UNDERTOW: Interview mit Thomas Jentzsch, Rainer Pflanz und Joachim Baschin

06.04.2006 | 21:41

Die schwäbische Metalmaschine UNDERTOW legte unlängst mit "Milgram" ihr fünftes und vermutlich bis dato bestes Album vor, mit dem die drei Musiker aus der Ellwanger Gegend nicht nur qualitätsbewusste langjährige Fans positiv überraschen, sondern auch etliche neue Fans hinzugewinnen dürften. Deshalb war es auch für uns mal wieder Zeit, bei den Jungs anzuklopfen und sie unter anderem über eben dieses neue Werk auszuquetschen...

Rüdiger:
Was ich bis jetzt im Kollegenkreis zu "Milgram" gehört habe, war ausschließlich Lob in den höchsten Tönen. Auch Leute, die UNDERTOW schon lange die Treue halten, und nicht weniger als ein tolles Album erwartet haben, zeigen sich von eurer neuen Scheibe noch sehr positiv überrascht. Drum gleich zum Anfang die vielleicht etwas unangenehme Frage zur Selbsteinschätzung: Warum ist "Milgram" besser als seine Vorgänger - oder anders gesagt, warum meint ihr, dass "Milgram" die nicht gerade niedrigen Erwartungen eurer Fans an ein neues UNDERTOW-Album noch übertrifft?

Tom:
Puh, krasse Frage. Selbsteinschätzung ist recht schwierig, erst recht, wenn einem noch so die Distanz fehlt. Ich denke, dass ich da in einem Jahr vielleicht etwas klarer sehe als heute, jetzt ist das alles noch zu nahe an einem dran. Ich bin froh, dass das Album sehr abwechslungsreich geworden ist und gleichzeitig wieder eine Weiterentwicklung darstellt, weil ich selbst auch am liebsten Bands mag, die mir mit jedem Album etwas Neues servieren, anstatt ständig das gleiche Album erneut aufzunehmen. Ich bin auch sehr beruhigt, nachdem jetzt viele Reviews zurückkommen und die Presse uns Weiterentwicklung bei gleichzeitigem Beibehalten der Trademarks attestiert.

Rainer:
Ich glaube, das kam ganz automatisch. Wir machen einfach Musik, die sich für uns gut anfühlt.

Rüdiger:
Ich kenne die alten Scheiben ja noch nicht so gut, aber ich hab mir jetzt jede zwei bis drei mal angehört und mir scheint es so, dass ihr bei "Milgram" etwas abwechslungsreicher geworden seid, mehr verschiedene Stimmungen einfangt und auch gerade bei Joachims cleanen Gesangspassagen noch etwas eindringlicher rüberkommt. Meint ihr, dass man das so stehen lassen kann? Wenn ja, war es eine gelenkte Entwicklung in diese Richtung oder hat sich das mehr zufällig ergeben?

Tom:
Ja, das würd ich auf jeden Fall so unterschreiben, wobei viele Leute eine gesteigerte Zahl härterer Nummern ausgemacht haben – und das ist auch irgendwie wahr. Das war weder gelenkt noch zufällig. Zufall klingt so willenlos, als ob wir einfach 'nen Song auf der Straße finden und den dann halt im Studio aufnehmen, so ist das ja nun auch nicht. Ich würd's als natürliche und organische Veränderung bezeichnen. Wir bleiben in unserer Entwicklung ja auch nicht stehen, sondern entwickeln uns sowohl menschlich als auch musikalisch und geistig permanent weiter und ich denke, dass das auch Auswirkungen auf die Musik hat.

Rainer:
Ich war schon immer ein Fan von Joschis Stimme. Die Clean-Sachen sind eine absolute Bereicherung für unseren Sound. Ich hoffe, wir werden in Zukunft noch mehr davon hören.

Rüdiger:
"Milgram" ist euer erstes Album überhaupt, dessen Albumtitel nicht auf einem "E" endet. Ihr habt doch nicht etwa die Gitarren umgestimmt, oder?

