SUBWAY TO SALLY: Interview mit Bodenski

29.09.2005 | 22:40

Eine der dienstältesten, sympathischsten, tourfreudigsten und wohl auch besten Mittelalter-Rock-Kapellen hat dieser Tage mit "Nord Nord Ost" ein neues Eisen im Feuer. Die Rede ist natürlich von den Potsdamern SUBWAY TO SALLY. Ein sehr redseliger und ob der neuen, wirklich saustarken Platte sehr euphorischer Bodenski (g.) stellte sich meinen investigativen Fragen und musste sogar seinen Sänger Eric, der inmitten des Interviews auf dem Handy anrief und sich aufgeregt nach der Charts-Platzierung der Single 'Sieben' erkundigte, abwimmeln. Es kamen Themen wie Stilwechsel, veränderte Vorzeichen in der gesamten Musikbranche oder der neue Drummer Simon Michael sowie die anstehenden Touraktivitäten zur Sprache. Doch lest selbst...

Martin:
Die neue Platte "Nord Nord Ost" gefällt mir sehr gut. Wie ist sie denn genau entstanden?

Bodenski:
Ja schön, dass sie dir gefällt. Also, Plattenmachen ist bei uns immer eine schwierige Geburt. Nach der "Engelskrieger" habe wir uns ein wenig Zeit gelassen und haben dann vor knapp zwei Jahren überlegt, wo es in Zukunft denn überhaupt hingehen soll. Ingo hatte die Idee eine Scheibe zu machen, in der das Thema "Kälte" eine große Rolle spielt, also eine Winter-Platte. Dann haben wir die ersten Texte geschrieben. Das erste fertige Stück 'Schneekönigin' war dann so die Initialzündung. Ein erstes Demo davon wies uns dann die Richtung und so ist das alles nach und nach entstanden. Aber es geht zu weit zu sagen, wir haben das als Konzept-Album geplant. Das ist nicht der Fall, aber die ganze Platte atmet so ein wenig Kälte. Wir haben auch die Entscheidung getroffen, bei der Produktion ein wenig zu ändern. Ingo hatte ja bereits die letzten Platten mitproduziert und nun war es an der Zeit, dass er die volle Verantwortung trägt. In den letzten Jahren haben wir ja einiges auch ausprobiert. Wir haben hier in Berlin und Potsdam auf einen uns bekannten Stab von Leuten zurückgegriffen, die schon bei "Herzblut" dabei waren und so knüpft die Platte da vielleicht ein wenig an. Ich glaube, uns ist das alles gut gelungen, eben auch die ganzen Elemente die STS ausmachen, wie Geigen, Streicher und so weiter, wieder mit einfließen zu lassen. Nach unserem Zeitplan hätte die Scheibe jedoch ein klein wenig früher erscheinen sollen, aber Qualität ist nun mal das Wichtigste.

Martin:
Nun seid ihr auch bei Nuclear Blast, einem klassischen Metal-Label, gelandet. Wie kam das?

Bodenski:
Ja, das ist eigentlich recht simpel. Als wir vor Jahren schon mal vertragsfrei waren, sind wir durch ganz Deutschland gereist und haben alle Möglichkeiten abgeklopft. Damals war dieser Niedergang der ganzen Plattenindustrie noch nicht so abzusehen. Es gab zwar schon Raubkopien und das alles, aber eben noch nicht so massiv wie heute. Wir haben damals auch schon den Markus Staiger (Chef von NB - Anm. d. Verf.) kennen gelernt, aber dumm wie wir damals waren, haben wir unter dem Drängen auch seitens der Verlagsleute, mit denen wir zusammenarbeiten, beim damals noch in Hamburg, aber bald nach Berlin umgezogenen, Major-Label Universal unterschrieben. Wir haben uns alles ganz toll vorgestellt, nur haben leider nach gut einem halben Jahr unsere Ansprechpartner dort gewechselt und so ging es immer weiter. Wir haben zwar dort zwei Platten gemacht und sind innerhalb des Hauses von einem zum anderen Label gewechselt, aber irgendwie ist unser Vertrag zwar erfüllt, aber eben nicht verlängert worden. Und nun sind wir beim Label unserer Wahl und dort sitzt nach wie vor jemand in der entscheidenden Position, der auch Fan der Band ist. Die Leute dort lieben Musik allgemein und ein Mini-Label ist NB ja nun wirklich auch nicht. Ich denke sogar, NB sind die einzige deutsche Plattenfirma, die in den letzten Jahren wirklich gewachsen ist und immer noch größer wird.

