SACRED REICH: Geschichtsstunde auf Metal Blade-Art

15.02.2021 | 21:02

Wir schreiben das Jahr 1985: The Big Three - METALLICA, SLAYER und ANTHRAX - glänzten bereits mit wunderbaren Releases des aufkeimenden Thrash Metals, der in den Folgejahren seinen Höhepunkt erleben sollte. Und auch Dave Mustaine hat Größeres im Sinn und bereitet sich auf die Veröffentlichung seines legendären MEGADETH-Debüts vor. Irgendwo in Phoenix, Arizona, werden ein paar junge Metalheads von der Welle erfasst, ergreifen die Gelegenheit beim Schopfe und spielen unter dem Banner SACRED REICH die ersten Konzerte. Dass im Ohr "Bonded By Blood", "Hell Awaits", "Ride The Lightning" und dergleichen ihre Runden drehen, scheint offensichtlich.

Weitere Monate, gar einige Jahre ziehen ins Land, und die Herren Phil Rind, Jason Rainey (Ruhe in Frieden!), Greg Hall und Wiley Arnett sorgen weiterhin mit ihrem Thinking-Man's-Thrash für Furore. Vom anfänglichen "Draining You Of Life"-Demo, über die 'Ignorance'-Verwendung auf dem Metal Massacre-Sampler und den Kontrakt mit Metal Blade Records bis hin zu den Veröffentlichungen solcher bahnbrechenden Neckbreaker wie "Ignorance", der "Surf Nicaragua"-EP und nicht zuletzt dem "The American Way"-Höhepunkt war SACRED REICH aus der Szene nicht wegzudenken. Ein sozial und politisch sehr kritischer Unterton verschaffte den vier Amis zusätzliches Gehör, das nicht zuletzt dank messerscharfen Riffs, einer ordentlichen Portion Härte, der nicht minder genialen Schnelligkeit und den kaltschnäuzigen Rind'schen Vocals auch entsprechenden Anklang in der Musikwelt fand. Hier Tourneen mit FORBIDDEN und ATROPHY, dort Shows mit MOTÖRHEAD und SEPULTURA - SACRED REICH war in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre in aller Munde.

Seitdem ich die Jungs auf dem Wacken Open Air im Jahre 2007 sah, bin ich glühender Anhänger. Umso erfreulicher war dann die Nachricht, dass 2019 mit "Awakening" das erste Bandalbum nach über 23 Jahren veröffentlicht wurde und die Band exakt dort anknüpfen konnte, wo sie einst aufhörte: beim lupenreinen, energiegeladenen und superben Thrash Metal.

Tragischerweise verstarb der langjährige und äußerst sympathische Gitarrist Jason Rainey, nachdem er vor den Aufnahmen zu "Awakening" vom talentierten Jungspund Joey Radziwill ersetzt wurde. Doch Jason hat sich mit den SACRED REICH-Veröffentlichungen und seinem lässigen, unnachahmlichen Gitarrenspiel ein Denkmal gesetzt. Ein Denkmal, das Mitte Februar soeben von Metal Blade Records wiederveröffentlicht wurde.

So kommen "Ignorance", "Surf Nicaragua" und "The American Way" sowohl als CD- als auch als Vinyl-Versionen erneut ans Thrash-Metal-Tageslicht und bringen den Februarschnee zum Schmelzen. Das passiert bei den Schallplattenversionen in den verschiedensten Farben: Ob rotes, graues, weißes, blaues, orangenes oder schwarzes Vinyl, ob in Camouflage-, Aqua- oder Oakwood-Brown-Optik, die Dinger klingen nicht nur geil, sondern sehen auch immens geil aus. Hier heißt es jedoch schnell sein, das schwarze (bzw. bunte) Gold ist auf wenige hundert Kopien limitiert.