Tom:
Haha, cool, dass du das ansprichst. Und vor allem cool, dass du die Verbindung des Buchstabens zu unserem Tuning ausgemacht hast... Es war einfach an der Zeit, diese Tradition zu brechen. Ich denke, viele Leute haben wieder mit einem derartigen Albumtitel gerechnet und genau deswegen haben wir uns irgendwann im Entstehungsprozess des Albums wohl dagegen entschieden. Umgestimmt haben wir schon lange, so gesehen hätte das Album wohl am ehesten "Die neue C-Klasse" heißen müssen. Wobei wir ein DropC-Tuning verwenden und ein Song des Albums in D ist – und nein, es ist nicht 'D-Mood'!

Rüdiger:
Der Albumtitel geht auf den US-amerikanischen Psychologen und Verhaltensforscher Stanley Milgram zurück, stimmt's? Wenn ja, dann erzähl unseren Lesern doch kurz ein bisschen über ihn und das, was euch an der Person und seinen Experimenten so sehr fasziniert hat, dass er zum "Titelhelden" eurer Scheibe wurde.

Tom:
Wie gesagt, wir haben irgendwann entschieden, dass das Album nicht wieder so eine Wortspielerei werden soll. Irgendwann bin ich dann mal auf das "Milgram-Experiment" gestoßen, hab dazu gegoogelt und war wirklich entsetzt. Aber das lässt sich ja auf sehr viele Bereiche anwenden (ob nun Politik, Religion, Musik oder eben Wissenschaft), es muss nur irgendeiner schreien, dass wir jetzt alle unbedingt nach links rennen müssen, und schon setzt sich 95% der Schafherde brav nach links in Bewegung, wohlgemerkt ohne auch nur mal kurz nach rechts geschaut zu haben. So was war mir schon immer suspekt.

Rüdiger:
Habt ihr euch mal selbst die Frage gestellt, wie ihr euch als Teilnehmer des Experiments vermutlich verhalten hättet? Spontan würde man meinen, dass jeder von uns schon vor Beginn des Experiments sagen würde: "Nein, bei so was mach ich nicht mit!". Aber doch waren im Endeffekt alle Versuchspersonen bereit, ihren Schülern Elektroschocks bis zu 300 Volt zu verpassen und erst darüber hinaus fingen sie langsam an auszusteigen. So überzeugt man auch ist, dass man selbst es "besser" machen würde, bringt einen die Tatsache, dass von 40 zufällig gewählten Probanden keiner vor 300 Volt ausgestiegen ist, doch ins Grübeln, oder?

Tom:
Klar hab ich darüber nachgedacht und ebenso klar, denkt man, dass man natürlich nicht wie die anderen mitgemacht hätte. Ich hab kürzlich eine interessante Reportage über Zivilcourage gelesen, wo es hieß, dass das Verhalten in so einer Situation unter Umständen genetisch verankert ist. Ein gewisser Prozentsatz erstarrt in solchen Situationen wie das Kaninchen vor der Schlange und andere wehren sich, tun was und versuchen was zu ändern. Kürzlich hatte ich einen Kriminalbiologen zu einer Lesung und der hat auch gesagt, dass es eben auch auf die Situation ankommt. Unter normalen Umständen würde wohl kaum ein Mann zum Vergewaltiger werden, in Kriegen ist es aber so, dass der Großteil der Soldaten eben genau derartige Gräuel begeht...

Rüdiger:
Kennst du das Buch "The Wave" von Morton Rhue? Das dort thematisierte Experiment hinsichtlich der Empfänglichkeit von Menschen für Totalitarismus und Gruppenzwänge, könnte doch auch ein interessantes Thema für euch sein, oder nicht?

Tom:
"Die Welle" hab ich in der Schule gelesen, steht heute immer noch in meinem Bücherregal und ich weiß heute noch, dass mich das Buch sehr beschäftigt hat. Aber wir werden mit UNDERTOW jetzt bestimmt nicht nach der Wortspiel-Trilogie, die "Menschenversuche"-Trilogie starten...