Martin:
Ihr seid ja, mit Verlaub gesagt, quasi alte Hasen im Geschäft. Wie erlebt ihr die Zeit zwischen Aufnahme-Ende und tatsächlicher Veröffentlichung?

Bodenski:
Das mit lange im Geschäft würde ich unterschreiben. Also, es ist immer etwas Besonderes wenn die ersten Reaktionen auf neue Aufnahmen eintrudeln. Ich war zwar noch nie dabei, aber ich glaube das ist wie Kinderkriegen... (lacht) Auch wenn das erste Kind etwas ganz Spezielles ist, bleibt es auch bei weiteren Kindern immer ein besonderer Moment. Eine Platte erscheint ja dann erst, wenn sie auch in den Läden steht. Am Anfang, als du sagtest, dass dir die Platte gefällt, das ist natürlich ganz wichtig, denn ihr Journalisten bekommt ja einen frühen Einblick und das zeigt uns dann schon, wo wir stehen. Das ist dann so die erste Bestätigung und gegebenenfalls auch eine Art von Rückendeckung für das, was eventuell von Fanseite auf uns einprasselt. Wir sind ja eine Band, die einen sehr innigen und intensiven Fan-Kontakt pflegt, aber bei allem Lob gibt es natürlich auch Kritik, da alles sehr genau analysiert wird. Und so gesehen sind Interviews eine Art Vorbereitung auf die konstruktive Auseinandersetzung mit den Fans. Aber der Tag der Veröffentlichung ist schon eine Art der Belohnung für die harte Arbeit im Vorfeld und um noch mal in dem Bild zu bleiben: Die Platte war eine schwere Geburt. Sei es die Reihenfolge der Songs, die Titel oder was auch immer. Alles hat lange Diskussionen und viel Arbeit bedeutet.

Martin:
Die Stücke 'Sieben', die aktuelle Single, und auch 'Eisblumen' ragen meiner Meinung nach aus einem sehr guten Album noch heraus. Diese Stücke könnten sicher auch im Radio funktionieren. Gibt es diesbezüglich schon Signale oder habt ihr da kaum noch Ambitionen?

Bodenski:
Ja, wir hätten natürlich nichts dagegen. Es gibt natürlich immer den "Vorwurf", dass Radio-Einsätze gleichbedeutend mit Kommerz sind. Aber man erreicht so nun mal mehr potenzielle Fans. Was wir aber nicht machen können und wollen, ist gezielt marktgerecht etwas aufzunehmen. Beim Stück 'Sieben', welches eher schnell ist, steht vielleicht eher die Möglichkeit von Club-Einsätzen im Vordergrund. STS sind eine Band, die mehr über Clubs funktioniert und das weiß auch die Plattenfirma und hat gezielt nach einem geeigneten Stück gesucht. Wenn den Leuten abends beim Weggehen ein Stück gefällt, ist das schon mal viel wert. Und beim Radio ist es ja so, dass keiner eigentlich weiß, welcher Song genau im Radio funktioniert. Das geht alles nach geheimen Regeln, die keiner wirklich kennt, aber alle bilden sich ein zu wissen, was geht und was nicht. Wir würden uns natürlich schon noch eine zweite Single wünschen und da wäre unser Favorit dann auch 'Eisblumen', da wir den Song sehr hymnisch finden und er eine ganze Szene repräsentieren könnte. Da müssen wir mal abwarten und so eine typische Single-Band sind wir ja nicht.
Die Single 'Sieben' soll einfach Appetit auf das Album machen. Es sind auch noch zwei neue Stücke drauf, die nicht auf dem Album sind. Ein eher ruhiges Stück ist auch dabei. Die Leute, die bisher keine Ahnung hatten, was STS ausmacht, bekommen auf der Single einen guten Überblick zwischen welchen Polen der Sound von STS sich bewegt. Die Single gibt den Leuten so gesehen eine Ahnung, was auf sie zukommt, ohne alles vorab zu verraten, denn das Wichtigste ist natürlich nach wie vor das Album.

Martin:
Ihr habt mit Simon Michael einen neuen Drummer, der jetzt 21 Jahre alt ist, d.h. er war in der Grundschule, als ihr die Band gegründet habt...

Bodenski:
(lacht) Ja, stimmt rechnerisch. Aber darüber mache ich mir keine Gedanken...

Martin:
Sein erster Gig mit euch war gleich in Leipzig beim Wave-Gotik-Festival vor ein paar tausend Leuten. Das nenne ich eine Feuerprobe...

