SUBWAY TO SALLY: Interview mit Bodenski

11.03.2009 | 17:13

Das ging aber schnell. Schon knapp anderthalb Jahre nach Erscheinen von "Bastard" legen SUBWAY TO SALLY mit "Kreuzfeuer" einen stimmungsvollen Nachfolger vor. Doch der Erfolg und der damit einhergehende Stress der vergangenen Jahre haben Spuren hinterlassen. Die Band braucht eine Pause.

Eric Fish schwelgt in Erinnerungen. "War das geil", fasst der SUBWAY TO SALLY-Sänger lauthals die Gemütslage seiner Band vom 14. Februar 2008 zusammen. Da hatten sie gerade denkbar knapp den Bundesvision Song Contest von TV-Tausendsassa Stefan Raab gewonnen. Zehn Monate später stehen die Mittelalter-Rocker wie jedes Jahr am 30. Dezember bei ihrem traditionellen Weihnachtskonzert auf der Bühne im Potsdamer Lindenpark. Sie beschenken ihre Fans mit einer dynamischen Show, der kaum anzumerken ist, was für ein aufregend-aufreibendes Jahr hinter den sieben Musikern liegt.

Und auch SUBWAY TO SALLY wirken an diesem Tag hellwach, die Feiertage scheinen erholsam gewesen sein. Anders zweieinhalb Wochen zuvor. Da hatten Band und ihr Label Nuclear Blast zur Listening Session nach Hannover in die Horus Studios eingeladen, wo sie seit Oktober ihr neues Album "Kreuzfeuer" eingespielt haben. Doch einzig für die Mittelalter-Rocker sind die beiden Gitarristen Michael Simon und Michael "Bodenski" Boden vor Ort. Und Bodenski, der den ganzen Tag über etwas erschöpft wirkt, führt das Wort. Er lobt das Studio, in dem schon Größen wie CELTIC FROST oder KREATOR aufgenommen haben. Er lobt die Crew. Und er lobt das nunmehr zehnte Studioalbum: "Wir haben das Material dafür sehr schnell zusammen bekommen, dass ist eigentlich untypisch für uns." Das Geheimnis sei dabei ausreichende Vorbereitung gewesen, ohne Druck habe man ins Studio fahren können: "Unser Soundmann Fabio Trentini hat uns da sehr diszipliniert." Letztlich seien so zwölf Songs in zwei Wochen aufgenommen worden.

Locker erzählt er diese Grundlagen-Infos. Plötzlich aber klingt Bodenski ernst. "Wir gehen mit der Geschichte ab April ziemlich schnell auf Tour. Wenn wir das getan haben, wird die Band einen Gang runterschalten." Es folgt eine kurze Pause. "Wir werden runterschalten müssen", sagt Bodenski.

Der Erfolg, aber auch das Tempo im Leben von SUBWAY TO SALLY haben sich in den vergangenen zwei Jahren enorm beschleunigt. Die Akustik-Live-Platte "Nackt" erschien 2006, es folgte eine Tournee. Mit "Bastard" veröffentlichte die Band ein Jahr später ihr neuntes Album, das auf Platz 7 der deutschen Charts landete. Wieder folgten viele, meist ausverkaufte Live-Auftritte. Dann der Gewinn des Bundesvision-Contests, weswegen sie sogar zu Brandenburgs Ministerpräsidenten Matthias Platzeck in die Staatskanzlei eingeladen wurden. Im Sommer spielten sie auf mehreren großen Festivals. Und nun die Aufnahmen zum neuen Album, dessen Titel "Kreuzfeuer" auch für Dauerstress stehen kann.

Doch nun hat es sich erst einmal ausgerockt. "Wir müssen unsere Batterien wieder aufladen", sagt Bodenski. Und nennt Beispiele wie allein schon all den "Orga-Kram", die über die Jahre ohne Urlaub ausgelaugt haben. Und das viele Touren: "Das ist nicht im anklagenden Sinn gemeint, aber wenn Menschen viel Zeit auf engem Raum verbringen, werden sie dünnhäutiger." Selbst nach anderthalb Jahren bereits wieder eine neue Platte herauszubringen, sei zwar ein "schöner Rhythmus, aber nicht durchzuhalten." Auf Dauer drohe so der Spaß am "Beruf" Musiker verloren zu gehen. Deswegen die von der Band beschlossene Pause für mindestens neun Monate. Um so "unseren großen Schatz zu bewahren", wie Bodenski sagt. Er braucht diese Worte nicht erklären. Jeder weiß, dass er damit SUBWAY TO SALLY meint, die sonst im atemlosen Getriebe des Musikbusiness zu zerbrechen drohen. Bodenski ist einer der Mitbegründer der Band, spielte schon zu Schulzeiten mit Gitarrist Michael Simon zusammen. Fünf der sieben SUBWAY-Musiker gehören zur Urbesetzung von 1990. Diese Beständigkeit gilt bei ihren treuen Fans als eine Erklärung des Erfolgs.