Rainer:
Zu meiner Schulzeit haben unsere Lehrer "Die Welle" als Experiment an uns ausprobiert. Das Ganze war als "Projekttage gegen Rechts" 1991, als Reaktion auf Rostock usw. eingefädelt worden. In Wirklichkeit wollten die Lehrer uns testen. Es wurden "Gruppenführer" gewählt (u.a. ich), die die "Versuchspersonen" bewusst provozieren sollten. Da das Ganze "unheimlich wichtig" wäre und sogar im Fernsehen käme (haben wir wirklich geglaubt!), sollten wir hart gegen "Gruppenschädlinge" vorgehen. Kurioserweise haben die auffälligen "bösen" Schüler zuerst gegen die Lehrer rebelliert. Die Streber haben sich gefügt...

Rüdiger:
Hat das Album insgesamt einen konzeptionellen Zusammenhang mit den Phänomenen von Autorität und Gehorsam? Falls nein, was sind die sonstigen Themen, die ihr auf der Scheibe textlich behandelt?

Tom:
Ich würde mal sagen, dass sich ein paar der Texte durchaus in diese Richtung lesen lassen. Ein Komplett-Konzept ist aber nicht vorhanden und das liegt schon alleine daran, dass Joschi und ich uns die Textarbeit teilen. Ich würd sagen, dass so etwa 60% der Texte auf meine Kappe gehen und ich beschäftige mich da mit allerlei, was mich in irgendeiner Weise beeindruckt. Das können Bücher, Filme, Nachrichtenberichte, Zeitungsartikel und natürlich auch ganz stark persönlich Er- und Durchlebtes sein.

Joschi:
Meine Texte handeln meistens von den Dingen, die ich in meinem Beruf als Krankenpfleger auf der Psychiatrie erlebe. So verarbeite ich teils auch manche Situationen über die ich mir viel Gedanken mache und die mich zu Hause noch beschäftigen.

Rüdiger:
Der vierte Song trägt den schönen Namen "Hateriot". Auch EXODUS haben den Begriff vor einiger Zeit in ihrem Song "The Scar-Strangled Banner" verwandt. Hattet ihr damit eine bestimmte Sorte Mensch im Auge, oder gar eine spezielle Person? Was ist die Botschaft des Stückes und was haltet ihr von der seltsamen deutschen Übersetzung "Patridiot", die sich im Internet finden lässt?

Tom:
Das mit EXODUS hab ich echt nicht gewusst! Mir ging's da um die ganzen geistigen Tiefflieger, die sich immer als Patrioten bezeichnen und stolz auf ihr Land sind, eigentlich aber nur ultrakonservativ und vernagelt Verbohrtheit und Hass predigen – ob nun in den USA oder auch hier bei uns. Das Wort hab ich dann eben aus Hate und Patriot zusammengezimmert. Die Übersetzung ist mir so noch nie untergekommen, gefällt mir aber, ist auch gleich mit 'ner korrekten Wertung verbunden! :-) Wie kann irgendjemand stolz auf sein Land sein und nur weil er zufällig hier und z.B. nicht im Irak geboren wurde irgendwelche Rechte gegenüber anderen begründen. Wie kann man als fette Made im Speck nicht 'nem armen Schlucker die Luft zum Atmen gönnen?

Rainer:
Ich dachte erst an Hate riot! Wäre ja auch denkbar...

Rüdiger:
Ihr verlinkt auf eurer Homepage diverse Organisationen, die gegen unterschiedliche gesellschaftliche und politische Missstände kämpfen. In wie weit seht ihr euch selbst als politische Band? Das meine ich im Sinne von "politisch engagiert", nicht im Sinne von "parteipolitisch gefärbt".