Bodenski:
Mit ihm, als wir ihn dann hatten, hat alles gleich super hingehauen. Wir hatten Schwierigkeiten, die Lücke zu schließen, die David hinterlassen hat. Wir waren vorher ein wenig unbekümmert, denn David ist ja auch später zur Band gestoßen. Davor hatten wir ja noch einen anderen Drummer. Wir haben unterschätzt, dass es auf unserem jetzigen Level viel schwerer ist, jemanden zu finden, sei es in künstlerischer bzw. technischer Hinsicht oder vom Menschlichen her. Es rannte uns beinahe die Zeit weg und in Berlin hatten wir fast alle Drummer durch und als einer der letzten kam dann dieser junge Bursche, spielte drei Stücke mit uns und das war echt so ein magischer Moment, den man eigentlich gar nicht beschreiben kann. Auf so jemanden hatten wir immer gewartet. Er selber hatte trotz seiner Fähigkeiten gar nicht damit gerechnet, dass wir ihn nehmen. Das Lustige ist, dass er genau deshalb Schlagzeug spielt um solche Musik zu machen, wie wir sie spielen, also etwas härtere, aber dennoch technisch anspruchsvolle Musik. Leicht verfrickelte Abläufe statt simplem Beat halt. Wir sind froh ihn gefunden zu haben. Sein erster Gig war halt gleich vor sechstausend Leuten, aber es hat alles gut geklappt.

Martin:
Stichwort: Tour bzw. Festval. Ihr seit ja auf allen einschlägigen Festivals Stammgast und es gibt wahrscheinlich keinen Mittelaltermarkt, den ihr nicht kennt. Ihr seit ständig auf Tour und spielt viel live, also eine Platte von euch ohne große Tour wir es wahrscheinlich nie geben, oder? Ihr seht euch hauptsächlich als Live-Band, richtig?

Bodenski:
Ja, das stimmt. Wir haben uns Anfang der Neunziger ja auch aus dieser Live-Spiel-Tradition gegründet. Erst als Schülerband, dann durch Dorfsäle getingelt, haben wir immer das Ziel gehabt, so oft wie möglich live aufzutreten. Wir wollten aber von Anfang an mehr, d.h. nicht nur Sachen nachspielen, sondern eigenes Material machen. Wir sind ja auch sieben Leute, Musik ist unser Beruf. Wir begreifen uns als Musiker durch und durch. Da kommt es nicht in Frage nur im Studio zu sitzen, denn das ist wirklich nicht alles. Wir leben auch sprichwörtlich vom Spielen, denn nur über Plattenverkäufe könnten auch wir nicht existieren.

Martin:
Ihr sprecht durch eure Vielseitigkeit verschiedene Fan-Gruppen an. Achtet ihr eigentlich sehr darauf euch das zu erhalten? Ihr könnt ja problemlos sowohl auf Metal-Festivals und auf Mittelalter-Veranstaltungen spielen. Spielt das beim Songwriting eine Rolle?

Bodenski:
Nein, gar nicht. Wir sind da relativ naiv reingeschlittert. Wir selber kommen ja nicht aus einer bestimmten Szene. Wir sind weder sieben Gothic-Fans noch Metaller. Wir haben unterschiedliche Ausbildungen und unterschiedliche musikalische Backgrounds. Vom studierten Musiker bis zum Amateur, der sich über zahllose Kneipen-Auftritte nach oben gespielt hat, ist ja alles dabei. Diese Vielschichtigkeit der Personen ergibt, denke ich, unsere Bandbreite. Die Tatsache, das sich von uns viele Publikumsschichten angesprochen fühlen, war letztlich ein Zufallsprodukt, das sich einfach so ergeben hat. Man fragt sich natürlich schon, warum jetzt, egal ob Metaller oder Gothic-Jünger, das Publikum so oder so zusammengesetzt ist. Eine Rolle spielen sicher auch unsere deutschen Texte. Unser härterer Gitarrensound ist ein Faktor, aber auch die Melodien, die wir in unseren Songs haben sind entscheidend. Man kann sowohl mit dem Kopf wippen als auch im Kopf sich Gedanken über die Texte machen. Es ist wohl die Mischung. Die Schnittmenge ist schon klasse. Ich denke immer, jede Band bekommt das Publikum, das sie verdient und wir sind mit unserem Publikum sehr zufrieden. Zusehen, wie Leute vor der Bühne Spaß haben, ist eine großartige Sache.

