Fans in Deutschland eine abschließende Message mit auf den Weg zu geben.

Luca:
Ich hoffe, dass ich alle unsere Fans bald auf Tour wieder treffen kann. Nach so vielen Jahren haben wir euch so viel zu geben und wir können es kaum abwarten in Städten wie Erfurt, Nürnberg oder Stuttgart aufzutreten. Bis Bald!

Redakteur:
Enrico Ahlig
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