Tom:
Politik ist ein schwieriges Thema in Verbindung mit Musik. Für mich selbst ist ein politisches Bewusstsein und Interesse so selbstverständlich wie das Atmen. Aber viele Bands tragen dieses Schild viel zu offensiv vor sich her und das hat für mich dann immer so 'nen Beigeschmack von Kommerzialisierung und Mittel zum Zweck. UNDERTOW sind 'ne Metalband und ja, wir sind selbstverständlich politisch interessiert und deswegen haben wir eben auch Links zu unserer Meinung nach unterstützenswerten Organisatoren gepostet. Aber wir tragen wenig davon in die Musik hinein. Ich find das bis zu 'nem gewissen Grad auch so was von überflüssig. Viel Bands schmücken sich z.B. sehr offensiv mit dem Anti-Nazi-Image. Jetzt nicht falsch verstehen, wir sind alles andere als Fans rechter Gesinnung, aber hallo!? Ich finde das ist eine völlig normale Sache, muss man das so plakativ betonen? Ich esse ja auch keine Kinder und schreib das deswegen trotzdem nicht auf unser Albumcover.

Rainer:
Ich finde es bewundernswert, wenn sich Künstler glaubhaft und wirkungsvoll für eine Sache einsetzten (U2, Bob Geldof). Bei vielen Bands riecht es aber leider doch sehr nach Kommerzialisierung. Ich liebte z.B. R.A.T.M., aber AUDIOSLAVE schlachten den alten Ruf jetzt aus.

Rüdiger:
Mit eindeutigen Stellungnahmen zu vielen gesellschaftspolitischen Fragen und dem Aufruf zum politischen Engagement an sich, steht ihr vermutlich eher der Hardcore-Szene nahe, als dem Gros der Metalszene, die sich sehr oft und sehr gerne völlig aus der Politik herauszuhalten versucht. Nicht selten hört man den Spruch "Politik interessiert mich nicht!". Stört dich das weit verbreitete, teils fast plakativ zur Schau gestellte Desinteresse vieler Metalfans und Metalbands an derlei Themen?

Tom:
Natürlich stört mich das, aber ich möchte da die einzelnen Szenen nicht über einen Kamm scheren, es gibt ja auch 'ne Menge Metalbands, die politisch wach unterwegs sind und damit auch nicht hinterm Berg halten – NAPALM DEATH zum Beispiel. Andererseits ist in der Hardcoreszene eben auch nicht immer alles Gold was glänzt. Da ist es ja eben auch wieder so, dass man mit dem falschen Shirt und Haarschnitt schon schief angeschaut wird, da ist dann auch nix mehr mit Toleranz und Unity. Eine Zeit lang haben sich die Kids auch wie wild mit dem Edding ihr X auf den Handrücken gemalt und viele davon vernichten heute munter Alkohol, süße Tiere und auch Drogen ohne Ende. Ich denke, das hat oft auch was mit Mode zu tun.

Rainer:
Wenn nur noch die Hälfte aller stimmberechtigten Bürger zur Wahl geht (so wie jüngst in BW), stellt sich doch die Frage: Haben wir die Demokratie noch verdient? Das allgemeine Desinteresse allem gegenüber, was über den eigenen Tellerrand hinausgeht, ist beängstigend. Ich zumindest möchte in keiner anderen Staatsform leben, und dafür muss man wohl auch was geben – und wenn es nur die Stimme ist.

Rüdiger:
Ihr selbst bezeichnet eure Musik schlicht und ergreifend als "Metal" - ohne jeden Schnickschnack vorne dran. Da ihr aber offensichtlich sowohl von diversen Metal-Stilen als auch vom Hardcore beeinflusst seid, stellt sich die Frage, wie ihr denn zum nicht mehr wirklich neuen, aber derzeit eben massiv gehypten Phänomen "Metalcore" steht. Ohne euch in die Schublade stecken zu wollen, könnte ich mir gut vorstellen, dass auch der eine oder andere junge Metalcore-Freak auf UNDERTOWs Musik anspringen könnte. Doch zurück zu dem, was ich wissen möchte: Denkt ihr, dass eine altgediente Metalband wie UNDERTOW von der Metalcore-Bewegung und dem Hype, der um sie veranstaltet wird, profitieren kann, oder siehst du die Sache eher skeptisch?