Martin:
Du hast 2001 in einem früheren Interview mit unserem Magazin gesagt, das STS die absolut falsche Band ist, wenn verlangt wird, das ihr "im Gestern stehen bleibt". Also ist sinngemäß die Weiterentwicklung eine zentrale Bedingung für STS. Der Erfolg scheint euch mehr als recht zu geben...

Bodenski:
Denke ich auch. Wenn man sich unsere Platten anguckt, dann gab es immer Brüche, die aber auch gleichzeitig als Quantensprünge verstanden werden können. Wir bewegen uns nicht im Kreis, wohl aber in Spiralen. Das kann man als dreidimensionale Bewegung verstehen. Selbst wenn wir wie aktuell mit "Nord Nord Ost" ein wenig an "Herzblut" ankoppeln, dann heißt da ja nicht, dass wir uns zwangsläufig wiederholen oder dass es "Engelskrieger" nie hätte geben dürfen. Auch die Auseinandersetzung mit den Fans, die z.T. die letzte Platte zu hart fanden, auch von den Themen her, da einige lieber mit der Musik der Welt entfliehen möchten, als sich mit Problemen konfrontiert zu sehen, zu führen, ist wichtig. Für uns war "Engelskrieger" zu dem Zeitpunkt, als sie entstanden ist, absolut richtig und notwendig. Auf der anderen Seite kann man ja nur froh sein, wenn man die Leute auch mal überraschen kann. Kunst muss auch mal weh tun und darf nicht nur leicht konsumierbar sein, und in dieser Beziehung bringt uns jeder Streit, den wir in der Band mal führen, immer ein Stück weiter. Das gilt eben sowohl für die Fans als auch für uns selber.

Martin:
Seid ihr bei STS auch selber Musik-Freaks im Sinne von Plattensammeln? Also seid ihr auch selber Fans?

Bodenski:
Also richtige Sammler sind wir, würde ich mal sagen, nicht, aber wir haben schon eine Menge an CDs, die wir auch untereinander mal austauschen. Aber richtige Sammler - das hat für mich schon wieder so etwas Symptomatisches und Sortiertes - sind wir nicht.

Martin:
Ich frage das deshalb, weil es gerade im Metal- und Rock-Bereich sehr viele wirklich treue Sammler gibt, die es besonders zu schätzen wissen, wenn man Musik auch "anfassen" kann, sprich im Booklet blättern kann und so weiter. In der Pop-Musik mit ihren Bravo-Hits-Samplern ist das vielleicht weniger ausgeprägt...

Bodenski:
Ja, was die Wertigkeit der Veröffentlichungen angeht, da sind wir auch bei Nuclear Blast genau richtig. Die CD wird als Objekt angesehen, und die Erstauflage ist dann meist auch etwas Besonders. Da fällt mir spontan die letzte NIGHTWISH-Scheibe ein, die auch optisch klasse war. Darauf muss man auch setzen. Ich habe weniger ein Problem damit, wenn sich jemand vom Kumpel eine Platte borgt, aber schon, wenn Journalisten Scheiben vor der Veröffentlichung ins Netz stellen, weil damit ganz klar die Vorfreude der Leute, die sie haben sollen, torpediert wird. Aber letztlich darf man auch nicht mit Sachen wie Kopierschutz die große Mehrheit bestrafen, die sich korrekt verhält. Wir Künstler können da nur zusehen, dass wir ein gutes Album machen und es anständig präsentieren. Qualität wird auch gekauft.

Martin:
Was liegt demnächst an bei euch? Eine ausgedehnte Tour steht ja schon fest.

Bodenski:
Bis Ende des Jahres haben wir so an die 35 Termine, was auch damit zusammenhängt, weil wir im Frühjahr nicht so viel machen konnten. Dann wollen wir das nächste Album nicht wieder so lange auf sich warten lassen. Ferner denken wir über eine Unplugged-Tour im Frühjahr nach, was sich unter den Fans auch schon leicht rumgesprochen hat. Einfach mal ohne großes Drumherum wieder alte Songs spielen, würden wir gerne. Aber auch da haben wir natürlich einen gewissen Anspruch und müssen mal sehen, inwiefern das realisierbar ist. Wenn alles so läuft wie geplant, dann geht es im April damit los. Möglicherweise schneiden wir dann auch ein paar Konzerte mit.

Martin:
Das klingt doch sehr viel versprechend! Dir gebühren natürlich die letzten Worte...

Bodenski:
Fahrt nicht besoffen Auto und benutzt Kondome!

Martin:
Vielen Dank für dieses sehr angenehme und offene Interview!

Redakteur:
Martin Stark

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