Und da seit einigen Tagen nahezu keine andere Veröffentlichung ihre Runden dreht, schauen wir noch einmal konkreter auf jene Klassiker, die SACRED REICH einst fabriziert hat. Das Debütalbum "Ignorance" erschien am 13. Oktober 1987 und gilt nach wie vor als Meilenstein der US-amerikanischen Thrash-Metal-Szene. Dieses hundsgemeine 'Death Squad'-Eröffnungsriff, der 'Violent Solutions'-Groove, die Wucht des mächtigen Titelstücks, das höllische Gitarrensolo in 'Rest In Peace' oder auch die abschließende Bandhymne 'Sacred Reich' klingen nicht nur wie aus einem Guss, sondern sorgen auch viele Jahre später für einen brutalen Gedankencirclepit, der dank exzellentem Gitarren- und Schlagzeugspiel sowie der sehr intelligenten Wut bis zum heutigen Tage in die 1. Liga gehört. Denn speziell diese wohldosiert-aggressive und intelligente Herangehensweise sowie die - wie schon gesagt - sehr kritischen Texte der Band sorgen für das Salz in der Suppe. Speziell diese beiden Punkte sollten in den Folgejahren jedoch weiter ausgeklügelt werden.

Bevor es nämlich an das nächste full-length-Scheibchen ging, stellte die Band knapp ein Jahr später - am 4. Oktober 1988 - die Frage: "Do You Enjoy? Sun, Fun & Guns?" Diese Frage auf dem Rücken eines meiner Lieblingsshirts war quasi Leitfrage der "Surf Nicaragua"-EP, die nicht nur aufgrund des grandiosen Artworks jedermanns Aufmerksamkeit erregte. Denn auch musikalisch hatte es vor allem die Titeltrack-Machtdemonstration in sich. Neben dem Bilderbuch-Headbanger 'One Nation', dem Tribut an eine der größten Bands der Geschichte - hier ist selbstverständlich 'War Pigs' gemeint - sowie dem alles niedermähenden Kraftausdruck 'Draining You Of Life', das schon vom einstigen Demo bekannt war und eine kleine Frischzellenkur erfuhr, haben auch zwei äußerst schmucke Live-Versionen die Künste der Arizona-Thrasher vorbildlich unter Beweis gestellt. Nein, diese EP ließ und lässt auch als Re-Release keine Wünsche offen und genießt bis zum heutigen Tag vollkommen zurecht Kultstatus. Und nachdem Phil und Co. auf der "Alive At The Dynamo"-EP der hungrigen Meute weitere Live-Leckerbissen zum Fraß vorwarfen, war es anno 1990 wieder Zeit für ein Album.

Und was für ein Album! Freunde der Sonne, ich habe schon in meiner Review zu "The American Way" ausführlich über dieses Album gesprochen und obwohl mein Bericht ob dieses Werkes auch schon zehn Jahre auf dem Buckel hat, bekomme ich auch heute beim Ausspruch "No Truth - No Justice - The American Way!" eine meterdicke Gänsepelle. Vom beginnenden 'Love...Hate' über das geniale 'Crimes Against Humanity', meinem Liebling 'I Don't Know', dem Fingerzeig 'Who's To Blame' bis hin zur Funk-Überraschung '31 Flavors' ist dieses Album nahezu perfekt. Ja, auch Jhonny kann die Band auch 31 Jahre später noch hören. Was am 15. Mai 1990 auf die Menschheit losgelassen wurde, ist intelligenter, purer Thrash Metal par excellence, der selten so elegant, vehement und abwechslungsreich vorgetragen wurde wie auf "The American Way".

Tut euch daher selbst den großen Gefallen und stellt euch diese drei Must-Haves ins heimische Regal. Metal Blade Records haut hier das Trio Infernale auch für den kleineren Geldbeutel äußerst hochwertig raus, eine gute Gelegenheit also, nicht nur etwaige Lücken zu füllen, sondern vor allem in Erinnerungen zu schwelgen, das heimische Wohnzimmer in einen unbarmherzigen Ein-Mann-Moshpit zu verwandeln und knapp 90 Minuten finest Thrash Metal zu genießen.

Redakteur:
Marcel Rapp

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