Tom:
Ach, das würde mich dann doch wundern. Wir haben es irgendwie geschafft immer zwischen den Stühlen zu sitzen, zwar gab's wohl oft auch ein paar Passagen, die zu 'ner grad erfolgreichen Strömung gepasst haben (erst Grunge, dann Hardcore, Emo und jetzt eben Metalcore), ich hatte aber nicht den Eindruck, dass sich die Trendkarawane dann groß an uns gütlich getan hat. Witzig ist ja, dass ich vor ein paar Jahren immer mal ganz gerne von Metalcore in Verbindung mit UNDERTOW gesprochen habe, heute kann man das nicht mehr bringen, weil das die Leute jetzt eben auf 'ne ganz falsche Fährte führt.

Joschi:
Die Bezeichnung Metalcore war auch schon immer wieder bei mir im Schädel, seit es UNDERTOW gibt. Da gab es mal eine sehr geile Band namens PITTBULL, die ihren Stil auch als Metalcore bezeichneten. Das war so 1994/95 rum. Aber dieser derzeitige Hype ist ja schon wieder schwer am Abflachen, deswegen denke ich auch nicht, dass wir davon profitieren könnten. Wobei ich einen gewissen Einfluss nicht unbedingt verleugnen will!

Rainer:
Kenn mich mit den Begriffen nicht so aus. Emo, Metal, Core... im Endeffekt gibt es doch nur gute und nicht so tolle Musik.

Rüdiger:
Würden euch spontan ein paar Metalcore-Bands einfallen, die ihr richtig gut findet?

Tom:
Klar, ich hab 'en ganzen Sack davon hier im Regal stehen und auch regelmäßig im Player, ob nun US-Bands wie KILLSWITCH ENGAGE, UNEARTH, CHIMAIRA und AS I LAY DYING oder auch europäische/deutsche Combos wie CATARACT, FEAR MY THOUGHTS oder MAROON.

Joschi:
Die Genannten von Tom sind schon mal ziemlich geil, ja! Mir fallen da noch NEAERA ein, die ja ein unglaubliches Debüt via Metal Blade veröffentlicht haben.

Rüdiger:
Zurück zu UNDERTOW: Ihr habt ja - gerade hier im schwäbischen Raum, aber schon lange auch weit darüber hinaus - einen tollen Ruf als hervorragende Liveband, den ihr euch mit unzähligen Shows auch hart verdient habt. Wie wichtig ist es euch nach 13 Jahren Bandgeschichte noch, regelmäßig live auftreten zu können?

Tom:
Erst mal danke für die Blumen, das hört man natürlich gerne. Aber gerade darum geht es eben, die Motivation bei UNDERTOW war und ist die Liebe zur Musik und der Spaß am gemeinsamen Spielen, und der Spaß potenziert sich natürlich durch ein austickendes Publikum. Live-Shows sind also sehr wichtig. Wobei wir mit unseren Jährchen auf'm Buckel natürlich nicht mehr auf Biegen und Brechen spielen müssen. Das muss schon fair zugehen und Hand und Fuß haben. Für ein Konzert, für das keine Werbung gemacht wurde, wo dann 'ne miese Anlage steht, es keinen Backstageraum und nichts zum Essen/Trinken und auch keine Kohle gibt, müssen und wollen wir heute kein Wochenende mehr opfern nur um 'ne Show mehr gespielt zu haben. Andererseits würden wir für 'ne Supportshow im Vorprogramm einer unserer Helden bestimmt sofort mit Vergnügen Spritgeld aus eigener Tasche drauflegen und auch ohne Gage und Catering gerne spielen...

Rainer:
Live-Shows sind der Grund der ganzen Sache, das eigentlich Wichtige. Wenn ich hinterm Schlagzeug sitze und sehe, wie die zwei Jungs und das Publikum abgehen... Adrenalinüberdosis!!!

Rüdiger:
Ich hatte meinen Erstkontakt mit UNDERTOW ja erst sehr spät, nämlich letztes Jahr beim "Rock am Rand"-Festival in Giengen-Sachsenhausen und das hat mir damals echt super gefallen. Wie habt ihr denn das Festival erlebt?