Beständigkeit im akustischen Sinne vermittelt auch die neue Platte, wobei von Müdigkeit oder Langweile nur selten etwas zu merken ist. Im Gegenteil. Abwechslungsreicher Mittelalter-Rock kommt aus den Boxen im Horus-Studio, mit schmissigen Nummern à la 'Einsam' oder einzelnen herzzerfetzenden Lagerfeuer-Balladen wie 'Versteckt'. Ein Zwischending ist das mit bombastischem Chöre-Pathos versehene Finale 'Vater', das Bodenski in brandenburgischer Manier gern kommentiert: "Das ist der Monstersong überhaupt, da ist alles vom ganz hohen Regal." Gemein sind solchen Stücken ihre Refrains, die sich schon nach wenigen Hörversuchen mühelos ins Ohr schrauben. Damit dennoch nicht zu schnell Langeweile einkehrt, sorgen allerlei Instrumente wie die Laute, die Trompete, die Drehleier und natürlich der Dudelsack für viele Details im fast durchweg opulent anmutenden Klangbild. Ausreißer sind das überraschend leichtgängige 'Besser, du rennst' mit viel Pop-Dynamik und Ohrwurm-Charakter - eine potentielle Single-Nummer. Bei der Listening-Session ziehen die anwesenden Schreiberlinge sogar überraschte Vergleiche mit den verblichenen GUANO APES. Und Bodenski scherzt: "Mit solchen Songs gewinnt man einen Contest." Anders sehen es übrigens die Fans im Lindenpark, wo das Lied seine Premiere feiert: Das Getanze fällt verhalten aus und einer in der Ecke mault sogar: "Das ist viel zu glatt." Quasi das Gegenteil ist 'Krähenkönig', das mit sperrigem Rhythmus und munteren irischen Blechflöten die Folkwurzeln von SUBWAY aufgreift. Das Stück ist auch eine Reminiszenz an die "Nackt"-Platte: "Im Geist dieser Scheibe haben wir diesen Rocksong komplett mit akustischen Instrumenten aufgenommen", sagt Bodenski. Viel auf "Kreuzfeuer" beschäftigt sich mit der Vergangenheit, schon weil es eben die zehnte Scheibe ist, soll sie die früheren Platten unter einen Hut bringen. "Ich denke, es ist eine würdige Jubiläumsplatte", sagt Bodenski. Sie habe genügend Tiefgang und sei dennoch für Partys geeignet, sie besitze harte Momente, aber auch Platz für Romantik.

Das Sprachgefühl der von Metaphern durchsetzten Texte ist dabei immer noch einzigartig. Ein Schlüsseltext könnte der Opener 'Aufstieg' sein, ein Song mit druckvollen Riffs und einem hymnischen Refrain: "Wir gehen auf schmale Grat, wir folgen keinem Pfad, wir steigen immer weiter auf. Die Luft verfärbt sich bunt, schmeckt wie Metall im Mund, das Blut rauscht uns im Kopf. Wir steigen immer weiter auf - bis zur Sonne." Solche Zeilen als Synonym auch für die Entwicklung der Band? Bodenski, der für die Texte verantwortlich ist, lächelt: "Zweideutigkeit ist bei uns schon immer Programm. Es ist das typische Ikarus-Motiv über den Fall nach dem Aufstieg, mit dem sich der Song auseinandersetzt. Und das funktioniert übrigens auch ohne Sonne: Je höher du kletterst, irgendwann erfrierst du." Zweideutig sei denn auch der für SUBWAY TO SALLY typische Album-Namen in einem Wort gewählt: "Kreuzfeuer" als offensiver Begriff für Angriff von mehreren Seiten her und als Synonym für die Abwehr aller möglichen Sachen, die gleichzeitig auf Menschen einstürzen können - das Kreuzfeuer eröffnen, sich dem Kreuzfeuer aussetzen. "Wir verlangen, dass unsere Fans ihren Kopf benutzen", sagt Bodenski. Viele Texte dürften dazu Anlass geben, bei jedem Hören...

Doch keine Illusion. Wer den Mittelalter-Metal-Stil der Potsdamer bisher nicht mochte, wird das auch auf "Kreuzfeuer" nicht mögen. Die Fangemeinde aber wird die Band für diesen Querschnitt lieben und muss nicht einen zweiten "Engelskrieger" fürchten. Dieses siebte SUBWAY-Album brach 2003 mit den Konventionen, die für die Potsdamer bis dato bindend waren. "Engelskrieger" bot kaum noch Mittelalter, aber viel Brachialität und verstörende Texte. Die Fans protestierten, obwohl das Album von Musik-Kritikern als mutig und gelungen gelobt wurde. Die Nachfolger "Nord Nord Ost" und "Bastard" hoben die Stiländerung auf, wie auf "Kreuzfeuer" jetzt bewegten sich SUBWAY wieder zwischen harten Gitarren, mittelalterlichen Klängen und epischem Bombast. Die einzige echte Neuerung ist der schicke Kurzhaarschnitt, den Geigerin Frau Schmitt seit vergangenem Herbst trägt. Weiterentwicklung hört sich anders an. "Ja", sagt auch Bodenski, natürlich habe er Angst, irgendwann im eigenen Musikklischee hängen zu bleiben. Dagegen helfe nur "hartes Arbeiten". Bei der neuen Platte sei das auch gelungen, facettenreicher und mit mehr Liebe als "Bastard" sei sie aufgenommen, "SUBWAY TO SALLY im besten Sinne". Nun noch die Tour. Und dann? Was macht Michael Boden mit der freien Zeit? Genau scheint er das noch nicht zu wissen. Eine Gedichtsammlung hat er schon einmal herausgegeben. Vielleicht also ein Buch? "Natürlich würde ich gern wieder schreiben, aber im Moment fehlt einfach die Zeit." Die Kreuzfeuer-Pause wird gut tun.

Redakteur:
Henri Kramer

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