Tom:
Es ist ja oft so, dass die Konzerte, von denen man vielleicht im Vorfeld nicht ganz so viel erwartet, am besten laufen. Wir haben recht früh gespielt, hatten aber trotzdem viel Spaß und das Gefühl, dass wir gut bei den Leuten angekommen sind. Das Team dort war sehr bemüht und nett, das Gelände war der Wahnsinn (ein riesiger Spielplatz mitten in 'nem Wohngebiet, ich pack es bis heute nicht, dass die dafür 'ne Genehmigung von der Gemeinde bekommen haben!!!) und als es dunkel wurde, haben sie riesige Feuer in geschlitzten Baumstämmen entzündet – sehr cool, das. Zu meiner Verwunderung war sogar die METALLICA-Coverband richtig gut!

Rainer:
Toller Sound, tolle Bühne, nette Leute und Backstage mit METALLICA, was will man mehr?

Rüdiger:
Headliner war ja die schwäbische 80er-Metal-Institution STORMWITCH. Wer als Metaller hier in den Achtzigern aufgewachsen ist, dürfte sicher die eine oder andere Jugenderinnerung an die Band haben, oder?

Tom:
Ich bin ja gar nicht hier aufgewachsen, sondern weiter im Norden, in der Nähe von Crailsheim. Ich hab nicht lang dem Heavy Metal gefrönt, den STORMWITCH spielen, aber ich hatte eine LP von ihnen, die ich immer zum Mutti-Überzeugen verwendet habe – da war nämlich "Rondo a la Turca" von Meister Mozart drauf. Cover war grün und hatte glaub ich gelbe Schrift – mehr weiß ich aber auch nicht mehr, meine LPs wurden mir bei 'nem Umzug mal alle gestohlen...

[Tom spricht von "Eye Of The Storm" - Anm.d.Verf.]

Joschi:
Ja was soll ich nun dazu sagen. Die Jungs von STORMWITCH hatten ihren Proberaum damals (ich war so zehn-zwölf Jahre alt) ca. 500 Meter von meinem Elternhaus weg. Da verbrachte ich natürlich so manche Stunde vor dem Fenster ihres Proberaums. Fragen, ob ich rein darf, hab ich mich damals nicht getraut. Mittlerweile kenne ich viele Ex-Mitglieder der Band und habe sogar beruflich mit "Steve Merchant" zu tun, der als Berufsbetreuer arbeitet.

Rainer:
Ich hab in den Achtzigern noch QUEEN und TWISTED SISTER gehört. STORMWITCH kenn ich nur vom Namen.

Rüdiger:
Vielleicht eine Frage für Joschi: Wie erklärst du es dir, dass von mehreren schwäbischen Bands, die in der schwäbischen Provinz ein Festival vor lauter Schwaben spielen, nur ein Frontmann (nämlich Joschi) das Offensichtliche tut, und sich mit den Leuten konsequent in ihrer Muttersprache unterhält? Nicht, dass es mich groß stören würde, aber wundern tut es mich dann doch, wenn Musiker, mit denen man sich vor und nach dem Gig noch auf Schwäbisch unterhalten hat, auf der Bühne plötzlich mit einer Mischung aus Hochdeutsch und Englisch ankommen. ;-)

Tom:
Also ich find's ja immer sehr witzig, wenn's Joscherl dann im Ausland (also außerhalb von Schwabistan) versucht Hochdeutsch zu reden, prust...

Joschi:
Öha, da hab ich mir so noch gar keinen Kopf drüber gemacht. Das bin halt ich, keine Ahnung. Also wenn wir Richtung Stuttgart oder Nürnberg kommen streng ich mich glaub schon an nicht ganz so zu schwäbeln, aber in Sachsenhausen, also ich bitt dich, in SACHSENHAAAUUUSEN !?!

Rüdiger:
So muss es sein!

Die verschiedenen Oberflächen eurer Homepage sind ja mal richtig klasse. Scheint euch richtig Spaß gemacht zu haben, die entsprechenden Photos und Layouts zu erstellen. Jedes "Skin" trägt ja den Namen einer befreundeten Band... habt ihr versucht, die Homepage jeweils im Stil jener Band zu präsentieren, oder was hat es damit auf sich?

Tom:
Dazu stimmen Sie bitte lauthals mit ein "Ralf Barth ist Gott!". Ralf ist unser Webmaster und wir lieben unsere Homepage heiß und innig. Die Idee mit den verschiedenen Styles, also dass man die Seite quasi umziehen kann, kam von ihm. Witzigerweise haben wir es dann ganz gut hinbekommen, die verschiedenen Styles mit befreundeten Bands/Organisationen zu benennen und farbig umzusetzen: "End Of Green" hat viel Grün, "Dry Rot" viel Rot, "Silverdust" viel silbergrau usw. – nicht zu vergessen "Caress", die Band unseres Ex-Drummers, die ist sehr rosa (weil "caress" eben Zärtlichkeit bedeutet), also eher was für die Ladies – im Gegensatz zu CARESS, die machen Slayercore, also eher nix für Mädels.

Rüdiger:
Wie fühlt man sich als beinharte Metalband in Engelskostüm vor einem rosa Hintergrund?

Tom:
Das ist 'ne Frage für unseren Womanizer, unseren nicht mehr ganz so "neuen" Drummer Rainer (den wir ja eh nur in die Band gecastet haben, weil wir optisch ansprechender werden wollten! Ja, es ist ein hartes Business)...

Rainer:
Oh Mann, was ich mir schon alles wegen dem Bild anhören musste! Aber ich find's verdammt cool. Es müssen ja nicht immer die üblichen Fotos mit Trinkhorn und Streitaxt sein.

Rüdiger:
Noch 'ne Frage an Joschi: Wie lange muss man üben, bis man den Trick mit der Oberlippe hinbekommt?

Joschi:
Ich war in den Achzigern sehr fasziniert von BILLY IDOL. Der hat das ja auch immer gemacht. Da hab ich das zum ersten Mal gesehen und es hat gleich auf Anhieb geklappt.
Ach ich mach ständig so 'nen Blödsinn. Nervt mich manchmal selber. Es gibt kaum Fotos, auf denen ich normal schaue. Sogar bei Familienbildern zieh ich immer ein ulkiges Gesicht. Die einzige, die es wirklich klasse findet, ist meine kleine Tochter. Die kugelt sich immer vor Lachen, haha!

Rüdiger:
So wie ich euch einschätze, werdet ihr euch nicht lumpen lassen, und "Milgram" auch kräftig live promoten, stimmt's? Was steht in der nächsten Zeit alles in Sachen Konzerte, Festivals und Tourneen an?

Tom:
Wir wollten zum Release natürlich unbedingt eine ordentliche Tour hinlegen und sind froh, dass das auch geklappt hat. Wir gehen also ab Mitte April mit PRO-PAIN im Nightliner auf Tour durch sechs europäische Länder. Ansonsten stehen schon ein paar coole Festivals im Sommer fest (u.a. spielen wir in Dischingen mit ALICE COOPER und auch auf dem Summer Breeze) wobei ich denke, dass da noch einiges dazu kommt, sobald das Album dann draußen ist und unser Booker richtig loslegen kann. Im Herbst würden wir gerne noch 'ne kleine Tour mit 'ner Band, die in etwa unseren Status hat, durchziehen, aber da ist noch nichts konkret. Und ansonsten eben so viele Einzelshows wie möglich...

Rüdiger:
So, das war's. Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit für meine Fragen genommen habt. Wenn ihr noch was ankündigen oder los werden wollt: Das letzte Wort geht an euch!

Tom:
War zwar lang, aber eben nicht langweilig. Hast dir echt ein paar coole Fragen ausgedacht und das gehörte auf jeden Fall zu den besten "Milgram"-Interviews bisher! Ansonsten auch unbedingt das neue Album von unseren Labelmates und Freunden KORODED antesten! Erscheint auch dieser Tage und wir spielen auch ein paar gemeinsame Shows, auf die wir uns schon sehr freuen. Danke für's Interview, take care!

Joschi:
So isses! Vielen Dank auch von meiner Seite, scheee war's.

Redakteur:
Rüdiger Stehle

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